Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Helmina von Chézy
(1783-1856)


Der Tannhäuser

Es weht so schaurig, so dumpf und kalt,
Der Tannhäuser reitet im tiefsten Wald;
Wohl pfeifet der Nordwind, wohl rauschet der Fluß,
Vom Felsen stürzet der schäumende Guß.

"O wär' ich doch ferne im sonnigen Land,
Auf grünem Anger im Purpurgewand,
Da funkeln die Blumen, da leuchtet der Klee,
Da lispeln die Quellen vom seligsten Weh!"

Und siehe, im Felsen, da strahlet ein Chor,
Da schwebet ein zartes Fräulein hervor,
Die funkelt wie Blumen im Silbergewand,
Die beut ihm mit Lächeln die schneeweiße Hand:

"Willkommen, Tannhäuser, so jung und so fein,
O gehe mit mir in die Felsenburg ein!
Mich hat die mächtigste Fürstin gesandt,
Ich soll dich geleiten in's sonnige Land.

"So laß ihn denn ferne, den stürmischen Nord
Und komm' in die lieblichen Gauen mit fort,
Da küsset die Liebe, da leuchtet die Lust,
Da ist nur der Seele von Wonne bewußt!"

Der Tannhäuser höret den lockenden Mund,
Im Busen wird heimliches Sehnen ihm kund,
Er schaut in der Augen süß blitzenden Stern,
Läßt trinken sein Leben vom Strahle so gern.

Und hin durch den Felsen da geht er den Gang,
Da murmelt ein Bächlein die Blumen entlang,
Das rauschet dem Lauscher gar traurige Weis':
"Kehr' um du, kehr' um du, der Ritter Preis!"

Doch Tannhäuser hört nicht die Stimme so mild,
Vielahnendes Sehnen im Busen ihm quillt;
Und tief in der Felsschlucht da dämmert ein Glanz,
Da sieht er Frau Venus im funkelnden Kranz.

Die beut ihm zum Gruße den rosigen Mund,
Der Rosenmund lächelt zu jeder Stund'!
Und wie er gesogen sein Düften im Kuß,
Das Herz ihm im Busen stets lechzen muß.

Wohl schwinden die Monden, die Jahre vergeh'n,
Tannhäuser ist nirgends in Deutschland zu seh'n;
Vergessen hat er den Kaiser im Land,
Von Mutter und Freunden ist ihm nichts bekannt.

Doch plötzlich, so strahlt in der sündigen Ruh'
Des Gnadenlichts himmlisches Leuchten ihm zu;
Da ist's ihm, wie Einem, der einsam zu Nacht
Im Kerker von lieblichen Träumen erwacht.

Er kommt zu sich selber, er schaut um sich her,
Er findet den Glanz und die Wonne nicht mehr.
Da ruft er: "O weh mir, was that ich allhie?
Die Ehr' ist verscherzet, Unsel'ger, entflieh!"

Da beut ihm Frau Venus den duftenden Mund:
"Mein Rosenmund lächelt zu jeder Stund',
Mein Auge strahlt hell wie der Morgenstern —
Was willst du beginnen, bist du mir fern?"

"O laß mich! wohl blitzt dein Auge ein Stern,
Doch blitzet aus ihm die Hölle von fern!
O laß mich, wohl lächelt dein Rosenmund,
Doch Flammen glüh'n rosig und Schlangen sind bunt!

'O laß mich! denn hier wird mein Leben mir krank,
Mich dürstet nach Buße, nach Pein ist mir bang.
Maria, du Reine, vom himmlischen Thron,
Hilf mir aus der Hölle um deinen Sohn!'

Da ließ ihn Frau Venus, er fande den Steg,
Und nahm als ein Pilger nach Roma den Weg. —
"O heiliger Vater, dich neige mit Huld,
Den reuigen Sünder entbinde der Schuld!"

'Mein Sohn, ist die Gnade wie Sand doch am Meer,
So sprich nur, was bangst du, was quält dich so sehr?'
"Ach, Vater, ich war in dem Berge manch' Jahr,
Da waltet Frau Venus im goldigen Haar!"

'Und warst bei Frau Venus der Hölle Genoß,
So kannst du von Lucifers Banden nicht los;
Dich rettet kein Ablaß, kein Büßen, kein Müh'n,
Noch eh' wird der dürre Stecken hier grün!'

"Und hätt' ich gelebt nur ein Jahr auf der Welt
Und hätt' ich den Sinn nur auf Buße gestellt:
Mit blutigen Thränen den Marmor erweicht,
Zu Gottes Erbarmen die Wege erreicht!"

So geht der Tannhäuser vom päpstlichen Thron,
Da lockt ihn die Hölle mit lieblichem Ton:
"Kehr' wieder, du Holder, zum blumigen Plan,
Genuß ist das Leben und Buße ein Wahn!"

'So nimm mich auf ewig, du rosiger Mund,
Thu' Leben und Liebe und Wonne mir kund;
Von Himmel und Erde verstoßen zumal,
Bleibt mir nur die Hölle und sonst keine Wahl!'

Da öffnen die Felsen den gähnenden Schlund:
"Von nun an wird dir nicht Rückkehr mehr kund!"
Doch oben der heilige Vater mit Schmerz
Ruft aus: O wie war doch so herbe mein Herz!

"Kann ihm nicht die himmlische Gnade verzeihn,
So muß ich wohl selber ein Sünder ihr sein."
Da schaut er den Stecken in seiner Hand
Und siehe — er hat sich zum Blühen gewandt!

Ein Oelzweig ist's, grünend, mit Blättern so licht.
"O weh mir, Herr, geh' nicht mit mir in's Gericht!
O könnt' ich ihn finden und büßen die Schuld!
Die Wunder ihm künden von Gottes Huld!"

Da sendet der Papst wohl in alle Land',
Vom Tannhäuser wird ihm nirgends bekannt;
Der schmachtet so bange im Felsenschooß,
Am Bächlein, das murmelt: Nun kannst du nicht los!

"Erst hast du zu kühnlich dir selber vertraut,
Dann hast du nicht treu auf die Gnade gebaut;
So weile nun hier bis zum jüngsten Gericht!
Bei Gott ist Erbarmen, bei Menschen nicht!"

Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 7-8)

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