Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Fischer Minna geb. Löber
(1886-1927)


Die Elfenbraut

Viel wurde mir in sel'ger Kindheit Tagen
Von Elfentänzen in des Waldes Grün
Beim Mondenlicht und gold'ner Sterne Glüh'n
Erzählt, doch hielt ich es, wie Ihr, für Sagen,
Die Abends, bei der Flamme leisem Knistern
Und bei dem flink gedrehten kleinen Rädchen
Sich oft in sanften Schauern junge Mädchen
Erzählen, in des Winterabends Düstern.

Doch hört, was jüngst ich in der Nacht gesehen!
Der Mond schwamm ruhig in dem blauen Meer,
Und um ihn her der Sterne leuchtend Heer,
Die Wipfel strebten auf zu lichten Höhen;
Die Zweige flüsterten im leisen Wehen,
Die Wellen rauschten und die Blumen lauschten,
Als wollten sie das Lied, das jene tauschten,
Mit leisem Ohr und tiefem Sinn verstehen.

Ich lag in grüner Halle, selig träumend,
Und sog den Duft von tausend Kelchen ein
Und schwelgte in dem zauberischen Schein,
Der rings die Welt umfloß, mit Gold sie säumend.
Mit Wonne hing mein Blick an einem Strauche,
Wo Ros' an Ros' in reicher Fülle blühte,
Und wie in Liebesgluthen jede glühte
Und Düfte spendete, im süßen Hauche.

Doch eine schien die Königin von ihnen:
So schön war keine mehr, so himmlisch mild;
Sie war der Schönheit, war der Liebe Bild
Und alle schienen freudig ihr zu dienen.
So reiner Duft, solch' reiches Liebesleben,
So keuscher Sinn, der sich in Moos verhüllte
Und doch die Luft umher mit Balsam füllte,
Solch' süßes Weh schien keine zu durchbeben.

Und als ich noch im Schauen ganz versunken,
Umfing urplötzlich ein bezaubernd Rund
Den grünen Platz, worauf die Rose stund,
Von kleinen, lichten, sternengleichen Funken.
Und leise Töne, wie aus weiter Ferne,
Erschollen rings umher im stillen Haine,
Die Rose stund im wunderbaren Scheine -
Kam Schein und Ton von einem lichten Sterne? -

Doch nein! mein Aug' von jenem hellen Glanze
Geblendet, der sich rings um mich ergoß,
Gewährte bald das Bild, das sich erschloß.
Mit Staunen sah ich, wie im weiten Kranze
Viel Wesen klein, mit golddurchwebten Schwingen,
Durchsichtig zart, in luftigen Gewanden,
Verbunden leicht mit duft'gen Blumenbanden,
Im Feeentanz sich um die Rose schlingen.

Doch eins stand fern dem lichten, frohen Reigen
Und war mit höh'rer Würde angethan:
Es sah zur Rosenkönigin hinan
Mit einem süßberedten, tiefen Schweigen.
Auf seinem Haupt sah ich die Krone funkeln,
Ein Purpurmantel floß um seine Glieder
Zum zarten Fuß in leichten Falten nieder,
Doch lag auf seiner Stirn des Kummers Dunkeln.

Und in den kleinen, geisterbleichen Händen
Schwang es den Herrscherstab, von lichtem Gold;
Da hörte auf das Tönen sanft und hold,
Den Tanz der Frohen sah ich eilend enden.
Und auf den zweiten Wink die Elfen eilen
Zum Wald, der nun der Schauplatz ihrer Spiele;
Den König nur bei seiner Sehnsucht Ziele,
Der Rose, sah ich liebeglühend weilen.

"Du Schönste, - sang er - spende Deine Düfte!
Zeit' mir Dein himmlisch mildes Angesicht!
Verhülle nicht zu tief das schöne Licht,
Leer ist der Hain, es ruhen selbst die Lüfte.
Nur ich bin nah, mit all dem heißen Sehnen,
Das mich zu Dir aus meiner Welt gezogen.
O neige Dich zu meines Herzens Wogen
Und nimm das Opfer meiner stillen Thränen!

Daß mich ein Kuß, Du Himmlische, vermähle
Mit Dir, das zog hierher mich mit Gewalt;
Zwei Nächte schon mein Liebeslied erschallt,
Verläugne nicht die zarte Blumenseele!
O neige Dich herab von Deinem Throne -
Willst Du ein Königsherz durch Kälte tödten? -
O Glück, von Liebe spricht Dein hold' Erröthen,
Du nahest mit der Liebe Götterlohne!"

Doch mich umströmt' ein Duft, der meine Sinne
Mit tiefem Schlummer zauberisch umfing;
Mein letzter Blick noch an der Rose hing,
Die tief erröthet stand; was sie beginne?
Das frug ich noch, halb wachend, halb im Traume;
Doch als der Tag mich weckt', im Zauberreiche,
Da sah ich - ach! die holde Braut als Leiche,
Und tiefe Trauer war im Waldesraume. -

Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 44-45)

______




 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite