Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Elise Ebersold
(1837-1903)



Eine Liebesthat aus alter Zeit

Schön Inka, Irlands Königskind, sie zählt der Freier viel;
Doch Einer hat's ihr angethan mit süßem Lautenspiel.

Jung Mainrad saß zu Füßen ihr, sang von der Minne Glück,
Und was sein Lied, sein Spiel nicht wagt, das sagt sein heißer Blick.

Doch Fergus, wie ein Goliath an Stärke und Gestalt,
Von rothem Haar und rothem Bart, die groben Fäuste ballt.

Beim Fechten und beim Zechen ist er stets der größte Held,
Und ihn gelüstet's gar zu sehr nach Inka's Gut und Geld.

Der König hätte gern sich ihn als Eidam auserwählt,
Weil er in Krieg und Fehde fest auf ihn, den Stärksten, zählt.

Damit indeß zu Feinden nicht die Andern er sich macht,
Erklärt er einst der Freierschaar, was er sich klug bedacht:

"Schön Inka fährt hinaus auf's Meer. Nach einer Stunde Frist
Folgt Ihr. - Weß' Hand am eh'sten sie berührt, Ihr Bräut'gam ist.

Ihr alle, wie es Männern ziemt, Ihr schwört mit Mund und Hand,
Zu meiden jeden spätern Zwist, zu schäd'gen nicht mein Land!"

Zufrieden waren sie damit und eilten stracks zum Strand;
Im prächt'gen Schiff schön Inka man zur Fahrt gerüstet fand.

Ob ihrem Haupte wölbte sich ein gold'ner Baldachin,
Purpurne Decken schmiegen sich ihr weich zu Füßen hin.

Ihr Goldhaar schmückt ein Demantreif; das funkelt, blitzt und strahlt!
Wie Schnee so weiß ihr Seidenkleid, vom Mantel grün umwallt.

Und schöner, als der Himmel blau, und schöner als das Meer,
Und lieblich, wie ein Engelsbild, flog sie vor ihnen her.

Ja, schön ist sie, doch glücklich nicht! Ihr ist so weh zu Muth!
Denn Fergus wird der Sieger sein, wenn Gott nicht Wunder thut.

Gewiß ist's, daß er sie gewinnt, denn ihm ist Keiner gleich;
D'rum ist ihr Aug' von Thränen schwer, und ihre Wange bleich.

Und aus des Herzens Tiefe fleht sie heiß zu Gott empor:
"Behüte vor dem Schreckensloos, behüt' mich, Herr, davor!"

Jetzt, wie der Pfeil vom Bogen schwirrt, geht los die wilde Jagd.
Zwei Dutzend waren's gradeaus der Recken unverzagt.

Der Riese Fergus stets voran! - Doch Mainrad, liebentbrannt,
Dicht hinten drein; sein Schiffchen lenkt er blitzschnell und gewandt

Solch' eine Wettfahrt hat noch nie das ew'ge Meer geschaut;
Doch seine Wellen trugen auch nie eine schön're Braut. -

Und höhnisch schaut jetzt Fergus um: "Was soll's, Du kleiner Wicht?
Schön Inka kriegst, bei meinem Bart! Du, armer Geiger, nicht.

Schön Inka wird mein süß' Gemahl, bei meines Vaters Tod!
Juhe! Ich bin ihr Bräutigam gewiß vor'm Abendroth!" -

Und matter wird und schwächer stets des wackern Mainrad's Arm;
Doch höher schlägt voll heil'ger Lieb' sein treues Herz so warm.

Jetzt, als kein Hoffnungsschimmer mehr und frecher Fergus Lied -
Hoch aufgerichtet steht er da, sein gutes Schwert er zieht.

Mit einem Hieb trennt die Hand vom linken Arm er los
Und schleudert sie mit kühnem Wurf in seiner Liebsten Schooß.

"Jetzt bist Du mein! Denn meine Hand hat Dich zuerst berührt".
Von Schmerz bewältigt sinkt er um, und alle steh'n gerührt.

Ob's auch der König nicht gemeint, wie's Mainrad ausgelegt -
Er fühlt, daß hier das reichste Herz doch seiner Inka schlägt.

Und auch die Ritter rings um ihn, sie fühlen's alle tief,
Daß er verdient des Sieges Preis, und "Bravo!" jeder rief.

Der Spielmann, wie der König sonst ihn wohl verächtlich schalt,
Ihm mehr als aller Recken Größ' und Riesenstärke galt!

Und als die Wunde zugeheilt, ward Meinrad's süße Braut
Ihm nun als lieblich Ehgemahl voll Freuden angetraut.
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Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 262-264)

 

 


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