Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

 

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Friedrich Hebbel
(1813-1863)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 




Liebeszauber

Schwül wird diese Nacht. Am Himmelsbogen
Ziehn die Wolken dichter sich zusammen,
Breit beglänzt von Wetterleuchtens Flammen
Und von roten Blitzen scharf durchzogen.

Alles Leben ist in sich verschlossen,
Kaum nur, daß ich mühsam Atem hole;
Selbst im Beete dort die Nachtviole
Hat den süßen Duft noch nicht ergossen.

Jedes Auge wär schon zugefallen,
Doch die Herzen sind voll Angst und zittern
Vor den zwei sich kreuzenden Gewittern,
Deren Donnergrüße bald erschallen.

Jene Alte schleppt sich zur Kapelle,
Doch sie wird den Heilgen nicht erblicken,
Eh die Wolken ihre Blitze schicken,
Betend kauert sie sich auf der Schwelle.

Ist das nicht des Liebchens taube Muhme?
Ja! So will ich hier nicht länger weilen,
Will zu ihr, zu ihrem Fenster eilen,
Und dort lauschen, statt am Heiligtume.

Weiß ichs denn? Kann nicht ein Blitz da zünden?
Kann ich, wenn ich aus der Glut sie rette,
Nicht - o daß er schon gezündet hätte! -
Ihr mein süß Geheimnis endlich künden?

Sieh, da bin ich schon! Beim Lampenlichte
Sitzt sie, in die weiße Hand das Köpfchen
Stützend, mit noch aufgeflochtnen Zöpfchen,
Stillen Schmerz im blassen Angesichte.

Horch, der erste Donnerschlag! Es krachen
Tür und Tor! Sie scheint es nicht zu hören!
Wessen denkt sie? Wüßt ichs, würd ich schwören:
Heut noch will ich den Garaus ihm machen.

Sie erhebt sich. Willst du dich entkleiden?
Gute Nacht! Warum? Zur rechten Stunde
Löscht sie selbst das Licht, und gibt dir Kunde:
Mehr ist nicht erlaubt! Dann magst du scheiden!

Was? Sie knüpft ein Tuch um ihre Locken?
Hüllt sich in der Muhme alten Mantel?
Ist sie - Oder stach mich die Tarantel?
Wird sie - Die Besinnung will mir stocken!

Ja, schon knarrt die Tür. Da kommt sie. Nimmer
Würd ich selbst sie, so vermummt, erkennen,
Hätt ich nicht - - Die Lampe läßt man brennen,
Daß es scheint, man sei im frommen Zimmer.

Rasch an mir vorbei! Sie ist, wie alle!
Folg ich ihr? Ja freilich! Um schauen,
Ob man ihr mit braunen oder blauen
Augen - schwarze hab ich selbst - gefalle.

Waldhorn-Klänge aus dem Jägerhäuschen!
Beim Gewitter? O, das ist ein Zeichen!
So ist das der Jüngling sondergleichen?
Wohl! Doch nächstens pflücken wir ein Sträußchen.

Und weshalb? Hat sie dir was versprochen?
Nein! Und dennoch muß ich sie verklagen,
Daß sie, ja, so darf, so darf ich sagen,
Einen stillen Bund mit mir gebrochen.

Weiter! Weiter? So vergib, Geliebte!
Doch wohin? Hier zieht der Wald sich düster,
Und dort wohnt die Alte an der Rüster,
Die in mancher dunklen Kunst geübte.

Gilt es der? Halt ein! Dein Herz muß klopfen!
Rastlos donnerts ja, zur Feuergarbe
Schwillt der Blitz, blutrot wird seine Farbe,
Und noch immer fällt kein milder Tropfen.

Fort! Und fort! Und unter falschen Bäumen,
Die der Blitz - - Ihr näher! daß sie keiner
Treffen kann, der mich verschont, nicht einer!
Schritt auf Schritt ihr nach! Wer Würde säumen!

Ist sie nun am Ziel? Da ist die Hütte!
Ja, sie pocht. Man öffnet ihr. Ich spähe
Durch den Ritz. Wer weiß, was ihr geschähe,
Wenn ich nicht - - Ein Kreis! Sie in der Mitte!

Wie sie da steht, fast zum Schnee erbleichend,
Und die Alte, in der Ecke kauernd,
Dreht ein Bild aus Wachs. Sie sieht es schauernd.
Jetzt spricht die zu ihr, das Bild ihr reichend:

Zieh dir nun die Nadel aus den Haaren,
Rufe den Geliebten, laut und deutlich,
Und durchstich dies Bild, dann wirst du bräutlich
Ihn umfangen und ihn dir bewahren.

Schweigt, ihr Donner! Praßle noch nicht, Regen,
Daß ich noch den einen Laut vernehme,
Ob er auch des Herzens Schlag mir lähme
Und der Pulse feuriges Bewegen!

Wie sie zögert! Wie sie mit Erröten
In die Locken greift und eine Nadel
Auszieht auf der Alten stummen Tadel
Und noch säumt, als gälte es, zu töten!

Endlich zückt sie die, und - meine Sinne
Reißen! - ruft - hinein! Zu ihren Füßen! -
Ruft mich selbst mit Worten, stammelnd-süßen,
Als den einen, den sie heimlich minne! - -

Und dem Zagen kommt der Mut, behende
Weicht die Tür. Wer durfte sich erfrechen,
Ruft die Alte, und den Zauber brechen? -
Ohne Furcht! Hier kommt nur, der ihn ende!

Sie entweicht mit holden Scham-Gebärden;
Da umschließt er sie, und Glut und Sehnen
Löst bei beiden sich in linden Tränen,
Die der Mensch nur einmal weint auf Erden.

Und so stehn sie, wechseln keine Küsse,
Still gesättigt und in sich versunken,
Schon berauscht, bevor sie noch getrunken,
In der Ahnung dämmernder Genüsse.

Und auch draußen löst sich jetzt die Schwüle,
Die zerrißnen Wolken, regenschwanger,
Schütten ihn herab auf Hain und Anger,
Und hinein zur Hütte dringt die Kühle.

Als nun auch der Regen ausgewütet,
Wallen sie, die Alte gern verlassend,
Kinderfromm sich an den Händen fassend,
Wieder heim, von Engeln still behütet.

Als sie aber scheiden will, da ziehen
Glühendheiß die Nachtviolendüfte
An ihm hin im sanften Spiel der Lüfte,
Und nun küßt er sie noch im Entfliehen.

Aus: Friedrich Hebbel: Werke in zwei Bänden. Herausgegeben von Karl Pörnbacher
Textauswahl von Gerhard Fricke Anmerkungen von Karl Pörnbacher unter Mitwirkung von Werner Keller.
Carl Hanser Verlag München Wien 1978 (Band 1) (S. 39-43)
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Schön Hedwig

Im Kreise der Vasallen sitzt
Der Ritter, jung und kühn;
Sein dunkles Feuerauge blitzt,
Als wollt' er zieh'n zum Kampfe,
Und seine Wangen glüh'n.

Ein zartes Mägdlein tritt heran
Und füllt ihm den Pocal.
Zurück mit Lächeln tritt sie dann,
Da fällt auf ihre Stirne
Der klarste Morgenstral.

Der Ritter aber faßt sie schnell
Bei ihrer weißen Hand.
Ihr blaues Auge, frisch und hell,
Sie schlägt es erst zu Boden,
Dann hebt sie's unverwandt.

"Schön Hedwig, die du vor mir stehst,
Drei Dinge sag' mir frei:
Woher du kommst, wohin du gehst,
Warum du stets mir folgest;
Das sind der Dinge drei!"

Woher ich komm'? Ich komm' von Gott,
So hat man mir gesagt,
Als ich, verfolgt von Hohn und Spott,
Nach Vater und nach Mutter
Mit Thränen einst gefragt.

Wohin ich geh? Nichts treibt mich fort,
Die Welt ist gar zu weit.
Was tauscht' ich eitel Ort um Ort?
Sie ist ja allenthalben
Voll Lust und Herrlichkeit.

Warum ich folg', wohin du winkst?
Ei, sprich, wie könnt' ich ruh'n?
Ich schenk' den Wein dir, den du trinkst,
Ich bat dich drum auf Knieen
Und mögt' es ewig thun!

"So frage ich, du blondes Kind,
Noch um ein Viertes dich;
Dies Letzte sag' mir an geschwind,
Dann frag' ich dich Nichts weiter,
Sag', Mägdlein, liebst du mich?"

Im Anfang steht sie starr und stumm,
Dann schaut sie langsam sich
Im Kreis der ernsten Gäste um,
Und faltet ihre Hände
Und spricht: Ich liebe dich!

Nun aber weiß ich auch, wohin
Ich gehen muß von hier;
Wohl ist's mir klar in meinem Sinn:
Nachdem ich dieß gestanden,
Ziemt nur der Schleier mir!

"Und wenn du sagst, du kommst von Gott,
So fühl' ich, das ist wahr.
Drum führ' ich auch, trotz Hohn und Spott,
Als seine liebste Tochter
Noch heut' dich zum Altar.

Ihr edlen Herrn, ich lud verblümt
Zu einem Fest euch ein;
Ihr Ritter, stolz und hoch gerühmt,
So folgt mir zur Kapelle,
Es soll mein schönstes sein!"

Aus: Friedrich Hebbel Sämtliche Werke
Historisch-kritische Ausgabe
besorgt von Richard Maria Werner
Sechster Band: Dramen VI. Demetrius (1864)
Gedichte I. Gesamt-Ausgabe. 1857 - Gedichte II.
Aus dem Nachlaß. 1857-1863
Siebenter Band: Gedichte III. Nachlese 1828-1859
Berlin B. Behr's Verlag 1904 (Band 6 S. 172-174)
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Die Spanierin

"Flasche, wunderbar versiegelt,
Deinen Glutwein trink' ich jetzt,
Daß er meinen Geist, beflügelt,
Nach Hispania versetzt!

Daß ich jenen Hügel schaue,
D'rauf er wuchs und Feuer sog,
Und das Felsenhaupt, das graue,
Das sich auf ihn niederbog.

Und das Mädchen, das ihn streifte
Mit des Flammenauges Stral,
Daß er doppelt schneller reiste,
Wenn sie kam aus ihrem Thal.

Das sich oft in seinem Schatten
An den Reben still entzückt,
Und zuletzt die feuersatten
Für ein Festmahl ausgedrückt."

Wie aus einer Ader, schäumend
In den Becher rinnt der Wein,
Hastig trinkt der Jüngling, träumend
Blickt er dann in's Glas hinein.

Eine dunkle Rebenlaube
Sieht er vor sich, heimlich, dicht,
Traube drängt sich d'rin an Traube,
Doch das Mädchen sieht er nicht.

"Trinke mehr!" Er ruft's beklommen,
In die Wangen tritt sein Blut,
"Trinke Alles! Sie soll kommen,
Ob sie auch im Grabe ruht!"

Eben schlägt die zwölfte Stunde,
Und er leert das letzte Glas.
Da, wie aus des Bechers Grunde,
Steigt ein Mädchen, ernst und blaß.

"Könnt' ich weinen - spricht sie - Armer,
Noch als Geist beweint' ich dich,
Denn du Blühend-Lebenswarmer
Bist nun bald so kalt, wie ich.

Diese Laube, diese Reben
Siehst du, auch den kleinsten Sproß,
Aber nicht das süße Leben,
Das sie dämmernd einst umschloß.

Nicht, wie ich mich schlafend stellte,
Als ich ihn von fern geseh'n,
Nicht, wie es das Herz mir schwellte,
Als er sprach: Hier bleib' ich steh'n!

Nicht, wie bald ich seinem Sehnen
Meine höchste Huld erwies,
Auch nicht meine starren Thränen,
Als er endlich mich verließ.

Alle diese Reben blühten,
Als er mich zuerst umfing,
Und die reifen Trauben glühten,
Als er treulos von mir ging.

Da, im rachedurst'gen Muthe,
Preßt' ich sie, den Zauberspruch
Murmelnd, und von meinem Blute
Mischt' ich d'rein und sprach den Fluch.

Nun, ein letztes Angebinde,
Schickt' ich ihm den dunklen Trank,
Dann, daß er mich nie mehr finde,
Stach ich mich in's Herz und sank.

Doch, mein Werk blieb unvollendet,
Meinen Wein, der ihn bedräut,
Hat er über's Meer gesendet,
Und du Armer trankst ihn heut'.

Weh', nun wirst du dich verzehren,
Wie es ihm beschieden war,
Wirst des Mädchens noch begehren,
Das schon Staub seit manchem Jahr;

Wirst auf Erden Nichts erwerben,
Als die Glut, d'rin du erstickst,
Wirst, ach wirst nicht einmal sterben,
Ehe du mein Grab erblickst!

Willst du mir zur Seite schlafen?
In Sevilla!" - Sie entschwebt,
Und der Jüngling geht zum Hafen,
Ob ein Schiff den Anker hebt.


Aus: Friedrich Hebbel Sämtliche Werke
Historisch-kritische Ausgabe
besorgt von Richard Maria Werner
Sechster Band: Dramen VI. Demetrius (1864)
Gedichte I. Gesamt-Ausgabe. 1857 - Gedichte II.
Aus dem Nachlaß. 1857-1863
Siebenter Band: Gedichte III. Nachlese 1828-1859
Berlin B. Behr's Verlag 1904 (Band 6 S. 176-178)
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