Mahmud Baki (1526-1600)

Ghaselen aus dem Divan

(Übersetzung: Joseph von Hammer-Purgstall)


Der Buchstabe Re
(Ghaselen 25-47)

25.
Der Liebende, der liebentbrannt und nackt herumgeht,
Ist ein Abdal, der in der Welt verwirrt herumgeht.

Umstricket ist des Sultans Fuß vom Band der Herrschaft,
Der Derwisch ist ein Sultan, welcher frey herumgeht.

Als Neumond ist das Schelmenaug' mir aufgegangen,
Das in der Stadt als Unheil kreiset und herumgeht.

Die Schönen lernen erst von Dir den Kopf zu schaukeln,
Sieh', wie der zarte Knab' jetzt schwanket und herumgeht!

Sieh', wie der Herbstwind geht verheerend durch die Blätter!
Wie Baki, so verheeret von Deinem Gram, herumgeht!
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26.
Goldne Krone hat der Himmel aufgesetzt,
Goldnen Mond von den Moscheen aufgesetzt;

Wie die Schönen prangen jetzt in neuen Kleidern,
Hat der Frühling sich das Kleid mit Schmuck besetzt.

In der Schenke hat der Wein den Trunknen jedem
Eine Krone eines Herrschers aufgesetzt.

Reiche Deine Hand her mit dem Becher Wein,
Weil, wo Rosen blüh'n, auch stets der Dorn verletzt.

Wie der Morgen röthet Baki sich vom Weine,
Von dem süßen, den die Zeit ihm aufgesetzt.
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27.
Weder treuern Freund als Wein den rothen hab' ich,
Weder froh'res Glas als Schenkenwinkel hab' ich.

Bin ich stets betrunken, wollet mich nicht schmähen,
Einen Schmerz, vertreibbar nur im Rausche, hab' ich;

Schmerzenskund'ge sagten: Trennungsgram begeistert;
Soll ich meinen schildern, Welten vor mir hab' ich;

Wenn die Wangen scheut der Diw der Nebenbuhler,
Ruft er: Höchste Schönheit, dich gefunden hab' ich;

Baki, froher Sinn kann immer dir genügen,
Denn den Becher Dschemschid's in den Händen hab' ich.
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28.
Bei Deinem Trennungsdolch so Seel' als Herz erzittert,
Wie wenn der Herbstwind weht, der Bäume Blatt erzittert.

Es weis't nach Deinem Gau wie Zeiger im Compaß
Mein nacktes Herz, das vor dem Gram der Wimpern zittert;

Des Kopfbunds goldner Saum, der Deine Wange küsset,
Auf selber wie das Gold im Herz' der Rose zittert;

Glaub', Baki, nicht es sey das Hemd das an ihm zittert;
Es ist der Sonne Schein, der auf dem Monde zittert.
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29.
Ländern dünkten Seine Härten lieblich,
Mir auch dünken Seine Härten lieblich;

Kohol* brauch' ich nicht für's Auge,
Staub der Füße dünkt mir lieblich.

Ein Spital ist Gau des Freundes,
Wo es krank zu seyn ist lieblich.

Mehr als Huris und als Engeln**
Dünkt der Schöne*** jedem lieblich.

Baki wünscht nicht andres Mittel
Ihn heilt Deine Härte lieblich.

* Die Augenschminke
** Die Knaben des Paradieses, deren eigner Name
den Europäern weniger bekannt ist als der der Huris
*** Wörtlich: Jedem Liebenden sein ungetreuer Freund
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30.
Die Wange Gluth, der Flaum das Maal das Rauchwerk sind*,
Die vielgekraus'ten Haar' am Rauchfaß Ringel sind.

Zum Kopfe steigt der blaue Rauch der Seufzergluth,
Indeß die schwarzen Locken Dir zu Füssen sind;

Die Ambralocken, die von dieser Höhe fallen,
Der Schatten von Cypressen und von Pinien sind.

Ghaselenaug', das Herz flieht Deine Wimpern nicht,**
Es ist ein Löw', dem Schwerter nur anlockend sind.

Ist deine Feder nicht der rothe Schwefel***, Baki,
Da deine Verse nur das Gold das reinste sind?

* Das Rauchwerk von Moschus und Ambra.
** Wörtlich: Es ist ein tapferer Löwe,
der sich in die glänzenden Schwerter stürzt
*** Der Stein der Weisen, der alles in Gold verwandelt.
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31.
Das Herzensblut im Becher rothen Weines ist!
Der Bau der Lust fürwahr sehr selten Schenke ist!

Das Herz stürzt sich aus Lust in's Kerzenlicht der Wangen,
Weil es ein Schmetterling, der Gluth nicht scheut, ist.

Hoff' nicht, o Herz, Bestand vom Glashaus dieser Welt,
Indem dasselbe oft vererbet worden ist.

Wiewohl dem Scheine nach von blauem Porzellan,
Sie dennoch nichts als Gluth voll blauen Rauches ist.

Senk', Baki, nicht das Haupt, die nied're Welt zu bitten,
Suleiman's Pallast dir Haus und Zuflucht ist.
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32.
Dem Mundrubin das Glas des Weins ergeben ist,
Der Kuß, den er erhält, der Preis vom Leben ist.

Es band sich zu den Mund der Schelm und sagte dann:
Für meines Tisches Gast dieß Zins der Zähne ist.

Als schwarzer Flor verhüllt der Flaum den Reiz der Wangen,
Daß unsichtbar der Herr ein wahres Unglück ist.

Auf Höhen schlägt den Sitz der Falk' der Liebe auf,
Auf meinem Kopf Sein Huf das Nest des Falken ist.

Es flieget in dem Wort' dir, Baki, keiner gleich,
Dein hoher Sinn der Paradiesesvogel ist.
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33.
Durch Wangenwiderschein mein Blick voll Rosen ist er?
Durch Deinen hohen Wuchs mein Sinn erhaben ist er?

Es weint ob Deinem Gram das Herz, es weint der Geist,
Der Springquell auf der Flur von meinen Thränen ist er?

Die Schau der Rosenflur beruhiget mich nicht,
Der Zweck von des Geliebten Ruh', die Seele ist er?

Der Sonnenbecher der auf stählner Himmelssphäre
Alltäglich kreis't, ein Funke meiner Seufzer ist er?

Korallenast im Thränenmeer des Auges Baki,
Von dem Syringenwuchs vielleicht ein Abglanz ist er?
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34.
Schenke! Weinglas schön zur Rose wird,
Wer es angreift zum Bülbüle wird.

Frisches Brandmaal auf dem alten Kopf,
Wahrlich schön zu einer Nelke wird.

Blauer Seufzerrauch ob Gram der Locken
Zur lazurnen Hyacinthe wird.

Wer umgeht des Freundes Lockenfaden,
Von demselben doch gebunden wird.

Wird dem Baki nicht Genussesfluth,
Er durch Trennungsgluth zu Asche wird.
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35.
Betrunkne sah'n dem Wein wie Blasen in's Gesicht,
Sie flossen hin wie Wein dem Schenken vor's Gesicht.

Des Morgentrunkes Schiff treibt noch umher in Brandung,
Wiewohl es befestiget ward mit Seilen dicht;

Bloß daß der Kahn des Glücks im Brand aufflammen möge,
Sind die Verläumder auf den Herrn der Welt erpicht.

Es sprachen drob erzürnt die Wohlgebildeten,
Den Kopf Verläumdern durchzunageln schadet nicht.

Des Schah's Gerechtigkeit verbrannte Aloe,
Damit die Welt durchdüfte Baki's Lobgedicht.
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36.
Des Gaues Bettler ward befangenes Herz, o schau!
Es hat befallen Herrschaftsgier den Bettler, schau!

Ob Moschus wie Sein Maal zu finden in Choten,
Durchwandre Sina's und Chataja's Feld und schau!

Mit Deinem Haar in Hand, bekleidet mit Wolle,
Fliegt der Efendi auf als Königsgeyer, schau!

Was ist des Spiegels Reinigkeit, was die Gestalt?
Die Reinigkeit des Spiegels Seiner Schönheit schau!

Es ging als frommer Mann auf diesem Felde Baki,
Da traf ihn gäh der Liebe Pfeil, das Unglück schau!
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37.
Der Staub von Deiner Thüre wird Lebensquell genannt,
Der Flügel Deiner Thüre wird Sonnenlicht genannt.

Die Wange hat den Strick von Deinem Haar gefühlt,
Deßhalb wird Hyacinth verwirrter Kopf genannt.

Es wird Dein Wimperndolch das blanke Schwert Ali's,
Und Deine Wange wird Osman's Koran genannt.*

Ich möchte wissen wen der holde Mond erleuchtet,
Der nächtlich ausgeht und Ausläufer wird genannt.

Der Augen Thränenstrom verheerte Baki's Herz,
Die überschwemmte Welt wird Sündfluthmeer genannt.

* Das Schwert Ali's und der Koran Osman's
sind zwey in der Schatzkammer des Sultans
aufbewahrte Kleinodien
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38.
Die Wange frischem Rosenblatte gleicht,
Der Mundrubin dem reinsten Weine gleicht;

Der Glanz des Liebesmaals auf meiner Brust
Dem hellsten Glanz der Weltensonne gleicht;

Die Thürschwell' ist der Tempel Salomon's,
Und Dein Gesicht dem Tempel Mekka's gleicht;

Dein schwarzes Lockenhaar der finstern Nacht,
Der Wangen Licht dem Schein des Mondes gleicht;

Die Welt ist Trug, o Baki, trau ihr nicht,
So Freud' als Leid' nur einem Traume gleicht.
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39.
Sind gleich trunken diese Wimpernspitzen,
Sind sie scharf doch Herzen aufzuritzen;

Während Du auf Schönheitspolstern schlafest,
Lärmt Geheul das Volk auf von den Sitzen;

Stadtaufrührer haben uns verbrannt,
Stadt und Land mit ihres Brandes Hitzen.

Venus spielt die Laute, Sol die Trommel,
Sollen Sonnestäubchen müßig sitzen?

Nicht aus Gram sind Rosige verschlossen,
Knospen pflegen, Baki! so zu sitzen.
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40.
Das gelbe Blatt, der Thau, der auf Narzissen ist,
Nur Gold und Silber zu des Armen Füssen ist;

Die Nachtigall beginnt das Vogelbuch* zu lesen,
Seitdem das Rosenbeet die Zelle Attar's ist.

Weil seinen Kopf dem Beil des Tods mit süßem Gram
Hingab Ferhad, er Liebenden zum Beispiel ist.

Was ist's wenn Edelstein der Thränen strömend fließt,
So geht es Jedem der wahrhaft verliebet ist.

Wenn jene Sonne spricht: ich gehe vor dem Mond,
Wiss' Baki, daß hierzu sie wohl berechtigt ist.

* Die Vogelgespräche, das berühmte Werk
des großen mystischen Dichters Scheich Attar
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41.
In Deinem Gau die Flur des Paradieses ist,
Was Prediger beschreiben hier zu schauen ist;

Huris und der Kewßer bedeuten Wein und Schöne,
Zur Liebe und zum Trunk bereit hier alles ist.

Des Mundes Kraft belebt die Todten, heilt die Kranken,
Die Weisheit Lokman's, Isa's Hauch hier thätig ist;

Die Locke beuth die Hand das Stirnenhaar verbergend,
Des Herzens Schatz bald hier bald dorten ist.

O Baki! hüthe dich vor dem Gespräch der Gleißner,
Denn was du thust nur dem Herrn gefällig ist.
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42.
Dein Harem ist Edens Garten werth,
Deiner Schwelle Dach des Himmels werth;

Wenn Dein Wimperndolch die Brust durchbohrt,
Ist es Wohlthat eine Seele werth.

Dringen Deine Pfeile in die Brust,
Ist ein jeder wohl Gebeine werth;

Ist mein Angesicht gleich gelb wie Gold,
Ist's doch nie den Staub der Schwelle werth;

Mit der Hand das Haar berühren, Baki,
Ist fürwahr das ew'ge Leben werth.
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43.
Als Unruhheer sind Dir der Flaum, das Maal genug,
Den Degen braucht es nicht, die Wimpern sind genug;

Was braucht es Flaum und Maal, um Unruh' zu erregen?
Zum Fang der Herzen ist der Wangen Roth genug;

Schau' unter Deinen Fuß auf mich im Staub hernieder,
Daß Du mich wegwarfst ist mich zu erhöh'n genug;

O Herz! ist es dein Zweck den Königsaar zu jagen,
So ist ein Blick des Falken deines Muth's genug;

Mit Goldstoff schmückt sich nicht der Mann von Kopf und Herz,
Dem Weisen, Baki, ist ein Wort, sagt man, genug.
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44.
Es bläst der Seufzer Wind, der schwache Leib erzittert
Wie von dem Herbstwind Blatt auf Flurenplan erzittert;

Das Herz verlangt Genuß von einem zarten Leibe,
Der eine Zeit wie frische Mandelsulz erzittert.

Sobald des Glases Mond erscheint in diesen Hallen,
Schieß' ich Kanonenseufzer daß die Erd' erzittert.

Dem Fische gleich, der aus der Fluth in Staub gefallen,
Aus Furcht vor Seinem Schwert die Seel' im Leib' erzittert.

Vom Wein, dem gestrigen, bist, Baki, du betrunken,
Das Glas in deiner Hand Syringen gleich erzittert.
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45.
Ob Herzensraub beginnt Er Schur nur anzufachen,
Trag' ich ihm's* an, pflegt er Liebkosungen zu machen;

Der Königsaar kann sich mit mir im Flug' nicht messen,
So hoch pfleg' ich den Flug nach Lockenspitz' zu machen.

Wenn ihrem Wuchs gemäß die Palm' anmuthig ginge,
So würde sie dennoch beschämt der Ceder Anmuth machen.

Sag' ich am Weg ich will nur Sein Betragen sehn,
Will dieser Schelme doch anmuthig Halt nicht machen.

Gräm' dich, o Baki! nicht ob Seiner Locken Banden,
Er gab sie um von Fremden Unterschied zu machen.

* Das Herz
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46.
Wenn dein Gram vertraut der Seele wird,
Thrän' und Seufzer dann Vertrauter wird.

Lanzenspitze die Sein Haupt geseh'n,
Ausgezeichnet von dem Volke wird.

Thräne hat eröffnet mein Geheimniß,
Thräne die am Herzen zum Verräther wird.

Wuchs des Freundes ist der Zweig der Leiden,
Dessen Frucht zum Reiz, zur Anmuth wird.

Solche Lieder, Baki, gibt's nicht viel,
Weil des Wortes Perle selten wird.
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47.
Den Dolch beschreibt der Schöne rastlos mir,
Das ist der Anmuth Schelm liebkoset mir.

Es dürstete das Herz nach dem Genuß,
Der Durst ward durch das Schwert vertrieben mir.

Halsband und Ohrring küssen Ohr und Nacken,
Sich zu erlösen aus dem Haar-Revier.

Die Lippen küssen sich als zwey Rubinen,
Um Wortesperlen auszustreuen hier.

Durch den Vergleich des Maals mit Moschusblasen
Hat Baki manches Hirn durchdüftet schier.
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