Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Ludwig Halirsch
(1802-1832)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 




Die weißen Hände
(Volksthümlich)

"So lebe denn wohl, und verzeih Dir es Gott,
Schöngrausames Weib ohne Liebe,
Er verzeih Dir den bittern, den tödtlichen Spott,
Der getroffen die heiligsten Triebe;
So lebe denn wohl, schöngrausames Weib,
Und schlägt Dir ein Herz in dem blühenden Leib,
So gib mir noch einmal die Hände,
Noch einmal zum schmerzlichen Ende!" -

Er spricht es, und sinkt in die Kniee vor ihr,
Da kehrt sie ihm lächelnd den Rücken:
"Herr Ritter, bringt erst ein paar Handschuhe mir,
Dann soll meine Hand Euch beglücken,
Ihr saht es ja selbst, wie die Sonnengluth
Den Schnee verwandelt in schmutzige Fluth -
Eure Lippen, die brennen noch heißer,
Meine Hände, die sind noch weißer!" -

Da springt in unsäglicher Qual er auf,
Und stürzet hinab zu der Pforte,
Und blickt zu der Schönen noch einmal hinauf,
Und seufzet die scheidenden Worte:
"So wahr Du dies Herz zum Tode betrübt,
So wahr das Deine noch niemals geliebt -
Zwei Handschuhe will ich Dir schenken,
Daß Du ewig sollst meiner gedenken!" -

Drei Tage vergingen, da gab's ein Bankett,
Beim Bankett wohl saß eine Dame,
Der dienten viel Herren und Ritter zur Wett',
Und aus Liedern erklang ihr Name,
Der Name der Schönsten der Schönen erklang
Lauttönend im jubelnden Wettgesang,
Der pries ihre Reize ohn' Ende,
Der pries ihre schneeweißen Hände.

Jetzt plötzlich tritt im nachtschwarzen Flor,
Im nachtschwarzen Panzer ein Ritter
Aus der staunenden Menge schweigend hervor,
Mit verschloss'nem Helmesgitter;
Und wie er der Schönen nahe war,
Da reicht er ihr ernst ein Paar Handschuhe dar,
So weich und so fein wie Seide,
So schimmernd wie köstlich Geschmeide.

"Mich sendet, Dame, ein edler Freund,
Und wie arm auch und werthlos die Gabe,
So wisset, daß er es herzlich meint,
Denn sie ist seine einzige Habe;
Er sah es ja selbst wie die Sonnengluth
Den Schnee verwandelt in schmutzige Fluth,
Seine Lippen, die brannten noch heißer,
Eure Hände, die sind noch weißer." -

D'rauf lächelt die Dame und neigt sich und nimmt:
"So sagt Eurem Freund mein Bekennen;
Die Thräne, die schwimmt, und der Funke, der glimmt,
Darf nicht Meer und nicht Flamme sich nennen;
Er hat es gewollt und er hat es erdacht,
Ich hab' es versprochen, so sei es vollbracht,
Die Hand, die er wußte zu schmücken,
Wird zum Abschied die seine drücken." -

Sie spricht es und höhnt es mit trotzendem Spott,
Da plötzlich - ein Schrei des Entsetzens!
Der Handschuh wird blutig - hilf heiliger Gott!
Wer durfte die Schönste verletzen?
Der Handschuh wird blutig, die schneeweiße Hand
Glüht auf im rothen, im blutigen Brand;
Es ist keine Wunde, die quillet,
Und doch wird das Blut nicht gestillet.

Es ist keine Wunde und brennt doch so tief,
Und brennt aus der Hand bis zum Herzen,
Und wecket dort auf, was so lange schlief,
Weckt auf die tödtlichsten Schmerzen! -
"O Jesus! O Jesus! Das ist sein Blut,
Ich fühl's an der bittern verzehrenden Gluth -
O Jesus, das muß ich nun tragen,
Durch mein ganzes Leben umtragen!" -

""Du hast es gesagt, und so wird es geschehn,
Was jetzt Deine Hand umhüllet,
Umhüllte sein Herz und seinen Wahn,
Mit denen Dein Hohn es erfüllet;
Oft wandelt die Gluth den Schnee zur Fluth,
Doch öfter noch wandelt die Gluth sich in Blut;
Was Du heischtest, das wollt' er Dir schenken,
Daß Du ewig magst seiner gedenken!""

Aus: Balladen und lyrische Gedichte
von Ludwig Halirsch
Leipzig 1829 Verlag von Carl Focke (S. 58-62)
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Die Sturmesbraut
(Volksthümlich)

Es war ein Mädel, keck und wild,
Das ging im Wald und sang,
Es sang ein Lied von Schwert und Schild,
Und wüstem Kampfesdrang.

Sie sang wohl mit dem Sturm zur Wett,
Der Blumenherzen brach;
Sie lud ihn in ihr Jungfernbett,
Zur Stund', wenn Niemand wach.

"Kein Ritter ist wie du so stark,
Und hat solch' flinkes Roß,
Und hat so festes Eisenmark,
Und solch ein weites Schloß!"

Sie riß sich eine Locke aus,
Und schlang um sie ein Band;
Sie lud ihn ein zum Hochzeitschmaus
Und gab sie ihm als Pfand.

Da ritt ein feiner Junker wohl
Vorbei im grünen Wald,
Der sah sie an so liebevoll,
Und nahm ihr Herz sich bald,

Und nahm ihr Herz und ihre Hand
Und ging zur Kirch' mit ihr -
"Halt ein! Der Sturm hat auch ein Pfand
Ein Liebespfand von dir!"

Schon schreit er draußen wild und laut,
Es ist um sie gescheh'n,
Er raubt sich seine junge Braut,
Sie ward nicht mehr gesehn,

Und wann zur späten Mitternacht
Ein leises Weinen schallt,
Durchzieht der Sturm in seiner Macht
Mit ihr den grünen Wald.

Aus: Balladen und lyrische Gedichte
von Ludwig Halirsch
Leipzig 1829 Verlag von Carl Focke (S. 17-18)
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Das Nachtigallenlied

Horch! drüben im Busch schlägt die Nachtigall,
Des Frühlings flötender Widerhall!

O Mädel, mein Mädel mit schwarzbraunem Haar,
Mit Lippen so roth und mit Augen so klar,
O Mädel, mein Mädel, nun sag' es mir an,
Ob dein Herz mich vom Herzen lieben kann?
Und sie küßt ihn so innig, sie küßt ihn so warm,
Sie umschlingt ihn so eng mit dem schneeweißen Arm,
Sie hält ihn so fest, ach, so fest an der Brust,
Als sei er allein ihre Lebenslust! -

Horch! drüben im Busch schlägt die Nachtigall,
Des Frühlings flötender Widerhall!

Sieh, Mädel, ich geb' dir, was Keiner dir gibt,
Sieh, Mädel, ich lieb' dich, wie Keiner dich liebt,
Treuinnig, auf ewig, im Leben und Tod,
Treuinnig, auf ewig, in jeder Noth.
O Mädel, treuinnig sollst du mir auch seyn,
Treuinnig, auf ewig, nur mein, nur mein;
Treuinnig, auf ewig, das schwöre mir,
So wie ich's zur Stelle auch schwöre dir.

Horch! drüben im Busch schlägt die Nachtigall,
Des Frühlings flötender Widerhall!

Die Dirne wohl schwöret mit Hand und mit Mund
Treuinnige Liebe, treuewigen Bund:
Zwölf Wochen nur dauert der Nachtigallsang,
Meine Lieb' aber dauert lebenslang!
Zwölf Wochen nur dauert die Rosenzeit,
Meine Lieb' aber dauert in Ewigkeit.
Und könnt' ich ihn brechen den heiligen Schwur,
Mein Herzgeliebter, dann tödte mich nur!

Horch! drüben im Busch schlägt die Nachtigall,
Des Frühlings flötender Widerhall!

Es ist ein Jahr, seitdem sie nicht sang,
Ein Jahr so kurz und doch wieder lang:
Ein Jahr, eine Woche, ein Tag reicht hin,
Die Treue zu brechen mit flüchtigem Sinn!
Ach, mahnt dich die flötende Nachtigall nicht,
Wie arg du vergessen hast Schwur und Pflicht? -
Das treulose Mädel wohl hört ihr zu
Und küßt einen Andern in guter Ruh.

Horch! drüben im Busch schlägt die Nachtigall,
Des Frühlings flötender Widerhall!

Und in der einsamen Waldesnacht
Steht ein einsamer Jäger still und wacht;
Er steht und ladet seine Büchse mit Schmerz;
Eine eiserne Kugel für ein wächsernes Herz:
Feinsliebchen, du brachst den treuinnigen Bund,
Es küßt einen Andern dein falscher Mund - -
Da blitzt es, da knallt es - vorbei, vorbei!
Ich warnte dich Mädel, bleib treu, bleib treu.

Horch! drüben im Busch schlägt die Nachtigall,
Des Frühlings flötender Widerhall!

Sie schlägt noch fort durch die ganze Nacht
Und hält bei der blassen Leiche Wacht.
Sie schlägt und schlägt bis zum Morgenroth,
Dann fällt sie aus dem Neste, blutig und todt.

Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849 (S. 609)

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Die Nesselhemden

Im Schlosse zu Eberstein, spät bei der Nacht,
Wenn draußen der Sturmwind brauset,
Und die fröstelnde Dirne die Kohlen facht,
Und das Spinnrad schwirret und sauset:
Da knistert und knattert es still herein,
Da flickert und flackert der Lampenschein,
Da setzt es sich mitten in's Zimmer,
Umglänzt von gespenstischem Schimmer.

Und die fleißige Spinnerin zittert und bangt,
Doch thut es ihr nichts zu Leide,
Es füllt ihr den Rocken wohl unverlangt,
Und beschenket sie gar mit Geschmeide;
Erzählt ihr ein Märchen und lehrt ihr ein Lied,
Wie der wilde Jäger in Wolken zieht,
Wie die freundlichen Nixen singen
Und die drolligen Erdmännlein springen. -

Im Schlosse zu Eberstein, spät bei der Nacht,
Da schleichet der Vogt in den Gängen,
Und schauet und spähet und horchet und wacht,
Und flucht ob den frechen Gesängen,
Und tritt in die Spinnstube grimmig hinein,
So roth wie der Scharlach beim Sonnenschein;
Halb drinnen und halb an der Pforte
Ruft er die zornigen Worte:

"Verdammtes Getriller! Ich duld' es nicht mehr!
Da singen die Dirnen und plaudern;
Das Spinnrad steht still, und der Rocken bleibt leer,
Und der Vogt muß büßen das Zaudern.
Wohl weiß ich, was euch die Köpfe verrückt,
Die Hände lähmt und das Mieder drückt -
Ihr seid, scheint's mir, all' in Liebe,
Doch heil' ich die heimlichen Triebe!

Horcht auf! die kreidige Käthe dort,
Die will ich zuerst kuriren,
Im Garten wohl gibt's einen heimlichen Ort,
Da geht sie alltäglich spazieren;
Doch eh' sie der schlanke Gärtner freit,
Da soll sie mir nützen die flüchtige Zeit,
Da soll sie zwei Hemden mir spinnen,
Daß drüber die Thränen ihr rinnen!

Am Grabe von ihrem lieb Mütterlein
Wohl wachsen Nesseln in Mengen,
Die mag sie brechen und hecheln fein
Und spinnen bei euren Gesängen;
Die mag sie zum Brauthemd weben für sich,
Die mag sie zum Todtenhemd weben für mich,
Und hat sie gesponnen, gewoben,
So will ihren Fleiß ich dann loben!"

Es schweigt der Vogt, und die Käthe so bleich
Sinkt nieder zu seinen Füßen:
""Herr Vogt, Herr Vogt! ach, erbarmet Euch,
Nicht also hart laßt mich büßen!""
Und die Dirnen zumal sie flehen ihn an,
Doch ungerührt bleibt der steinharte Mann:
"Zwei Hemden sollst du mir spinnen,
Daß drüber die Thränen dir rinnen!" -

Im Schlosse zu Eberstein, spät bei der Nacht,
Da ist's so öd' und so schaurig,
Kein Liedlein erschallt, keine Dirne lacht,
Sie sitzen beisammen so traurig,
Und die blasse Käthe, die weint und spinnt,
Daß Thräne auf Thräne am Faden rinnt;
Ach, unten, im heimlichen Garten,
Da wird der Herzliebste wohl warten. -

Und wieder jetzt knittert und knattert's herein,
Umglänzt vom gespenstigen Schimmer,
Und nimmt der Käthe ihr Plätzchen ein,
Und weiset sie fort aus dem Zimmer;
Und spinnet und spinnet ohn' Ruh' und Rast,
Es dreht das Rädchen mit schnurrender Hast,
Und Alle sehen mit Beben
Den Faden aus Nesseln sich weben! -

Herr Jesus! Herr Jesus! der Vogt naht heran,
Gott gnade dir, Käthe, Gott gnade!
Wie wird er toben der zornige Mann
Ob der fremden Spinn'rin am Rade;
Schon klirret sein Sporn auf dem Estrich einher,
Wie schaut er so wüthig im Saal umher,
Halb drinnen und halb an der Pforte
Ruft er die zornigen Worte:

"Wer ist dort am Rocken das fremde Gesicht
Mit den todten, bleiernen Augen?
So blaß wie die Käthe, doch ist sie es nicht,
Mag Ein' wie die Andre nichts taugen;
Marsch, Dirnchen, und such' dir ein anderes Dach,
Wo der Vogt um Mitternacht nicht mehr wach, -
Marsch, oder hetzen zur Stunde
Dich fort meine wachsamen Hunde!" -

Und lang und langsam hebet sich
Die Spinnerin auf vom Stuhle:
""Willst hetzen, Herr Vogt, mit Hunden mich,
Und bin doch deine Buhle,
Deine Buhle, die dein Todtenhemd spinnt
Aus Nesseln, auf denen das Gift noch rinnt;
Die, wenn die Arbeit fertig,
Auch ihres Lohns gewärtig!""

Da hat's den Vogt mit Entsetzen gepackt;
Das Spinnrad schnurret und schwirret,
Der Weberstuhl klappert dazu den Takt,
Von geistigen Händen regieret;
Und ehe zum drittenmal krähet der Hahn,
Da legt sie dem Vogt sein Todtenhemd an,
Da malet die Morgenröthe
Mit Rosen die bräutliche Käthe.

Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849 (S. 609-610)

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