Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58



Friedrich Wilhelm Gabriel
(1784-1864)



Die Rache
Ballade

Die Mitternacht verbreitet ihre Schatten,
Und Stille waltet in des Schlosses Räumen,
Umfangen von der Liebe sel'gen Träumen
Ruht hochbeglückt am Busen ihres Gatten
Antonia, seit kurzen Wonnestunden
Mit ihm, dem Heißgeliebten, fest verbunden.

Dem finstern Schooß des Waldes jetzt entstiegen
Ist eine Schaar verruchter Raubgesellen.
Die falben Blitze schauerlich erhellen
Die Mordgier in den wildverzerrten Zügen,
Und hoch voran im düstern Blutgewande
Domenico, der Hauptmann dieser Bande.

Des Flammenauges wilde Blicke zeigen
Die Gluthen an, die in der Brust ihm wüthen,
Die Stirn gerollt in finster starrem Brüten,
Stört selten nur ein Laut das tiefe Schweigen.
Zur Eile mahnt die gräßlichen Begleiter
Sein Wink und schnell bewegt der Zug sich weiter.

Sie sind am Schloß. Da tönt des Hauptmanns Stimme:
"Hier ist das Ziel. Wohlauf ihr Mordgesellen,
Laßt nun die Nacht zum Tage sich erhellen!
Verfallen sind die Opfer eurem Grimme,
Nur zwei, ihr wißt es, hab' ich mir erkoren,
Wer sie berührt, dem ist der Tod geschworen.

Um Ehr und Glück und Seligkeit betrogen
Ward ich durch sie. - Bei allen Höllenqualen!
Sie sollen heute mir mit Wucher zahlen,
Eh noch die Sonn' erscheint am Himmelsbogen.
Wie sie geschwelgt in meinem Hab und Gute,
So schwelge ich in ihres Herzens Blute."

Und Beifall jauchzt die Schaar. Emporgehoben
Die Schwerter klirren bei des Hauptmanns Worten,
Die Fackeln sprühn, gesprenget sind die Pforten,
Die Räuber dringen ein mit wildem Toben.
Von Blut geröthet sind des Schlosses Hallen,
Und Flüche, Angst und Wuthgeschrei erschallen.

Domenico mit hochgeschwungnem Schwerte
Eilt in des Hauses innerste Gemächer.
"Henrico! auf, es naht der strenge Rächer;
Antonia! es naht der sonst dir Werthe.
Dein Bräutigam ist da, dich zu umfangen,
Er suchet dich mit glühendem Verlangen."

Ein rascher Stoß - da stürzt die Thür in Trümmer,
Die nur allein den Strom noch aufgehalten.
Es jauchzen laut die gräßlichen Gestalten,
Denn bei der Fackeln ungewissem Schimmer
Erscheint ein bleiches Weib, schön zum Entzücken,
Dem Gatten angeschmiegt, den gier'gen Blicken.

Die Waffen blitzen in Henrico's Händen,
Ein Räuber fällt, getroffen vom Geschosse,
Umgeben von dem wuthentflammten Trosse
Will jeder Blick des Kühnen Leben enden: -
"Hinweg!" so donnert jetzt des Hauptmanns Stimme,
"Raubt nicht das Opfer dem gerechten Grimme."

Er winkt, da stürzt frohlockend sich die Rotte
Zum Kämpfer hin, das Schwert ist ihm entwunden,
An eine Säule sieht er sich gebunden,
Indessen preisgegeben frechem Spotte,
Antonia an ihres Gatten Herzen
Gesunken ist in namenlose Schmerzen.

Ihr naht Domenico. - "Ha! falsche Schlange,
Erkennst du mich? Lang schlummerte die Rache,
Sie schlummerte, daß furchtbar sie erwache.
Ich ziehe dich zu meinem Untergange
Erbarmungslos hinab. Ja mit Ergötzen
Soll sich mein Herz an deinen Qualen letzen.

Wie lieblich uns die Hochzeitsfackeln lodern! -
Zurückgekehrt zum Stammhaus meiner Ahnen
Bin ich, an deine Schwüre dich zu mahnen,
Mein Erbe nun aus deiner Hand zu fodern.
Komm folge mir zum frohen Fackelnreigen,
Komm, süßes Lieb, das Brautbett zu besteigen!

Du zitterst! Ha, du weinst! - o diese Thränen,
Gefährlich einst, sie löschen nicht das Feuer
In meinem Busen jetzt. Zum Ungeheuer
Ward ich durch dich, zu Tigern, zu Hyänen
Verstießest du mich: nun bei allen Teufeln,
Ich mache wett, du sollst mit mir verzweifeln!"

Da richtet sich, gleich einem Geisterbilde,
Antonia empor. Zu Himmelshöhen
Kehrt sich ihr Thränenblick mit stillem Flehen. -
Es sinkt der Trost aus seligem Gefilde
In ihre Brust herab, wie sich's auch endet,
Gefaßter sie sich zum dem Räuber wendet.

"Du Gräßlicher, der einst für mich entbrannte,
Vernimm: unschuldig bin ich. Was auch immer
Vom Ohme dir geschah, ich schürte nimmer
Die Flamme seines Zorns, nicht ich verbannte
Aus seinem Antlitz dich, des Hauses Erben,
Dein Laster nur war einzig dein Verderben."

Ha, du Verrätherin, die mir geschworen
Den heilgen Eid, an den so fest ich glaubte,
War's auch der Oheim, der dein Herz mir raubte? -
"Der Tugend fremd, warst du für mich verloren."
Der Bube stahl dich mir: Geduld! ich finde
Den Weg zu ihm, wie ich fand ihn zur Sünde.

"Halt ein, Domenico, halt ein! Bedenke,
Daß jenseits ein gerechter Richter lebe;
Domenico! vor seinem Zorn erbebe!
Doch muß ein Opfer fallen, nun so lenke
Auf mich den blutgefärbten Stahl: Erbarmen!
Gieb mir den Tod in meines Gatten Armen."

Da rollt des Räubers Auge, seine Züge
Verzerren sich zum gräßlich wilden Lachen:
So leicht sollt' ich das schwere Spiel dir machen?
Vernimm, daß deine Rechnung dich betrüge.
Dich tödten! - nein! - Der Wollust süßen Becher
Leert Zug um Zug mit dir der trunkne Zecher.

Wie soll dein Widerstreben mich entzücken,
Wenn ich im wilden Taumel dich umschlinge,
Wenn, spottend deiner Thränen, ich dich zwinge,
Henrico's Mörder an die Brust zu drücken: -
Ergreift das Weib, ihr wilden Räubersöhne,
Mitleidig spar' ich ihr die Abschiedsscene.

"O lebt kein Gott, daß er die Unschuld schütze?
Erbarmender auf deinen Sternenhöhen,
Kannst du den Jammer der Verlaßnen sehen?
Allmächtiger, ha! schlummern deine Blitze?"
Die wilde Schaar schon näher zu ihr dringet,
Und fester ihren Gatten sie umschlinget.

Da kracht der Donner pfeilschnell hinterm Blitze,
Der Retter naht aus seinem Sternenhöhen.
Erbarmend hörte er der Unschuld Flehen,
Er nimmt sie auf zu seinem Wolkensitze.
Getroffen sinkst zum stillen Reich der Schatten
Antonia, vereinet mit dem Gatten.

Aus: Gedichte von Wilhelm Gabriel
Neue Ausgabe Breslau 1850
A. Gosohorsky's Buchhandlung (L. T. Maske (S. 139-144)
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