Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58




Johann August Apel
(1771-1816)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 





Olenos und Lethäa

Der schönen Göttin Bild zu kränzen,
Erscheint mit Lobgesang und Tänzen
An Aphrodite's Festaltar
Des frohen Volks vereinte Schaar.
Es hebt verschwiegner Liebe Bitte
Des Mädchens ahnungsvolle Brust,
Und lächelnd spendet Aphrodite
Dem Jüngling süße Liebeslust.

Und knieend vor der Göttin Bilde
Fleht jeder Aphrodite's Milde,
Des Armen wie des Reichen Hand
Bringt opfernd frommer Gaben Pfand.
Nur Olenos bleibt an den Pforten,
Fern von des Altars Heiligthum;
Nicht mit Geschenk noch frommen Worten
Erhebt er Aphrodite's Ruhm.

Nur von Lethäa's Reiz durchdrungen,
Weiht er des Herzens Huldigungen
Mit froher Hymnen Jubellaut
Dem holden Jugendschmuck der Braut.
Verherrlicht durch den Glanz der Schönen
Prangt seiner Väter Königsthron;
Doch wenig dünkt's ihn, sie zu krönen,
Der Liebe gnügt kein ird'scher Lohn.

"Dich nur als Göttin will ich ehren,
Du lebend Bildniß von Cytheren,
Das keines Menschen Kunst erfand,
Du Götterbild aus Götterhand!
Wärst du den Himmlischen erschienen,
Dir huldigte der Götter Schaar,
Und weihte, deiner Macht zu dienen,
Dir den Olymp zum Festaltar.

Als Charis, deinem Dienst erkoren,
Käm' Kypris in dem Tanz der Horen;
Und Here's stolze Lilienhand
Umkränzte dienend dein Gewand,
Zu weben goldnes Schleiers Faden,
Der deine Glieder schirmend schmückt;
Wenn in dem Götterquell sie baden,
Pries' selbst Athene sich beglückt.

Doch unter Menschen willst du wohnen,
Und frommes Herzens Dienst zu lohnen,
Hast du mit Götterherrlichkeit
Zum Tempel den Palast geweiht.
Stets soll auf meines Reichs Altären
Nur deiner Gottheit holde Macht
Der Opfer heil'ge Gluth verklären
In die verloschner Flammenpracht.

Was sollt' ich von den Göttern hoffen?
Elysium steht schon mir offen;
Nicht aller Götter Ueberfluß
Gleicht meinem seligen Genuß.
Sie spenden kalt der Gaben Fülle,
Unnahbar selbst im Aetherreich;
Nur in der Schönheit zarter Hülle
Naht Gabe mit dem Gott zugleich!"

Der König spricht's, und ihr zu Füßen
Will er als Göttin sie begrüßen;
Schon preist, von ihrem Reiz entzückt,
Anbetend sich das Volk beglückt:
Da zittern des Palastes Thürme,
Es bebt der Mauern tiefster Grund,
Den Götterzorn verkünden Stürme,
Schwarz öffnet sich der Erde Mund.

Und strenges Blicks, mit Flammenbränden
In hochgehob'nen blut'gen Händen,
Tritt in des Königshauses Thor
Den Eumeniden grauser Chor.
Wild kreuzen sich die Feuerblitze
Von ihrer Fackeln Rachegluth,
Und zischend nach der Fürstin Sitze
Zuckt ihrer Nattern gift'ge Wuth.

Doch schnell mit der Verzweiflung Schritte
Hat schaudernd aus der Flammen Mitte
Der König seine Braut entrafft;
Ihn stärkt der Liebe Götterkraft.
Und vor Erinnys' wildem Grimme
Birgt das geliebte Haupt sein Herz;
Er ruft empor, und seine Stimme
Trägt zu dem Götterthron der Schmerz:

"Ward eines Frevels Schuld verbrochen,
Am Schuld'gen werde sie gerochen;
Doch strafet, Götter, nicht die Brust,
Der keines Frevels Schuld bewußt!
Als Göttin wollt' ich sie begrüßen;
Ist Schönheit nicht Anbetung werth,
So laßt mich mein Verbrechen büßen,
Daß ihre Gottheit ich verehrt!

Doch wollt ihr solchen Dienst verdammen,
Wer zündet euch die Opferflammen,
Wenn, von Olympos' Höhn gesenkt,
Zu Menschen ihr die Schritte lenkt?
Ein Gott ist uns, wer, gleich der Sonne,
Mit Himmelskraft die Welt beglückt,
Und Göttin, die zu Götterwonne
Durch Schönheitzauber uns entzückt.

Laß nicht dein schönstes Bild zerstören!
Mag sich der Götter Zorn empören,
Kythere, von Erinnys' Pein
Laß nicht der Schönheit Glanz entweih'n!
Mich laß mit Hades' finstern Schauen
Versinken in die grause Nacht;
Doch laß Lethäa's Schönheit dauern
In göttergleicher Himmelspracht!"

Und lächelnd höret Aphrodite
Des liebentflammten Herzens Bitte,
Sie scheucht Erinnys' wilde Schaar,
Der Königsthton wird ein Altar, -
Und staunend zu des Opfers Brauche
Ergreifet schnell des Königs Hand
Das Weihgefäß mit heil'gem Rauche,
Anzündend den geweihten Brand.

Und wie des Opfers Düfte wallen,
Und Jubelhymnen laut erschallen,
Erbebt vor Kypris' naher Macht
Des neuen Tempels Säulenpracht, -
Und schnell zu Marmorstein erkaltet
Prangt hoch in ew'ger Schönheit Ruhm,
Zum Götterbildniß umgestaltet,
Lethäa's Reiz im Heiligthum.

Weit über Land und Meereswogen
Kam bald der Bildner Schaar gezogen;
Lethäa's Marmorbildniß stand
Als Göttin bald in jedem Land.
Und in des Urbilds Tempelhallen,
Ein Priester in dem Heiligthum,
Ließ Olenos stets Hymnen schallen
Zu Kypris' und Lethäa's Ruhm.


Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 171-172)
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Phyllis
(Ballade)

Hoch vom Felsenufer schaute
Phyllis bang' in's Meer hinaus.
Wenn der Morgen dämmernd graute,
Floh sie schon des Vaters Haus;
Wenn der Sonnenkreis sich neigte,
Sah sie noch mit trübem Sinn,
Ob kein Segel fern sich zeigte,
Trostlos in die Wogen hin.

Monden waren hingeflogen,
Seit das theure Schiff vom Strand
Durch der Meerflut öde Wogen
Eilte nach dem fernen Land.
Da ergossen sich die Klagen,
Angstvoll blickt sie weit in's Meer:
Doch, so weit die Blicke tragen,
Bleibt die grüne Fläche leer.

"Wo verweilst du, theures Leben?
Hält ein Sturm den Schiffer auf?
Aber leicht am Himmel schweben
Wolken hin in stillem Lauf.
Mächtig hält mit ernstem Zügel
Seine Flut Poseidon an,
Nur der mildern Lüfte Flügel
Ebnet sanft die Wellenbahn.

Wieder hellt die Felsenpfade
Schon Selene's Angesicht,
Und noch immer dem Gestade
Nahn die theuren Segel nicht! -
Könntest du die Schwüre brechen,
Stürzen mich in ew'ges Leid?
Demophon! - die Götter rächen
Zürnend streng den heil'gen Eid.

Stürme sind mir treu geblieben,
Treu des Meeres wilde Flut,
Denn sie sahn mein treues Lieben,
Meines Herzens heiße Gluth:
Und auf stiller Wogen Rücken
Schwamm der Flotten sich'res Heer;
Wellen wollten mich beglücken -
Nur dein Herz war liebeleer.

Konnt' ich trau'n den falschen Lippen?
Nannt' er sich nicht Theseus Sohn?
Theseus', der auf Naxos' Klippen
Treuer Liebe selbst entflohn? -
Götter! ja, ich bin verlassen!
Treulos ist sein ganz Geschlecht!
Doch die Rache wird ihn fassen,
Denn die Götter sind gerecht.

Konnte dieses Lächeln trügen,
Treue heucheln dieser Blick?
Konnten seine Lippen lügen,
Scherzen mit der Liebe Glück?
Nein! der Treue festen Glauben
Hält das liebend treue Herz,
Nicht Verzweiflung soll ihn rauben,
Nicht der hoffnungslose Schmerz!"

Und am dunklen Himmelsbogen
Glänzet matt der Sterne Schein;
Nacht ruht auf den schwarzen Wogen,
Dämm'rung hüllt die Felsen ein.
Blicke geben nicht mehr Kunde,
Doch die Liebe weckt den Muth,
Und sie ruft mit bangem Munde
Sehnend in die weite Flut.

Demophon! - so ruft sie bange -
Weit ertönt der Stimme Schall.
Demophon - mit dumpfem Klange
Widerhallt's im Felsenthal.
Doch, von ferner Lust getragen
Schwebt kein Laut der Liebe her;
Einsam schallen ihre Klagen,
Antwort rauscht nur Fels und Meer.

"Tödtet mich mit eurem Blitze!"
Ruft sie laut zu Göttern auf.
Neunmal zu des Felsen Spitze
Wendet angstvoll sie den Lauf.
Und zum kühlen Bett der Wogen,
In das grüne Wassergrab
Fühlt sie mächtig sich gezogen,
Beugt zum Fall sich schon hinab.

Aber schnell, an harter Klippe,
Hemmt den letzten Schritt der Fuß,
Und es stockt auf starrer Lippe
Plötzlich ihres Leid's Erguß.
Des Gewandes Falten weichen
Glatter Rinden engem Band,
Und zu schön verschlung'nen Zweigen
Theilt sich die gehobne Hand.

Und wo ringelnd sich ergossen
Goldne Locken von dem Haupt,
Sieht man Blätter grünend sprossen,
Und der Wipfel steht umlaubt.
Doch die Zweige selbst, - im Winde
Klagen sie der Liebe Schmerz,
Denn des Baumes starre Rinde
Fesselt nicht das treue Herz.

In des Meeres blaue Weiten,
Nach Athene's ferner Stadt
Wollen sich die Zweige breiten,
Neigt sich sehnend jedes Blatt.
Doch die Treue wird im Baume
Selbst des Kummers sich'rer Raub,
Von des Leides schwerem Traume
Sinkt der Zweige dürres Laub.

Und beim Stral der Morgenröthe,
Von der Schiffe Ruderklang
Widerhallt die nahe Rhede,
Und es tönt der Schiffersang.
Und voraus im Meer geschwommen
Naht schon Demophon dem Strand,
Denn der Erste will er kommen,
Küssen das geliebte Land.

Und er forscht mit bangen Blicken -
Niemand harrt am öden Meer;
Und er sucht auf Bergesrücken, -
Todt ist's überall und leer.
Und es führen ihn die Frauen
Hin zum steilen Felsenhang,
Wo mit der Verzweif'lung Grauen
Die Geliebte sterbend rang.

Und, wie fest mit Liebesarmen
Er den theuren Stamm umschlingt,
Muß die Todte selbst erwarmen,
Daß sie Leben neu durchdringt.
Und es glüht der Liebe Flamme
Mächtig in dem starren Leib,
Und noch in dem harten Stamme
Liebt als Baum das treue Weib.

Wo die Blicke sonst gesprochen,
Blickt ein junges Aug' hervor:
Schnell sind Knospen aufgebrochen,
Blätter drängen sich empor:
Wie die Worte sich ergießen
Liebend von dem holden Mund,
Eilen Zweige jetzt zu sprießen,
Grünend bei der Liebe Bund.

Und, wie sich die Purpurlippen
Oeffneten, der Liebe Gruß
Vom geliebten Mund zu nippen
In entzückend süßem Kuß;
Wie die Wange lieblich glühte
Bei der Liebe sel'gem Traum;
So, in Himmelspracht erblühte
In des Lieben Arm der Baum.


Aus: Cicaden von August Apel
Zweites Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 165-172)

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Lord Hereford

Bei dem Liebchen saß Lord Hereford,
Sie tranken den perlenden Wein:
"Gute Nacht, Du trauteste Molly,
Heut bleibst Du bis morgen allein.

Nach der Stadt hin muß ich eilen
An den Hof des König's zur Stund,
Bewahre mir Lieb' und Treue,
Versprich es mit Hand und Mund!"

Sie gab ihm Hand und Küsse,
Er eilte geschwind davon;
Doch schwang er sich nicht zu Rosse,
Er harrt' auf der Minne Lohn.

Schön Harriet wollt' ihn finden
In dem Garten um Mitternacht,
Da harret' er lang' und hatte
Den Morgen herangewacht.

Es trat schön Harriet leise
Zu der Schwester an's Kämmerlein:
Ach, Molly, thu auf die Thüre,
Laß Schwester Harriet ein.

Da war ein Küssen und Kosen,
Sie legten sich beid' ins Bett;
Nie waren Schwestern so liebend,
Als Molly und Harriet.

Sie hatten noch viel sich zu sagen,
Als die Lerche das Frühlicht sang;
Da ward im Garten Lord Hereford
Die Zeit des Wartens zu lang.

Er schlich zu Molly's Kammer,
Den Schlüssel in der Hand,
Wie ward ihm, als er bei Molly
Einen Schlafgefährten fand!

Er zog das scharfe Eisen
Und schwang's hoch über das Bett;
Laut schrie die zärtliche Molly,
Stark faßte den Lord Harriet:

"Gemach, gemach, Lord Hereford!
Hast Du so wenig Vertraun,
Weil an Dir, Du falsche Seele,
Weder Lieb' noch Treue zu schaun?

Du wolltest Harriet finden
In dem Garten um Mitternacht,
Drum hast Du Molly betrogen,
Und wirst nun ausgelacht."

Lord Hereford bat vergebens,
Die Schwestern eilten davon;
Statt neues Liebchen zu finden,
War ihm auch das erste entflohn.

Aus: Cicaden von August Apel
Zweites Bändchen Berlin
Im Kunst- und Industrie-Comptoir 1811 (S. 295-298)

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Kandaules
Ballade

Kandaules herrscht' in der Lyder Land
Aus Herakles Stamme gezeugt;
Sein Name war weit den Menschen bekannt,
Des Reiches Feinde hatt' er gebeugt.
Nun ruhten die blutigen Schwerter und Speere,
Und er schützte die Künste, des Friedens Ehre.

Doch war ihm von allem Ueberfluß,
Den die Götter ihm gütig gewährt,
Der Königin Schönheit der höchste Genuß,
Und er hielt sie göttlicher Ehre werth.
Und ließ viel Dichter wetteifernd ringen,
Der schönen Königin Preis zu singen.

Und alle zogen, mit reichem Lohn,
Von dem König begabt, zurück,
Und täglich umringten Künstler den Thron,
Zu erfreun des Königes Herz und Blick;
Und was von Göttern und Menschen geschehen,
War von ihnen lebendig gebildet zu sehen.

Einst kam Bularchus aus fernem Land,
Der Meister in Farb' und Gestalt,
Vom Gastfreund mit Ruhm dem König gesandt,
Ihm zu zeigen der Künste hohe Gewalt.
Und der König ladet zum glänzenden Feste
Bei des Meisters Ankunft die edelsten Gäste.

Und als sie gewechselt manch wichtiges Wort,
Da stellt, auf des Königs Geheiß,
Der Meister sein Bild auf erhabenen Ort,
Und es schließt sich ehrerbietig der Kreis,
Erwartend, wenn auf des Königs Winken
Von dem Bild der deckende Vorhang wird sinken.

Und der Künstler hebet den Vorhang still,
Und die staunende Menge schaut
In des Schlachtgetümmels wildes Gewühl,
Und es pocht jedes Herz in dem Busen laut;
Des Kriegers Rechte greift nach dem Schwerte,
Und die Frauen fliehn mit banger Gebehrde.

Und der König vom Anblick der Schrecken bleich,
Erhebt sich vom goldenen Thron:
Dein Bild acht' ich köstlichem Golde gleich,
Und gleiches Gewicht davon sei dein Lohn;
Und willst du mit deiner Kunst mich erfreuen,
So soll sich der Preis dir immer erneuen.

Und der Meister, beschämt sich verbeugend spricht:
O König, du bietest mir viel!
Das Bild bewegt dich, doch acht' ich das nicht
Der himmlischen Kunst vollendetes Ziel.
Willst du so fürstlichen Lohn gewähren,
So muß seine Kunst der Künstler ehren.

Der König staunt, und der Meister stellt
Vor die Menge ein zweites Bild,
Und jede Brust harrend den Athem hält,
Bis er leichtes Zuges die Tafel enthüllt,
Und der Künstler sieht mit frohem Entzücken
Die Macht der Schönheit in allen Blicken.

Aus der Wogen Schaume sich hebend, stand,
In lieblicher Jugend Gewalt,
Verschmähend das reizende Faltengewand,
Aphroditen's hohe Göttergestalt;
Und des alten Oceans wilde Söhne
Huldigten schmeichelnd der himmlischen Schöne.

Und die Menge lauschte, und sie waget kaum
Der Entzückung leiseres Wort,
Als sei die Gestalt gebildet vom Traum,
Als scheuche sie schreckend die Rede fort.
Nur der König verläßt zuerst das Staunen,
Er wagt's, dem Vertrauten ins Ohr zu raunen:

Schön ist sie fürwahr, o Gyges, es kann
Aphrodite schöner nicht sein!
Doch, laß dich nicht blenden so thörichten Wahn,
Als wohne die Schönheit bei Göttern allein,
Mein ist die schönste der Frauen,
Und neidend müßt' Aphrodite sie schauen.

Da strahlet des Jünglings Auge von Lust,
Zu vernehmen der Königin Preis;
Denn tief wohnt ihr Bild in seiner Brust,
Und er liebte sie lange im Verborgenen heiß;
Doch faßt er sich schnell, und heuchelt Entsetzen,
Daß der König sie will über die Himmlische setzen.

Und der König, glühend von Liebe, spricht,
Aphroditen nicht laß ich den Ruhm!
Du sahst die himmlischen Reize nicht,
Die die Götter ihr gaben zum Eigenthum;
Doch sollst du noch heute die schönste der Frauen
Mit geblendetem Sinn anbetend schauen.

Da regt das Verlangen dem Jüngling das Herz,
Die göttliche Schönheit zu sehn.
Und ihn quälet folternd der nagende Schmerz
Als Zeuge des fremden Glückes zu stehn,
Und sie, die ihm hält die Sinne gefangen,
Zu sehn von des Königes Armen umfangen.

Und der König lächelnd zum Künstler spricht:
Nimm hin den versprochenen Lohn.
Doch, deine Göttin ehr' ich noch nicht,
Ein Jüngling spricht ihren Reizen Hohn,
Und will mir menschliche Schönheit zeigen,
Die keine himmlische soll erreichen.

Da blickt der Künstler den König an,
Und warnend die Hand er hebt:
Die Himmlischen strafen den eitlen Wahn,
Weh dem, der sich über die Götter erhebt!
Gefangen wird er in eigenen Schlingen,
Sein Glück muß selbst Verderben ihm bringen.

Und er nimmt sein Bild, und wendet sich ab,
Und verläßt des Königs Pallast.
Da sinkt die Sonn' in das Meer hinab,
Und der König eilt mit stürmischer Hast,
Ihm folgt der Jüngling mit bangem Erröthen,
Und birgt sich hinter die goldnen Tapeten.

Hell stralte des Mondes weißes Licht
Durch die weiten Fenster herein,
Und in hohen, krystallenen Spiegeln bricht
Sich vielfach der sanfte, silberne Schein,
Als wollt' in leuchtenden Strahlenmeeren
Der Himmel selbst die Fürstin verklären.

Und der Jüngling harrt, und es öffnet sich bald
Die Thür, und es tritt in den Saal
Mit dem König die hohe, schöne Gestalt,
Und es küßt die Selene mit liebendem Strahl,
Und wie eine Nymphe im leichten Tanzen,
Schwebt sie, umleuchtet vom magischen Glanze.

Und der Jüngling sieht, wie das weiße Gewand
Um die weichen Formen sich schmiegt,
Und wie der König mit schmeichelnder Hand
Des Schleiers luftige Hülle besiegt,
Daß auf Nacken und Brust sich Schimmer und Schatten
Im lieblichsten Spiele wechselnd gatten.

Und er sieht der Arme liebendes Paar
Gehoben mit lächelnder Lust,
Mit den Rosenfingern lösen das Haar,
Daß es ringelnd wallt über Nacken und Brust,
Und der Schönheit Blüthe bald leise verstecket,
Bald freier des Jünglings Blicken entdecket.

Da bezwingt er länger die Sehnsucht nicht
Und seufzend athmet' die Brust.
Doch der König wendet bang sein Gesicht,
Entsagend der leicht verrathenen Lust,
Und bedeckt nun selbst mit des Schleiers Hülle
Der göttlichen Glieder reizende Fülle.

Dann führt er sie schnell in das Schlafgemach,
Und geängstet eilt er davon:
Erwarte mich nicht, ich bleibe noch wach,
Mich fesselt die Sorg' um Land und Thron.
So eilet er fort, und der Jüngling entdecket,
Daß geheimes Grauen den König schrecket.

Doch den Jüngling der nächtliche Schlummer flieht,
Ihn umschwebet die schöne Gestalt,
Und aus wachen Träumen ihn plötzlich zieht
Eine unbekannte, sanfte Gewalt.
Die befiehlt ihm, zu folgen, mit leiser Stimme,
Und er glaubt sich geopfert des Königs Grimme.

Doch unerschrocken folget er nach,
Geleitet von ihrer Hand,
Und staunend erkennt er das hohe Gemach,
Wo vor wenig Stunden er lauschend stand.
Und die Fürstin, vom Schleier leicht bedecket,
Auf das schwellende Lager hingestrecket.

Und sie blicket ihn an mit zürnendem Blick:
Verwegner! was hast du gethan?
Ich segne, Königin! mein Geschick,
Denn ich sah, was die ersten der Götter nicht sahn.
Und soll für mein Glück mein Leben büßen,
So sterb' ich mit Wollust zu deinen Füßen!

Und die Königin blicket ihn liebreich an:
Dein ist unter zweien die Wahl.
Du tödtest den König, ein tapferer Mann,
Erwirbst dir das Reich, und wirst mein Gemahl.
Doch, bist du zu feig, so verlierst du dein Leben,
Denn der König kann dir dein Glück nicht vergeben.

Da entsetzt sich der Jüngling; er fürchtet die Wuth
Des Königs, die heimlich ihm droht.
Hier glüht ihm der Liebe lebendige Gluth,
Dort erwartet ihn stummer, unrühmlicher Tod;
Und er sinket betäubt zu ihren Füßen,
Er will nicht wählen, er sehnt sich zu müssen.

Befiehl mir, Himmlische, ruft er laut;
Laß mir nicht die schreckliche Wahl!
Dich zu umarmen als meine Braut
Fordr' ich zum Kampfe die Götter all:
Und kann mir das deine Lieb' erwerben,
So muß Kandaules noch heute sterben.

Da reicht ihm die Königin lächelnd die Hand,
Und er küßt sie mit wüthender Lust,
Und sie sieht ihn mit frohem Entzücken gebannt,
An die schwellende, liebeglühende Brust,
Und sie hält ihn fest mit den Armen umfangen,
In Küssen stillend ihr heißes Verlangen.

Da erhob sich der Morgen in Osten fern,
Mit röthlich dämmerndem Schein,
Er erbleicht, der Liebe hellstrahlender Stern,
Und der Jüngling eilt zu dem Könige hinein;
Er will im Rausche die That vollenden -
Bald kehrt er zurück mit blutigen Händen.

Und der Tag bricht an, da schallts im Pallast:
Kandaules, der König, ist todt!
Und es eilen die Boten sonder Rast,
Zu verkünden, der König ist todt!
Und das Volk umringt des Pallastes Pforten,
Es forscht nach dem Thäter, es will ihn morden.

Da naht Bularchus mit ernstem Blick:
Rächt nicht, was die Götter vollbracht!
Der König erhob sich frevelnd im Glück,
Ihn strafet nun Aphroditens Macht.
Der Mensch kann den hohen Göttern nicht wehren,
Was sie wirken, muß er im Staube verehren.


Aus: Zeitlosen von August Apel
Berlin 1817 In der Schüppelschen Buchhandlung (S. 227-240)

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