Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58



Karl Geib
(1777-1852)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 


Der Sturm

Die Jungfrau harret auf Mona's Höh':
Die Sonne weicht, es grollt die See.

Von Osten wandelt das Wetter an,
Und seufzend denkt sie an Athelstan.

Durch Wolken schlängelt der Blitz sich wild:
"So (spricht sie) leuchtet des Helden Schild!"

Und immer dunkeler sinkt die Nacht:
"So schwarz ist seine Kriegestracht!"

Es peitschet der Sturm die Wog' im Meer:
"So stürmt er gegen den Feind einher!"

Da ringt mit den Wellen ein hohes Schiff;
Die Brandung wirft es an's Felsenriff.

Es ahnet der Maid so trüb' und bang;
Da höret sie der Geister Sang.

Nachtelfen singen im Eulenton:
"Dein Treuer ist des Todes Sohn!

Er sank am Fels in der Wellen Grab;
Dort findest Du ihn - o steig' hinab!"

Lichtelfen singen im Lerchenton:
"Noch ist ihm nicht die Kraft entfloh'n.

Er ringt mit den Fluthen, er ist Dir nah!"
Doch Trümmer des Schiffes ihr Aug' nur sah.

Sie bebet und hofft in öder Nacht:
Da theilt sich die Wolke, das Licht erwacht.

Ein Schwimmer strebet mit Macht an's Land;
Bald sie in des Theuern Arm sich fand:

"O Liebster! Ich wollte zu Dir hinab!" -
"Dein Bild, Geliebte, mir Stärke gab!" -

Mit Wonne belohnt sich das Vertrau'n:
Sie wallen umschlungen auf grünen Au'n,

Und bringen an Freia's Hochaltar
Weihrauch der freundlichen Elfenschaar.

Aus: Gedichte von Karl Geib
Speyer 1830
In der J. C. Kold'schen Buchhandlung (Band 2 S. 32-34)

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Kaiser Friedrich und Gela

Friedrich Barbarossa nennet
Jeder gern, den Biedermann,
Ihn, der Minnelieder tönte,
Welchen Ehr' und Sieg bekrönte,
Der getrotzt dem Priesterbann.

Zu der Laute sey gesungen,
Was von ihm die Kund' enthüllt,
Als er, noch in Jünglingsjahren,
Wonn' und Schmerzen einst erfahren
In der Wetterau Gefild.

Dorten haus't am Kinzigufer
Hohenstaufens edler Sohn,
Auf der Jagd die Flur durcheilend,
Gern auch still im Haine weilend
Bey der Nachtigallen Ton.

Doch was scheucht aus seinem Herzen
Bald die Ruh' und heitre Lust?
Eine Jungfrau, die vor allen
Reiz und Anmuth sanft umwallen,
Hauchet Lieb' ihm in die Brust.

Gela, seines Burgmanns Tochter,
Sieht er in dem Bogengang,
Und entglüht in heissem Triebe:
"Schönstes Fräulein, ach! ich liebe
Euch!" so rief er leis' und bang.

Doch erröthend, mit gesenktem
Auge, steht die junge Maid.
"Zürne (fleht der Ritter) zürne
Nicht dem Kühnen, edle Dirne,
Wenn er Deine Hand entweiht!"

Und er lässt die Hand, und eilet
Fort; doch Gela meidet ihn
Seit dem Tag; in sich verschlossen,
Trübe, finster und verdrossen,
Schweift er durch die Wälder hin.

Langsam wandelt einst am Abend
Friedrich an des Haines Bucht;
Da erscheint im weissen Kleide
Sie, die Kräuter auf der Haide
Für die kranke Schwester sucht.

Grüssend sie mit Ehrfurcht wallet
Er vorüber - ach! der Saum
Des Gewands berührt ihn; strebend,
Sich zu fassen, wankt er, bebend
An den nächsten Eichenbaum.

Tief war Gela's Herz gerühret,
Lieb' auch fühlt die Maid in sich;
Schüchtern sagt sie: "Ihr könnt finden
Morgen, wenn die Sterne schwinden,
In der Burgkapelle mich!" -

Früh' im feyerlichen Tempel,
Wo die heil'ge Stille wohnt,
Seh'n sich Beyd' im letzten Scheine,
Den, bestrahlend Flur und Haine,
Auf den Altar wirft der Mond.

Ihm zur Seite spricht die Holde:
"Höre, Friedrich, auf mein Wort:
Du bekanntest deine Triebe,
Ich gesteh' auch meine Liebe
Hier am gottgeweihten Ort.

Doch Dir kann ich nimmer werden
Gattin; über Leut' und Land
Wirst Du einst zum Herrn erwählet,
Und ein Weib sey Dir vermählet,
Aus der Fürsten hohem Stand!

Aber - fehl' ich, so vergebe
Die Erbarmungsreiche mir,
Deren Bild wir nahe stehen! -
Jeden Morgen kannst Du sehen
Mich in der Kapelle hier.

Aber ohne Zeugen nimmer
Darf ich anderswo Dich schau'n:
Rein sey unsre Lieb' im Leben!
So mit mir hinüber schweben
Soll sie einst in sel'ge Au'n." -

"Ha! für Dich," (ruft der Entbrannte)
Lass' ich fahren Ruhm und Glanz,
Werd' ein Pflüger dieser Erde,
Weid' als Hirt die kleine Heerde;
Denn mich lohnt der Liebe Kranz."

Aber Gela's sanfte Worte
Giessen neue Kraft und Licht
In die Seele des Betrübten -
Ja, er folget der Geliebten,
Und gedenkt der herben Pflicht.

Jeden Tag im Zwielicht eilen
Beyde nach dem Tempel hin,
Ruh'n, in Wonnetraum gewieget,
Und an Gela's Wange schmieget
Er sich, doch mit reinem Sinn.

Ein beglücktes Jahr entschwindet,
Sieh! da folgt des Kaisers Ruf
Rasch sein Heer nach fernen Landen
Wider Sarazen'sche Banden,
Rings ertönt der Rosse Huf.

Ehr' und Pflicht, und der Geliebten
Stimm', ermahnen Friedrich; fort
Eilend ruft er: "Ewig währet
Uns're Lieb', und unversehret!" -
"Ewig!" ist ihr letztes Wort.

Fern geht er zum heil'gen Strande,
Kehrt zurück mit Sieg und Ruhm;
Schon in bess're Welt enteilet
Ist sein Vater, und ertheilet
Wird ihm Schwabens Herzogthum.

Und er sucht am Kinzigufer
Seine Gela - doch es hat
In dem nahen Sitz der Frommen
Jüngst den Schleyer sie genommen;
Traurig lies't er dieses Blatt:

"Hohenstaufen! Deiner Würde
Ziemt ein Weib vom Fürstenstand.
Froh sah ich ein Jahr verschweben;
Dies genüget meinem Leben:
Unsre Lieb' ist ew'ges Band!" -

Friedrich, als zum Kaiserthrone
Er emporgestiegen, nahm
Eine Gattin, die er ehret,
Doch nicht liebt, und immer währet
Um die Jungfrau Lieb' und Gram.

An dem Hain, wo ihm begegnet
Einst das holde Mädchenbild,
Lässt er eine Stadt erbauen -
Gela'shausen - die wir schauen
In der Wetterau Gefild.

Aus: Die Volkssagen des Rheinlandes
In Romanzen, Balladen und poetischen Erzählungen
von Karl Geib
Heidelberg Im Verlag von J. Engelmann 1836
(Band 1 S. 22-27)
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Die Jungfrau vom Lurley

Wie Flötenklang im Abendgold
Durch Auen und den Hain,
Tönt eine Stimme wunderhold
Von Lurley's Fels am Rhein.

Oft, wenn die Sonn' aus Osten wallt,
Wenn Mond beglänzt die Höh'n,
Lässt sich in lieblicher Gestalt
Dort eine Jungfrau seh'n.

Doch wer vom Wasser oder Land
Zur Jungfrau hebt den Blick,
Dem plötzlich sie wie Duft entschwand,
Lässt Wehmuth ihm zurück.

Auch horcht ihr Mancher auf dem Schiff,
Lenkt er den Strom hinab,
Wie träumend - stösst an's Felsenriff,
Und sinkt in's feuchte Grab.

Nur einem jungen Fischerpaar,
Das bey des Abends Glüh'n
Im Tagwerk noch geschäftig war,
Die holde Maid erschien.

Und vor die Scheuen trat mit Gruss
Sie leicht und mit Gesang,
Zeigt' ihnen dann im schnellen Fluss
Den allerreichsten Fang.

Bald hat in Thälern und auf Höh'n
Das Land die Sag' erfüllt,
Wie jene Fischer dort gesehn
Das göttlich schöne Bild.

Es herrscht ein Pfalzgraf an dem Rhein,
Hat einen edlen Sohn,
Der folgt so gern durch Flur und Hain
Dem Wild beym Hörnerton.

Sein Lager hielt der junge Graf
In Freud' und Glanz allhier,
Wo manchen Hirsch sein Bogen traf
Im waldigen Revier.

Doch als auch ihm die Sag' erscholl,
Wie dort zum Strande kam
Das Kind der Felsen, ach! da schwoll
Sein Herz von Lust und Gram.

Und wie, umstrahlt von Silberlicht,
Die Fee'n im Morgenland,
So hold in manchem Nachtgesicht
Die Jungfrau vor ihm stand.

Ihn lässt die Sehnsucht nimmer ruh'n,
Er bietet Sassen auf:
Stromabwärts eilt gen Wesel nun
Der muth'gen Rosse Lauf.

Und dort besteigt er einen Kahn,
Und fährt dem Lurley zu:
Schon sinkt auf Berg und Wiesenplan
Die Nacht in stiller Ruh'.

Die goldnen Sterne leuchten hell:
"Ach! Seht die Zauberin!
(So rufen ihm die Rudrer schnell;)
Doch fahren wir nicht hin!"

Da sieht der Jüngling die Gestalt;
Sie sitzt am Felsenhang
Im Schneegewand und jezo schallt
Ihr himmlischer Gesang.

Dann lächelnd geht sie weiter vor,
Und flicht im Sternenglanz
Von Wasserblumen, Bins' und Rohr
Sich einen Lockenkranz.

"Ach Herr! Wie lieblich (ruft die Schaar)
Ist diese Zauberin!
Welch Angesicht! welch goldnes Haar!
Doch fahrt, o fahrt nicht hin!"

Allein, wie Sturm die Wolke, drängt
Die süsse Qual ihn fort,
Und er gebeut: "Ihr Schiffer, lenkt
Den Kahn zu jenem Ort!"

Schon will man sich dem Strande nah'n,
Wo jene freundlich winkt,
Als schnell der Graf, um sie zu fah'n,
Aus seinem Nachen springt.

Doch er erreicht das Ufer nicht,
Sinkt in den Strom hinab,
Der grollend sich am Felsen bricht -
Ihn deckt der Fluthen Grab.

Und bang, in rascher Eile, fährt
Der Knechte Schaar zurück,
Und meldet, als sie heimgekehrt,
Des Jünglings Missgeschick.

Der Pfalzgraf hört's: o Trauerton!
Wie beugt der wilde Schmerz
Um den entrissnen lieben Sohn
Das väterliche Herz!

An seine Reisigen voll Grimm
Erlässt er das Gebot:
"Auf! Bringet mir das Ungethüm
Lebendig oder todt!" -

"Herr! (spricht der Hauptmann) Euer Wort
In Ehren! Doch wär's gut,
Zu stürzen gleich die Hexe dort
Hinunter in die Fluth;

Sonst macht sie Euch der böse Feind
Aus Kett' und Banden frey." -
"Wohl! (sagt der Pfalzgraf) wohl, mein Freund!"
Ab zieht die Reiterey.

Die Sterne schwinden, bald erhellt
Der junge Morgenstrahl,
Der von der Berge Zinnen fällt,
Rings Auen, Strom und Thal.

Es fährt mit seinem Waffentross
Der Ritter über'n Rhein,
Und alle schliessen schnell zu Ross
Den Lurleyfelsen ein.

Mit drey'n der Wackersten ersteigt
Der Hauptmann jetzt die Höh'n,
Als oben sich die Jungfrau zeigt,
Und ihre Locken weh'n:

Von Bernstein hält sie eine Schnur
In lilienweisser Hand:
"Wen sucht Ihr, Leute jener Flur,
An dieser steilen Wand?" -

Nur Dich! (versetzt der Führer) Halt!
Gefangen bist Du nun,
Drum sollst Du, Zauberin, alsbald
Den Sprung in's Wasser thun."

Sie lacht: "Das Wasser hole mich!"
Und wirft im leichten Gang
Die Schnur hinab, und schauerlich
Tönt ihrer Stimme Klang:

"Die weissen Rosse schicke mir,
O Vater, Deinem Kind,
Auf dass ich reite fort von hier
Mit Wogenlauf und Wind!"

Da braus't ein Sturm mit Regenguss,
Die Brandung schäumt empor:
Zwey Wellen wandeln aus dem Fluss,
Gleich Rossen, hoch hervor.

Hinan den Felsen steigen sie,
Und tragen blitzeschnell
Die Jungfrau in den Strom - und sieh'!
Umher ist's wieder hell. -

Dem Wunder staunt der Männer Schaar
Mit Beben, und erkennt,
Dass jene von den Geistern war,
Die man Undinen nennt.

Und als zu ihrem Herrn zurück
Sie mit der Kunde floh'n,
Da fand sich auch - o welch ein Glück! -
Der todtgewähnte Sohn.

Gehoben hatt' ihn dort hinan
Mit halbbetäubtem Sinn
Das Wellenspiel, und trug ihn dann
Sanft an das Ufer hin. -

Nicht mehr liess sich die Jungfrau seh'n;
Nur aus der Felsenkluft
Sie neckend noch, wenn Schiffe geh'n,
Der Segler Stimmen ruft.

Aus: Die Volkssagen des Rheinlandes
In Romanzen, Balladen und poetischen Erzählungen
von Karl Geib
Heidelberg Im Verlag von J. Engelmann 1836
(Band 1 S. 1-7)

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Das Fräulein von Flörsheim

Auf Flörsheims Burg, am linken Strand
Des Rheins, im Morgenlicht,
Das Fräulein an dem Fenster stand
Mit trübem Angesicht.

Fern blickt sie hin auf Wald und Flur,
Ihr schönes Auge weint,
Weil seit drey Tagen keine Spur
Vom Lieben dort erscheint.

Des Klosters Heerden weidet er,
Und kam in diesen Gau,
Ob aus der Näh', ob ferneher,
Man wusst' es nie genau. -

Doch edel ist er von Gestalt,
An Sitt' und Sprache fein,
Und alle Brüder denken bald,
Er müsse vornehm seyn.

Des Hirten Flöte klang so süss
Bey sanfter Abendgluth;
Auch bald im ernsten Kampfe wies
Sich ritterlich sein Muth.

Zwey Wölfe fielen einst im Thal
Die Heerden grimmig an,
Da schnell entriss er einen Stahl
Dem nächsten Jägersmann,

Und warf zur Erd' im Augenblick
Den, der zuerst genaht;
Der And're stutzt' und floh zurück,
Und Preis erscholl der That.

Doch einst am nahen Wiesenquell
Schlief er, am Eichenbaum:
Das Fräulein kam - doch wich sie schnell,
Entglüht', und wusst' es kaum.

Ein andermal ertönt' im Hain
Der lieblichste Gesang:
Das Fräulein wallt im Busch allein,
Und naht dem Zauberklang.

Bey Lämmern sass der Schäfer dort,
Er grüsset ehrfurchtsvoll;
Sie sprach zu ihm ein freundlich Wort,
Und ach! ihr Busen schwoll.

Denn als sie schied, empfand ihr Herz
Der Liebe süssen Gram;
Sie wusste nicht, dass Wonn' und Schmerz
Auch ihm die Ruhe nahm.

Ihr folgt sein Ton, so ernst und mild,
Und er so männlich-schön;
Ihm folgt der Jungfrau Götterbild,
Wie er noch nie geseh'n.

Doch seit drey Tagen kommt er nicht
Zur goldbeblümten Au:
Es treibt sie fort im Morgenlicht
Bis in des Waldes Thau.

Und traurig steht der Schäfer dort,
Gelehnt am Felsenhang:
Sie spricht zu ihm ein freundlich Wort,
Doch schüchtern, leis' und bang.

"Dank Eurer Huld, hochedle Maid!
Mir ahnet trüb' und schwer,
Bald überwinde Sturm und Leid;
Wohl seh'n wir uns nicht mehr."

So sagt er, und mit Thränen schleicht
Sie nach der Burg zurück:
Ach! ihrer Wangen Rose bleicht -
Hin schwand der Träume Glück. -

Bald ist ein prächtiges Turnier
An Flörsheims Burg zu schau'n!
Rasch sammeln sich die Kämpfer hier,
Es strahlen edle Frau'n.

Doch Flörsheims Tochter glänzet weit
Vor allen, schön und mild:
Für sie ertönt im muth'gen Streit
Der Ritter Lanz' und Schild.

Und wählen soll sie ohne Zwang;
Allein sie widerstrebt,
Auch dem, der hier die Palm' errang,
Den sein Geschlecht erhebt.

Der Vater staunt - jedoch er sieht,
Wie im geheimen Schmerz
Nun schnell der Holden Reiz verblüht,
Und Gram erfüllt sein Herz.

Einst traurig sie zum Anger geht,
Als Morgensonne scheint:
Ein And'rer bey der Heerde steht;
Sie forscht nach ihrem Freund.

Er spricht: "O Fräulein! Dieser irrt
Nicht mehr am stillen Bach;
Todt ist der edle, treue Hirt,
Sein armes Herz - es brach!"

Sie bebt und weint - doch schnell gefasst
Blickt sie zum Himmel auf,
Und ruft: "Bald sinkt die trübe Last!
Zu dir eil' ich hinauf."

Es wallt ihr Schritt die Flur hinab,
Des Klosters Friedhof zu:
Sie betet an des Lieben Grab,
Und fühlet Trost und Ruh!

Drauf einem Mönch, der weis' und alt,
Vertraut sie Lieb' und Leid,
Und ihren Wunsch, zu wohnen bald
In Klostereinsamkeit.

Der gute Greis will bitten geh'n,
Dass nicht der frommen Wahl
Ihr Vater möge widersteh'n:
Sie wandeln durch das Thal.

Ein Wasser rauscht aus dem Gehäg':
Man muss hinüber - ach!
Da wankt das Fräulein auf dem Steg,
Und - stürzet in den Bach.

Des Alten Arm nicht retten kann:
Er eilt voll Angst und Weh'n
Im matten Schritt zur Burg hinan,
Und meldet, was gescheh'n.

Wie schrecklich diess dem Vater war!
Wie klagt das ganze Haus!
Er eilt mit seiner Ritterschaar
Jach an den Strom hinaus.

Doch hergeführt zum Wiesenrain
Ist schon das Fräulein todt,
Sie liegt erblasst im Abendschein,
Bey Blümchen, weiss und roth.

Als der gebeugte Vater dann
Die Leidgeschichte hört,
Spricht er: "Dies war ein edler Mann,
Und einer Edlen werth.

Ach! dort, wo ich mein Kind verlor,
Im Thal, sey auch ihr Grab!"
Bald tragen stumm, in Trauerflor,
Die Ritter sie hinab.

Hellgrüne Zweige streu'n sie rund
Um ihre Lagerstatt,
Und klagen, dass der Liebe Bund
Solch Loos gefunden hat.

Sie mit dem Vater lassen bau'n
Die Kirch' am wilden Ort:
Noch ist des Hirten Bild zu schau'n
Mit Flöt' und Schafen dort,

Und neben ihm die edle Maid;
Am Stein der Quelle doch,
Wo sie ihn fand auf grüner Haid',
Lies't man die Kunde noch.

Aus: Die Volkssagen des Rheinlandes
In Romanzen, Balladen und poetischen Erzählungen
von Karl Geib
Heidelberg Im Verlag von J. Engelmann 1836
(Band 1 S. 89-95)

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Adolphseck

König Adolph, stark und kühn,
Eilt, nach Alsa's Flur zu zieh'n;
Strasburgs Bischof dort im Bund
Mit des Fürsten Gegner stund.

Rings, wo sich die Stadt erhebt
Und der Dom in Wolken strebt,
Donnern überall heran
Durch die Auen Ross und Mann.

Frankreichs Schaaren steh'n bereit,
Bald entglüht der Waffenstreit;
Keinem doch, so stark er ringt,
Noch des Sieges Schale sinkt.

Neu voran dringt Adolphs Muth,
Aber in des Kampfes Wuth
Trifft den Helden ein Geschoss;
Heisses Blut der Wund' entfloss.

In dem Sattel wanket er,
Seiner Hand entfällt der Speer,
Und vom schlachtumstürmten Ort
Tragen ihn die Knechte fort.

Fern im Hain, auf stiller Flur,
Steht ein Nonnenkloster, nur
Dem Gebet, der Einsamkeit,
Und der frommen Pflicht geweiht.

Zu dem Kloster bringet ihn
Sein getreuer Knappe hin!
Wo die Gottgeweihten gern
Pflegen jetzt den edlen Herrn.

In dem Kreis der Jungfrau'n sah
Bald sein Blick Imagina,
Wie ein Frühlingsmorgen schön,
Unschuldvoll, wie Engel gehn.

Neu war sie der Schwestern Zahl;
Der Vogesen wald'ges Thal
Zeigt des edlen Stammes Schloss,
Dem die holde Maid entspross.

Nun als Adolphs Wärterin
Tritt sie vor sein Lager hin,
Schüchtern, mitleidsvoll, und wacht
Sorgsam oft in stiller Nacht.

Balsam heilt der Wunde Schmerz,
Doch es krankt des Königs Herz;
Zu Imagina gewandt
Fasst er ihre weiche Hand:

"Fräulein! (spricht er) nicht mehr krank
Bin ich, Eurer Pflege Dank!
Aber Wunden neu zurück
Führt mir Euer holder Blick."

Sanft ihr Aug' zu Boden sah,
Und erröthend steht sie da;
Bald mit einem leisen Ach!
Weichet sie aus dem Gemach.

Und das Herz so warm und schwer,
Harrt auf ihre Wiederkehr
Adolph; doch im Abendschein
Tritt ein and'res Weib herein.

Staunend fährt er auf, und spricht:
"Eure Schwester - kommt sie nicht?"
Drauf die Antwort: "Ich bin hier,
Weil sie krank. Gebietet mir!"

Ach! Wie traurig dieses Wort
Tönt dem kaum Genes'nen dort!
Unmuthsvoll und ohne Ruh'
Bringt er fast drey Tage zu.

Doch bey Nacht, da alles schlief,
Eine zarte Stimme rief,
Und es tritt im Kerzenschein
Sacht' Imagina herein.

Er erhebt sich wonnentglüht;
Doch sie ruft in Angst: "O flieht!
Denn der Bischof ist bedacht,
Euch zu fahen diese Nacht.

Gleich sind seine Knechte hier;
Edler Herr, o folget mir!
Durch geheime Pforten bald
Führ' ich Euch zum nächsten Wald."

Schnell den Knappen schickt er fort
Mit Befehl zum fernen Ort,
Wo versammelt seine Schaar
Unter Pfirt und Bergheim war.

Dann folgt aus des Gartens Flur
Mit dem treuen Hunde nur
Adolph seiner Führerin
Durch den Wald zum Strome hin.

In das Kloster nun zurück
Will die Maid; mit nassem Blick
Ruft der Held: "Ach! ohne Dich
Blüht kein Erdenglück für mich!"

Kann Imagina dem Fleh'n
Des Geliebten widersteh'n?
Eine heil'ge Stimme spricht:
"Dein Gefühl ist Sünde nicht!"

In den Fischerkahn hinein
Treten Er und Sie: den Rhein
Ueber geht's, und Sicherheit
Nimmt sie auf nach Sturm und Leid.

Aber neu mit tapf'rer Wehr
Stand dem Feind des Königs Heer;
Bald ertönt auf jedem Pfad,
Dass die Fehd' ein Ende hat.

In sein Erbe, Nassau's Land,
Dort, wo von der Felsenwand
Eichen weh'n, der Waldbach fällt,
Führt die Liebliche der Held.

Adolphseck, die Burg, erbau'n
Lässt er dort auf grünen Au'n,
Und im einsam stillen Thal
Lohnt die Liebe Müh' und Qual.

Den Getreuen, hold und süss,
Blüht ein Götterparadies,
Lacht der Ruhe sanftes Bild,
Wie den Hirten im Gefild.

Ach! zu bald die Wonne sinkt!
Albrecht, der mit Adolph ringt
Um den hohen Kaiserthron,
Rückt zum ernsten Kampfe schon.

Wo der Donnersberg sich hebt
Und hoch in die Wolken strebt,
Naht sich jedes Fürsten Heer,
Brausend wie die Wog' im Meer.

Göllheims Wald umweht den Streit;
Habsburgs Mannen steh'n bereit,
Nassau's Krieger zieh'n heran,
Und Gefecht durchschallt den Plan.

König Adolph, stark und kühn,
Schwingt sein Schwert: wie Blitze glüh'n,
Flammt es - in der Feinde Schwarm
Sinken Tapf're seinem Arm.

Doch sein ritterlicher Muth
Reisset in des Kampfes Wuth
Allzuweit den Edlen fort;
Stahlgetroffen sinkt er dort.

Seht! Sein Stern auf jenen Höh'n
Strahlet noch im Untergeh'n;
Aber als der Fürst erliegt,
Wankt das Heer, und Albrecht siegt.

Adolph's Gattin blieb allein,
In der Flur von Worms, am Rhein;
"Holde, (sprach er) weile hier!
Nach der Schlacht bin ich bey Dir.

Dort im Sift vom Rosenthal
Harrt sie nun, voll banger Qual;
Während er in Kämpfen steht,
Knie't sie weinend im Gebet.

Nacht betritt die finstre Bahn,
Und noch will nicht Kunde nah'n:
Horch! Was rauschet durch das Thor,
Winselt laut an ihr empor?

Sein getreues Windspiel - ha!
Ruft es dich Imagina?
Blass und bebend folgt sie weit
Ihm durch Felder, Wald und Haid'.

Ihren Schritt zur Felsenbucht
Lenkt das Thier - den König sucht
Rings ihr Aug' - bey Mondes Glüh'n,
Todt im Blut, erkennt sie ihn.

Ach! Wer schildert Schmerz und Qual? -
In dem Stift vom Rosenthal
Senken bald ins kühle Grab
Fromme Schwestern ihn hinab.

Wo ein Denkstein ihm erhöht,
Knie't die Gattin im Gebet,
Weichet von der Stätte nicht,
Bis ihr thränend Auge bricht. -

Fern noch tobt der Krieger Wuth:
Adolphseck mit Stahl und Gluth
Wird verheert und öde schau'n
Trümmer nur auf Schwalbachs Au'n.

Doch erlöschen kann das Licht
Auf der Liebe Denkmal nicht,
Dem noch Blumenopfer weih'n
Treue Herzen dort im Hain.


Aus: Die Volkssagen des Rheinlandes
In Romanzen, Balladen und poetischen Erzählungen
von Karl Geib
Heidelberg Im Verlag von J. Engelmann 1836
(Band 1 S. 111-118)

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Das Rockenweibchen

Kennt ihr die Geister, weiss und grau,
Im dunkeln Berg, auf heller Fluth,
In Luft und Wind, auf grüner Au',
Und schlängelnd in der Flammengluth?
Kennt ihr der Elfen luft'ge Reigen,
Die sich im Mondenschimmer zeigen?

Dem Guten sind sie hold und zart,
Und leiten ihn zum sichern Thor;
Jedoch den Wicht von schlimmer Art
Hohnnecken sie im Sumpf und Moor,
Und manchen bösen Wandel trafen
Schon ihre wundersamen Strafen.

In Fluthengold, in Aethers Pracht
Sind alle Wesen schön und hell,
Die Geister in der Berge Schacht
Wohl düster, wunderlich und grell;
Jedoch den Menschen freundlich dienen
Oft Mann und Weiblein unter ihnen.

Wo tief im Wald das Echo tönt,
Und, wo die Murg durchrauscht das Thal,
Burg Eberstein die Felsen krönt,
Noch jetzt der Vorzeit edles Mahl,
Wohnt' einst, wie wir die Kunde lesen,
Ein weibliches Gespensterwesen.

Dort weilt' es in bemooster Kluft,
Noch jetzt der Rockenfels genannt,
Kam oft hervor im Abendduft,
Und nahte freundlich und bekannt
Dem Landvolk bey der Lampe Schimmer
In mancher kleinen Hütte Zimmer.

Wenn um das traute Feuer sass
Nun im Gespräch die frohe Schaar,
Der Mägdlein Rädchen schnurrte bass,
Und rauh im Thal die Herbstluft war,
Klopft's an: Da trat im dunkeln Häubchen
Herein das greise Rockenweibchen.

Mit Freuden ward ihr zugelacht,
Manch Märchen schön von ihr erzählt,
Und wenn sie dann um Mitternacht
Dem Haus entschwand, das sie gewählt,
Sah man die Spulen noch weit völler,
Die Fäden zierlicher und heller.

Es haus't ein Vogt auf Eberstein,
Rauh, herrisch und von argem Sinn;
Er hielt der Knecht' und Mägde Reih'n
Wohl Tag und Nacht zur Arbeit hin,
Und gönnte nicht des Brodes Bissen
Den Armen, und ihr Ruhekissen.

Auch Klara dient' in jenem Schloss,
Recht zart und lieblich anzuseh'n:
Ihr Haar in blonden Löckchen floss
Um Wangen wie der Morgen schön,
Und noch erhöht den Reiz der Jugend
Des Mädchens sittig-reine Tugend.

Ihr Elternpaar schon sank in's Grab,
Als Waise lebt das arme Kind,
Und fröhnet ohne Trost und Stab
Dem Manne, der so hart gesinnt;
Doch hofft sie noch, weil die Betrübte
Georg, des Schlosses Gärtner, liebte.

Schlank ist er, männlich, schön und treu,
Zugleich in Kund' und Fleiss erprobt;
Auch Klärchens Herz glüht ohne Scheu
Für ihn, und bald sind sie verlobt,
Und fleh'n vom Vogt in jeder Stunde
Erlaubniss zu dem Ehebunde.

Doch heute willigt dieser ein,
Und morgen weicht er tückisch aus;
Einst trat bey frühem Tagesschein
Die Jungfrau in das ob're Haus
Vor ihn, und bat mit heissen Thränen
"Erfüllt, o Herr, doch unser Sehnen!"

Zum Fenster führt er sie, und spricht:
"Was siehst Du auf dem Kirchhof dort?" -
"Der Eltern Grab im Morgenlicht;
Ach! ihre Hügel zeigt der Ort!"
So klagt sie. "Nun! ich seh' auf ihnen
(Versetzt er) viele Nesseln grünen.

Von Gräbernesseln spinnt sich zart
Die Leinwand; bringe bald mir her
Zwey Hemden fein, und aufgespart
Sey nicht, was fodert Dein Begehr!
Als Brauthemd wirst Du eines haben,
Im andern soll man mich begraben."

Er lächelt, geht mit bösem Sinn,
Und glaubt, er will Unmöglichkeit:
Zu ihrer Eltern Stätte hin
Enteilt die trauervolle Maid;
Sie betet still, sie seufzt und weinet,
Als ihr das Rockenweib erscheinet.

Es fragt um Klara's trübe Noth;
Die Tiefgebeugte meldet nun,
Was frech der Eigner ihr gebot:
"Lass, spricht der Geist, die Sorge ruhn!"
Rauft Nesseln von des Grabes Hügel,
Und schwindet auf der Winde Flügel. -

Der Burgvogt jagt im Morgenduft
Bey Hundgeheul und Hörnerklang,
Er kommt an die bemooste Kluft,
Indem er zieht den Forst entlang:
Da sitzt und spinnt im dunkeln Häubchen
Frisch zu das greise Rockenweibchen.

Er fragt, den Arm wild ausgestemmt:
"He! Alte! Wird ein Brauthemd das?" -
"Ein Brauthemd und ein Todtenhemd!"
Sagt sie, und dreht ihr Rädchen bass.
"Ha! (ruft er;) sag' es unverhohlen!
Dein schöner Flachs ward mir gestohlen." -

"Des frommen Gottfrieds Gruft entragt,
(Versetzt das Bergweib) dieser Flachs;
Ich samml' ihn wenn's in Osten tagt!"
Da wird der Vogt so bleich wie Wachs;
Des Geistes ernsten Blick zu schauen
Vermag er nicht - ihn fasst ein Grauen.

Er eilt zurück auf schnellem Ross,
Und hat nicht Rast, und hat nicht Ruh',
Es treibt ihn hin und her im Schloss
Gewissenangst: bald giebt er zu,
Dass sich das treue Paar vermähle,
Bald weigert es die arge Seele.

Und als er Abends in dem Saal,
Bedient von Zof' und Wappenknecht,
Im Sessel ruht bey dem Pokal,
Naht Klärchen: "Herr! Sie sind wohl recht,
Die Hemden? (fragt sie) Dies ist Euer,
Und dies für meine Hochzeitsfeyer."

Sie reicht das feine Hemd ihm dar:
"Die Hochzeit? Nun - sie mache sich!
(Erwiedert er) zum Traualtar
Geleit' ich morgen selber Dich."
Er zwingt sich freundlich und zum Scherzen,
Doch dunkel ist's in Blick und Herzen.

Die Liebenden mit heissem Dank
Jetzt vor ihm Arm in Arme steh'n.
Doch ist der Vogt am Morgen krank,
Und kann nicht zu der Trauung geh'n;
Und als die Sonn' im Thale scheinet,
Ist schon das holde Paar vereinet.

Noch hallet Orgelspiel und Chor,
Der Priester seinen Segen gab;
Der Zug entwallt dem Kirchenthor,
Da schallt es von dem Thurm herab;
Man hört - was soll der Klang bedeuten? -
Dem Vogt die Todtenglocke läuten.


Aus: Die Volkssagen des Rheinlandes
In Romanzen, Balladen und poetischen Erzählungen
von Karl Geib
Heidelberg Im Verlag von J. Engelmann 1836
(Band 1 S. 130-136)

_____



Der Minneberg

Wo Wald die Felsen umschliesset,
Erhebt sich ein moosiger Stein:
Dort rauschet ein Bach; es fliesset
Noch manche Thräne hinein.

Was soll der Stein verkünden?
Die Ruh' im düsteren Grab,
Wo traurige Herzen finden,
Was nimmer die Erde gab. -

Einst wohnt auf waldigen Höhen
Graf Horneck stolz in Pracht,
Dem mächtige Banner wehen,
Dem Glück und Reichthum lacht.

Doch schöner denn alles auf Erden
An Edelgestein und Gold,
Sollt' ihm ein Töchterlein werden,
So sittig, und fromm und hold.

Man sah wie Blumen im Lenze
Die reizende Minna blüh'n:
Doch trauern die farbigen Kränze,
Und stürmische Wolken zieh'n.

Ach! in der Jungfrau Herzen
Entlodert die reinste Glut:
Sie liebet in Wonn' und Schmerzen
Den Ritter von Edelmuth.

Er liebet so warm sie wieder,
Brach kühn die Lanzen im Streit,
Und sang der Minne Lieder
Zu Ehren der holden Maid.

Doch nimmer soll sie wählen
Den Ritter, so gut und brav;
Es will sich ihr vermählen
Ein reicher und stolzer Graf.

So heischt der Aeltern Wille;
Es hilft kein Bitten und Fleh'n!
Ach! Minna weint in der Stille,
Und möcht' im Gram vergeh'n.

Doch Kriegsdrommeten erschallen:
Zum Kampf in's heil'ge Land
Soll Edelmuth auch wallen,
Wie Ehr' und Pflicht ihn band.

Er scheidet in Schmerzen, und Thränen
Des armen Mägdleins thau'n:
Ihr ahnt ein trauriges Sehnen,
Doch nimmer ein Wiederschau'n. -

Er kämpft als muthiger Ritter
Auf manchem harten Gang,
Bis einst im Schlachtgewitter
Der Feind den Sieg errang.

Gefangen und verschlossen
Weilt er in öder Kluft;
Zwei Tage sind entflossen,
Als eine Stimme ruft:

"Kann, Freund, ich Dir gefallen,
So komm zum fernen Strand!"
Und sieh'! Zwei Pfirsiche fallen
Herab aus schöner Hand.

Er spricht! "Ich kann nur lieben
Auf meiner Heimath Flur,
Und edle Ritter blieben
Treu dem Gelübde nur."

Da horch! die Frankenkrieger,
Sie eilen im Sturm herbey,
Auf's neu der Feinde Sieger,
Und Edelmuth ist frey. -

Doch Minna in Hornberger Mauern
Hört ihres Vaters Droh'n:
"Soll noch Dein Starrsinn dauern
Zum Schimpfe mir und Hohn?

Das Hochzeitfest begehen
Wirst Du bey'm Morgenstrahl!"
Und Nacht sinkt auf die Höhen
Und in des Waldes Thal.

Als Schlaf die Burg umhüllet,
Weckt sie die treue Magd,
Und spricht! "Bist du gewillet,
So folge mir unverzagt!"

Und Beyd' im nächtlichen Grausen
Enteilen dem hohen Schloss;
Sie hören den Neckar brausen,
Der durch die Oede floss.

Sie fahren auf leichtem Kahne
Hinüber zum rechten Strand,
Durchirren die waldigen Bahne,
Und steh'n an der Felsenwand.

Doch eine wirthliche Grotte
Den Flüchtigen dort sich beut:
Sie knie'n und danken dem Gotte,
Der sie von Angst befreyt.

Im Siedlerkleide leben
Die guten Mägdlein dort,
In Demuth fromm ergeben
Und lehrend das heil'ge Wort.

Oft sieht man stumm und leise
Hinab zum Strand sie geh'n;
Dort kaufen sie ärmliche Speise,
Wo Fischerhütten steh'n.

Doch was die Seele beweget,
Das Sehnen und Hoffen ist hin,
Und krank wird Minna: sie pfleget
Die treue Dienerin.

Schon sieben Jahre vergangen!
Getrennter Liebe Schmerz
Sein Opfer will empfangen:
Es bricht das wunde Herz.

Zurück vom heiligen Kriege
Kehrt Ritter Edelmuth:
Dort konnten Ruhm und Siege
Nicht dämpfen Harm und Glut.

Er kommt zu Hornbergs Höhen,
Und muss - wie schlägt sein Herz! -
Hier Vater und Mutter sehen
In Reu, und tiefem Schmerz.

Da hört er mit schrecklichem Beben,
Wie Minna längst entfloh'n:
"Sie finden oder nicht leben!"
So ruft er, und eilet davon.

Mit Jägern, Hund und Geschossen
Durchstreift er das wilde Land,
Trennt bald sich von den Genossen,
Und steht an der Felsenwand.

Er sieht an Fels und Bäumen
Oft ihren Namen steh'n,
Und schwebet in Wonneträumen
Von nahem Wiederseh'n.

Mit einmal bellen die Hunde:
Es naht die treue Magd.
"O! (ruft er) selige Stunde!
Wo ist die Herrin? O sagt!" -

Doch sie antwortet in Thränen:
Bald seht Ihr den Leichenstein!
Sie schwand im traurigen Sehnen,
Und liess auch mich allein."

Er wankt nach ihrer Kammer
Tief in der Höhle Schoss:
Die Holde liegt - o Jammer! -
Entseelt auf grünem Moos.

Da fährt es auf ihn wie Blitze,
Und Nacht umflort den Sinn;
Er fällt im traurigen Sitze
Betäubt zur Erde hin.

Und als er neu erwachet,
Sie schon das Grab umhüllt,
Für ihn kein Stern mehr lachet,
Kein Born des Trostes quillt.

Oft weilet er an dem Grabe;
Es strömt der Schmerzen Fluth;
Er lohnt mit reicher Gabe
Die Pflegerin, fromm und gut,

Lässt drauf die Burg erbauen
Hier an der schroffen Wand,
Noch jetzt auf diesen Auen
Der Minneberg genannt,

Und wo der Fels sich breitet,
Gräbt er dem rauhen Stein
Vom Hund, der ihn geleitet
Heran, das Bildnis ein. -

Hier zogen Jahre vorüber
Dem Ritter im stillen Gram,
Bis ihn ein Engel hinüber
Zu der Geliebten nahm.

Heil Euch, Ihr treuen Seelen,
Im göttlich-reinen Licht,
Wo keine Sorgen quälen,
Kein Sturm die Blume bricht! -

Wer Leid im Herzen verschliesset,
Wallt gern zum moosigen Stein,
Sitzt traurig am Bach, und es fliesset
Der Liebe Thräne hinein.

Aus: Die Volkssagen des Rheinlandes
In Romanzen, Balladen und poetischen Erzählungen
von Karl Geib
Heidelberg Im Verlag von J. Engelmann 1836
(Band 2 S. 42-47)

_____



Theolinde
Drei Romanzen

I.
An der Mosel grünem Strande
Weilt, wie Lenzesblüthen mild,
In dem sanften Zephyrwinde,
Bei den Schafen, Theolinde,
Sie, die schönste Hirtin im Gefild.

Ach sie denket des Geliebten,
Schaut in's Ferne, trüb und bang:
Mit der Heerde fortgezogen
War er zu des Rheines Wogen,
Und ihr dünkt die träge Zeit so lang!

Wie Apoll in Tempe's Hainen,
(Nach der alten Sänger Lied,)
So, im auenfarbnen Kleide
Prangt Alcidor auf der Haide,
Männlich-schön und edel von Gemüth.

Unter allen Schäferinnen
Liebt er Theolinden nur,
Lässt ihr Sang und Flöt' ertönen,
Windet Kränze seiner Schönen
Von der Blumen Gold auf dieser Flur.

Ihm von allen Schäfern glühet
Nur der holden Jungfrau Herz
In der Liebe zartem Bande;
Seit er ging zum fernen Lande,
Weint sie manche Thrän' im süssen Schmerz.

Horch! Was rauscht durch die Gesträuche?
Sie erschrickt und will entflieh'n;
Doch es tönt im Frühlingswinde
Süss, wie Harfen: "Theolinde!"
Und - ihr schönes Aug' erblicket ihn.

Will ein Zauberschein bethören?
Nein! er ist's, er kam zurück!
Und in Wonn und Lieb' ergossen
Halten beide sich umschlossen;
Doch sie fragt: "Warum so ernst Dein Blick?" -

"Holde! (spricht er,) lass' die Sorge!
Gib allein der Liebe Raum!
Dennoch hör': In fernen Triften,
Eingewiegt von Mayenlüften,
Kam mir jüngst der wunderbare Traum.

Sieh'! mir dünkt, in schwüler Hitze
Ging ich durch das Felsenthal;
Plötzlich sah ich Wolken thürmen,
Rang mit Wettern und mit Stürmen,
Ha, und sank betäubt im Donnerstrahl.

Neu erwacht, mit leichter Schwinge,
Sylphen gleich im Blüthenhain,
Fand ich mich zum Aether schweben,
Von verklärtem Licht umgeben,
Schöner, als Aurorens Purpurschein.

Und ich sah in grauen Tiefen
Eine weisse Taube zieh'n:
Ach! sie klagt' und schlug die Flügel;
Bald doch über Thal und Hügel
Stieg sie wie der Adler, hoch und kühn.

Und mein sehnend Auge blickte
Lang' herab - erkannte Dich
In der Taub', und hergeflogen
Kamst Du auf des Himmels Bogen:
Sel'ge Wonne! - Doch mein Traum entwich." -

Sie erseufzt, und Trostesworte
Spricht er zu der jungen Maid:
"Sonne theilt der Wolken Trübe;
Hoffe Gutes, meine Liebe,
Stört auch unser Glück noch manches Leid!"

Und er reicht zur neuen Gabe
Ihr ein rosenrothes Band:
Zärtlich Arm in Arme wallen
Sie nun hin, wo Glöcklein schallen
Ihrer Heerd' an bunter Wiesen Rand. -

In Austrasiens Gefilden
Herrschet König Sigebert;
Fest und rein, von bied'rer Sitte,
Thront er in des Volkes Mitte,
Weisen Blicks, und tapfer mit dem Schwert.

Schön und sanft ist Adeline,
Seine Gattin, fromm und gut.
Von des Hofs Getümmel ferne,
Weilt das Fürstenpaar so gerne
An der Mosel hainumkränzter Fluth.

Hier in ländlich-froher Stille
Kann man oft den König seh'n
In dem blüthenreichen Garten
Seiner Bäum' und Reben warten,
Und bei'm Landmann auf den Fluren steh'n.

Einfach-häuslich ihm zur Seite
Geht die holde Königin,
Und in mancher armen Hütte
Hören sie die scheue Bitte,
Heitern manchen leidumwölkten Sinn.

Jetzt vom Tannenhügel wandern
Beide zu dem Wiesenplan;
Da, bei sanfter Abendröthe,
Schallet eines Hirten Flöte
Und Gesang der Schäferin heran.

Traulich bei der Heerde sitzet
Jenes liebevolle Paar:
"Sieh'! Arkadien lächelt wieder,
Wo der Troubadouren Lieder
Stellen uns der Auen Edle dar."

Also spricht der Fürst; da neigen
Sich die Liebenden; er fragt:
"Schäfer, wolltest Du mir dienen?
Ich erschau' in Deinem kühnen
Auge, dass Dein Muth das Höchste wagt."

Und die Fürstin fragt mit Güte:
"Schäferin aus diesem Thal,
Willst Du künftig seyn im Reihen
Meiner Jungfrau'n, der Getreuen,
Wie die Ros' in schöner Blumen Zahl?" -

Doch Alcidor nun versetzet
Ehrfurchtsvoll, mit festem Blick:
"Herr! Wir lieben Flur und Heerde,
Theilen Freuden und Beschwerde,
Wie es kommt - und Lieb ist unser Glück.

Lass, wir bitten, edler König,
Uns im väterlichen Hain!
Doch wenn jemals Deinen hohen
Thron Gefahr und Nacht umdrohen,
Werd' auch ich zur That gerüstet seyn."

Stumm und bang lehnt Theolinde
Sich an ihres Hirten Arm,
D'rauf der König: "Lebt in Frieden,
Der dem Scepter nicht beschieden,
Und ihn störe nie der bitt're Harm!

Aber braucht Ihr Hülf' in Nöthen,
Soll Euch meine nicht entgeh'n."
Spricht's, und wallt mit seiner Holden,
Als die Berge sich vergolden,
Nach der Burg, die Pappeln hoch umweh'n. -


II.
Was schallt im Land Austrasia?
Was hört man plötzlich von Gefahren?
Es sammeln sich von dort und da
Des Königs muth'ge Kriegesschaaren:
Erwartungsvoll, mit düster'm Sinn,
Blickt manches Aug' zur Ferne hin.

Der Wenden wilde Haufen dräu'n:
Ihr Braven, eilt, das Reich zu schirmen!
Sie nahen schon dem stolzen Rhein;
Die raubbegier'gen Feinde stürmen,
Gleich Wellen in dem hohen Meer,
Zu Ross und Fuss, mit Macht einher.

Mild, wie ein Stern, wenn Friede lacht,
Doch wenn Bellona's Hörner tönen,
Rasch, wie der Blitz' zu Kampf und Schlacht,
Ruft Sigebert den edlen Söhnen
Von Mosel, Schelde, Rhein und Maas,
Wo er der Tapfern viel erlas.

Fern ist noch Klodwig, der vereint
Mit ihm beherrscht das Reich der Franken,
Weil überstieg ein arger Feind
Im Süden der Gebirge Schranken:
Biscaya's kühne Schwärme dort
Zu scheuchen zog sein Heerbann fort.

Wohl wär' des Bruders Hülfe gut;
Doch gilt für Sigbert keine Weile:
Vor rückt er an des Rheines Fluth,
Und Boten melden schon mit Eile,
Dass, wo der Gegner Fahnen weh'n,
Vier gegen eins im Kampfe steh'n.

Ihr Feldherr Bodwin führt bei Nacht
Rasch über'n Strom unzähl'ge Krieger;
Am Morgen drauf beginnt die Schlacht:
Schon sind Austrasiens Helden Sieger;
Doch drängt nach kurzem Waffenglück
Sie Feindes Uebermacht zurück.

Und Hugo, der dem Heer gebeut
Dort unter seinem Herrn und König,
Sagt: "Hoher Fürst! Gewinn der Zeit
Frommt hier allein, sonst hilft uns wenig
Der Widerstand; drum ziehen wir,
In der Vogesen Waldrevier!"

Sie nahmen dort nun festen Stand,
Die Reisigen auf beiden Flügeln,
Das Fussvolk in dem tiefen Land,
Die Schützen auf des Waldes Hügeln:
Allein zum Moselstrande fliegt
Schon Kunde, dass der Feind gesiegt.

Verwirrung herrscht in allen Gau'n:
Wo hofft man, dass ein Schirm sich finde?
Der Wenden Name tönt voll Grau'n;
Bang ahnend hört es Theolinde:
Sie sitzt im Hüttchen still, und weint,
Da tritt herein ihr edler Freund.

Er tröstet: "Beb', o Holde, nicht!
Bald kommt auf düst're Nacht die Helle;
Doch ruft auch mich die ernste Pflicht:
Was ich an uns'rer Wiesenquelle
Dem besten König einst gelobt,
Sey jetzt durch meinen Arm erprobt!

So denk' ein ächter Frankensohn?
Neu sind entboten viele Streiter.
Schützt jeder, wie er soll, den Thron,
So dringt die fremde Macht nicht weiter;
Für ihn, für Dich, für Land und Heerd,
Erheb' ich gern das blanke Schwert."

Die zarte Jungfrau steht erbleicht;
Sie fasst sich, und er hört die Worte,
Indem sie sanft die Hand ihm reicht:
"Geh' unter Gottes ew'gem Horte!"
Er drückt sie glühend an sein Herz,
Und lindert ihren tiefen Schmerz.

Bald stellt er sich dem König dar;
(Es freut ihn, dass Alcidor streitet;)
Eilt drauf zu der Ardennen Schaar,
Die leicht im Kampf die Höh'n beschreitet,
Zum Führer schon erwählt man ihn,
Weil er sich klug erzeigt und kühn.

Nun ordnet des Königs Heer:
Ein Angriff folgt; wie Ungewitter
Braus't alles durch den Wald einher,
Es donnern vor die kühnen Ritter,
Die Rosse schnauben, fest vereint
Dringt an ihr Stoss; doch hält der Feind.

Da stürmt, wie hoch des Berges Aar
Entsauset im Geräusch der Winde,
Alcidor hin mit seiner Schaar,
Sein Losungswort ist "Theolinde!"
Und: "Theolinde!" tönt's ihm nach,
Bis er des Feindes Flanke brach.

Die Wenden flieh'n; doch sein Geschick
Soll ach! den Tapfern früh' ereilen;
Er sinket mit gebrochnem Blick,
Gefällt von schnell entsandten Pfeilen:
Ach! Theolinde nicht mehr schallt;
Da wankt die Schaar, es wird ein Halt.

Und ha! Verrath im Heere zog
Sich heimlich zu dem Feind hinüber;
Zugleich aus Ostens Thälern flog
Verstärkend neu ein Schwarm herüber,
Und überwältigt zieh'n von dort
Die Kämpfer Sigbert's wieder fort.

Der Feinde Zahl, wie Winterfluth,
Wächst an, und naht der Moselbrücke;
Zwar Sigbert's und Hugo's Muth
Führt wohlgeschaart das Heer zurücke:
Doch immer grösser wird die Noth;
Schon ist der Königssitz bedroht.

Wohl sind Noth und Verderben gross:
Denn man vernimmt, wie in der Runde
Sangt und verheert der wilde Tross -
Und Theolinden schallt die Kunde:
"Ein Pfeil traf Deines Lieben Herz!"
Da sinkt die Maid in bittern Schmerz.

Sie will nicht Trost, sie will nicht Ruh',
Nach ihm, nach ihm nur steht ihr Sehnen:
"O nimm mich auf! Dir eil' ich zu!"
So klagt sie, bis erschöpft die Thränen,
Und, als nun Nacht herrscht im Gefild,
Sich matt ihr Aug' in Schlummer hüllt. -

Zu Metz im hohen Rittersaal
Weilt früh' der König; Adeline
Schmiegt bebend sich an den Gemahl,
Er tröstet sie mit fester Miene,
Und muthig schwören seine Treu'n,
Ihr Blut dem Vaterland zu weih'n.

Noch stärkt durch heil'ger Worte Licht
Der fromme Bischof ihr Vertrauen,
Da kommt ein Rittersmann, und spricht:
"Erlauchter Fürst! In jenen Auen,
Wo Nordwärts lenkt des Stromes Lauf,
Stellt' ich der Vorhof Wachen auf.

Da naht' am Strand ein Jungfraunbild,
Wir glaubten, eine Gottgesandte,
So heilig schön, so hehr und mild,
Die sprechend so sich zu mir wandte:
"Lasst mich, eh' sie vom Schlosse gehn,
Vor Hugo, Sigbert's Feldherrn, steh'n!"

Der König diesem schnell gebeut:
"Nimm meinen Platz! Sie mag erscheinen!"
Und sieh! im leichten Hirtenkleid
Naht Theolinde: nicht mehr weinen
Die Augen, blickend ernst und klar,
Des Kreuzes Binde schmückt ihr Haar.

Der Königin die Thrän' entfällt,
Und Sigbert ruft: "O Dein Getreuer
Ist dort gefallen wie ein Held,
Und sein Gedächtniss sey mir theuer!"
Sie winkt, und spricht: "Mir neigt ein Traum
Ihn heut' in gold'nen Aethers Saum.

Da redet' er: "Du süsse Braut!
Ich komm' aus lichten Regionen;
Wer dort der Sel'gen Freude schaut,
Will nimmer auf der Erde wohnen:
Dort werden wir uns wiederseh'n,
Und rein am heilg'gen Altar steh'n.

"Geh' unter Gottes Hort!" so sprach
Dein Mund: ich bin im Streit gefallen,
Dem ewigen Verhängniss nach,
Das göttlich thront in jenen Hallen;
Nun wisse, dass ich künden muss
Dir selbst des Himmels hohen Schluss.

Verderben trägt, der Raubsucht voll,
Ein fremder Schwarm in diese Gründe;
Doch eine zarte Jungfrau soll
Ihn hemmen - Du, o Theolinde,
Du bist es! - Wo Dein Blick nur winkt,
Der Feinde rothes Banner sinkt.

Zum zweitenmal in später Zeit
Wird hier die Retterin gesehen;
Frei soll das Land, in Herrlichkeit
Der Franken hoher Thron bestehen:
Es weichen plötzlich Sturm und Nacht,
Wo eins fromme Hirtin wacht.

Drum feu're schnell der Krieger Muth,
Und tritt voran der Lilienfahne,
Die Hugo lenkt: Der Fremden Wuth
Fällt dort mit ihrem schnöden Plane:
Es soll die weisse Taube zieh'n,
Und steigen wie der Adler kühn."

Er sprach's, und schwand: im Morgenlicht
Erwacht' ich neu mit Ruh' und Stärke;
Verschmähet meine Hülfe nicht,
Ihr Helden, bey dem edlen Werke!" -
Der Feldherr staunt, der König sinnt,
Worauf des Priesters Wort beginnt:

"Die Jungfrau, schüchtern, sanft und gut,
Scheint wie ein Wunder auserlesen;
Ihr Auge blitzt in heil'ger Gluth;
Sie sendet wohl ein höh'res Wesen:
Drum, Dagobert's erhab'ner Sohn,
Denk' an Dein Volk und Deinen Thron!"

Der König drauf: "Ich fühl' es sehr;
Gewährt sey Theolindes Bitte!
Den Schlachtplan leit' ich rings umher,
Du, Hugo, führst des Kampfes Mitte:
Ein Sturm auf Wasgau's wilde Höh'n
Muss dort voran entscheidend geh'n."

Schon eilt das Volk nach dem Palast,
Und will die Gottbeseelte schauen:
HA! der Begeist'rungs Flamme fasst
Die Krieger all', ein neu Vertrauen
Belebt das Heer: es steht bereit,
Und rüstet sich zum muth'gen Streit.


III.
Was sind die Freuden der Erde?
Ein leerer, nichtiger Traum
In Kummer, Wahn und Beschwerde,
Ein Schein von Wonne kaum.

Dort auf azurnen Höhen,
Am lichtumflossnen Thron,
Soll rein der Friede nur wehen,
Dort blühet des Kampfes Lohn. -

Es rauscht im wehenden Winde
Der Lilien Hochpanier:
Rasch trägt es Theolinde
In glänzender Waffen Zier.

Ein leichter Panzer umblinket
Das fromme, zarte Weib;
Ihr schneeiger Helmbusch winket,
Ein Stahl umgürtet den Leib.

Sie eilet auf Zephyrschwingen
Dort Hugo's Schaaren voran;
Die kämpfen, und stürmen und dringen
Schon Wasgau's Höh'n hinan.

Die Feinde beben und staunen
Der hohen Lichtgestalt,
Die, wie im Ruf der Posaunen
Ein zürnender Engel, wallt.

Mit Jauchzen folgen der Fahne
Austrasiens Tapf're kühn:
Schon sind gebrochen die Bahne,
Und Bodwin's Streiter flieh'n.

Horch! horch! Trompeten erschallen:
Der König fliegt durch's Feld
Von Schaar zu Schaaren, und allen
Hat Sieg den Pfad erhellt.

Da stürmen auch vor die Flügel,
Trotz übermächtiger Zahl;
Sie schlagen von Hügel zu Hügel
Den Feind, von Thal zu Thal.

Durch Ebnen eilt er zurücke,
Und flieht zum stolzen Rhein:
Nach fernem Siegen und Glücke
Trifft hier auch Klodwig ein.

Den Feind nun jagen die Brüder
Stromüber in sein Land;
Die Wolken theilen sich wieder
Am Rhein- und Moselstrand.

Doch wer am Grabe des Lieben
Knie't weinend im Gebet?
Ach! Theolinde, von trüben
Gebilden allein umweht.

In Trost und Frieden erhebet
Sie dort vom Rasen empor
Sich neu - die Seele schwebet
Schon an des Himmels Thor. -

Hoch eilt der siegende König
Zurück, und schliesst an's Herz
Die Gattin: ihr dünkt nur wenig
Für solche Wonne der Schmerz.

Und durch die Strassen wallet
Zum Dom der festliche Zug;
Des Volkes Jubel erschallet,
Es strömet herbei im Flug.

Der Herrscher fragt: Wo weilet,
Die alles mit Gott befreit?
Und schnell die Wache sich theilet,
Es tritt herein die Maid.

Wie Sonne die Waffen glänzen,
Ihr Aug' blickt ernst und klar,
Und junge Rosen umkränzen
Das wallende, gold'ne Haar.

Da spricht der König: "Treten
Woll in den edelsten Bund!
Es weihe Dich unter Gebeten
Das Schwert von Pharamund!"

Sie knie't voll Demuth nieder,
Er rührt sie mit dem Stahl:
Heil! rufen die Waffenbrüder,
Die Ritter, des Volkes Zahl.

Es spricht den heiligen Segen
Der fromme Bischof aus,
Und Amen! schallt dagegen,
Im strahlenden Gotteshaus.

"Was soll für Huld gewähret
(Fragt Sigbert) Dir noch seyn?
Doch Heiligen gleich verehret,
Kannst Du sie uns verleih'n."

Hierauf sagt Theolinde:
"Mein Werk ist hier vollbracht!
Nur Glück und Ruh' ich finde
In tiefen Waldes Nacht.

Doch will sich eins bedingen
Das schüchterne Hirtenweib:
Entleihn der Seele Schwingen,
Und sinkt im Tod mein Leib,

Lass tragen die Flurgenossen
Mich an des Rheines Fluth!
Vom Grab sey ich umschlossen,
Wo mein Geliebter ruht!" -

Sie wohnet in fernen Thalen,
Als fromme Siedlerin;
Es treten in dumpfen Qualen
Die Pilger vor sie hin.

Sie heilet die armen Kranken
Durch mildes Balsamkraut;
Auch Leiden der Seele sanken,
Wenn Trost ihr Wort gethaut.

Dort manche Jahre sie lebet,
Als in der Mondesnacht
Ein Traum hernieder schwebet;
Ihr Freund in Himmelstracht.

Ruft sanft, wie Frühlingswehen:
"Folg mir zur göttlichen Schaar!
Wir sollen uns wiedersehen
Am heiligen Altar."

In Freuden entfährt sie dem Schlummer,
Bald bricht ihr Auge mild!
Dahin sind Leiden und Kummer,
Treu wird ihr Wunsch erfüllt.

Schon sieht man über die Haiden
Die Schäfer und Mägdlein zieh'n,
Bekränzt mit Laube von Weiden
Und düsterem Rosmarin.

Sie tragen weg die Holde,
Fernhin zum strömenden Rhein,
Und senken im Abendgolde
Bey'm Lieben still sie ein.

Sie streuen in tiefen Schmerzen
Mayblümchen auf ihr Grab,
Und fromme, liebende Herzen
Noch weinen dort hinab.

Aus: Die Volkssagen des Rheinlandes
In Romanzen, Balladen und poetischen Erzählungen
von Karl Geib
Heidelberg Im Verlag von J. Engelmann 1836
(Band 2 S. 117-132)

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Die Seejungfrau
Ballade

Sie sitzen an der Quelle,
Im trauten, stillen Thal;
Es blinkt auf grüner Stelle
Der Mond mit feuchtem Strahl.

Und an den Hirten schmieget
Die Maid sich schön und hold;
Er in dem Arm sie wieget,
Und spielt im Lockengold.

"Leb' wohl! Ich muss nun scheiden;
(So spricht die Wasserfei,)
Den See doch wolle meiden,
So lang' ich ferne sey!" -

Er schweift mit trübem Herzen
Drei Tag' auf öder Spur,
Und klagt der Liebe Schmerzen
Durch Berge, Wald und Flur.

Der Sehnsucht widerstehen
Kann ach! der Arme nicht;
Er steigt von dunkeln Höhen
Beym frühen Morgenlicht,

Und steht, wo unten wallet
So blau der Erlensee:
Da horch! der Fluth entschallet
Mit Aechzen: "Weh! ach weh!"

Und bluthroth ist ihr Spiegel:
Dem Hirten bebt das Herz;
Er blickt vom steilen Hügel
Im unnennbaren Schmerz.

"Lebt wohl, Ihr Au'n! Ich sehne
Mich tief, ja tief hinab!"
Er ruft's mit heisser Thräne,
Sinkt in der Wellen Grab.


Aus: Die Volkssagen des Rheinlandes
In Romanzen, Balladen und poetischen Erzählungen
von Karl Geib
Heidelberg Im Verlag von J. Engelmann 1836
(Band 2 S. 154-155)

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