Mahmud Baki (1526-1600)

Ghaselen aus dem Divan

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Der Buchstabe Se
(Ghaselen 68-76)

 

68.
Von ganzer Seel' gehorchen wir dem Liebs-Ferman,
Dem Spruch des Schicksals sind wir gänzlich unterthan;

Wir beugen nicht das Haupt dem Mißgeschick der Welt,
Wir trau'n auf Gott den Herrn, und thuen wohl daran;

Wir lehnen nimmer uns auf goldnen Stoff der Welt,
Wir stützen uns auf Gott, der uns erretten kann.

Wir flüchten nicht zu Buß und Abgeschiedenheit,
Wiewohl wir in der Welt des Bösen viel gethan.

Es geht das Glück der Welt zu Grund vor Gottes Huld;
Dein Nahme, Baki! lebt im Blatt der Welt fortan.
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69.
Bessre Zinken* als den Leib beym Feste**
Gibt es nicht,
Wie der Laut von meinen Seufzern tönen
Flöten nicht.

Welcher Tag ist heute, daß von Deinem
Schmerzensleid
Meinen Kopf des Himmels Hochgewölbe
Enget nicht.

Zu der Secte der betrunknen Zecher
Passet nicht,
Wer wie's Glas mit blutgefärbtem Wein' sich
Färbet nicht.

Laßt zum Hohn der Welt uns trinken,
Was soll's seyn!
Die Verliebten kümmern sich um Gram und
Schande nicht.

Deine Wangen sollen immer nehmen
Baki's Herz,
Weil so schön gefärbt o Weltenschelm
Nimmer ist.

* Tschema, das Deutsche Zinken;
so heißt auch die Muschel,
auf der Wischnu bläst.
** Beym Feste des Grams.
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70.
Es röthet sich vom Wein Narziss'* ein wenig;
Vom Weine gleicht das Aug' dem Blut ein wenig.

O prahl' nicht, daß den Fuß Dir Keiner sieht,
Wir müssen eingewöhnen uns ein wenig.

Des Grames Gift soll nicht zur Seele dringen,
Wir trinken Wein nach Wehenart ein wenig.

Den Becher würde Lippenkuß beglücken,
Wenn er nicht kreis'te, wenn er stünd' ein wenig.

Was soll der Lärm des Streit's, des Zank's, o Baki!
Laß froh uns seyn mit Trunkenen ein wenig!

* Die Trunkene
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71.
Mit jedem Hauch sind Seufzern wir bestimmt,
Das ist, wir sind zum schwarzen Rauch bestimmt.

Als schöne Augenschmink' der Anmuth ist
Uns wiederum ein Staub des Aug's bestimmt.

Was Wunder, wenn sich keinem neigt der Kopf,
Wir sind zur Schwelle Deiner Thür bestimmt.

Du bist der Herr des Grams, welch eines Grams!
Zu manchem Streit bist, Baki! du bestimmt.
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72.
Wir, die reinen Sinn und laut'res Herz besitzen,
Becher Dschem's, den Weltenspiegelnden besitzen;

Was soll uns die Pracht in diesem blauen Dome?
Soll der Padischah ein Spatzennest besitzen?

Schicksalshärte hat in Meer verkehrt die Thränen,
Mondgesicht! wir nun des Unglücks Meer besitzen!

Herz ist finster um zu schau'n die Anemonen,
Wir wie Rosen einen Becher Wein's besitzen.

Ist's ein Wunder, Baki! daß den Kopf wir heben,
Da wir wie die Flasche Farbenton* besitzen.

* Rengün eda heißt eine farbige Ausführung
eines Gemähldes oder auch eines Musikstückes.
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73.
In dieser Welt, o Herz! Niemand beständig ist,
Behalt das Glas, kein Augenblick* beständig ist.

Glaubt nicht, die Raserey sey Wahl der Liebenden,
Indem in Liebeswahl Niemand beständig ist.

Wenn ich aus Grames Meer an's Land die Perle ziehe,
Ist Ufer nicht die Brust, die goldbeständig ist.**

Wie vieles Blut wein' ich nicht ob des Freundes Trennung,
Zu jeder Zeit das Blut im Aug' beständig ist.

Hoff', Bali! nimmer, daß du diesen Hirsch erjagest,
Du jagst ihn nicht, wiewohl er unbeständig ist.***

* Die Gelegenheit.
** Das Wortspiel dieses Distichons Kenae, das Ufer des Meeres,
und Kenar, die Brust oder Arme, läßt sich im Deutschen nicht deutlich wiedergeben;
wenn ich die Juwele (den Geliebten) an's Ufer (an meine Brust) ziehe,
so ist diese nicht Ufer, sondern selbst Juwele.
*** Er flieht vor dir her.
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74.
Hätt' Ohr Mittel um von Dir zu hören,
Soll mein Geld als Ohr Dir angehören!

Wie die Sterne schau'n wir Niedres nicht,
Hohe Blicke hohem Wuchs gehören.

Herz ist dornenwund und Aug' voll Thränen,
Was so kund, kann nicht geheim bethören.

Unsers Ruhmes Pauke tönt im Himmel,
Beyfall jauchzt die Welt in vollen Chören.

Deck' das Maal der Brust mit Thränen, Baki!
Eines Tag's wird Schwärze* Keinen stören.

* Unsere Schwärze, d.i. unser freyer berüchtigter
Lebenswandel wird nicht mehr als schwarz
erscheinen am jüngsten Tage.
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75.
Ich, dem kein Staub als Eigenthum ward zugeschlagen*,
Wie soll mich denn der Neid um Sonnenstäubchen plagen!

Nur Thränenströme sind's was ihr für Saiten haltet,
Wenn ihr beym Festgelag mich seht die Leyer schlagen;

Ich scheine euch gekrönt mit Kronen aus Smaragd,
Wenn um den Leib' empor die Flammenwirbel schlagen;

Und wer den blauen Rauch der Seufzer schauet, wähnt,
Ich sey im schwer damast'nen Mantel eingeschlagen.

Auf diesem Markt der Ungerechtigkeit, o Baki!
Nur Leiden als Gewinn zuletzt davon wir tragen.

* Wörtlich: Da wir in der Welt nicht die Existenz
eines Sonnenstäubchens besitzen.
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76.
Den Buchsbaumwuchs mein Klagen nicht erreicht,
Es scheint, daß Klage nicht sein Ohr erreicht.

Der feste Vorsatz kömmt zuerst zum Ziel,
Das mit dem größten Fleiß Einsiedler nicht erreicht.

Vor Seufzern fliehend kömmt zur Thür' die Thräne,
Sie geht so schnell, daß Wind sie nicht erreicht.

Das Ziel der Kaaba bleibt am Wege liegen,
Der Vorrath hat zum Weg nicht ausgereicht.*

Viel Meister, Baki, sind zum Ziel gelangt,**
Doch dich hat Keiner in der Welt erreicht!

* Das Leben ist zu Ende, der Tod ist da,
der Proviant genügt nicht.
** Zum Ziele der Dichtkunst.
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