Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

 

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Clemens Brentano
(1778-1842)

 

Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 

 



Ein Fischer saß im Kahne,
Ihm war das Herz so schwer,
Sein Liebchen war gestorben,
Das glaubt' er nimmermehr.

Und bis die Sternlein blinken,
Und bis zum Mondenschein,
Harrt er sein Lieb zu fahren
Wohl auf dem tiefen Rhein.

Da kömmt sie hergegangen
Und steiget in den Kahn,
Sie schwanket in den Knien,
Hat nur ein Hemdlein an.

Sie schwimmen auf den Wellen
Hinab in tiefer Ruh',
Da zittert sie und wanket,
O Liebchen frierest Du?

Dein Hemdlein spielt im Winde,
Das Schifflein treibt so schnell;
Hüll' dich in meinen Mantel,
Die Nacht ist kühl und hell.

Sie strecket nach den Bergen
Die weißen Arme aus,
Und freut sich, wie der Vollmond
Aus Wolken sieht heraus.

Und grüßt die alten Türme,
Und will den hellen Schein,
Mit ihren zarten Armen,
Erfassen in dem Rhein.

O setze dich doch nieder
Herzallerliebste mein!
Das Wasser treibt so schnelle
O fall nicht in den Rhein.

Und große Städte fliegen
An ihrem Kahn vorbei,
Und in den Städten klingen
Der Glocken mancherlei.

Da kniet das Mädchen nieder
Und faltet seine Händ'
Und seine hellen Augen
Es zu dem Himmel wendt.

Lieb Mädchen bete stille,
Schwank' nicht so hin und her,
Der Kahn, er möchte sinken,
Das Wasser treibt so sehr.

In einem Nonnenkloster
Da singen Stimmen fein
Und in dem Kirchenfenster
Sieht man den Kerzenschein.

Da singt das Mädchen helle
Die Metten in dem Kahn,
Und sieht dabei mit Tränen
Den Fischerknaben an.

Der Knabe singt mit Tränen
Die Metten in dem Kahn,
Und sieht dabei sein Mädchen
Mit stummen Blicken an.

So rot und immer röter
Wird nun die tiefe Flut,
Und weiß und immer weißer
Das Mädchen werden tut.

Der Mond ist schon zerronnen,
Kein Sternlein mehr zu sehn,
Und auch dem lieben Mädchen
Die Augen schon vergehn.

Lieb Mädchen guten Morgen!
Lieb Mädchen gute Nacht!
Warum willst du nun schlafen?
Da schon die Sonn' erwacht.

Die Türme blinken helle,
Und froh der grüne Wald
Von tausend bunten Stimmen
In lautem Sang erschallt.

Da will er sie erwecken,
Daß sie die Freude hör',
Er sieht zu ihr hinüber
Und findet sie nicht mehr.

Und legt sich in den Nachen
Und schlummert weinend ein,
Und treibet weiter weiter
Bis in die See hinein.

Die Meereswellen brausen
Und schleudern ab und auf
Den kleinen Fischernachen
Der Knabe wacht nicht auf.

Doch fahren große Schiffe
In stiller Nacht einher,
So sehen sie die beiden
Im Kahne auf dem Meer.


(andere Version)

Auf dem Rhein

Ein Fischer saß im Kahne,
Ihm war das Herz so schwer
Sein Lieb war ihm gestorben,
Das glaubt er nimmermehr.

Und bis die Sternlein blinken,
Und bis zum Mondenschein
Harrt er sein Lieb zu fahren
Wohl auf dem tiefen Rhein.

Da kömmt sie bleich geschlichen,
Und schwebet in den Kahn
Und schwanket in den Knieen,
Hat nur ein Hemdlein an.

Sie schwimmen auf den Wellen
Hinab in tiefer Ruh',
Da zittert sie, und wanket,
Feinsliebchen, frierest du?

Dein Hemdlein spielt im Winde,
Das Schifflein treibt so schnell,
Hüll' dich in meinen Mantel,
Die Nacht ist kühl und hell.

Stumm streckt sie nach den Bergen
Die weißen Arme aus,
Und lächelt, da der Vollmond
Aus Wolken blickt heraus.

Und nickt den alten Türmen,
Und will den Sternenschein
Mit ihren starren Händlein
Erfassen in dem Rhein.

O halte dich doch stille,
Herzallerliebstes Gut!
Dein Hemdlein spielt im Winde,
Und reißt dich in die Flut.

Da fliegen große Städte,
An ihrem Kahn vorbei,
Und in den Städten klingen
Wohl Glocken mancherlei.

Da kniet das Mägdlein nieder,
Und faltet seine Händ'
Aus seinen hellen Augen
Ein tiefes Feuer brennt.

Feinsliebchen bet' hübsch stille,
Schwank' nit so hin und her,
Der Kahn möcht' uns versinken,
Der Wirbel reißt so sehr.

In einem Nonnenkloster
Da singen Stimmen fein,
Und aus dem Kirchenfenster
Bricht her der Kerzenschein.

Da singt Feinslieb gar helle,
Die Metten in dem Kahn,
Und sieht dabei mit Tränen
Den Fischerknaben an.

Da singt der Knab' gar traurig
Die Metten in dem Kahn
Und sieht dazu Feinsliebchen
Mit stummen Blicken an.

Und rot und immer röter
Wird nun die tiefe Flut,
Und bleich und immer bleicher
Feinsliebchen werden tut.

Der Mond ist schon zerronnen
Kein Sternlein mehr zu sehn,
Und auch dem lieben Mägdlein
Die Augen schon vergehn.

Lieb Mägdlein, guten Morgen,
Lieb Mägdlein gute Nacht!
Warum willst du nun schlafen,
Da schon der Tag erwacht?

Die Türme blinken sonnig,
Es rauscht der grüne Wald,
Vor wildentbrannten Weisen,
Der Vogelsang erschallt.

Da will er sie erwecken,
Daß sie die Freude hör',
Er schaut zu ihr hinüber,
Und findet sie nicht mehr.

Ein Schwälblein strich vorüber,
Und netzte seine Brust,
Woher, wohin geflogen,
Das hat kein Mensch gewußt.

Der Knabe liegt im Kahne
Läßt alles Rudern sein,
Und treibet weiter, weiter
Bis in die See hinein.

Ich schwamm im Meeresschiffe
Aus fremder Welt einher,
Und dacht' an Lieb und Leben,
Und sehnte mich so sehr.

Ein Schwälblein flog vorüber,
Der Kahn schwamm still einher,
Der Fischer sang dies Liedchen,
Als ob ich's selber wär'.

Aus: Clemens Brentano, Werke, Erster Band
Hrsg. von Wolfgang Frühwald, Bernhard Gajek
und Friedhelm Kemp; Carl Hanser Verlag, München, 1968 (S. 95-101)
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Lureley

Zu Bacharach am Rheine,
Wohnt eine Zauberin,
Die war so schön und feine
Und riß viel Herzen hin,

Und machte viel zuschanden
Der Männer rings umher,
Aus ihren Liebesbanden
War keine Rettung mehr.

Der Bischof ließ sie laden
Vor geistliche Gewalt,
Und mußte sie begnaden,
So schön war ihr' Gestalt.

Er sprach zu ihr gerühret,
»Du arme Lore Lay.
Wer hat dich dann verführet
Zu böser Zauberei.«

»Herr Bischof laßt mich sterben,
Ich bin des Lebens müd,
Weil jeder muß verderben
Der meine Augen sieht.

Die Augen sind zwei Flammen,
Mein Arm ein Zauberstab,
O schickt mich in die Flammen,
O brechet mir den Stab.«

»Den Stab kann ich nicht brechen,
Du schöne Lore Lay,
Ich müßte dann zerbrechen,
Mein eigen Herz entzwei.

Ich kann dich nicht verdammen,
Bis du mir erst bekennt
Warum in deinen Flammen
Mein eignes Herz schon brennt.«

»Herr Bischof mit mir Armen
Treibt nicht so bösen Spott,
Und bittet um Erbarmen
Für mich den lieben Gott,

Ich darf nicht länger leben,
Ich lieb' kein Leben mehr
Den Tod sollt ihr mir geben,
Drum kam ich zu euch her.

Ein Mann hat mich betrogen,
Hat sich von mir gewandt,
Ist fort von mir gezogen
Fort in ein andres Land.

Die Blicke sanft und wilde,
Die Wangen rot und weiß,
Die Worte still und milde,
Die sind mein Zauberkreis.

Ich selbst muß drin verderben,
Das Herz tut mir so weh,
Vor Jammer möcht' ich sterben,
Wenn ich zum Spiegel seh'.

Drum laßt mein Recht mich finden,
Mich sterben, wie ein Christ,
Denn alles muß verschwinden
Weil er mir treulos ist.«

Drei Ritter ließ er holen:
»Bringt sie ins Kloster hin,
Geh Lore! Gott befohlen,
Sei dein berückter Sinn.

Du sollst ein Nönnchen werden,
Ein Nönnchen schwarz und weiß.
Bereite dich auf Erden
Zum Tod mit Gottes Preis.«

Zum Kloster sie nun ritten
Die Ritter alle drei,
Und traurig in der Mitten
Die schöne Lore Lay.

»O Ritter laßt mich gehen,
Auf diesen Felsen groß,
Ich will noch einmal sehen,
Nach meines Buhlen Schloß,

Ich will noch einmal sehen
Wohl in den tiefen Rhein,
Und dann ins Kloster gehen,
Und Gottes Jungfrau sein.«

Der Felsen ist so jähe,
So steil ist seine Wand,
Sie klimmen in die Höhe,
Da tritt sie an den Rand,

Und sprach: »Willkomm, da wehet
Ein Segel auf dem Rhein,
Der in dem Schifflein stehet,
Der soll mein Liebster sein.

Mein Herz wird mir so munter,
Er muß der Liebste sein.«
Da lehnt sie sich hinunter
Und stürzet in den Rhein.

Es fuhr mit Kreuz und Fahne
Das Schifflein an das Land,
Der Bischof saß im Kahne,
Sie hat ihn wohl erkannt.

Daß er das Schwert gelassen,
Dem Zauber zu entgehn,
Daß er zum Kreuz tät fassen,
Das konnt' sie nicht verstehn.

Wer hat dies Lied gesungen
Ein Priester auf dem Rhein
Und immer hat's geklungen,
Vom hohen Felsenstein

Lureley
Lureley
Lureley.

Als wären es meiner drei!

Aus: Clemens Brentano, Werke, Erster Band
Hrsg. von Wolfgang Frühwald, Bernhard Gajek
und Friedhelm Kemp; Carl Hanser Verlag, München, 1968 (S. 115-118)
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Es ging verirrt im Walde
Ein Königstöchterlein
Laut weint sie, daß es schallte
Tief in den Wald hinein.

An meiner Krone blinken,
Schmaragd und auch Rubin,
Um einmal nur zu trinken,
Gäb' ich sie gerne hin.

Da schwebt zu ihrem Haupte
Ein edler Falke bald,
Der ihr die Krone raubte
Und tiefer flog zum Wald.

Sie folgt ihm, hoch in Lüften
Trägt er die Krone hell
Bis wo in dunklen Klüften
Erbraust ein kühler Quell.

O Falke Luftgeselle
Nimm hin die Krone mein,
So kühl als diese Quelle
Mag keine Krone sein.

Es braust so wonnig unten
Tief in der Felsen Schoß,
Von Schatten still umwunden,
Ruht sie auf weichem Moos,

Die Locken aufgewunden
Die zarten Glieder bloß,
Erkühlt sie sich da unten
Tief in der Felsen Schoß.

Sie ließ sich an den Zweigen
Hinab ins kühle Bad,
Bald will sie rückwärts steigen,
Doch zeiget sich kein Pfad,

Sie streckt wohl nach den Zweigen,
Mit Macht die Arme hin,
Doch keiner will sich neigen,
Zur Königstochter hin.

Wer kann heraus mich heben,
Weint da die holde Magd,
Gern wollte ich ihm geben,
Mein Ringlein von Schmaragd,

Wie sie die Hände ringet
Das schöne Ringelein
Ihr von dem Finger springet,
Tief in den Quell hinein.

Sie sucht und findt in Klippen
Ein Horn von Gold so rein,
Und setzt es an die Lippen,
Es schallt zum Wald hinein.

Die Felsen laut erklingen,
Und laut von Stein zu Stein
Die muntern Töne springen,
Ums Königstöchterlein.

Die Zweige sich auch neigen
Der edle Falke wiegt,
Sich fröhlich auf den Zweigen
Die er hinunter biegt.

Dann hört sie Worte schallen,
Wer bläst auf meinem Horn,
Das gestern mir gefallen
Hinab zum Felsenborn.

Wer hütet mich vor Schande,
Weint laut das Töchterlein,
Wer giebt mir die Gewande,
Wer schützt die Ehre mein,

Mich liebte einst ein Knabe
Der Züchten wohl verstand,
O daß ich ihn nicht habe,
Er gäb' mir mein Gewand.

Die Augen zugebunden,
Der Knabe vor ihr stand
Der Knabe ist gefunden
Er reicht ihr das Gewand.

Verloren ist die Krone,
Und auch das Fingerlein,
Ohn' Ringlein und ohn' Krone,
Muß sie das Kleinod sein.

Da ruhte der Geselle
Wohl bald in ihrem Schoß,
Im Herzen ward's ihm helle
O mach die Binde los.

In ihr Gewand geschwinde
Hüllt sich das holde Kind,
Dann löst sie ihm die Binde,
Läßt nicht die Liebe blind.

Da schallt es in den Buchen
Da hallt es am Gestein,
Der König kommt zu suchen,
Das Königstöchterlein.

Nun rege deine Hände,
Spricht da das Töchterlein,
Wenn uns der König fände
Müßt' es gestorben sein.

Der Falke nahm die Krone,
Der Quell das Fingerlein,
Der Jäger nimmt zum Lohne
Das Könisstöchterlein.

Es nahm der Jagdgeselle
Sein Horn und sein Geschoß
Und trug die Jungfrau schnelle
Zum hohen Felsenschloß.

Auf Felsen hoch ich wohne,
Der Falke und die Braut
Am Turme hängt die Krone
Sein Nest hineingebaut.

Aus: Clemens Brentano, Werke, Erster Band
Hrsg. von Wolfgang Frühwald, Bernhard Gajek
und Friedhelm Kemp; Carl Hanser Verlag, München, 1968 (S. 132-135)
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Die Einsiedlerin

O lasse Geliebter mich einsam leben!
Dem Tode bin ich früh geweiht,
Ich kann dir nicht Friede nicht Freude geben,
Doch beten für dich in Einsamkeit.

Ich will dir Geliebte dein Zellchen bauen
Mein Herz ist einsam und dir geweiht.
Und durch meine Augen kannst du wohl schauen
Den Himmel so nah, die Welt so weit.

Die Arme, ich will sie dicht um dich schlingen,
Wie Liebeszweige, an Früchten schwer,
Die Lippe, sie soll dir wie Echo klingen,
Wie Vöglein springen mein Lied umher.

Dein Händchen, o leg's an mein Herz, es schläget
Im Busen mir ein lebend'ger Quell
Und wie sich in Liebe Liebe beweget,
Springt er dir entgegen so freudig hell.

Du kannst nicht lieben, nicht glauben, so ziehe
So ziehe nur hin in deinen Tod,
Die Sonne schien in dein Bettchen zu frühe,
Verschlafe nur nicht dein Abendrot.

Noch alle Tag' ist's nicht Abend geworden,
Mir bringet die Zeit noch Rosen einst,
Ich ziehe nach Süden, leb' wohl in Norden,
Du lachst mir noch, wie du nun weinst.

Und hinter dem Berge der Freund verschwindet,
Die Sonne geht durchs Himmelstor,
Sein Bündelchen traurig das Mädchen bindet,
Steigt mit dem Mond am Berg empor.

Es stehen die Wälder so stille, stille,
Des Berges Ströme sausen wild,
O stärke den Mut mir, stark ist der Wille,
So betet sie am Heil'genbild.

Da läutet im Winde ein Silberglöckchen,
Sie tritt in die Zelle von Rosenholz,
Und nimmt das braunseidene Klausnerröckchen,
Legt an die Demut, legt ab den Stolz.

Und wie sie die bunten Kleider hinleget,
Schlägt ihr das Herz im Busen laut,
Die Flöte der Wanduhr so sanft sich reget,
Und singt das Nachtlied der Himmelsbraut.

»Gut Nacht, o mein Liebchen, auf seidnem Moose,
Ach wie so sehnend die Nachtigall singt,
Am Fensterchen glühet die treue Rose,
Die Rose, die einst die Zeit mir bringt.

Ich mußte die Hütte, den Garten geben,
Zu bauen dein Zellchen so schön und fein,
Und muß nun wie du in der Wildnis leben,
Mit meiner Sehnsucht so einsam sein.

O Liebchen schlaf wohl, von deinem Schoße,
Fällt klingend der perlene Rosenkranz,
Es schläft nicht der Treue auf seidnem Moose,
Ihm flicht wohl die Liebe den Dornenkranz.«

So singt ihr die Flöte, doch verstehen
Kann Liebchen nicht des Liedes Leid,
Der Liebe Bitten, der Liebe Flehen,
Scheint ihr das Lied der Einsamkeit.

So lebt sie lange, ungeschmücket
Die Tage hin, die Nächte hin,
Und schon die Rose sich niederbücket
Sieht nicht mehr nach der Klausnerin,

Die Stürme sausen in wilden Nächten,
Wohl lauter als die Flöte sang,
Im Walde die Hirsche brünstig fechten
Die Welt wie wild, die Zeit wie lang.

Und sitzet sie traurig an der Türe,
So eilen auf verschlungner Bahn
Die Rehe paarweis, die scheuen Tiere
Und stehen still und sehn sie an.

»O Zeit o wolle die Rosen brechen,
Wie einsam ist Liebchen, wie allein,
In Sehnsucht will ihr das Herz zerbrechen,«
So schreibt sie oft auf Täfelein.

Und heftet sie dann an die Geweihe
Der Hirsche, die sie zahm gemacht,
Und mustert sie ängstlich nach der Reihe,
Ob keiner Antwort ihr gebracht.

Weint Liebestränen, schlingt durch die Locken
So weltlich den perlernen Rosenkranz,
Und schürzt das Röckchen, schmückt ihre Socken
Mit Waldes Blumen, möcht' gern zum Tanz.

Und regen die Büsche im Mond sich helle,
Und flötet die Nachtigall süß und mild
So kann sie nicht schlafen, steht an der Zelle,
Und glaubet, sie sähe des Lieben Bild.

Umarmt die Bäume mit Liebesgeberde,
Und reicht den blühenden Zweigen die Hand,
Und kühlt sich den Busen an kühler Erde,
Und zeichnet sein Bildnis in reinen Sand.

Oft hebt sie die Füßchen, sie tanzt so gerne
Und beißt sich die Lippen, sie küßt so gern,
Am Himmel da stehen so ruhig die Sterne,
O weh mir wie einsam, die Liebe ist fern.

So eilet der Frühling, der Sommer gehet,
Es senken die Büsche das grüne Dach,
Und sie wird nicht ernten, die nicht gesäet,
Nicht ruhig schlafen, die Reue ist wach.

»Du hast nicht geglaubt, nicht geliebt, so blühe,
Verblühe nur hin in deinen Tod
Die Sonne schien in dein Bettchen zu frühe,
Verschlafe nur nicht dein Abendrot.«

So wiederholt sie im Traum seine Worte
Es pochet im Herzen, ja poche nur,
Sie gehet im Traume wohl an die Pforte,
O wehe es pochte im Herzen nur!

Sie weinet getäuschet, und bleibet stehen,
Da tönen Worte zu ihr hin,
O laßt ohn' Obdach mich nicht gehen
Gott lohnt euch, fromme Klausnerin.

Sie öffnet die Türe, in lauter Freude
Kann sie nicht reden, ihr Auge bricht,
In Liebestränen, und Freud und Leide,
Denn ach es ist der Geliebte nicht.

Und wie sie so weinet, steht still der Alte
Das Haupt gesenket, blickt sie nicht an,
O Jungfrau verzeih', daß ich krank dich halte,
Du bist wohl der Welt noch zugetan.

So redet er zürnend, und vor ihm nieder,
Kniet weinend die arme Klausnerin,
Und fleht, gieb mir den Geliebten wieder,
O führ' mich wieder ins Leben hin.

Der Alte spricht ruhig in jener Klause,
Die gestern mein Dach gewesen ist,
Ist Andacht und Friede wohl mehr zu Hause
Da wohnet wohl ein beßrer Christ.

Da wohnet ein Jüngling, fromm und stille,
Und tuet Gutes, ist ohne Tand,
Er wählte durch der Geliebten Wille
Sich also schwer betrübten Stand.

Die Klausnerin jammert und ringet die Hände,
Und will nicht bleiben, will zu ihm hin,
O sage mir Greis, wohin ich mich wende,
In welchem Tale finde ich ihn.

Es weinet der Alte, so tief gerühret
Hat ihn der ird'schen Liebe Streit,
Es schmückt sich die Holde, als Braut gezieret
Steht sie im braunen seidnen Kleid.

Und hastig zieht sie ihn von der Schwelle,
Will mit ihm nach dem Tale gehn,
Die Nacht ist so ruhig, der Mond so helle,
Der Greis bleibt bei den Rosen stehn.

Und bricht die Rosen, und knieet nieder
Ein Jüngling vor der geliebten Braut,
Sie kann ihn umarmen, und wieder, wieder,
Sie weint so stille und lacht so laut.

Schlaf' wohl, o mein Liebchen auf seidnem Moose,
Die Zeit bringt Rosen, o süße Zeit!
Das Einsiedlerröckchen ist leicht und ist lose,
Der Himmel so nahe die Welt so weit.

Auf, auf o mein Liebchen, ich will uns bringen,
Zur Freude hin, geschwind wie der Wind,
Und auf die gesattelten Hirsche sich schwingen.
Der Jüngling und sein getreues Kind.

Es fliehen die Berge, es fliehen die Haine,
Die Städte stehen, und sehen nach,
Dann setzt er sie nieder und küßt sie am Rheine,
O Liebchen, wer flöhe den beiden nicht nach.

Aus: Clemens Brentano, Werke, Erster Band
Hrsg. von Wolfgang Frühwald, Bernhard Gajek
und Friedhelm Kemp; Carl Hanser Verlag, München, 1968 (S. 195-199)
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Auf einen grünen Zweig

Zur Fremde zog ein frommer Knabe
An Gold so arm, wie Gold so treu,
Er sang ein Lied um milde Gabe,
Sein Lied war alt, die Welt war neu.

Wie Freiheit singt in Liebesbanden,
So stieg das Lied aus seiner Brust;
Die Welt hat nicht sein Lied verstanden,
Er sang mit Schmerzen von der Lust.

Das Leben leichter zu erringen,
Tut er der eignen Lust Gewalt;
Will nimmer spielen, nimmer singen,
Geht Kräuter suchen in den Wald.

Die Füße muß er wund sich laufen
Zum heißen Fels, zum kühlen Bach,
Und muß um wenig Brot verkaufen,
Die Blume, deren Dorn ihn stach.

Und wie er durch die Wälder irret,
Ein seltsam Tönen zu ihm drang;
Durch wildes Singen rasselnd schwirret,
Ein schmerzlicher metallner Klang.

Der Knabe teilt die wilden Hecken,
Und vor ihm steht ein gift'ger Baum;
Die Zweige dürr hinaus sich strecken,
Mit Blech geziert und goldnem Schaum.

Und viel gemeine Vögel kreisen,
Rings um des Baumes schneidend Laub;
Und die von seinen Früchten speisen,
Sie sind des goldnen Giftes Raub.

Da rührt der Knabe seine Laute,
Er singt ein schmerzlich wildes Lied;
Und in dem Baum, zu dem er schaute,
Er einen bunten Vogel sieht.

Er sitzt betrübt, die bunten Schwingen
Senkt an der Silberbrust er hin,
Und kann nicht fliegen, kann nicht singen
Des Baumes Gifte fesseln ihn.

Dem Knaben regt sich's tief im Herzen,
Das Vöglein zieht ihn mächtig an,
Und seines Liedes kind'sche Schmerzen
Hört gern das kranke Vöglein an.

Und weil im Wind die Blätter klingen,
So kann es nicht das Lied verstehn;
Doch er hört nimmer auf zu singen,
Bleibt treu vor seiner Liebe stehn.

Und singt ihm vor zu tausendmalen
Von Liebeslust und Frühlingslust,
Von grünen Bergen, milden Talen
Und Ruhe an geliebter Brust.

Schon regt das Vöglein seine Schwingen,
Schaut freundlich zu dem Knaben hin;
Des Arme um den Baum sich schlingen,
Die Liebe machet mutig ihn.

Er klimmet in den gift'gen Zweigen
Zerreißt mit Lust die Hände sich,
Das kranke Vöglein zu ersteigen,
Es spricht: Ach nimmer heilst du mich.

Und sinket stille zu ihm nieder,
An seinem Herzen hält er's warm;
Und ordnet sorglich sein Gefieder,
Und trägt's zur Sonne auf dem Arm.

Steigt auf die Berge, läßt es trinken
Des blauen Himmels freie Luft,
Und weiß zu blicken, weiß zu winken,
Bis er die Freude wieder ruft.

Die Freude kömmt, die bunten Schwingen,
Sie funkeln Liebesstrahlen gleich;
Das Vöglein weiß so süß zu singen,
Es singt den armen Knaben reich.

Wie auch zum Flug die Flüglein streben,
So bleibt es doch dem Treuen treu;
In Liebesfesseln will es schweben,
In Liebesfesseln ist es frei.

Und ich der ich dies dir singe
Bin wohl dem treuen Knaben gleich,
Vertrau mir Vöglein, denn ich bringe
Dich noch auf einen grünen Zweig.

Aus: Clemens Brentano, Werke, Erster Band
Hrsg. von Wolfgang Frühwald, Bernhard Gajek
und Friedhelm Kemp; Carl Hanser Verlag, München, 1968 (S. 200-203)
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(Aus: ROMANZEN VOM ROSENKRANZ)
[XIV.] Meliore und Biondetta.

Biondettas Hohes Lied

Gieße, Mond, dein Silber milder
Durch die blauen Himmelsmeere;
Blicket fromm, ihr Heldenbilder,
Nieder aus dem Sternenheere.

Einsam kühle Nachtluft, stille
Grüße aus dem Himmel sende;
Blüten, Blumen, eure Fülle
Duftend sich der Nacht verschwende.

Philomela, süßer stimme
Deines Traumes Wonn' und Wehe,
Daß es zu den Sternen glimme
Und um Gottes Liebe flehe.

Klang der süßberauschten Zither,
Unter Liebchens Fenster bebe;
Still eröffne sie das Gitter,
Daß sie Liebesworte gebe.

Jünglingen, die schlummernd liegen,
Komm' ein Liebestraum entgegen;
Auf die Kindlein in den Wiegen
Senke sich ein Engelsegen.

Und die Wünschelrute sinke
Jedem auf des Schatzes Schwelle,
Und dem Durst'gen, daß er trinke,
Sei der Schatz die kühle Quelle.

All ihr Bronnen, selig zielet
In die mondberauschten Becken;
Leis' im West, ihr Blätter, spielet,
Um die Vöglein nicht zu wecken.

Nacht, in deines Zaubers Schlingen
Soll sich Liebesscham verketten,
Unter lustbetauten Schwingen
Bräutliches Entzücken betten.

Was die Seele, was die Sinne
Hoch begeistert, tief erreget,
Deines Glücksrads Lustgewinne
Seien alle ausgeleget.

Spinnet bei dem Mondenlichte
Eure feinsten Netze, Elfen,
Und die schlauen Zauberwichte,
Alle Zwerge sollen helfen.

Felsbewohnende Sibyllen,
Leichte Nymphen flücht'ger Quellen,
Einet alle euren Willen,
Diese Netze aufzustellen.

Locket, locket, süßer singend,
In die Netze, ihr Sirenen,
Und den Tönen nicht gelingend,
Laßt gelingen es den Tränen.

Denn es will uns heut entfliehen
Der melodischste der Schwäne,
Will zu heil'germ Himmel ziehen,
Daß sein Herz sich nicht mehr sehne.

Königin der Sternenzinne,
Priesterin verklärter Herzen,
Lehrerin geheimer Minne,
Heldin, Trösterin der Schmerzen,

Nacht! durch deines Tempels Mitte
Sehe ich Biondetten gehen,
Scheu verhüllt in zücht'ger Sitte;
Du wirst sie nicht wiedersehen.

Auf dem Platze mondbeschienen
Bleibt sie ruhig schauend stehen,
In die düsteren Ruinen
Noch einmal zurück zu sehen.

Sie beginnet leis zu singen;
In der Nachtluft einsam Wehen
Ihre Töne sich verschlingen
Wie der Andacht schwankend Flehen.

»Herr, ich steh' in deinem Frieden
Ob ich lebe, ob ich sterbe;
Starb mein Heiland doch hienieden,
Daß ich sein Verdienst erwerbe.

Will der Schmetterling zum Lichte,
Muß die Larve er zerbrechen,
So hast du dies Haus vernichtet,
Meine Freiheit auszusprechen.

Laß die Flügel mich erquicken,
In der Andacht sie erstrecken,
Und zum Himmelsgarten zücken
Durch der Buße dorn'ge Hecken!

O, wie hast du hoch gezieret
Diese Weltnacht, mir die letzte;
Eine Seele triumphieret,
Deren Tod mich hoch ergötzte.

Solchen Tod laß mich gewinnen,
Herr, nach einem solchen Leben
Laß mich mit so klaren Sinnen
Dir die Seele wiedergeben!

Denn in deinen Händen liegen
Alle demutvollen Herzen
Wie die Kindlein in den Wiegen,
Still entschlummert, ohne Schmerzen.«

Also sang sie, und geschwinde
Eilt sie auf verschlungnen Wegen,
Und schon höret sie die Linde
Nächtlich grüßend sich bewegen.

Rascher flügelt sie die Schritte
Ihres Hauses Tor entgegen,
Da begegnet ihrem Tritte
Klirrend ein entblößter Degen.

Ach, und weiter noch zwei Schritte
Liegt, vom Mantel leicht bedecket,
Der den bösen Mord erlitten,
Stumm ein Jüngling ausgestrecket!

Da sie zu ihm niederblicket,
Will er noch die Blicke heben;
Den der Tod schon fest umstricket,
Kann die Schönheit noch beleben.

Gleich dem frommen Samariter
Hebt die mutige Biondette
Mühsam nun den toten Ritter,
Trägt ihn hin nach ihrem Bette.

Lebend konnt's ihm nie gelingen,
In ihr Kämmerlein zu sehen,
Und er mußte, einzudringen,
Durch des Todes Pforte gehen.

Schnell die Lampe angezündet
Unter bangen Herzensschlägen!
Ach, das Herz das sie verbindet,
Schlägt noch liebend ihr entgegen!

Balsam macht sie aus den Giften,
Die sie sonst im Tanz umgeben,
Mit der Öle süßen Düften
Ruft sie wieder ihn zum Leben.

Und sie löset ihm geschwinde
Seinen Koller von dem Herzen,
Sauget ihm sein Blut gelinde
Aus der Wunde mit den Schmerzen.

Ach! und ihren frommen Lippen
Strömt die Torheit frech entgegen;
Quelle böser Zauberklippen,
Liebesgift war an dem Degen.

Auf der Brust ihm eingeschnitten
Ihren Namen liest Biondette,
Und ihr Bild, nach Liebessitte,
Hängt darauf an goldner Kette.

Doppelt ihren Schleier windet
Sie, mit Tränen ihn benetzend,
Und die Wunde sie verbindet,
Sich der Blöße nicht entsetzend.

Und sie eilt und schmückt das Zimmer,
Zündet an wohl hundert Kerzen,
In der Spiegel Widerschimmer
Gold und Silber freudig scherzen.

Ihres Putzschranks Flügeltüren
Öffnet sie mit leichten Händen,
Daß ein eitles Triumphieren
Rings entstrahle allen Wänden.

Und die falschen Götterbilder
Schmücket sie mit Flitterkränzen;
Aus dem Schoße goldner Schilder
Läßt sie seidne Röslein glänzen.

Reiherbüsche pflanzt sie flitternd
Auf des Bodens Purpurdecken,
Diamantne Nadeln zitternd
Zäunt sie ein mit Federhecken.

In der Torheit Garten glimmend
Rüstet sie ein goldnes Becken,
Daß die Weihrauchwolken schwimmend
Lüstern halb den Glanz bedecken.

Weh! wer hat sie so verrücket?
Alle Blumen muß sie brechen;
Wie des Wahnsinns Braut geschmücket
Muß ihr keusches Herz erfrechen.

Schamlos tritt sie vor den Spiegel,
Ihre Brust zu Tag zu legen,
Weh! da blicket Gottes Siegel,
Die Goldrose ihr entgegen.

Doch sie ist so tiefverstricket,
Nichts kann ihre Glut erschrecken,
Ihre Blöße sie entzücket;
Und sie mag sich nicht bedecken.

Und mit süß vertrauten Blicken
Sitzt sie auf des Jünglings Bette;
Weltlicher nicht konnt' sie blicken,
Wenn sie nie gebetet hätte.

Und sie fühlt in allen Sinnen
Ein unheiliges Ergötzen
Wild durch ihre Adern rinnen,
Und sie muß die Zucht verletzen.

Seine Lippen, seine Stirne,
Ihren Namen ihm am Herzen,
Küsset heiß die arme Dirne
Unter süß berauschten Schmerzen.

Und in seinen Locken spielen
Ihre zarten Hände bebend,
Doch umsonst die Küsse zielen,
Seine Lippen nicht belebend.

An den Busen ihn zu drücken,
Seinen Namen laut zu nennen,
Fühlet sie ein wild Entzücken,
Doch er will sie nicht erkennen.

»Meliore,« spricht sie liebend,
»Deine Augen zu mir wende,
Süßen Dank der Huld ausübend,
Die ich zärtlich dir verschwende!

Sieh, es will der güt'ge Himmel
So dich an das Herz mir legen,
Wie ich in des Brands Getümmel
An dem deinen bin gelegen!

Wenn du auch nicht wiederküssest,
Winkend nur ein Zeichen gebe,
Mir zum Troste, daß du wissest,
Wie ich dich nicht überlebe!«

Und die Harfe nimmt die Süße,
Läßt die Saiten wild erbeben;
Ach, die heißen Liebesgrüße
Können nicht sein Aug' erheben!

Keuscher Tod, du drückst sie nieder,
Solche Raserei zu sehen,
In dem Klang der gift'gen Lieder
Soll er sie nicht wiedersehen.

»Ihn, den meine Seele liebet,«
Singt sie, »sucht' ich in dem Bette
Sucht' ihn durch die Straßen ziehend,
Fand ihn doch an keiner Stätte.

Und ich fragt' die Wächter bittend,
Die da durch die Straße gehen:
Ihn, den meine Seele liebet,
Habet ihr ihn nicht gesehen?

Und vorüber gehend finde
Ich den Liebsten meiner Seele,
Ihn mit Rosenketten binde,
Ihn auf ewig mir vermähle!

Und ich halt' ihn, lass' ihn nimmer,
Den ich fand auf meiner Schwelle,
Führ' ihn in der Mutter Zimmer,
Führe ihn in meine Zelle.

Sieh, ich bin ein Rauch von Myrrhen,
Auf sich aus der Wüste hebend,
Und, wie Bienenschwärme irren,
Küsse meinem Mund entschweben.

Weiß und rot ist, den ich minne,
Golden sich sein Haupt erhebet;
Wenn ich seine Locken spinne,
Schwarz die Nacht den Mantel webet.

Seine Augen mich erquicken
Und die Seele mir erhellen,
Wie die Taubenaugen blicken
Zu den klaren Wasserquellen.

Wie Gewürze duftend, grüßen
Seiner Wangen Blumenzellen,
Süße Myrtenöle gießen
Seiner Lippen Rosenquellen.

Goldne Türkisringe zieren
Seine klaren Silberhände,
Elfenbeinern und saphiren
Trägt der Goldfuß seine Lende.

Und er stehet aufgerichtet,
Wie die Zedern auserwählet,
Wie der Libanon umlichtet,
Der dem Himmel sich vermählet.

Wie mein Saitenspiel, erklinget
Süß und lieblich seine Kehle,
Und zu seinen Lippen dringet
Lustberauschet meine Seele.

O du Büschel süßer Myrrhen,
Zwischen meinen Brüsten hängend,
Sag, wo deine Schafe irren,
Sich im Mittagsstrahle drängend.

Töchter Zions, meine Bitte
Höret und den Freund mir wecket,
Schlummernd vor der Zederhütte
Unter Rosen ausgestrecket.

Daß er blühend aufgerichtet:
Süße Freundin, zu mir spreche,
Komme her, die Gott gedichtet,
All die Rosen mit mir breche!

Sieh, verschwunden ist der Winter,
Und dahin ist Sturm und Regen,
Und die Blumen, Frühlingskinder,
Spielen schon auf grünen Wegen.

Meine Wangen lieblich flimmern
In den Spangen, in der Kette
Sehe meinen Hals er schimmern,
Und es grünet unser Bette!

Wie die Traube Copher schwillet
Zu Engeddi in den Gärten,
Und der Lippen Kelch erfüllet,
Küss' ich meinen Lustgefährten!

Zedern fest das Haus uns stützen,
Unsre Latten sind Zypressen,
In dem Schatten will ich sitzen
Und der Schmerzen all vergessen.

Unterm Schatten will ich sitzen,
Des die Seele mir begehret;
Wie der Apfelbaum bei wilden
Bäumen, ist mein Freund verehret.

Deiner Lieb' Paniere schwinge
Über mir, du Hoch und Heller,
Und du Freundlicher, mich bringe
In des süßen Weines Keller!

Und mit Blumen mich erquicke,
Mich zu laben Äpfel gebe;
Krank bin ich vor Liebe; blicke,
Blicke auf, mich zu beleben!

Unter deinem Haupt die Linke,
Muß dich meine Rechte herzen,
Wenn ich deinen Kuß nicht trinke,
Muß verdürsten ich in Schmerzen!

Sieh, die Honigbienen irren,
In dem honigsüßen Lenze,
Und die Turteltauben girren;
Komm, mein Freund, daß ich dich kränze!

Sieh, dem Feigenbaum entspringen
Knospen; aus dem Aug' der Reben
Süße Wollusttränen dringen;
Also weint mein junges Leben!

Wie in dunklen Felsenritzen
Turteltauben auf dem Neste,
Also will ich bei dir sitzen
In dem Glanz der Blütenäste.

Und es tönet meine Stimme
Süß, o süß ist meine Kehle,
Bis wetteifernd süß ergrimme
Und verglimme Philomele.

Und ich singe zu dir nieder:
Mein bist du und mir gegeben,
Und es sehn dich meine Lieder
Unter Rosen weidend schweben!»

Wie sie also töricht singet,
Spricht Meliore: »Meine Schwester,
Fromme Taube, ach, es schlinget,
Sich des Todes Band nur fester!

Nachttau mir vom Haupte fließet,
Und es wecket mir im Herzen,
Wenn sich gleich mein Auge schließet,
Deine Liebe bittre Schmerzen!

Mein Gewand, ich legt' es nieder,
Soll ich wieder an es legen?
Nach dem Bad die Füße wieder
Mir besudeln auf den Wegen?

Deine Augen gleichen Blitzen,
Deine Augen von mir wende!
Meinem Herzen Degenspitzen
Scheinen deine zarten Hände!«

Aber wehe! nicht vernimmet
Sie den schweren Namen Schwester,
Glühender ihr Wahn entglimmet,
Sie umklammert ihn noch fester.

Und sie spricht: »Der Kelch der Lilien
Unserm Bett das Rauchfaß schwenket,
Unser Dursten zu vertilgen
Sich der Traube Becher senket.

Unsre Tür umgeben Früchte,
Ich bewahrte dir, mein Leben,
Heurige und fern'ge Früchte,
Beide kann ich dir nun geben!

O du Liebe in Wollüsten!
O du schön und lieblich Schweben!
Trauben gleichen meine Brüste,
Trauben wundersüßer Reben!

Einer Palme aufwärts dringend
Gleichet meines Leibes Länge,
Wie der Wein hinan sich schlinget:
O, wer sich hinan so schwänge!

Laß uns durch die Felder ziehen,
Ob uns sieht das Aug' der Reben,
Ich will, wenn Granaten blühen,
Dort dir meine Brüste geben.

Dich, der meiner Mutter Brüste
Saugte, Bruder, dich den Schönen,
Wenn ich dort dich brünstig küßte,
Ach, wer sollte mich verhöhnen!«

Als sie diesen Frevel singet,
Springt sein Blut ihr neu entgegen;
Den Verband, der Hilfe bringet,
Kann die Raserei nicht legen.

Und von jenem Nonnenbilde
Reißt sie in der Angst die Decke,
Daß damit das Blut sich stillte,
Und es dienet ihrem Zwecke.

Als sie zu dem Bilde blicket,
Fühlet sie ein tief Erschrecken,
Scham sie wie ein Schwert durchzücket,
Und sie eilt, sich zu bedecken.

Von des Bildes Augen fließen,
Wunder Gottes! bittre Tränen,
In die Arme muß sie's schließen,
Ach, sie möchte es versöhnen!

Und dem Bilde gegenüber
Sitzt zur Harfe sie am Bette,
Und die Augen strömen über
Der verlorenen Biondette.

»Wo ist die, die aus der Wüste
Aufgeht, auf den Freund gelehnet?«
Spricht Meliore nun, und grüßte
Sie, nach der sein Herz sich sehnet.

»Auf dein Herz gleich einem Siegel
War sie wahrlich doch gesetzet.
Goldne Rose, deinen Spiegel
Hat die Schlange bös verletzet.

Um den Apfelbaum sich schlingend,
Der die Mutter dir bedeckte,
Als sie rang, zur Welt dich bringend,
Bös die Schlange mich erweckte!«

Aber traurend sitzt die Süße,
Läßt die Harfe leis erbeben,
Daß ihn schön das Leben grüße,
Das die Liebe ihm gegeben.

Wie die Töne sich ergießen,
Fühlt die Jungfrau in dem Herzen
Wunderbaren Zauber fließen,
Und so süße, wilde Schmerzen.

Höher sie die Saiten schwinget,
Denket nicht mehr des Gesellen;
Wie der Schwan im Tode singet,
Glühend ihre Töne schwellen.

Tausend Töne, die sonst schliefen,
Aus der Harfe lebend brechen,
Und in allen Herzenstiefen
Hört sie laut das Echo sprechen.

In dem Tode hallt es wider;
Schüchtern zu des Lebens Schwelle
Rufen ihn die Zauberlieder,
Seine Blicke werden helle.

Wer erklärt ihm die Gesichte,
Wer ergießt des Himmels Segen?
Ist so mild das Weltgerichte,
Kommt die Gottheit ihm entgegen?

»Süßer Tod, den ich erlitte!
Goldne Töne zu mir gehen,
Selig in des Himmels Mitte
Soll ich wieder auferstehen!«

Aus Biondettens frommen Mienen
Strömet ihm das sel'ge Wähnen;
Gottes Mutter sei erschienen,
Und er betet unter Tränen:

Doch die arme Jungfrau singet
Unter bittren, bittren Tränen,
Während sie die Hände ringet:
»O welch schmerzlich glühes Sehnen!

Schwarz bin ich, doch voller Liebe,
Wie die Hütten Kedars stehen,
Wie die bunten Tepp'che schimmernd
Salomons im Tempel wehen.

Die Weingärten zu behüten
Setzten sie mich ein zum Wächter,
Meinen konnt' ich nicht behüten,
Von Jerusalem ihr Töchter!

Wie der Tod so stark ist Liebe,
Fest der Eifer wie die Hölle,
Glut und Feuer meine Triebe,
Wie des Herren Blitz so schnelle.

Und wenn alle Wasser stiegen,
Und wenn alle Ströme rännen,
Würden sie sie nicht besiegen,
Nimmer sie erlöschen können!

Was in meinem Haus sich findet,
Alles Gut, wenn ich's wollt' geben
Um die Liebe, die mich bindet,
Ach, ich hätte nichts gegeben!

Schön und lieblich meine Füße
In den goldnen Schuhen stehen,
Und mein Haupt, wenn ich ihn grüße,
Ist wie eines Helmbuschs Wehen!

Wie zwo Spangen schön sich schwingend,
Von des größten Meisters Händen,
Eben aneinander dringend
Stehen freudig meine Lenden!«

Doch nun lischt der Kerzen Schimmer
Und Biondette singet: »Wehe,
Wehe, Wehe, Lebensschimmer,
Holdes Leben, nicht vergehe!

Sterbet nicht, ihr süßen Lieder,
Wollt, o wollt nicht von mir schweben!
Sterbet nicht, ihr raschen Glieder;
Laßt euch froh zum Tanze heben!«

Eh' die Lampe auch verglimme,
Will sie freudig nochmals schweben;
Doch sie hört nicht ihre Stimme,
Fühlt nicht ihrer Füße Schweben.

Weh! es walten böse Künste,
Laut die frühen Hähne krähen;
Kehrt, ihr Geister, aus dem Dienste,
Denn der Tag will auferstehen!

Und Meliore kömmt zu Sinnen.
Licht und Lied und Lieb entschweben,
Mächtig fühlt er sich von hinnen
Auf die öde Straße heben.

Kühl umwehn ihn Morgenwinde,
Wunderbar ist ihm geschehen,
Denn er kann noch ihre Binde
Auf der frischen Wunde sehen.

Und die nahe Glocke klinget,
Und er hört die ersten Messen:
Bete, bete, nie gelinget,
Die Geliebte zu vergessen!

Aus: Clemens Brentano, Werke, Erster Band
Hrsg. von Wolfgang Frühwald, Bernhard Gajek
und Friedhelm Kemp; Carl Hanser Verlag, München, 1968 (S. 881-896)
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