Mahmud Baki (1526-1600)

Ghaselen aus dem Divan

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Der Buchstabe Re
(Ghaselen 48-67)

 

48.
Der von Deinem Gram Betroffne
Was der Schmerz sey weiß,
Weil den Zustand eines Kranken
Nur der Kranke weiß.

Liebender des Angesichtes,
Der wie Thränen läuft,
Das Geheimniß von dem Wege
Wahrer Liebe weiß.

Nur wer für die Rosenceder
Heiß in Lieb' entbrannt,
Was im Rosenbeet der Welten
Unglück heiße, weiß.

Wer gefangen von dem Schmerze
Harter Trennung ist,
Was die Bitterkeit der Seele
Sey, allein er weiß.

Was aus Lust nach Seinen Locken
Alles Baki litt,
Nur der Sclave in den Banden
Wahrer Liebe weiß.
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49.
Als Herrschaft übte wie der Wimpernpfeil der Dolch,
Kam durch der Reize Schwert ganz außer sich der Dolch;

Die Lilie auf der Flur, der Neumond an dem Himmel,
Sie ziehen wider Feind des Glaubens Schwert und Dolch.

Des Feindes Körper sey in Blut ganz eingetaucht,
Den Sieg vollende in dem Hain Syringendolch!

Der Himmel streute auf den Pfad des Schehinschah's
Aus dem Juwelengurt des Neumond's goldnen Dolch.

Gekommen ist die Zeit, o Baki! zum  Gebeth,
Den Vers des Sieges lern' auswendig Zungendolch.
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50.
Vom Freunde Pein und Qual als Huld und Gnade kömmt,
Von And'ren Lieb' und Treu' als Schmerz und Leiden kömmt;

Die Trennung von dem Freund hat mich gar sehr geschwächet,
Ich soll's nicht fühlen, daß als Tod die Trennung kömmt;

Es reizt der Weltenschatz das Heer der Liebenden,
Indem er als Panier anmuthig schwankend kömmt;

Seitdem das Herz voll Blut aufwallt von Deiner Trennung,
Auch zu dem Quell' des Aug's das Blut in Strömen kömmt;

In welche Stadt der Schah der Liebe, Baki, kömmt,
Dorthin mit ihm das Heer des Grams, der Leiden kömmt.
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51.
Was thut es, daß auf Bergen fiel die Pinie?
Daß Buchs mit Lieb' umschlang den Hals der Pinie?

Warum ist sie als Narr gefallen in's Gebirg',
Wenn Deinem Wuchs sich nicht ergab die Pinie?

Das Wasser ruhet nicht, es will den Fuß ihr fesseln,
Weil, wenn sie frey, sich stets empört die Pinie.

O, schlanke Palme! zeig' des Ganges Reiz und Anmuth;
Zu Dir, zum Meister, geh, o Ceder! hin die Pinie.

Es zehret Baki sich in Lust nach Cedern auf:
O Gott! wie kann fruchtloses Herz sich nah'n der Pinie?
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52.
Wann um's Glas die Vagabunden
Geh'n wie Stern' am Dom, dem runden,

Keines Mondgesichtes Brau'n,
Werden Deinen gleich befunden;

Auch der Vollmond muß Dir weichen,
Der nicht scheint in finstren Stunden;

Seel' und Herz sind Deine Sclaven,
Nimmer können sie gesunden.

Niemand fliegt wie Baki's Falke,
Voraus flieg' er unumwunden.
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53.
Wiewohl des Heil'gen Sack Geheimnißspeicher ist,
Dem Trunk'nen doch das Glas der Lichter Aufgang ist;

Wenn bey dem Festgelag der Becher Knospe ist,
Des Schenken Wangenschein Granatenblüthe ist;

Nicht jeder Bettler kennt den Brauch von Dschem's Gelage,
Denn hier ein and'rer Brauch und Fürstensitte ist.

Wenn sich Dein Wuchs durch Liebe beugt zum C,
So wisse, daß der Herr des Geldes Cäsar ist.

Von diesem Götzen nimm, o Baki! einen Kuß,
Und schweigt er, wiss', daß Schweigen Zugestehen ist.
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54.
Winde Deine Perlenstreuer sind,
Locken meines Fußes Fesseln sind.

Sey, o Schah, nicht stolz auf Deine Schönheit,
Schönheitssonnen schnell vergänglich sind.

Meines Freundes Ahorn und Cypresse,
In dem schönsten Maß gewachsen sind;

Gleich dem Ebenmaße meiner Verse,
Deren Mitten kaum bemerkbar sind;

Baki wünsch' der Liebe Lasten nicht,
Weil dieselben unerträglich sind.
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55.
Er trinkt vom Strom des Nichts zuletzt, und geht vorüber,
Der Fromme durch das Unglück schwimmt und geht vorüber,

Ihn kümmern in dem Glas voll Wein die Blasen nicht,
Denn als erfahrner Mann sieht er's und geht vorüber.

Durch Dein Gemählde wird das Volk der Welt betrogen,
Der Weltenmahler zog gar seltne Farb' darüber;

Es geht des Festes Gast nicht den Genuß vorüber,
Er trinkt vom Glas des Nichts, und geht zuletzt vorüber.

Du meinest, Baki, Wasser fließe in die Seele,
So schnell geht Seiner Wimpern Dolch das Herz vorüber.
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56.
Nach einem Weltenbrand und Schelm das Herz verlangt,
Der in der Liebe Gluth ganz aufzugeh'n verlangt;

Von Deinem Lockenband befrey' die arme Seele,
Der Liebe Sclav' nicht Fessel und nicht Band verlangt;

Des Herzens Vogel sitzt auf jedem Ast nicht auf,
Indem er hohen Zweig wie Freundeswuchs verlangt;

Es hat der Tage Gift mir den Geschmack verbittert,
Dem Liebenden den Zucker von dem Mund verlangt.

Ist's Baki's Wunsch den Silberleib an sich zu zieh'n,
Ist's, weil nach solchen Silberketten er verlangt.
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57.
Biegt sich Dein Augenbrau', das Stirnenhaar zum Ohr' zieht;
Fürwahr! die ganze Welt gehorsam Dir das Ohr zieht;

Wenn sich der Mond, der in des Himmels Höhe strahlet,
Bewegt, er Deinem hohen Wuchs als Sclav' das Ohr zieht;

Was Du als Mondhof schaust ist nur der Silberring,
Den sich die Welt als Sclav' der Wangen an das Ohr zieht;

Das Haupt beugt selbst Dschemschid dem Schwerte Deines Grimms,
Vor Hufen Deines Pferd's Darius ein das Ohr zieht.

Laß, Baki! nur die Feind' ausstrecken ihre Zungen,
Weil wenn Dein Nahm' erscheint, ein jeder ein das Ohr zieht.
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58.
Bartflaum und Maal und der Locken Geringel darüber,
Sind ein Diplom und verzogener Nahmen darüber,

Friede gibt nimmer das Maal auf den rosigen Wangen,
Denn durch dasselbe geht aller darunter, darüber;

Schaue das Glas und die Arme, die weißen, des Schenken,
Ist es nicht Rose und blühende Zweige darüber?

Liebende seufzen den Lasten des Unglücks erliegend,
Aber Nichts gehet den armen Gefallnen darüber.

Freue dich, Baki! noch ehe der Himmel sich drehet,
Während noch grünen die Fluren mit Wärme darüber.
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59.
Morgen aufdämmert, du bringe den Wein,
Rosenzeit ist's;
Fülle den Becher mit lauterem Wein,
Wollustzeit ist's.

Buhlt mir zum Trotze mit Feinden der Freund,
Trauert das Herz;
Weine ich Blut, so bedeutet es nichts,
Eiferzeit ist's.

Klagendes Herz hat erlitten von Dir
Unglück gar viel;
Hör' wie es stöhnet wie Flöten aus Weh,
Klagezeit ist's.

Lange bewahrte ich Liebe mit Treu',
Immer der Brust;
Seufze ich jetzo, so schmähe mich nicht,
Trennungszeit ist's.

Leiden gar viele erduldet das Herz
Baki vom Haar;
Weh! in dem Lande der Gauern, o weh!
Leidenzeit ist's.
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60.
Nach Gold, Rubin, der Liebe Mann nicht lüstern ist,
Das Roth, das Geld des Angesichts zur Zier ihm ist.

Die Reih' der Seufzer und des Grams ist unerträglich;
Der Fluren Ton Gewein der Nachtigallen ist.

Beth' ich an Freundes Thür, so schmäht der Nebenbuhler,
Was dem Gesichte anklebt, der Staub der Schwelle ist;

Als Gold legt selben auf's Gesichte der Lobende,
Denn Gold und Staub für ihn von gleichem Werthe ist.

Entstellt Unwissender dein Wort, sey ruhig, Baki!
Weil es für Wachsame doch Augenschminke ist.
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61.
Frischer als Rosen die Wange, die tulpige, ist,
Welche, verstehe das Bild recht, die farbigste ist.

Für Melodien des Vogels des Herzens fürwahr
Wange der Rose vortrefflicher Uebungsort ist.

Glaub' mir, Beschauliche nehmen nicht Staub in die Augen,
Was sie verwirret Geheimniß der Lippen nur ist.

Wer zum Genusse des Wuchses der Schönen gelanget,
Der ein vollendeter Mann, o Beschaulicher, ist.

Wasser der Schönheit ist's, welches ihm geht an die Lenden;
Glaube nicht, daß es der Gürteldolch Baki nur ist.
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62.
Die Wang', o Knospenmund!
Eigenes Rosenblatt ist;
Wer lange schaut das Haar,
Duftend von Wohlgeruch ist.

Verlang' ich Wangen bloß,
D'rob sich zu wundern nicht ist,
Weil Rosenwangenmund
Blüthe des Pfirsiches ist.

Es haben Flaum und Maal
Viele verwirret gemacht;
Was mich zum Narren macht,
Haar das verkettete ist.

So hart behandelt mich
Laune der kreisenden Welt,
Daß ich gar glauben muß,
Daß sie ein Mondgesicht ist.

Gefallet dein Gedicht,
Ist's zu verwundern sich nicht,
Weil Baki's Lied nicht Vers,
Fließendes Wasser nur ist.
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63.
Deine Wange wie die Sonne glänzend ist,
Deßhalb Markt von Deiner Schönheit glänzend ist.

Sonne soll mit goldnem Stoffe nimmer prangen,
Seit das Kleid von deiner Schönheit Mode ist.

In dem Schönheitsgarten bist Du frische Knospe,
Bist ein Rosenblatt, dem Thau geworden ist.

Wein des Tod's wird von des Schönen Dolch gewässert,
Dem die Seele hinzuopfern lieblich ist.

Stein der Weisen ist der Staub des Weinverkäufers:
Flieh' ihn nicht, indem er ein Beglückter ist.
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64.
Tausend Befang'ne des Grams auf einmahl Er tödtet,
Schöner, der milde nicht ist, nur die Liebenden tödtet;

Jene, die suchen den Schatz des Genusses, der Drache
Mittelst der Angeln des Haar's, des geringelten, tödtet.

Liebende tödtet das Auge durch Reize des Winkens,
Wie mit dem Schwerte Rustem die Gefallenen tödtet.

Ohne die Wimpern die Räuber der Seelen, die blut'gen,
Werden die Liebenden bloß von den Locken getödtet.

Baki, du bist in den Klauen des Panthers des Grams,
Der dich, wenn Hülfe der Gnade nicht eilet, ertödtet.
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65.
Liebenden Schauplatz die Schönheit, die herrliche, ist;
Trunkener Weiser dem Schönen zum Schauspiel nur ist.

Becher ist schlechter Gefährte, verführet vom Wein;
Rose, die schelmische, Zierde der Trinkenden ist.

Ohne zu scheu'n sich verheeret der Ostwind die Fluren;
Rose die Tafel des Raub's bey dem Frühlingsfest ist.

Veilchen sind Zeilen des Ehrendiplomes für Trinker,
Und Hyacinthe der Zug, der verschlungene, ist.

Schön sind der Sinn und die Worte von Baki's Gedichten,
Dieses die Ursach' des Neides von Anderen ist.
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66.
Das Herz an Lockenspitz' des Freund's gebunden ist,
Vom Liebesreiz des Aug's die Seel' erkranket ist.

Es tödtet Tausende in einem Augenblick
Blutdürst'ges Auge, das ein Menschenjäger ist.

Vom Schmerzenwinkel kömmt zuletzt des Herzens Nachen
An's Ufer doch, wenn ihm der Wind nur günstig ist.

Umarmen will ich nicht, ich will Dich sehen nur,
Wiewohl der Sehnsucht Meer stets ohne Gränzen ist.

Im Haus der Phantasie, bey dem Getön' der Freude,
Der Ton von Baki's Kiel ein seltnes Schwirren ist.
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67.
Wenn der Wind den Staub des Freundes bringt,
Er für Beschauende die Schminke bringt.

Schauet Sina's Mahler diese Pracht,*
Er erstaunt zum Mund den Finger bringt.

Wenn das Herz sich Seines Mund's erinnert,
Es Rubin von Bedachschan** herbringt.

Sehnsuchtthräne färbt die Wangen blutig,
Blut'ger Wein das Blut auf Wangen bringt.

Baki, denke nicht an Seine Locke,
So die Weisen in Verwirrung bringt.***

* Den Farbenschmelz des Gemähldes der Schönheit
der Geliebten.
** Als Kaufmann von Osten
*** Wörtlich: Welche den Verstand, der sich sammelt,
zerstreuet.
___________


 

 

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