Therese von Artner (1772-1829) - Liebesgedichte

 

Therese von Artner
(1772-1829)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:




Amors Schrift

Amor schreibt in Männerherzen
Mit der Kreide leichtem Zug;
Was daran vorüber schwebet,
Tilgt die Innschrift leicht genug.
Aber in der Weiber Herzen
Gräbt er, wie in festen Stein,
Mit dem Griffel und mit Schwärze
Der Geliebten Namen ein.
So, verwittert auch die Farbe,
Muß die tiefgeprägte Narbe
Dennoch ewig sichtbar seyn.

Aus: Gedichte von Therese von Artner
Zweyter Theil Leipzig 1818 (S. 210)

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Geständniß

Amor, stimme meine Saiten!
Was ich sonst nur Dir vertraut,
Meines Lieblings Lob soll laut
Jtzt von meinen Lippen gleiten:
Was sonst jedes Mädchen scheut
Zu gestehn, bekenn ich heut.

Ich bekenn' es, daß ich liebe!
Wie verheelt' ich auch den Schmerz
Welcher durch mein zitternd Herz
Schauert, und mit mächt'gem Triebe
Ewig Tritte, Mund und Hand
Lenkt nach Einem Gegenstand?

Trenn' ich mich von ihm, so beben
Aengstlich meine Glieder gleich;
Von den Wangen, welk und bleich,
Aus den Augen flieht das Leben,
Und ich schwanke, matt und kalt,
Aehnlich einer Spuckgestalt.

Doch mit sehnlicherm Verlangen,
Kann des Bräut'gams kühner Arm
Nicht die Jungfrau, liebewarm,
Beym Verlobungskuß umfangen,
Als mein Arm sich an dich schmiegt,
Ist die Trennung nun besiegt.

Auf dich heftend Mund und Blicke
Fest an dich gedrückt die Brust,
O wie schnell kehrt Leben, Lust,
Farb' und Feuer mir zurücke!
O wie schmilzt mein stockend Blut
Dann an deiner treuen Glut!

Mag der Sturm aus Nordost heulen,
Schick' uns Bootes kalter Bär
Flocken, Eis und Fröste her,
Kann ich nur bey dir verweilen,
Gern entbehr' ich Mayenluft,
Vogelsang und Blüthenduft.

Lohne stets mit gleichem Feuer
Meine reine Zärtlichkeit,
Und kein Mädchen weit und breit
Liebet inniger und treuer,
Als ich dich, bis zum April,
Trauter Ofen, lieben will.

Aus: Gedichte von Therese von Artner
Zweyter Theil Leipzig 1818 (S. 191-193)

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Das Auge der Geliebten

Gleichenloses Flammenauge
Das bis in die Seele dringt!
Du weißt alles aufzuregen,
Jeder Puls springt dir entgegen,
Der in meinen Adern springt,
Heldenkühnheit und Entzücken,
Heiterkeit und Thränenlust
Senkest du mit Zauberblicken
In die unterworfne Brust.

Magisch ziehst du, wie Magnete:
O wer widerstünde da,
Wenn du lieblich lächelnd flimmerst?
Wer, wenn du begeistert schimmerst,
Fühlt sich nicht der Gottheit nah?
Kühn durchdringt dein Strahl den Schleyer
Der die Wahrheit uns verdeckt;
Er entflammt das heil'ge Feuer
Das zu großen Thaten weckt.

Doch wenn Wehmuth dich umschleyert,
Und durch Thränen blinkt die Glut,
Dann erst wirken deine Wunder,
Fachen an den kleinsten Zunder,
Der in meinem Busen ruht.
Ach, ich laß ihn nur entglühen!
Eher löschte meine Hand
Hekla's tobend Lavasprühen
Und der Griechen Feuerbrand.

Heilig wie die Opferlohe
Brennt er nur mit süßem Schmerz.
Nicht mein Innres zu zerstören,
Nur die Schlacken aufzuzehren,
Fiel er heilsam in mein Herz.
Ach, und könnt' er je ermatten,
Früher als mein Lebenslicht,
Wär' ich schon ein nicht'ger Schatten,
Ehe noch mein Auge bricht.

Aus: Gedichte von Therese von Artner
Zweyter Theil Leipzig 1818 (S. 183-184)

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Sappho an Phaon

Ha, so ist es denn entschieden,
Was mein Herz so ungern glaubt,
Was auf ewig mir den Frieden
Des verlaßnen Lebens raubt:
Du, den unter allen Wesen,
Die mir je mein Blick gezeigt,
Ich zum Einz'gen auserlesen,
Hast dein Herz mir abgeneigt!

Muß sich’s denn nicht liebend regen,
Wenn dir meins entgegen pocht?
Kann dein Blut sich kalt bewegen,
Wenn das meine wallend kocht?
Darf dein Blick sich von mir kehren,
Wenn nach dir nur meiner späht,
Und in kaum verhaltnen Zähren
Meine Qual dir eingesteht?

Bin ich denn ein Ungeheuer?
Ist mir keine Charis hold?
Schmachtend flehte mancher Freyer
Schon um meiner Minne Sold.
Nur für Einen wünscht' ich Reize;
Möcht ich allen häßlich seyn!
Er, nach dem ich einzig geize,
Er nur hasset mich allein.

Hat dich frischer Reiz gebunden?
Ach, die Blume welkt auch einst!
Und dann kommen Rachestunden,
Wo du fruchtlos um mich weinst.
Höhre Schönheit magst du finden,
Doch kein Herz das diesem gleicht,
Das im Lieben und Empfinden
Diese Glut und Treu erreicht.

Du nur tünchest meine Wangen,
Blühend sonst, mit krankem Weiß:
Du nur giebst den Geist den Schlangen
Wüthender Erynnen Preis.
Ich, ich schau es selbst mit Grauen,
In mein sonst so sanftes Herz
Schlägt die schwarzen Höllenklauen
Eifersucht mit wildem Schmerz.

Warum tauschte Wechselpfeile
Nicht für uns Dionens Knab'?
Warum sandt' er einem Theile
Feindliches Geschoß herab?
Was mich liebet, muß ich meiden,
Was ich liebe, flieht vor mir:
Amor, sind so bittre Leiden
Ein ergötzend Schauspiel dir?

Alles rührt sonst meine Leyer,
Die vom Gott des Pindus stammt;
Singet sie der Liebe Feuer,
Wird das kältste Herz entflammt.
Dich nur kann sie nicht bewegen,
Nur aus deiner Brust von Erz
Kömmt ihr kein Gefühl entgegen,
Klagt sie rührend meinen Schmerz!

Hunger nagt, und Feuer brennet,
Centnerlasten drücken schwer;
Wer verschmähte Liebe kennet,
Höhre Qualen kennet der.
O du Flamme, ihr Gewichte,
Du o Natter ohne Rast,
Machet doch dies Herz zunichte!
Tödtets unter Eurer Last!

Nein! Noch will ich mich ermannen,
Eitler, triumphire nicht!
Diese Liebe will ich bannen,
Ob mein Herz darüber bricht. -
Ach, was kann es sonst, als brechen?
Brechen, ja, nicht kann es mehr.
Durch Verachtung sich zu rächen,
Fällt bereits ihm allzuschwer.

Kann ich nicht mir selbst genügen?
Dank ich, fremder Laune Spiel,
Meinen Schmerz und mein Vergnügen,
Einer andern Brust Gefühl?
Meine war ja sonst die Quelle,
Wo mir Wohl und Weh entsprang;
Ach, versiegt ist jede Welle
Vor'ger Kraft, in Thränen lang!

Brennend heiß ist meine Stirne;
Meine armen Augen glühn:
Schmerzhaft tobets im Gehirne,
Stechend Weh zuckt her und hin.
Alle Bilder und Gedanken
Drehn sich wirbelnd ohne Zahl;
Tod nur oder Wahnsinn – schwanken
Kann in beyden nur die Wahl.

Und mein Herz ist hingegeben,
Und ich habe keins zurück:
Ohne Herz, wie kann ich leben?
Sterben – ja du willst's, Geschick.
Nur von Lethe's Thaugestaden
Winket mir noch Seeligkeit;
Da will ich sein Bildniß baden
Tief in dir, Vergessenheit.

Ha, auf welche Felsenspitze
Trug mich itzt mein irrer Lauf?
Hier, so nah am Göttersitze,
Raffe noch einmal dich auf.
Blick' umher! Nur Fluth und Aether;
Hinter dir verpestet Land -
Er bewohnets, der Verräther -
Rings um dich der jähe Strand.

Weit ins Meer hinaus gebogen
Springet diese Klipp' hervor:
Unten brausen tiefe Wogen,
Und die Brandung schäumt empor.
Nimm all deine Kraft zusammen!
Hier ists schauerlich und hehr!
Tauch – o lösche deine Flammen
In dem ungemeßnen Meer.

Ja, hinab denn in die Fluthen,
Unter denen Lethe quillt!
Einzig Wasser, das die Gluthen
Des verzehrten Herzens stillt.
Noch im Stürzen zeigt das Wasser
Mir sein Bild – hinab, hinab!
O umfange mich, du nasser
Tod, du lieblich wogend Grab.

Aus: Gedichte von Therese von Artner
Zweyter Theil Leipzig 1818 (82-87)

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Die Liebe
1798

Laß mein Lied zu dir sich heben,
Königinn vom Erdenrund,
Der die Herzen wonnig beben,
Liebe, Quelle aller Leben,
Schöpferhauch aus Gottesmund!
Du erzeugtest, was bestehet,
Du bevölkerst die Natur;
Wo dein sanfter Odem wehet,
Zeugt sich junges Daseyns Spur.

Deinem Wink gehorchend, kreiset
Um die Sonne der Planet;
Deinem Zuge folgsam, reiset
Luna um die Erde, weiset
Nach dem Pole der Magnet.
Kräfte die sich feindlich sträuben
Bringt dein Wink zur Harmonie;
Ja, wir säh'n das All zerstäuben,
Hielt es nicht die Sympathie.

Auf der Erd', in Meer und Lüften,
Ueb'rall schufst du Weib und Mann;
Leben rufst du aus den Grüften;
Liebend in der Tiefe Klüften
Ziehn sich die Metalle an.
Du regierst in jeder Zone
Bist die Kette, die die Welt
An des Schöpfers Strahlenthrone
Ewiglich befestigt hält.

Mit dem Lenze steigst du nieder
Auf die schlummernde Natur;
Neubelebt erwacht sie wieder,
Feyernd schallen Jubellieder
Aus dem Haine, von der Flur.
Ihre Himmelstöne singet
Philomele nur für dich;
Neu befiedert, froh verjünget
Lieben alle Thiere sich.

Daß es auch dem Wurm gelinge,
Deiner Wonne sich zu freun,
Spinnt er sich zum Schmetterlinge,
Prangt mit goldbesäumter Schwinge,
Liebt und schließt sein kurzes Seyn.
Um zu lieben streift die Pflanze
Ihre Knospenhülsen ab,
Schmückt sich mit dem Blüthenkranze
Liebt – und welket in ihr Grab.

Alles naht im Feyerkleide
Deinem goldnen Hochaltar;
In der Schönheit Festgeschmeide
Bringen Jugend, Kraft und Freude
Jüngling' dir und Mädchen dar.
Bis nicht jeder Keim entfaltet,
Bis nicht jegliches Organ
Zur Vollkommenheit gestaltet,
Nimmst du ihren Dienst nicht an.

Doch, wenn schlanken Tannen ähnlich
Jeder Reiz den Körper schmückt,
Wenn die Jungfrau hold und sehnlich,
Und der Jüngling kühn und männlich
Aus dem Feuerauge blickt;
Wenn vom süßen Kindheitstraume
Aufgewacht, der Geist sich hebt,
Und nach einem größern Raume
Die erregte Denkkraft strebt;

Wenn der Blick erhöht, erheitert
Frey die Schöpfung übersieht,
Die Vernunft sich hellt und läutert
Und das warme Herz, erweitert,
Neuem Hochgefühle glüht;
Zarte Schaam des Mädchens Wangen
Mit des Lotos Farben mahlt,
Und ein unbekannt Verlangen
Ihr im vollen Busen wallt.

Wenn dich niegefühlte Leere,
Feuervoller Jüngling, plagt,
Und umsonst der Sporn der Ehre
Ins Getümmel wilder Heere
Dich nach blut'gem Lorbeer jagt;
Nicht durch ihre Schmeicheltöne
Fama deine Sehnsucht stillt,
Unwillkürlich manche Thräne
Von der blassen Wange quillt;

O dann wandelst du – erfreue
Dich, Beglückter! schon die Bahn
Zu dem Tempel, wo die Weihe
Deiner harret, und bald neue
Freuden, tanzend, dich umfah'n!
Horch, was säuselt dir entgegen
Aus dem nahen Rosenstrauch?
Eine Jungfrau! hold verlegen
Blickt sie nieder, und du auch.

Aber feuriger bald heben,
Suchend, eure Blicke sich;
Du gewahrst ihr leises Beben,
Und ein neugeschaffnes Leben
Strömt mit Sonnenglut durch dich.
Auch zu ihrem Herzen fließet
All ihr Blut so schnell und warm;
Länger hältst du's nicht! Es schließet
Sie an dich dein kühner Arm!

Wohin schwand es so geschwinde,
Was euch erst so ängstlich drückt?
Von den Augen fällt die Binde
Und ihr staunet, wie der Blinde,
Der das erste Licht erblickt.
Liebe! Ihre hochentzückten
Herzen, preisen deinen Ruhm,
Und du führst nun die Beglückten
In dein stilles Heiligthum.

Aus: Gedichte von Therese von Artner
Erster Theil Leipzig 1818 (S. 45-50)
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Die verliebte Dichterinn
1797

Vergieb, Apoll! Ich diene dir nun nicht mehr.
Ein andrer Gott beherrscht als Gebieter mich.
Gezwungen zwar, aber dennoch treulich
Muß ich dem jetzigen Herrn gehorchen.

Durch die Gewalt der Waffen bezwang er mich.
Verwundet' erst und dann (o wie leicht) besiegt,
In gleichen Reih'n mit tausend Sclaven,
Schmiedet' er mich an den Siegeswagen.

Nun komm' ich nicht mit sinkender Dämmerung
In deinen Hain zum Opfer. Zum Lobgesang
Am Bergaltar, schallt meine Stimme
Nimmermehr laut in der Musenchöre.

Ich winde keine Blumen voll Morgenthau
Um deine Leyer. Ach, bey dem Reihentanz
An Helikons beblümten Abhang
Hüpf' ich nicht mehr, leicht von Fuß und Herzen!

Du führst durch Pfeil und Bogen, und rühmest dich
Des Fernetreffens. Warum beschützest du
Nicht von des Knaben Sonne deine
Priesterinn, Dir schon so lange geweihet?

Die Wunde von dem tückischen Pfeile ließ
Mir eine Leere tief in der Brust zurück;
Nicht Saitenspiel, nicht Sang verscheucht sie;
Nein! es vermehrt nur das bange Sehnen.

Ein Jüngling nur, der unsere Fluren ziert,
Nur er allein erfüllet den öden Raum;
Wenn er vorüber wandelt, fühl' ich
Bebende Lust meine Wange röthen.

Jüngst harrt' ich seines Ganges, im Weidenbusch
Verborgen; aber lange verzögert er.
Doch Terpsichore kam, ich sollte
Neue Gesänge zur Flöte lernen.

Allein vergebens gab sie den Ton mir an;
Stets griff ich falsch, das Zeitmaaß entschlüpfte mir.
Erzürnt schon knickte, mit dem Fuße
Stampfend den Takt, sie die Veilchen nieder.

Da kam er! Ach, weit emsiger lauscht' ich nun
Dem süßen Ton, der über die Lipp' ihm glitt!
Es däuchten Rhythmus und Gesänge
Schöner denn deine, mich seine Worte.

Aus ist's, Apollo! Nimmermehr dien' ich dir.
Ein and'rer Gott beherrscht als Gebieter mich.
Versuch's, befrey' – doch nein, ach laß mich!
Denn bereits lieb' ich die neue Fessel.

Aus: Gedichte von Therese von Artner
Erster Theil Leipzig 1818 (S. 148-150)
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Erscheinung
1791

Es sank der Tag, es fiel der Thau,
Es stieg der Mond hervor,
Und in des Himmels falbem Blau
Erschien der Sternlein Chor.
Da wallt ich in der Dämmrung Grau
Im Garten auf und ab;
Es netzte meine Hand der Thau,
Es sah der Mond herab.
Vergnügt war meines Herzens Sinn,
Vergnügt, und tief gerührt;
Ich wankte her, ich wankte hin,
Vom Ungefähr geführt;
Ich irrte zu dem Buchengang
Wo sanfte Schauer wehn;
Mir war so wohl und war so bang
Ich mußte stille stehn.

Da sank ich auf ein Rasenstück
Von schwellend weichem Moos,
Und schaute nach dem Mondesblick
Der durch die Stämme schoß;
Und wie ich so da saß und lauscht',
Und alles schweigend lag
Kams plötzlich über mir gerauscht,
Wie Taubenflügelschlag.

Es schwankt der Ast, es fiel vom Ast
Herabgestreift, das Laub,
Ich sah hinauf, mir bangte fast;
Sieh eine holde Taub!
Ein Schneegefieder sie umgab,
Hellglänzend wie das Licht,
Sie säuselte vertraut herab,
Kühn vor mein Angesicht.

Ich sah sie mit Verwund'rung an
Die zum Erstaunen schwoll,
Als aus dem Rosenschnabel dann
Die Rede ihr entquoll:
"O Mädchen! Du, in deren Brust
Ein Herz voll Feuer glüht,
Sag, was es dann die höchste Lust,
Die Lust der Liebe flieht?

Sie sendet mich als Bothinn Dir,
Sie lockt Dich freundlich an;
Sprich, wär's Dir denn nicht wohler hier
Mit einem Herzensmann?
An seinen theuerm Herzen bebt'
Dein Herz voll Götterwonn',
Dein Lustberauschter Geist entschwebt'
Der Erde Region.
Ist dem nicht Daseyn doppelt Glück,
Der zwiefach es genießt,
Da des Geliebten Lust zurück
In seine Seele fließt?
Ist ein Geschöpf, das nicht durch Lieb
Erst glücklich wird und macht,
Wenn dieser schönste Himmelstrieb
In seiner Brust erwacht?

Dann ists, als säh nach langem Staar
Man nun zuerst den Tag;
In Seelentiefen wird es klar,
Wo vormals dunkel lag!
Lieb ist der Lebensfunke nur
Den Prometheus entwandt',
Durch welchen jede Kreatur
Erst lebte und empfand."

Sie schwieg. Mit schmachtendem Gesang
Fiel Philomele ein;
Ein süsser, milder Schauer drang
Bis tief in mein Gebein.
Doch schnell ermannet, rief ich ihr
Bald festen Tones zu:
"O Täublein süß, was schadet dir
Was neidst du meine Ruh?

Entzücken giebt der Liebe Schoos,
Allein durch tiefen Schmerz:
Ihr Lohn und Leiden ist zu groß,
Zu heftig für mein Herz.
Auch fesselt sie im Wonnerausch
Die Trunknen, wie man spricht:
Selbst gegen Rosenbetten tausch'
Ich meine Freyheit nicht.

Sollt' ich in eines Andern Hand
Mein Wohl und Leiden sehn?
Nach fremder Laune Gängelband
Mich sclavisch, selbstlos drehn?
Noch bin ich Schöpf'rinn meiner Lust
und meines Wehs allein;
Würd' wohl für dieses Glücks Verlust
Mir Lieb' Ersatz verleihn?

In Freyheit nur und Einsamkeit
Mein Herz sich glücklich fühlt,
Wo es von sanfter Fröhlichkeit
Und stiller Wehmuth schwillt.
Ich schwelg' in frohem Selbstgenuß
Zu schnelle Stunden hin;
Gewährte Männerlieb und Kuß
Mir besseren Gewinn?"

Ich sprach's. Der Taube sanftes Aug
Entglühte röthlicher;
Sie hob sich leichter als ein Hauch,
Und drohte Rach' mir her.
Doch war ihr Drohen, mir zum Glück,
Wohl kraftlos oder Scherz:
Der Männer Krone sah mein Blick,
Und frey ist noch mein Herz.

Aus: Feldblumen auf Ungarns Fluren
gesammlet von Nina und Theone
Erstes Bändchen
Jena bei J. G. Voigt 1800 (S. 32-37)
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Das spröde Mädchen
1797

Spotte nur der Liebe bangen Schmerzen
Spotte Amors siegesicherm Pfeil!
O, dereinst wird deinem harten Herzen
Auch noch eine Rächerwund' zu Theil.

Eine Rächerwund'! Dann wirst Du's fühlen,
Unvergoltner Liebe bittres Weh!
Ha, wie süß wird's meine Rache kühlen,
Wenn ich dich mir ähnlich leiden seh! -

Doch was sag ich? Unvergoltner Liebe?
Nein, der Wunsch wird nimmer mir gewährt!
Denn wo ist Er, der gefühllos bliebe,
Hält Dein Engelherz ihn seiner werth?

Wenn das Feuer deiner Augensterne
Durch die Wimper bricht voll Zärtlichkeit;
Wenn die volle Purpurlipp' sich gerne
Halbgeöffnet, selbst zum Kuße beut;

Wenn die kleine Marmorbrust, belebet,
Widerstrebend aller Bänder Zwang,
Sich zu holden Seufzern senkt und hebet,
Angeschwellt von süßer Sehnsucht drang.

Wenn der rundgedrehten Schwanenarme
Offner Bogen zur Umfassung winkt, -
Doch, nicht mahle weiter allzuwarme
Phantasie, damit mein Knie nicht sinkt!

Könnte wohl, wenn du nach Liebe schmachtest,
Ein Heroe dich, ein Gott verschmähn?
Muß ich, den du hassest und verachtest,
Ewig doch in deinen Ketten gehn!

Aus: Feldblumen auf Ungarns Fluren
gesammlet von Nina und Theone
Zweytes Bändchen
Jena bei J. G. Voigt 1800 (S. 55-56)

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Worte und Blicke

Worte sind Buchstabenschrift der Seele;
doch die beredt're
Kürzere Hieroglyph' ist ihr der geistvolle Blick.

Aus: Feldblumen auf Ungarns Fluren
gesammlet von Nina und Theone
Zweytes Bändchen
Jena bei J. G. Voigt 1800 (S. 124)

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Der getäuschte Amor
1799

Mit schwermuthsvollem Schritte
Durchwallt' ich jüngst des Lenzes
Neublühende Gefilde;
Da trat mir Terpsichore
Entgegen, faßte liebreich
Mich an der Hand, und lächlend
Begann sie: "Warum wandelt
Die Sängerinn so schweigend?
Sieh', alles übt die Kehlen,
Die Nachtigall, die Lerche,
Selbst Krähe, Staar und Aelster
Versuchen jetzt ein Liedchen,
Und du verstummst im Mai nur?"
"Ach!" rief ich, "süße Muse
Wie soll ich ferner singen?
Fort ist die theure Leyer
Die mir Apollo schenkte!
In jener dunkeln Grotte
Entschlief ich jüngst; die Leyer
Hatt' ich mit Rosenbänder
An meiner Brust befestigt,
Sie wiegte noch zum Schlummer
Mich ein mit Harmonien.
Doch als ich nun erwachte, -
O, schreckliche Erinn'rung! -
Gelöset war die Schleife,
Mein Saitenspiel geraubet!"
Ein Strom von bittern Thränen
Verschlang hier meine Worte.

Aus einer Rosenlaube
Im höchsten Glanz der Schönheit
Erschien nun plötzlich Amor
Der eine Arm umfaßte
Den fürchterlichen Bogen,
Der and're meine Leyer.
"Sieh' Mädchen, sprach er schalkhaft,
Hier dein entwendet Kleinod.
Ich stell' es dir zurücke,
Wofern du mir gelobest,
Es künftig mir zu weihen.
Mich singen alle Kehlen,
Mich preißen aller Töne,
Nur du, du sangst mir niemals!
Dir mußte Strafe werden."

"O gieb, so sprach ich gierig,
Du reizendster der Götter!
Dir soll mein Sang nur tönen
Wenn ich sie wieder habe."
Nun reicht' er mir die Leyer.
Ich drückt' sie an den Busen,
Und rief mit frohem Lachen:
"Der Dieb ist hintergangen
Erst sende nur den Phaon
Des Bildniß in mir lebet,
Dann werde ich zur Sapho!
Stets bist du der Betrüger!
Sey nun auch der Betrog'ne!"
Ich floh. Erzürnt rief Amor:
"Du wagst es mein zu spotten?"
Und sucht' aus seinem Köcher
Den schmerzlichsten der Pfeile.
Er schnellt ihn von dem Bogen
Nach mir. Allein die Spitze
Prellt' ab am Leyerrahmen
Der meinen Busen schützte;
Und eine leichte Quetschung
Der Haut, war all mein Schade.


Aus: Feldblumen auf Ungarns Fluren
gesammlet von Nina und Theone
Zweytes Bändchen
Jena bei J. G. Voigt 1800 (S. 160-163)

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Biographie:

Artner: Therese von A., Dichterin, geb. 19. April 1772 zu Schintau im Neutraer Comitat, † zu Agram 25. Nov. 1829, erhielt eine sorgfältige Erziehung und versuchte sich frühzeitig in Gedichten nach ältern und fremden Mustern, die sie, mit Beiträgen ihrer Freundin Marianne v. Tiell, in den "Feldblumen von Minna und Theone" (wie sie sich nannte) sammelte (Jena 1800), und denen sie einige Jahre später "Neuere Gedichte" (Tübingen 1806) folgen ließ, eine Gesammtausgabe 1818 in Pesth. Bekannter machte sie sich durch das Trauerspiel "Die That" (Pesth 1817), in welchem sie die Vorgeschichte der "Schuld" von Müllner behandelte. Einige andere dramatische Arbeiten gewannen weniger die Aufmerksamkeit des Publicums ("Stille Größe", Schausp., Kaschau 1824; "Regenda und Wladimir", Trsp., Kaschau 1824). Interessant sind noch jetzt ihre "Briefe über Croatien" (Halberst. 1838), die sie an Karoline Pichler aus Agram schrieb.
Aus: http://de.wikisource.org/wiki/ADB:Artner,_Therese_von

Ausführliche Biographie in:
Carl Wilhelm Otto August von Schindel Die deutschen Schriftstellerinnen des neunzehnten Jahrhunderts. Leipzig 1823-25 (Band 1-3).
Nachdruck der Ausgabe Olms Hildesheim 1978
(Band 1, Seiten 13-30)

 

 


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