Mahmud Baki (1526-1600)

Ghaselen aus dem Divan

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Der Buchstabe Waw
(Ghaselen 158-159)


158.
Seele glaub' nicht Neumond sey dort* aufgegangen,
Sondern Liebesbrandesflamm' ist aufgegangen.

Chodscha's Bund und Sofi's Kleid und Scheich's Mantel**
Sind in Schenken um die Lippen aufgehangen.

Nachtigallen füllen mit Gestöhn die Fluren;
Kann die Rose taub zu seyn sich wohl verlangen?

Wenn sich Deiner Schwell' aneignen, Schah! die Herzen,
Gilt es ihnen gleich ob Neumond aufgegangen.

Baki! trink' vom Glase bey dem Fest der Trennung!
Wer hieß Dich nach ungetreuem Freund' verlangen?

* Am Horizont
** Hier wird die ganze ehrwürdige Garderobe
der Chodschas, d.i. der Meister, der Sofi's, d.i. der
Beschaulichen, und der Scheiche, d.i. der Ordensoberns,
vom Dichter auf den Nagel gehängt.
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159.
Wer einem Mond vergleicht dieß Sonnenlicht,
Sey, wie das Neulicht, schwarz von Angesicht;

Ich glaube, daß vom Dach die Sonn' aufbricht,
Wenn Er am Morgen zeigt sein Mondgesicht.

Die gelben Wangen ganz von Staub verpicht,
Sind gelb wie Füßestaub vom Mondgesicht.

Es gehet auf mein Stern mit Segenslicht,
Sobald ich seh' am Fenster sein Gesicht.

Am Weg des Gau's ist Baki hingefallen:
O weh! des Staub's des Weges zum Gericht!
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