Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58



Georg Busse-Palma
(1876-1915)



Hassan und Abdullah
Eine Zirkusballade

Stürmt es, wirbelt das Meer.
Schlag nicht das Wasser deswegen!
Schlüg' es der Wind nicht so schwer,
Brauste es dir nicht entgegen.
- Also verschuldet's der Wind? -
- Knabe, treib keinen Spott!
Wind ist des sausenden Erdballs Kind,
Und den Erdball lenkt Gott!

Schicksal und Wille, o Seele,
Keiner scheidet und trennt die zwei!
Schicksal ist die gespannte Kehle
Und deine Tat nur der lösende Schrei.
Liebender du, und du Hasser!
Wolltet ihr wirklich auch, was ihr getan?
Ach, unser Wille ist biegsam wie Wasser.
Schlägt es der Wind, dann zerschlägt es den Kahn!

Helles Trompetensignal. In die Arena tritt
Bambo, der Elefant, schwer mit wuchtigem Schritt.
Wie ein graues Gebirge steht er im Zirkuslicht,
Wackelt mit schlappen Ohren und macht ein schlaues Gesicht.
Purpurne Decken trägt er, ganz von Gold überblitzt.
Bambo, der borkige Riese, weiß, wer im Sattel sitzt!

Zierlich wirft seine Herrin allen den Handkuß-Gruß.
Zierlich biegt sie das Leibchen und wippt den winzigen Fuß.
Warme Sterne als Augen, rot und flaumig der Mund,
Edel gekrümmt das Näschen und die Wangen mondrund.
Jauchzen und Händeklatschen, Rosen fliegen über sie hin.
Es ist Franja, die schöne, Franja, die Tänzerin!

Franja spielt heute Fürstin aus indischem Land.
Franja trägt einen Turban mit flammendem Diamant,
Goldüberbuckelte Brüste mit blutrotem Rubin,
Seidne Hosen mit Bildern auf Schenkel und Knien,
Bildern aus farbigen Steinen und Perlstickerein,
Braun aus goldenen Schuhen blüht nackend ihr Bein.
Prinzen in Scharlach, Trabanten in schimmernder Wehr,
Drängen sich bunt um ihr riesiges Reittier her.

Hassan und Abdullah treten vor sie zum Spiel.
Hassan wirft Messer und Abdullah dient als Ziel.
Hassan hat feurige Augen und schwarzen Bart,
Abdullah ist noch ein Jüngling und glatt und zart.
Aber die Augen beider feuchten sich heiß,
Sehen sie Franja, die Tänzerin, und dann zittern sie leis.

Hassan und Abdullah sind zwei arabische Brüder.
Hassan erzog den Knaben und lehrte ihm Spiel und Lieder.
Wärmte ihn nachts, wenn es kalt war, am eigenen Herzen,
Lachte mit ihm, wenn er froh war, und litt seine knäbischen Schmerzen.
Und so hing auch der Jüngling an ihm dem treusten Berater,
Sah den Bruder in ihm, den Freund, den Lehrer und Vater.
Blind vertrauend hat nie seine Wimper in Angst sich gebogen,
Wenn ihn auch Hassans Messer funkelnd umflogen.

Vor der fangenden Scheibe hockt er im gelben Sand.
Türkisch gekreuzt die Beine unter dem weißen Gewand.
Hassan prüft noch die Messer, fühlt nach Griff und Stahl.
Plötzlich zuckt und erbebt er in Schreck und Qual.

Blicke hat er gefangen, Blicke voll sündigem Glück -
Abdullah, glatter Junge, wo lerntest du diesen Blick?
Sahst bis heute doch immer eher mädchenhaft zart,
Jetzt aber lugte ein Mann daraus mit Salbe und Bart!
Knabe, hüte dein Auge! Schrecklich ist, was es sprach!
Hassan, dein älterer Bruder, trachtet ihr selber nach!

Langsam hebt der ein Messer, wiegt es in nerviger Faust.
Surr! wie funkelnd das Scharfe die Luft durchsaust!
Neben dem Haupte des Knaben, um eine Haaresbreite,
Beißt es sich in das Fangholz an seiner Seite.
Um eines Haares Breite - - Abdullah lebte nicht mehr,
Wenn nicht die Hand, die geworfen, die Hand seines Bruders wär'!

Abdullah hat nicht gezittert und der Gefahr nicht gedacht.
Hat ihm doch Franja, die Tänzerin, liebevoll zugelacht!
Hassan sah es mit Schielen und erstarrte in Schmerzen,
Gleich als trüg' er die Messer statt im Gürtel im Herzen.

Wieder durchschwirrt es die Luft, Noch ist er sicher und stark.
Heimlich nur brandet sein Blut, und wie gedörrt ist sein Mark.
Neben sich hört er Franja leise mit Bambo flüstern,
Spürt ihres Fleisches Geruch und hört ihre Seiden knistern.
Wenn er nur sprechen dürfte! - "Abdullah!" würde er flehn,
"Schließ deine Augen, Knabe, denn ich darf sie nicht sehn!
Als ich heute erwachte, mitternachts, warst du nicht da.
Wo du nachtsüber gewesen, weiß ich jetzt, Abdullah!
Bilder stehn dir im Auge, schrecklich und süß dazu.
Ach! ich habe sie lieb gehabt, viel lieber als du!" -

Abdullah lächelt glücklich, ganz umsponnen von Träumerei.
Messer um Messer schneiden blitzend an ihm vorbei.
Immer den Tod auf der Spitze rahmen sie seinen Leib,
Aber er sieht nur auf Franja, Franja, das schöne Weib.
Sieht nur die roten Steine auf der vergoldeten Brust,
Und seine Augen erzählen von heimlich genossener Lust.

Abdullah, schließ deine Augen! Hassan zittert die Hand.
Eben sah er wie Franja heute nacht vor dir stand.
Trug nur ihre Rubinen, hatte sonst gar nichts an.
Wollt' dir in allem dienen, und da wurdest du Mann. -
Abdullah, schließ deine Augen! Hassan ist fieberkrank!
Hassan liebt deine Tänzerin schon jahrelang!
Wehe! da saust schon sein Messer und ihm bebte die Hand!
Abdullah sieht nur die Bilder auf Franjas Gewand.
Träumt von glühenden Wonnen, die er glühend genoß,
Und er sieht nicht den tückischen Tod auf dem scharfen Geschoß.
Jäh durchzittert den Zirkus geller Entsetzensschrei.
Dieses Messer, o Hassan, brachtest du nicht vorbei!
In den Logen und Bänken drängen sich laut die Tausend,
Weiber kreischen in wildem Schreck und flüchten sich grausend.
Mit dem Messer im Herzen hockte der Knabe da,
Lautlos wand sich im Sande der sterbende Abdullah!

Aus der geöffneten Wunde spritzt das dampfende Blut,
Spritzt bis auf Bambo, den Riesen, und er trompetet vor Wut.
Irr vor Angst klettert Franja schreiend zur Erde nieder,
Aber Bambo ward toll vom Blut und zermalmt ihre Glieder.
Rasend den Rüssel schwingend, schleudert er sie in den Sand.
Zwischen zwei roten Rubinen sein Fuß eine Stätte fand.

Hassan steht wie ein Steinbild, reglos und stille.
Als man ihn fragend bedrängt, fragt er: "War es mein Wille?
Hab' ich dem Knaben wirklich das Messer ins Herz gesandt?
Oder war ich als Werfer Geworfner in stärkrer Hand?"

Hassan ist grau geworden, Hassan bettelt um Brot,
Hassan hockt an den Straßen, grübelnd in Weh und Not.
Hassan will es nicht glauben, daß er getan, was er tat.
Hassan betet zum Himmel um Erleuchtung und Rat.
Messer wirft er nie wieder, Messer sind ihm verleidet. -
"Wer ein Messer führt," spricht er, "duldet, daß Gott mit ihm schneidet!
Hab' doch den Knaben geliebt, war mir wie eignes Kind -
Aber der Wille ist Wasser, und Gott bläst darüber als Wind." - -

Aus: Zwischen Himmel und Hölle
Neue Balladen und Schwänke Sprüche und Lieder
von Georg Busse-Palma Berlin 1913 (S. 3-7)
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