Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Theresa Gröhe (Ps. T. Resa)
(1853-1929)


Frau Minne

I.
König Harald, der Held, saß zu Gericht,
Und vor ihm, in Ketten, stand
Von Goldhaar umflossen, sonnenlicht,
Frau Minne im Büßergewand.

König Harald herrschte sie finster an:
"Frau Minne, dir künd' ich jetzt:
Dieweil du mit dunklem Zauberbann
Mein fröhliches Herz verletzt -

Dieweil ich, müßigen Knaben gleich,
Geseufzt in Sehnsucht und Harm -
Dieweil ich vergessen Krone und Reich,
Frau Minne, in deinem Arm;

So seist du von meinem Antlitz verbannt,
So weit dein Fuß dich trägt -
Auf daß mein trotziges Herz sich ermannt,
Und nur dem Ruhme noch schlägt."

Sie lachte so hell: "Mein König und Held,
Dir neig' ich in Demut mich.
Doch - zögst du bis ans Ende der Welt -
Am Ende der Welt noch bin ich! -

Und ging' ich, so weit mein Fuß trägt,
Und mied' ich dich ewiglich -
König Harald! so lang dein Herz noch schlägt,
So lang schlägt es für mich!

In wilder Schlacht, auf brausendem Meer,
Wie weit du auch enteilst -
Frau Minne entrinnst du nimmermehr,
Wo immer du wanderst und weilst!"

Da sprang er auf in wildem Grimm,
Die Stirn wie Blut so rot:
"Und löst' kein Heil deinen Zauber schlimm,
So löse ihn der Tod.

Führt sie zum Turm am Meergestad'
Und schließt die Thore schwer.
Fahr' wohl, Frau Minne - daß Gott dir gnad' -
Die Schlüssel - werft ins Meer!"


II.
König Haralds Schiff stieß ab vom Strand,
Hohl ging die See und schwer.
Ein Schleier wehte vom Turmesrand,
Eine Rose fiel ins Meer. -

Und über die wilden Wasser schwamm
Ein Ton, von Schmerz durchglüht,
Und süß und süßer - wundersam,
Schwoll an der Minne Lied.

König Harald lauschte, blaß wie der Tod, -
Verwehend ob Meer und Ried
Klang weich durch das sinkende Abendrot
Der Minne, der Minne Lied.


III.
König Harald fuhr übers blaue Meer,
Im Segel sang der Wind;
Der wehte schwül von der Heimat her,
Der raunte so weich und lind.

Die Sonne sank und die Sonne kam,
Rot glühten Himmel und Meer -
König Haralds Herz schwoll in bitterm Gram:
Frau Minne, - wie stirbst du schwer!

König Harald ritt in die blutige Schlacht -
Das war ein wilder Tanz,
Bis leuchtend, auf seiner Locken Nacht,
Sich senkte des Sieges Kranz.

Sie jauchzten ihm zu: "Die Feinde fliehn -
Heil Harald, herrlicher Held!"
Auf ihren Schilden trugen sie ihn
Über das blutige Feld.


IV.
König Harald saß in des Kronsaals Pracht,
Doch finster sein Auge glüht'.
"Nun scheuche fort meiner Schwermut Nacht,
Nun singe, Sänger, ein Lied!"

Der weckte der Saiten vollsten Klang -
Das klirrte wie Erz und Stahl.
Wie Sturmwind brauste der Siegessang
Über den schimmernden Saal.

Da sprangen auf die Helden all'
Und schlugen ans Schild voll Lust -
Kein Echo weckte der wilde Schall
In König Haralds Brust.

Er sprach: "Einst hört' ich ein ander Lied,
Ein süßeres hört' ich nie -
Vergessen halb - wie Traum nur, zieht
Durchs Herz mir die Melodie -

Das war - als ob die Drossel schlägt,
An Abenden, bernsteinfarb' -
Das war wie Meerflut, windbewegt,
Drin blutig die Sonne starb -

Das war wie sonnenroter Strahl,
Der knospenden Wald durchglüht -"
Da stockt' ihm das Wort mit einem Mal,
Weiß keiner, wie ihm geschieht.

Eine Rose auf wilden Wassern schwamm -
Ein Schleier weht überm Meer -
Und süß und süßer - wundersam,
Schwillt an ein Ton so hehr -

Wie Lenzsturmbrausen im lachenden Mai,
Wie Jauchzen von Schluchzen durchbebt -
König Harald sprang auf mit wildem Schrei:
"Frau Minne - Frau Minne lebt!"

Da sprangen die Thüren auf im Saal,
In Sonne lag Meer und Land -
Umflossen vom leuchtenden Abendstrahl
Frau Minne lächelnd stand.

Er fiel vor ihr nieder - das Antlitz gepreßt
In ihres Kleides Saum -:
"So hielten dich Ketten und Riegel nicht fest?
Und nicht eines Kerkers Raum?"

Sie stand vor ihm so hold und jung,
Ihr Goldhaar wie Sonne floß -:
"Ich lebe noch! - Erinnerung
Und Hoffnung war mein Genoß.

Mich banden Ketten und Riegel nicht
Und nicht eines Königs Gebot -
Sieh! - Minne ist frei wie das Sonnenlicht
Und stärker als der Tod!"

Er hielt sie umfangen in Lust und Pein:
"Du Zauberin, totgefeit,
So soll mein Herz dein Kerker sein -
Der hält dich in Ewigkeit!"

Aus: Gedichte von T. Resa
Königsberg i. Pr.
Thomas & Oppermann
(Ferd. Beyers Buchhandlung) 1900 (S. 7-12)
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