Johanna Ambrosius (1854-1939) - Liebesgedichte

Johanna Ambrosius

 

Johanna Ambrosius
(1854-1939)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 

Ach, hätt' ich früher dich gesehn

Ach hätt' ich früher dich gesehn
Und wär's 'ne einz'ge Stund',
Wollt' segnen diesen Augenblick
Noch mit erblaßtem Mund.

Ach, hätt' ich früher dich geliebt,
Du reines Seelenlicht,
Fürwahr, der Engel schönes Los,
Beneidete ich nicht.

Ach, hätte ich früher dich geliebt,
Und wär's auch nur im Traum,
Hing meiner Hoffnung Blütenkranz
Nicht welk am Lebensbaum.
(S. 48-49)
_____
 

Du

Ach säh'st du mich nur einmal an
Mit deinen Zaubersternen,
Wie wollt ich freud'gen Mutes dann
Das Leben tragen lernen.

Für einen Kuß von deinem Mund
Könnt' ich das Meer bewegen,
Die schönsten Perlen aus dem Grund
Zu deinen Füßen legen.

Und könnt' mit meinen Liedern all'
Ich deine Lieb' erringen,
Ich würde wie die Nachtigall
Mich gleich zu Tode singen.
(S. 47)
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Ach, bindet mir die Hände doch

Ach, bindet mir die Hände doch
Mit festen Eisenketten,
Sie könnten sonst ein liebes Haupt
An meinen Busen betten.

Und mauert auch das Herze ein
Und schlagt es fest zusammen;
Es zucken aus den Fensterlein
Schon helle Liebesflammen.

O, macht mich taub, o macht mich blind,
Daß ich das Glück nicht sehe,
Mir armen gottvergess'nem Kind
Ist gar so weh', so wehe!
(S. 47)
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Dein Kuß

Der Kuß, der auf dem Mund dir lag,
Ich hab ihn mir genommen,
Nun jauchz' ich wie ein Vöglein froh,
Was kommen will, mag kommen!

Wem Götter bieten einen Trunk,
Der soll nicht lange zagen,
Sie könnten sonst in heil'gem Grimm
Des Glückes Glas zerschlagen.

Und sollte auch der kalte Tod
Sich neben mich nun legen,
Die Lippe, die dein Mund berührt,
Wird lächeln ihm entgegen.
(S. 42)
_____

 

Mainacht

Der Mond geht auf! Noch einmal holt tief Atem
Der Wind und legt sich müde dann zur Ruh;
Die Blümlein alle falten fromm die Hände
Und schließen langsam ihre Augen zu.
Ein Friedenshauch durchzittert Wald und Fluren,
In Millionen Perlen glänzt der See,
Und auf des Waldes grünbemoosten Wegen
Eilt flücht'gen Fußes hin das keusche Reh.

Es tropft von Silber nun die kleinste Welle,
Darauf der Wasserrose Köpfchen ruht;
Auf steigt in nie gestilltem Sehnsuchtsdrange
Die schlanke Nix' empor aus kühler Flut;
In süßen Tönen bricht aus Schilf und Weiden
Das Liebeslied der Nachtigall sich klar,
Die Nix' hört's und tanzt dazu den Reigen
Und schlingt die schönsten Rosen sich ins Haar.

Welch Flüstern doch, welch heimlich stilles Winken!
Von Stern zu Stern ein leiser Glockenklang;
Mir ist's, als stände weit der Himmel offen,
Als klänge dorther süßer Engelssang.
Gleichmäßig nur in sanften Atemzügen
Hebt sich die Brust der gütigen Natur,
Und von des müden Tages heißer Wange
Ist fortgeküßt die letzte Thränenspur.

Und Du, mein Herz, willst immer bange weinen,
Als gäb's für Dich nur Sturm und Sonnenbrand?
Sieh her, wie wunderschön am goldnen Wagen
Der ew'gen Liebe Banner ausgespannt!
Auch Deine schmerzverbrannten Fluren werden
Vom sanften Mondenschein dereinst bestrahlt,
Drin schöner sich wie in krystallnen Seen
Des ew'gen Friedensboten Bildnis malt.
(S. 20-21)
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Mein treu Herzlieb

Die Nachtigall klaget
Im Fliederstrauch,
Es koset und schmeichelt
Der Frühlingshauch.
Zur Rose zog er,
Sie war sein Lieb:
Nun öffne den Kelch, du,
Mein treu Herzlieb!

Am Gartenzaun standen
Zwei Kinder schön,
Sie sprachen vom Scheiden,
Vom Wiederseh'n.
Wein' nicht, liebe Kleine,
Die Äugelein trüb,
Du bleibst ja auf Erden
Mein treu Herzlieb!

Es recket die Lilie
Aus blauem See
Sich sehnend zum Monde,
Hinauf zur Höh.
Mit silbernem Griffel
Er oben schrieb:
Für mich lebst und stirbst du,
Mein treu Herzlieb!

Noch lange stand sinnend
Ich einsam, allein,
Es wogte und rauschte
Im duftigen Hain.
Da hört' ich was rauschen,
Es war kein Dieb -
Nun hält mich im Arme
Mein treu Herzlieb.
(S. 44-45)
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Warum ich weine

Du fragst, warum ich weine?
Hab' ich dir nie gesagt,
Warum im Mondesscheine
Die Nachtigall tief klagt?

Sie schaut des Mondes Helle,
Sehnsucht hebt ihre Brust,
Wenn leicht die Silberwelle
Sich kräuselt still vor Lust.

Wenn alle Blumen strahlen
So geisterhaft und schön,
Dann möcht' vor Liebesqualen
Im Mondschein sie vergehn.

Sie liebt ihn; doch vergebens
Singt sie für ihn sich müd',
Die Thränen ihres Lebens
Ergießen sich im Lied!
(S. 45-46)
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So geht's

Du gabst mir einmal eine Rose,
Mir ist, als ob ich's säh',
Und, als ein Dorn mich blutig ritzte,
Sprachst bebend du: "That es dir weh?"

Dein Tüchlein legtest auf die Wunde,
Es war so lind und weiß wie Schnee;
Ich lachte ob der kind'schen Sorgen,
Und sagte nur: "Es thut nicht weh."

Doch als von dir das Herz zerrissen
Mir ward wie einem wunden Reh,
Ist nicht im Traum dir eingefallen
Auch nur zu fragen: "That es weh?"
(S. 49)
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Du hast zu mir gehalten

Du hast zu mir gehalten
Als alles mich verließ,
Als selbst die eig'ne Mutter
Ihr armes Kind verstieß.

Verlassen und verloren,
So ging ich durch die Nacht,
Ein irrend Blatt im Winde -
Du hast an mich gedacht.

Des Spottes Pfeile schossen
Hernieder auf mein Haupt,
Verachtung ohne Ende -
Du hast an mich geglaubt.

Bei diesem Trostgedanken
Fand ich den Weg zur Ruh,
O sei dafür gesegnet,
Mein guter Engel, Du!
(S. 43)
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Vor Gericht

Ein kleines Herz ward vor Gericht gebracht,
Weil es nicht länger wollt' der Pflicht mehr dienen,
Und sah mit seiner dunkeln Augen Macht
Bang in des Schicksals schwarzumflorte Mienen.
Zur Seite stand die Pflicht, ein Riesenweib,
Mit Augen farblos, daraus Thränen bluten,
Die Unermüdliche, zum Zeitvertreib
Schnitt sie ein Bündel scharfer Eisenruten. -
"Was," hub des Schicksals Donnerstimme an,
"Fehlt dir zu deines Hauses vollem Segen?
Hebt nicht die Pflicht dich bis zum Himmel an,
Schützt vor Versuchung dich auf allen Wegen?
So wie der Stab der Blume Haltung giebt,
Daß sie nicht werde jedem Wind zum Raube,
So blüht ein Herz, das treu die Pflicht nur liebt,
Zur vollsten Schönheit auf in Hoffnung, Glaube."
Ein Schauder flog bei diesem Wort durchs Herz,
Die Lippen zuckten im verhalt'nen Weinen:
"Gieb mir das Glück," so fleht's in heißem Schmerz,
"Auf einen Augenblick, nur einen, einen!
Mich friert doch ewig in dem dünnen Kleid,
Das mir die Pflicht gemacht, ich kann's nicht tragen,
Es ist zu eng, und bringt mir großes Leid,
Und doch darf ich's niemals zu ändern wagen.
Schau her, wie schön sie es mir hat gefärbt,
Mit meinem Blute ist es jüngst geschehen,
Ein jedes Wort ist mir ins Fleisch gekerbt,
Da kannst du ewig ihre Sprüche sehen.
Wie eine Wüste ist ihr Angesicht,
Und unaufhörlich peitscht sie mir die Hände,
Siehst du den Dornenkranz auf meiner Stirne nicht?
Er schmerzt, wo ich auch nur das Haupt hinwende,
Und Ketten hängt sie an des Kleides Saum.
Die müden Füße tragen sie kaum weiter,
Frei werd' ich nur des Nachts im tiefsten Traum,
Dann hebt das Glück mich auf die Rosenleiter.
Dann grüßt der Palmenhain herüber lind
Und Harfenklänge ziehn mich in den Reigen
Der Glücklichen, dann bin ich auch ihr Kind
Und geb' der Freude voll mich dann zu eigen.
Nur einmal laß mich off'nen Auges sehn,
Was mir der Traum enthüllt in mattem Glanze,
Laß trinken mich den Göttertrank der Feen,
Den sie kredenzen jeder Braut im Kranze.
Nur einmal laß mich meine heiße Brust
Ins Meer der süßen Liebesgluten tauchen,
Nur einmal laß des Glückes volle Lust
Mir seinen Kuß auf meine Lippen hauchen.
Nimm meine Seligkeit, ich geb' sie dir,
Will ehrlos sein für alle Ewigkeiten,
Nur öffne einmal mir des Glückes Thür,
Dann kannst erbarmungslos du über mich hinschreiten."
Und bitter weinend warf das Herz sich hin,
Umschlang den Thron mit seinen schwachen Armen;
"O änd're, Schicksal, deinen harten Sinn,
Und habe mit dem kleinen Herz Erbarmen!"
Das Schicksal winkt: Es sei. – Ein Windesstrom
Voll Weihrauchduft zieht um des Hauses Stufen,
Und mahnend her vom nahen Kirchendom
Die Abendglocken leis' zur Andacht rufen.
Still geht die Pflicht dem frommen Klange nach,
Im heil'gen Feuer sich die Wangen röten,
Da tönt ein Schrei laut gellend durchs Gemach;
"Halt!" ruft das Herz, "ich gehe mit zu beten."
Wirft in die Arme sich der strengen Frau
Und drückt den Dornenkranz sich wieder fester,
"Fahr' wohl, mein Glück, mit deiner Märchenau' -
Ich bleibe bei der grausam schönen Schwester!"
(S. 62-63)
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Dereinst

Einst wird die Stirn mit ihrem Flammenlodern,
Die manche Stunde grübelnd hat durchwacht,
In dunkler Erde bitterkalt vermodern -
Und alle Sorge ist dann ausgedacht.

Und meine Hände, die so schmerzlich brennen,
Und meine Füße, die so wehe thun,
Sie werden sich von aller Arbeit trennen
Und Zeit dann finden, um sich auszuruhn.

Jedoch mein Herz mit seinen Feuergluten
Wird nie zu Asche noch zu Staub vergehn,
Es wird draus immer neue Liebe bluten
Und hoch als Stern auf dich, Geliebter, sehn.
(S. 92)
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Frühlingsgedicht

Er kommt auf Windesflügeln
Her über Thal und Hügeln
Mit sonnigem Gesicht;
Und wer ihn wollte fragen
Warum? Dem wird er sagen:
Thor, alte Liebe rostet nicht.

Mit lächelnder Gebärde
Küßt er dem Bräutchen Erde
Die dunkeln Augen wach:
Mein Lieb, nun aus dem Bette,
Mach hurtig Toilette,
Heut' ist unser Hochzeitstag.

Bringt selbst das Kleid von Seide
Nebst blitzendem Geschmeide
Zur Morgengabe dar,
Drückt unter Scherz und Kosen
Den Kranz von weißen Rosen
Ihr in das lange Seidenhaar.

Dann ruft er: Auf, zur Stelle,
Stimm' an, Musikkapelle!
Frau Lerche dirigieret;
Die Nachtigall im Flieder
Singt heut' das Solo wieder
Mit allem Schmelz, wie's sich gebührt.

Und ihr, ihr meine Knaben,
Bringt her die Hochzeitsgaben,
Daß sich ihr Herz erfreut;
Da schleppen Elfenhändchen
Die schönsten Silberbändchen
Mit Demantperlen überstreut.

Nun flammen auf die Kerzen
Aus tausend Blütenherzen
Getränkt mit Honigduft;
Der Glöcklein süßes Läuten
Durchdringt des Weltalls Weiten,
Und Opferrauch erfüllt die Luft.

Die grünen Banner schimmern
Und Edelsteine flimmern
An jedem kleinsten Stab;
Die Blüten und die Halmen
Sie beten Dankespsalmen,
O Frühling, holder Wunderknab'!

Der Herr legt selbst die Hände
Auf's Haupt ihr, und ohn' Ende
Zieht Jubel durch das Land.
Am jungen Hochzeitsmorgen
Sind ferne Leid und Sorgen - -
Die kommen erst im Ehestand.
(S. 36-37)
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O lieb' auch du

Es flüstern die Wellen
Im Mondenglanz
Die süßesten Weisen
Zum Nixentanz;
Sie lachen und winken
Einander zu
Und plätschern leise:
"O lieb' auch du!"

In blühender Linde
Ein Taubenpaar
Pflegt sorgsam die Jungen
Schon Jahr um Jahr;
Sie schnäbeln und kosen
Ohn' Rast und Ruh'
Und zwitschern herzinnig:
"O lieb' auch du!"

Wie hat doch der Himmel
Die Erde lieb,
Ist er auch zuweilen
So trostlos trüb;
Es bricht durch die Wolken
Die Sonn' im Nu
Und lacht dir entgegen:
"O lieb' auch du!"

Doch willst du die Liebe
So recht verstehn,
Mußt auf zu dem Bilde
Des Heilands sehn -
"Ich gab dir mein Leben, -
Was giebst denn du?
Du unstätes Herze,
So lieb' auch du!"
(S. 78-79)
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Wein' nicht, ich bin dir gut

Es lächelt jeden Morgen
Die Sonne rot wie Blut
Der feuchten Erd' entgegen:
"Wein' nicht, ich bin dir gut!"

Im Wasser, fern der Heimat,
Ein stiller Schläfer ruht,
Doch streicht die Nix' sein Antlitz:
"Wein' nicht, ich bin dir gut!"

Leis' haucht der bunte Falter
Zur Ros' in Liebesglut,
Die Thrän' im Aug' ihr küssend:
"Wein' nicht, ich bin dir gut!"

Nur du und ich, wir beide,
Wir finden nicht den Mut
Uns nur im Traum zu sagen:
"Wein' nicht, ich bin dir gut!"
(S. 50)
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Vorüber

"Hab vieles schon getragen,"
Stöhnt leis' ein Blümelein,
"Es warfen rohe Hände
Mich oft mit Sand und Stein.

Auch haben harte Tritte
Mir schmerzhaft Weh gebracht,
Mir oft für lange Zeiten
Gehemmt die Lebenskraft.

Nur du gingst still vorüber
Gemessen deine Bahn,
Und hast mir doch von allen
Am meisten weh gethan!"
(S. 43-44)
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Dein Bild

Ich hab' dein Bild, dein Bild so gern
Wie nichts, wie nichts auf Erden,
Es mußte wohl der schönste Stern
Zu deinem Auge werden.

So lieb, wie mich dein Blick anschaut,
Schaut nichts mich an hienieden,
Kein Himmel reiner, tiefer blaut,
Kein Himmel giebt mehr Frieden.

Ich hab' so lieb, so lieb dein Bild,
Hab's jede Stunde lieber,
Und wenn die Nacht durch's Fenster quillt,
Nehm' ich's im Traum hinüber.

Und lasse keinen Blick von dir,
Daß nichts zu nah dir trete,
Und springt des Tages Rosenthür -
Vor deinem Bild ich bete.

Ich hab' dein Bild, dein Bild so gern,
Du reinste von den Reinen!
Doch denk' ich, daß du fern, so fern,
Dann muß ich bitter weinen.
(S. 110)
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Enttäuscht

Ich hab' eine glitzernde Perle gekannt,
Mich däuchte sie wunderfein -
Doch als ich sie hielt in meiner Hand,
War's nur ein Kieselstein.

Ich hab' eine rote Rose gepflückt,
Zart wie des Lenzes Hauch,
Doch als ich damit meinen Busen geschmückt,
War's nur ein Dornenstrauch.

Auch ein Herz, ein Herz wurde mir gesandt,
Ich glaubte es liebend – heiß;
Doch als ich das Herz an meines band,
War's fühllos kalt wie Eis. –
(S. 81-82)
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Für Dich

Ich habe dich lieb, so unendlich lieb,
Doch darfst du es nimmer wissen,
Nur einmal möcht' ich, ganz leis' wie ein Dieb,
Im Schlummer die Hände dir küssen.

Nur einmal möcht' ich durch Geistermund
Von meiner Lieb' dir erzählen:
Ließ heiteren Auges mich gleich zur Stund'
Geduldig zu Tode quälen.

Doch wenn du nicht mehr auf Erden wirst sein,
Dein Tod hier keinen betrübet,
Dann werd' ich es laut in die Welten schrei'n,
Daß ich dich unsagbar geliebet.
(S. 53)
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Ich habe geliebt

Ich habe getrunken der Sonne
Allverzehrende Glut,
Ich habe tief im Schatten
Des Silbermondes geruht.

Auf jagenden Winden gezogen
Bin ich über alle Welt,
Hab' Sterne am Himmelsbogen
Mir zu Gespielen gesellt.

Und Elfen und Nixen sangen
Mir Lieder so süß und fein,
Und alle Wolken schwammen
Im rosigen Zauberschein.

Da fragten der Mond und die Sonne:
Ob's wohl noch Schön'res giebt?
Ich jauchzte entgegen voll Wonne:
Ich habe geliebt, geliebt!
(S. 48)
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Frage

Kann das Kindchen noch nicht gehn?
Hör' ich öfters fragen,
Kann doch schon alleine stehn,
"Lieber Vater" sagen!
Doch die Mutter liest entzückt
In des Kindes Sternen,
Ist im Vorgefühl beglückt,
Daß es gehn wird lernen.

So hab' ich gefragt mein Herz:
Kannst denn noch nicht tragen
Deinen auferlegten Schmerz?
Kannst doch "Vater" sagen!
Schaue nur mit hellem Blick
Zu den ew'gen Sternen,
Und du wirst dein herb' Geschick
Lächelnd tragen lernen.
(S. 65)
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An meine Rose

Komm an mein Herz, du zarte Rose
An leichtbewegtem, schlankem Stiel,
Daß nicht der Herbst, der blätterlose,
Dein süßes Lockenhaupt zerwühl'.
An meinem Herzen ruh' geborgen
Vor Wetter, Sturm und Ungemach,
Es küßt dich sanft an jedem Morgen
Die Lieb' zu neuem Leben wach.

Ich weiß ein wunderlieblich Eden
Fernab vom lauten Weltgetrieb',
Wo holde Blumenkinder reden
Von Lieb' und immer nur von Lieb',
Wo Nachtigallen jubeln – klagen
Von Liebeslust, von Liebesleid,
Da laß mich dich hinübertragen
Mit starkem Arm für alle Zeit.

O schüttle nicht die süßen Locken,
Auch deine Schönheit wird vergehn,
Es streut der Winter seine Flocken
Auch dir aufs Haupt, eh' du's versehn.
Spürst du nicht schon des Herbstes Kühle?
Die Schwestern welken allerwärts -
Du zarte Ros' an schwankem Stiele,
Entschließe dich: "Komm an mein Herz!"
(S. 79-80)
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Mein Herz

Mein Herz ist stark wie ein Eichenbaum
Mit knorrigen Ästen und Zweigen,
Es strebt hinaus zum sonnigen Raum
Und kann sich nicht bücken noch neigen.

Ein stolzes Schiff mit Flaggen und Mast,
Zieht's kühn durchs Wellengebrause,
Das findet auch nirgends Ruhe und Rast
Als im Hafen drüben zu Hause.

Oft gleicht mein Herz einem Feuerstein,
Liegt kalt und starr wie versunken,
Doch schlägst du mit edlem Metall darein,
Umsprühen dich Flammen und Funken.

Doch wird der Liebe allmächtiger Strahl
Es fassen mit allen Gewalten,
Wird's weicher noch als der Schnee im Thal,
Als die Eiche, vom Blitz zerspalten.
(S. 100)
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Mich friert

Mich friert im heißen Sonnenbrand
Bei aller Blütenpracht,
Seit eine grausame kalte Hand
Mir einen Trunk gebracht.

Mich friert am heißen Flammenherd,
Den wilde Glut durchwallt,
Ob auch das Feuer ewig währt,
Mir ist doch ewig kalt.

Und wenn ihr Sonn- und Feuersglut
Bis an den Himmel schürt,
Bleibt doch zu Eis erstarrt mein Blut,
Mein Herz ist tot – mich friert.
(S. 80)
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Memento mori

O hätt' ich einmal dir noch können sehn
Ins braune Aug', das gleich der ew'gen Flamme
Die todesmüde Seele mir durchhaucht. -
Aus ferner Kinderzeit
Tönt noch in meinem Ohr
Der süßen Stimme Laut,
Mit der du oft gegrüßet
Mich um die Dämmerzeit,
Wenn mit geheimen Fäden
Mein Sinnen und mein Träumen
Zu dir zog.
Wenn deine Hand so fest die meine
Preßte ans ungestüme Herz,
Wie zog in mir dann froh die Ahnung
Auf von einem hohen künft'gen Glück.
Da rief das Schicksal dich hinaus ins Leben;
Du folgtest gern und sogst
Es ein in vollen Zügen
Und hattest in des Glückes gold'ner Fülle
Nur gar zu bald vergessen,
Was weinend mir beim Scheiden
Du versprachst.
Denn ach, gar bald zogst eine andere
Blume du ans Herz,
Und jubelnd sangst du ihr dieselben
Lieder, die meine stille Kammer
Zum heil'gen Tempel einst geweiht.
Sie saß auf deinen Knie'n, aus weißer
Stirn die schwarze Seidenlocke sanft dir streichelnd,
Wie ich es oft gethan vor Jahren,
Wenn deine Sorge du mir klagtest
Und mir mit süßem Kuß
Die Worte von den Lippen nahmest. -
O hätt' ich einmal dich noch können sehn!
Wie du vom Glück umflossen
Auf der Höhe standest,
Um jäh darauf in Todesnacht zu sinken.
Im Arm der Liebe schliefst du ein auf ewig.
So ungeahnt gleich einem Sieger,
Der vor der Heimat Schwelle
Rücklings erschlagen wird. -
Mit wie viel Thränen man
Auch deinen Tod beweinet,
Wie dein verlassen Lieb trostlos die Hände rang,
Ich kann das alles nicht.
Ich kann nur beten, morgens, mittags, abends:
O, hätt' ich einmal dir ins Aug' noch können sehn!
(S. 50-52)
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Das Herze auf

O laß nur einen Vogelton
In deine Brust hinein,
Gleich stimmt mit vollem Jubellaut
Die ganze Seele ein.

Den Duft von einer Blume nur
Nimm auf wie Gotteshauch,
Dann sprossen tausend Blüten dir
Im Herzensgarten auch.

Zu einem Stern am Himmelsraum
Richt' deiner Seele Flug,
Dann hast du auf der weiten Welt,
Mein Kind, des Glücks genug.
(S. 78)
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O mart're meine Seele nicht

O mart're meine Seele nicht,
Daß sie, so schweigsam still,
Selbst unter deinem Sonnenkuß
Sich noch nicht öffnen will.

Die Liebe ist ein eigen Ding,
Kommt oft von ungefähr,
Und wer auf Bergeshöh'n sie sucht,
Dem schlummert sie im Meer.

O mart're meine Seele nicht,
Laß keimen, was still keimt,
Vielleicht, daß unter Regenflut
Sie dir entgegenträumt.
(S. 44)
_____

 

Zum Abschied

So reich' mir einmal noch die Hand,
Dann laß uns scheiden, scheiden!
Was willst du durch des Hasses Brand
Noch schüren meine Leiden.
Du glaubst an meine Liebe nicht,
Willst Spott nur mit mir treiben -
So geh' mit Gott; mein Sonnenlicht
Warst du und wirst's auch bleiben.

Mit Gott! Und möge dir die Welt
Ein treu'res Herze bieten, -
Das deine Glaubensnacht erhellt -
Und dich vor Zweifel hüten.
Und wenn du es gefunden hast,
So sende mir ein Zeichen;
Dann wird auch meine Schmerzenslast
Mir aus dem Herzen weichen.
(S. 106)
_____

 

Schöne Augen

I.
So wie der Wandrer nach des Waldes Schatten
Sich schmerzlich sehnt,
Wenn nur die Wüste vor dem Blick, dem matten,
Sich endlos dehnt;

Wie der Geächtete in seiner Zelle
Die Nacht begrüßt,
Wo ihm ein Traum von Glück und Sommerhelle
Sein Weh versüßt:

So sucht dein Auge schattenkühl zum Rasten
Mein müdes Herz,
Daß es, befreit von seinen Schmerzenslasten,
Flieh' himmelwärts.


II.
Ernste, dunkle, zaubermächt'ge
Augen, wendet euch nicht ab,
Seid mein Himmel, meine Wiege,
Meiner Schmerzen kühles Grab.

Zieht in eure Wundertiefen
Meine Seele ruhelos,
Ach, sie findet Glück und Frieden
Nur in eurem feuchten Schoß.


III.
Du dunkelgrund'ges Märchenauge,
Sag' mir, wovon du träumst,
Daß du die lange Seidenwimper
Mit Demantperlen säumst?

Denkst wohl an jene zarte Blüte,
Die sich für dich erschloß,
Und ihre keusche reine Seele
In deine Tiefe goß.

Liebst du die schlanke weiße Lilie,
Die deinem Grund vertraut,
Und die zum kräftigen Entfalten
Dein kostbar Naß betaut?


IV.
Ob auch dein Auge abgrundtief,
Ich schau doch gern hinein,
Es locken zu verführerisch
Die süßen Blümelein.

Ich beuge tiefer mich und schau'
Und schaue mich fast blind,
Die Unschuld weint am Wegesrand
Um ihr verlor'nes Kind.


V.
Kann ich in deine Augen sehn,
Dann ist die Welt mir doppelt schön;

Dann bin ich froh und wohlgemut,
Und denke: jedes Herz ist gut.

Vergesse Sorg' und Not und Plag',
Vergesse selbst den jüngsten Tag.

Dein Auge ist mein Lebensborn,
Es stillt mein Herz und kühlt den Zorn.

O, bebe nicht vor mir zurück,
Gönn' meiner Seele deinen Blick!

Verschlei're mit der Wimper nicht
Mein einzig süßes Lebenslicht.

Und legt man mich dereinst ins Grab,
Dann schaue lieb auf mich herab.

Und gönn' mir deiner Augen Glanz,
Sie sind mir mehr denn Blüt' und Kranz.

Ich mag nicht zu der Sel'gen Schar,
Treff' ich nicht dort dein Augenpaar.
(S. 75-77)
_____

 

Mein Lieb

So wie vom Strauch man Rosen bricht,
So gingst du ein zur Ruh,
Dein Auge war mein Lebenslicht,
Mein Finger schloß es zu.

Sie klagten viel und hielten Wacht
Und küßten deinen Mund,
Ich that es nicht, doch rang bei Nacht
Ich mir die Hände wund.

Sie brachten Blumen mit zur Zier
Und schmückten dich gar fein,
Ich legt' mein Herz zu Füßen dir
Im kalten Totenschrein.

Sie pflanzten dir 'nen Trauerbaum,
Daß schön sich's drunter ruht,
Doch ich begoß den Weidenbaum
Mit meiner Thränenflut.

Dann setzten sie ein Denkmal schön
Mit Namen, Jahreszahl,
In meiner Brust steht ungesehn
Ein flammend Totenmal.

Sie wandern oft zu deinem Grab,
Ich sitz für mich und wein',
Denn wie ich dich geliebet hab' -
Das weiß nur Gott allein!
(S. 52-53)
_____

 

Sonne möcht' ich sein

Sonne, Sonne möcht' ich sein,
Nicht als Mond mit Sternen kosen,
Zauberte aus jedem Stein
Rote, süße Maienrosen;

Drückte meinen Flammenmund
Auf der Menschen kalte Seelen,
Daß das ganze Erdenrund
Sich in Liebe müßt' vermählen.

Und in diesem Feuermeer
Heil'ger reiner Liebesfluten,
Möcht' ich selber hoch und hehr
Langsam ohne Laut verbluten.
(S. 60)
_____

 

?

Was ist das nur in meiner Brust
Für Quellen, Strömen, Rauschen?
Es klingt wie Weh und halb wie Lust,
Wie süßes Palmenrauschen.

Das ist ein heller Lerchensang
In blauen Frühlingslüften -
Und wiederum ein Orgelklang
In heil'gen Weihrauchdüften.

Das ist ein jubelnder Akkord
Voll schönster Harmonien, -
Es sind – nun finde ich das Wort:
Der Liebe Melodien.
(S. 46)
_____

 

Glockenklang

Weißt du noch, mein liebes Kind,
Als wir von einander gingen?
Hell drang durch die Abendluft
Einer Glocke frommes Klingen.

Haben uns kein Wort gesagt,
Nur die Hände fest umschlungen,
Atemlos so still verharrt,
Bis der letzte Ton verklungen.

Soll das eine Mahnung sein,
Daß wir dieser Stunde denken,
Und, getrennt im Weltgewühl,
Zu Gott unsere Schritte lenken?
(S. 49-50)
_____

 

Gefunden

Wie lange ich gesucht dich hab',
Nun endlich doch gefunden!
Seit dein Wort meine Seele traf,
Genas ich meiner Wunden.
Des ersten Glückes feurig Rot
Durchflammt mein ganzes Wesen,
Hin ist das Leid, hin ist die Not,
Nun bin ich voll genesen.

Die Seele irrt nicht mehr umher,
Sie liegt an deinem Herzen,
Zieht stolz jetzt durch dein Liebesmeer
Und kennt nur Lachen und Scherzen.
Sie schläft in deinen Armen ein,
Küßt dich zu tausendmalen,
Und spiegelt in den Augen dein
Sich wie in Sonnenstrahlen.

Das heiße Dürsten ist gestillt,
Mein Schifflein ruht im Hafen,
Vom Liebesmantel eingehüllt,
Geh' ich nun freudig schlafen.
Du mein, ich dein für alle Zeit,
Was gäb' es, das mich quäle?
Du meines Glückes Seligkeit,
Mein Leben, meine Seele!
(S. 101)
_____

 

Erste Liebe

Zarte, maiengrüne Liebe,
Denk' ich dein, wird mir das Auge feucht;
Bist wie eine weiße Taube,
Die man durch die Wälder scheucht.
Bist wie Heimatglocken süßer Morgensang,
Rein wie Paradieses erster Labetrank.

Duft von jener blauen Blume,
Welche Gott an seinem Busen trägt,
Altarbild, vor dem der Sünder
Seinen Blick zu Boden schlägt.
Bringst versteinte Herzen aus der kalten Ruh',
Bist nicht fortzulächeln, erste Liebe, du!

Keiner kann dich ganz vergessen,
Sternumsäumtes, zartes Morgenrot,
Ob uns auch das reiche Leben
Tausend goldene Sonnen bot.
Immer wirst du bleiben unser schönster Traum,
Holde, erste Blüte an des Lebens Baum!
(S. 114)
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Alle Gedichte aus: Gedichte von Johanna Ambrosius
Herausgegeben von Karl Schrattenthal 34 Auflage
Königsberg i. Pr. Thomas & Oppermann 1897


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Johanna_Ambrosius

 

 

 


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