Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58



Johann Bartholomäus Goßmann
(1811-1854)


Krone und Braut

Was nützt mir ein Reich und ein Fürstengebiet,
Die Krone, die heiß um die Stirne sich zieht?
Wenn spielend die Liebe mit Kränzen mich schmückt,
So bin ich ein König, so bin ich beglückt! -

Ich wandelt' einst träumerisch in zaubrischer Welt
Und kam zu dem König der Elfen in's Zelt;
Da saß auf dem Thron er mit Purpur und Macht,
Umklungen, umsungen, umrungen von Pracht.

Er winkt, und es rauscht ein Vorhang empor.
Wie staunte mein Aug' und wie horchte mein Ohr!
"O himmlische Gegend, wie lockend, wie schön!
So hab' ich auf Erden noch keine geseh'n!"

Er winkt, und es tritt aus dem schwebenden Chor
Der Feien und Elfen ein Mädchen hervor,
Ein Mädchen, das, wo es auch wandelt' und ging,
Mein Busen mit Lieben und Sehnen umfing.

Nun kehrt er zu mir sich mit freundlichem Laut:
'Hier wähle die Krone, hier wähle die Braut;
Hier wähle, wofür es im Herzen dir spricht,
Doch Eins nur begehre, das Andere nicht!'

Wohl lockte die Sinne der blendende Glanz,
Da lächelt sie schelmisch im bräutlichen Kranz,
Da ward mir im Busen so eng und so heiß,
Da schien um die Welt mir zu köstlich der Preis:

"Was nützt mir ein Reich und ein Fürstengebiet,
Die Krone, die heiß um die Stirne sich zieht?
Wenn spielend die Liebe mit Kränzen mich schmückt,
Dann bin ich ein König, dann bin ich beglückt!"

Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 775)
_____




 


zurück zum Verzeichnis

zurück zur Startseite