Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

 

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58



Ludwig Christoph Heinrich Hölty
(1748-1776)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 

 



Leander und Hero
Eine Romanze

Schon ehmahls sang der Leyermann
Musaeus die Geschichte,
Die ich euch jetzt, so gut ich kan,
Erzähle und berichte. -
Ein Jüngling, der Leander hieß,
Kam einstmahls in ein Städchen,
Das seinem Blick die Hero wies,
Die Krone aller Mädchen.

Er machte einen Reverenz,
Der ihn zur Erde drückte,
Als er die Miß, im jungen Lenz,
Zum erstenmahl erblickte.
Von nun an schwebt' ihr Götterbild,
Im labyrintschen Tanze,
Um seinen Blick, das Haupt umhüllt
Mit einem Blumenkranze.

Bald schwatzt er ihr von Liebe vor,
Von Martern, und von Schmerzen.
Und sie? sie widmet ihm ihr Ohr,
Nebst einem Platz im Herzen.
Nun fühlt der Jüngling sich, und brennt,
Die Schöne glüht nicht minder,
Doch, ach, das Meer der Helle trennt
Die beyden armen Kinder.

Er hatte, leider, keinen Kahn,
Drum schwamm er duch die Fluthen,
Was noch kein Amadis gethan,
Wenn Hayn und Fluren ruhten.
Ein schattenvoller Myrtenhayn
Verhüllte ihre Küße,
Und tausend andre Tändeleyn
In grüne Finsterniße.

Was sie sich Zärtliches gesagt,
Das wißen nur die Plätze,
Wo sie manch Stündchen zugebracht,
Am flüsternden Geschwätze
Des Bachs. Sie fühlten Cypris Sohn,
Indeß die Gegend lauschte,
Und ihrer Küße Silberton
Den Schattenwald durchrauschte.

Kurz, sie beschloßen dieses Spiel,
Geschaffen zum Ergötzen,
Das ihnen ziemlich wohl gefiel,
Hinführo fortzusetzen.
Leander schwamm, die Schöne saß
Am Ufer, voll Verlangen,
Den Liebling, wär er noch so naß,
Zu küßen, zu umfangen.

Sie wies ihm, mit erhobner Hand,
Ein Lichtgen in der Ferne,
Wenn Nacht sich um das Mondlicht wand,
Und um den Glanz der Sterne.
Er folgte dann dem Lichtstral nach. -
Doch Aeols Höhlen senden
Einst Stürme, und die reißen, ach,
Das Licht ihr aus den Händen.

Nun öfnet sie den Rosenmund
Zu Seufzern und zu Klagen,
Der Königin von Amathunt
Ihr Herzeleyd zu sagen.
Umsonst! Die Göttin spielte just,
Sie hatte gute Karten,
Und spürte folglich keine Lust
Der Hero aufzuwarten.

Das arme Kind! Ihr Seufzen schallt
Umher, ein Thränenregen
Quillt ihr vom Aug. Indeßen wallt
Ein Leichnam ihr entgegen.
Leander ists, er schwimmt erblaßt
Zum Ufer, bange Scene!
Ein kalter Todesschauer faßt
Die Brust der jungen Schöne.

Denn jetzt entschleyert Luna sich
Von Wolken, und enthüllet
Der Hero, die am Ufer schlich,
Mit Traurigkeit erfüllet,
Leanders Tod. Sie spricht kein Wort,
Stürzt rauschend in die Wogen,
Und ihre Seele flattert fort,
Dem schönsten Leib entzogen.

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe.
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998 (S. 12-14)
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Daphne und Apoll
Romanze

Ich will euch Daphnens Schicksal lehren,
Kommt, höret mich!
Des holden Mädchens, das Cytheren
An Schönheit glich.

Apoll, der gern nach Mädchen schielte,
Wie Dichter thun,
Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte,
Die Daphne ruhn.

Er nahte sich mit Stutzertritten;
Kein Reh flieht so
Als sie, da sie mit Zephyrschritten
Dem Gott entfloh.

Sie flog voran, Apollo keuchte
Ihr hitzig nach,
Bis er das arme Ding erreichte
Am Silberbach.

Errettet mich, ruft sie, ihr Götter!
Die Thörinn die!
Zevs winkt - und starre Lorbeerblätter
Umfliegen sie.

Ihr Füßgen, sonst so niedlich, pflanzte
Sich plötzlich fest
Tief in der Erde. Säuselnd tanzte
Um sie der West.

Apollo weinte ganze Stunden
Um diesen Baum.
Er hielt den kalten Stamm umwunden,
Und lebte kaum.

Er wand darauf von Daphnens Haaren
Sich einen Kranz,
Und eilte, Freude zu erfahren,
Zum Göttertanz.

Noch jetzt zerzaußt der Schönen Locken
Ein kleiner Graf,
Und krönt mit ihren grünen Locken
Bald Mäv, bald Bav.

Laßt euch dies Beyspiel, Mädchen, rühren,
Thut eure Pflicht,
Und flieht, so lang euch Reitze zieren,
Uns Männer nicht.

Wenn euch auf runzelvollen Wangen,
Kein Purpur glüht,
Und keine Amoretten bangen,
Dann flieht nur, flieht.


andere Lesarten:

Apoll und Daphne
eine Romanze

Ich will euch Daphnens Schicksal lehren,
O höret mich!
Des holden Mädchens, das Cytheren,
An Schönheit glich.

Apoll, der gern nach Mädchen schielte,
Wie Dichter thun,
Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte,
Die Daphne ruhn.

Er nahte sich mit Stutzertritten,
Kein Reh flieht so,
Als sie, da sie mit Zephyrschritten
Dem Gott entfloh.

Sie flog voran, Apollo keuchte
Ihr hitzig nach,
Bis er das arme Ding erreichte
Am Silberbach.

Errettet mich, ruft sie, ihr Götter!
Die Närrin die!
Zevs winkt - und starre Lorbeerblätter
Umfliegen sie.

Ihr Füßgen, sonst so niedlich, pflanzte
Sich plötzlich fest
Tief in die Erde. Säuselnd tanzte
Um sie der West.

Apollo weinte ganze Stunden
Um diesen Baum,
Er hielt den kalten Stamm umwunden,
Und lebte kaum.

Er wand darauf von Daphnens Haaren
Sich einen Kranz,
Und eilte, Freude zu erfahren,
Zum Göttertanz.

Mit ihren grünen Locken krönet
Noch oft ein Graf,
Trotz der Satyre, die ihn höhnet,
Bald Mäv, bald Bav.

Auch braungesengte Köche ziehen
Ihr Locken aus,
Zum lieblichen Gewürz der Brühen,
Beym fetten Schmaus.

Laßt euch dies Beyspiel, Mädchen, rühren,
Das Warnung spricht,
Und flieht, so lang euch Reize zieren,
Den Jüngling nicht.

Wenn einst auf euren Rosenwangen
Kein Purpur glüht,
Und keine Amoretten hangen,
Dann flieht nur, flieht.


Apoll und Daphne
Eine Romanze

Soll ich euch Daphnens Schicksal lehren,
So höret mich,
Des holden Mädchens, das Cytheren
An Schönheit glich.

Apoll, der gern nach Mädchen schielte,
Wie Dichter thun,
Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte,
Die Daphne ruhn.

Er nahte sich mit Stutzertritten,
Kein Reh flieht so
Als sie, da sie mit Zephyrschritten
Dem Gott entfloh.

Sie flog voran, Apollo keuchte
Ihr hitzig nach,
Bis er das arme Ding erreichte,
Am Silberbach.

Errettet mich, ruft sie, ihr Götter!
Die Närrin die!
Zevs winkt - und starre Lorbeerblätter
Umfliegen sie.

Ihr Füßgen, sonst so niedlich, pflanzte
Sich plötzlich fest
Tief in der Erde. Säuselnd tanzte
Um sie der West.

Apollo weinte ganze Stunden
Um diesen Baum,
Er hielt den kalten Stamm umwunden,
Und lebte kaum.

Er wand, ein Denkmahl zu bewahren,
Mit naßen Blick,
Sich einen Kranz von Daphnens Haaren,
Und flog zurück.

Nun ward das Kränzewinden Mode -
Der Dichterling,
Der eine Fabel, oder Ode
Gereimt, empfing

Nun Lorbeern. Blutge Lorbeern schlungen
Sich um das Haupt
Des Helden, der den Feind bezwungen,
Und ihn beraubt.

O Himmel, wie zerzaußten beyde
Des Mädchens Haar,
Das sonst der Stutzer Augenweide,
Und Wonne war.

Laßt euch dies Beyspiel, Mädchen, rühren,
Das Warnung spricht,
Und flieht, so lang euch Reize zieren,
Den Jüngling nicht.



Apoll und Daphne
eine Romanze

Apoll, der gern nach Mädchen schielte,
Wie Dichter thun,
Sah einst im Thal, wo Zephyr spielte,
Die Daphne ruhn.

Er nahte sich mit Stutzertritten;
Kein Reh flieht so,
Als Daphne, die mit Zephyrschritten
Dem Gott entfloh.

Sie flog voran, Apollo keuchte
Ihr hitzig nach,
Bis er das arme Ding erreichte,
Am Silberbach.

Da rief sie, rettet mich, ihr Götter!
Die Thörin die!
Zevs winkte - starre Lorbeerblätter
Umflogen sie.

Ihr Füßgen, sonst so niedlich, pflanzte
Sich plötzlich fest
Tief in der Erde. Gaukelnd tanzte
Um sie der West.

Apollo klagte ganze Stunden
Am Lorbeerbaum,
Hielt ihn mit festen Arm umwunden,
Stand, als im Traum.

Er lehnte seine feuchten Wangen
Ans grüne Holz,
Jüngst eine Nymphe, sein Verlangen,
Der Nymphen Stolz.

Er girrte noch ein Weilchen, pflückte
Nun jenen Kranz,
Der seine blonde Scheitel schmückte,
Bey Spiel und Tanz.

Du arme Daphne! Tausend pflücken
Nun Kränze sich,
Von deinen Haaren, sich zu schmücken,
Du dauerst mich!

Die Krieger und die Dichter hausen
In deinem Haar,
Wie Stürme, die den Wald durchbrausen;
Die Köche gar.

Ja, ja, die braunen Köche ziehen
Dir Locken aus,
Zum lieblichen Gewürz der Brühen,
Beym fetten Schmaus.

Laßt euch dies Beyspiel, Mädchen! rühren,
Das Warnung spricht,
Und flieht, so lang euch Reize zieren,
Den Jüngling nicht.



Apoll und Daphne
1770

Apoll, der gern nach Mädchen schielte,
Wie Dichter thun,
Sah einst im Thal, wo Schatten kühlte,
Die Dafne ruhn.

Er nahte sich mit Stuzertritten,
Mit Ach und O,
Als Dafne schnell mit Zefirschritten
Dem Gott entfloh.

Sie flog voran; Apollo keuchte
Ihr hizig nach,
Bis er die Schöne fast erreichte
Am Silberbach.

Da rief sie: Rettet mich, ihr Götter!
Die Thörin die!
Zeus winkt, und starre Lorberblätter
Umfliegen sie.

Ihr Füßchen, sonst so niedlich, wurzelt
Im Boden fest;
Apollo kömmt herangepurzelt,
Und schreiet: Pest!

Dann lehnt er seine feuchten Wangen
Ans grüne Holz:
Jüngst eine Nimfe, sein Verlangen,
Der Nimfen Stolz!

Er girrt ein Weilchen, sinnt, und pflücket
Sich einen Kranz,
Der seine blonde Scheitel schmücket
Bei Spiel und Tanz.

Du arme Dafne! Tausend pflücken
Nun Kränze sich
Von deinen Haaren, sich zu schmücken!
Du daurest mich!

Die Krieger und die Dichter zausen
In deinem Haar,
Wie Stürme, die den Wald durchbrausen!
Die Köche gar!

Ja ja, die braunen Köche ziehen
Dir Locken aus,
Zum lieblichen Gewürz der Brühen
Beim Hochzeitsschmaus!

Laßt, Mädchen, euch dies Beispiel rühren,
Das Warnung spricht,
Und flieht, so lang' euch Reize zieren,
Uns Dichter nicht!

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe.
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998 (S. 16-23)
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Clytia und Phoebus
Eine Romanze

Miß Clytia, das schönste Kind,
Cytherens Ebenbild,
War, wie die Mädchen alle sind,
Mit Liebe stets erfüllt.

Sie liebte ihres Nachbars Sohn,
Weil man doch lieben muß,
Im bunten Flügelkleide schon,
Und gab ihm manchen Kuß.

Wie war die Freude doch so groß,
Die ihre Brust durchglitt,
Wenn er auf seinem Steckenroß,
Vor ihrem Fenster ritt!

Die gute Jungfer sah einmahl,
Den Phoebus, welcher sich
Nicht selten aus dem Himmel stahl,
Und zu den Nymphen schlich.

Sie kramte ihren Busen aus,
Doch Phoebus, wie es hieß,
Zog seine Stirn beständig kraus,
So oft sie Reize wies.

Satyrisch sah er auf sie hin,
Mit Hohn im Blick, und sprach,
Entflieh, du kleine Buhlerinn,
Schleich Erdensöhnen nach.

Dies niederschlagende Gebot,
Erschütterte sie tief,
Und machte, daß ein lichtes Roth
Durch ihre Wangen lief.

Von Liebesschmerzen aufgezehrt,
Ward endlich Clytia
Zur Sonnenblume. Hingekehrt
Gen Himmel stand sie da.

Mit liebetrunkner Miene lacht
Sie ihren Phoebus an,
So bald der junge Tag erwacht,
Und schauet himmelan.

Sie blickt ihm nach, wenn er am Saum
Des Abendhimmels blinkt,
Bis er trübröhtlicht in den Schaum
Des Oceans versinkt.

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe.
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998 (S. 23-24)
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Narziss und Echo
Eine Romanze

In junger Büsche Finsterniß,
Wo Zephyr säuselnd wehte,
Erblickte Echo den Narciß,
Beym Glanz der Morgenröthe.

Urplötzlich fiel in ihre Brust
Der Liebe Feuerfunken,
Sie flog ihm, ohne Zeitverlust,
Entgegen, wollusttrunken.

Sie trug ihm ihre Liebe an,
Was oft die Mädchen thäten,
Wenn nicht die Mode, und der Wahn
Den Mädchen es verböten.

Umsonst! Sie mochte noch so sehr
An ihrem Halstuch rücken,
Er blieb euch von Empfindung leer,
Nichts konnte ihn entzücken.

Drauf floh sie tiefer in den Wald,
Ihr Leben zu verweinen,
Sie starb, und ihre Stimme hallt
Noch jetzt in unsern Haynen.

Das mochte nun, beym Element!
Cytherens Göttin kränken;
So wahr mir Paphos Weyrauch brennt,
Er soll an Amorn denken,

Sprach sie. Die Drohung ward erfüllt,
Er sah in einer Quelle,
Die silbern rann, sein eigen Bild,
Und liebt es auf der Stelle.

Er taucht wohl zehnmal seinen Arm,
Das Luftbild zu umschließen,
Ins Waßer, und von Liebe warm,
Deckt er den Bach mit Küßen.

Und klagt sein Leid, wie ein Poët,
Von Lorchen, von Lucinden,
Um die er seufzete, verschmäht,
Den Buchen und den Linden.

Und da er lange gnug gegirrt,
Härmt er sich auf; es sprießen
Aus seinem Leib, der Asche wird,
Die duftenden Narcißen.


andere Lesarten:


Echo und Narciß
eine Romanze

Das Fräulein Echo sah einmahl
Den Ahnherrn der Narcißen,
Im Hayn etwan, im Rosenthal?
Das braucht ihr nicht zu wißen.

Urplötzlich fiel in ihre Brust
Der Liebe Feuerfunken,
Sie flog ihm, ohne Zeitverlust,
Entgegen, wollusttrunken.

Und bot ihm ihre Freundschaft an,
Was manche Schöne thäte,
Wenn nicht die Mod', ein dummer Wahn,
Das Gegentheil geböte.

Doch blieb er kälter, als der Schnee,
Kein Busen ohne Schleyer,
Kein Aug, wo Sehnsucht funkelte,
Goß in sein Herze Feuer.

Drauf floh sie tiefer in den Wald,
Ihr Leben zu verweinen,
Sie starb, und ihre Stimme hallt
Noch jetzt in unsern Haynen.

Das möchte nun, beim Element!
Die Dame Cypris kränken,
Der jede Zone Weyrauch brennt.
Er soll schon an mich denken,

So drohte sie. Das ward erfüllt.
Er sah in einer Quelle,
Die silbern rann, sein eigen Bild,
Und liebt' es auf der Stelle.

Wohl zehnmal taucht' er seinen Arm,
Das Luftbild zu umschließen,
Ins Waßer, und von Liebe warm,
Deckt' er den Bach mit Küßen.

Vergebens! Das Phantom zerflog,
Er küßte krause Wogen,
Wenn er den Mund zum Waßer bog,
Vom Wiederschein betrogen.

So saß er, übersprützt mit Schlamm,
Wie die Geschichten sagen,
In seine Haare kam kein Kamm,
Kein Brodt in seinen Magen.

So lag Narciß, den Blick bethränt,
Oft liebe lange Wochen,
Den Kopf auf einen Arm gelehnt,
Und ward zu Haut und Knochen.

Er saß einmahl am Schilfgeräusch
Des Baches, als es tagte,
Sank nieder, wimmerte sich heisch,
Sah in das Waßer, klagte.

Die Parce, die so gerne reißt,
Riß hier den Lebensfaden
Des Jünglings. Plötzlich flog sein Geist
Nach Acherons Gestaden.

Aus seiner Hülle, die verschwand,
Erwuchsest du, Narciße,
Stolziertest an des Baches Rand,
Und winktest Zephyrs Küße.



Narciß und Echo
eine Romanze

Das Fräulein Echo sah einmal
Den Ahnherrn der Narcißen,
Der manches Jungfernherzchen stahl,
In grünen Finsternißen,

Sich einer Badequelle nahn.
Stracks schielten Ihro Gnaden,
Als sie den schönen Jüngling sahn,
Nach seinen vollen Waden.

Der sechzehn Ahnen Dunst verschwand
Gemach aus ihrem Hirne,
Sie bot ihm buhlerisch die Hand,
Wie eine Bürgerdirne.

Narciß dreht ihr den Rücken zu,
Und schreit ihr in die Ohren:
Mamsellchen, laß sie mich in Ruh,
Sie hat hier nichts verlohren.

Drauf schlich das Fräulein in den Wald,
Ihr Leben zu verweinen,
Sie starb, und ihre Stimme hallt
Noch itzt in unsern Hainen.

Doch soll sie, wie die Rede geht,
Eh sie im Herrn entschlafen,
Die Götter haben angefleht,
Den Jüngling zu bestrafen.

Der letzte Seufzer ward erfüllt.
Er sah in einer Quelle,
Die silbern rann, sein eigen Bild,
Und liebt' es auf der Stelle.

Am Ufer lag er, wie behext,
Und floß in Klagen über.
Sein Pfarrer las ihm oft den Text,
Mit vielem Ernst, darüber.

Was halfs? Narciß, der Starrkopf, blieb
Bey seinen sieben Sinnen,
Und lief, wie ein verjagter Dieb,
Sein Gucken zu beginnen,

Sobald die liebe Sonne schien,
Zum Spiegel seiner Quelle,
Und sah, bedeckt vom Baldachin
Des Hains, in eine Stelle.

Er machte, wenn er nahe war,
Verliebte Reverenze,
Bot dem Phantom Geschenke dar,
Bald Sträußer, und bald Kränze.

Er reichte seiner Abgöttin
Einst eine Purpurrose.
Sie hielt ihm auch ein Röschen hin,
Und lächelte, die Lose.

Sein Röschen fiel ihm in den Bach,
Ich weiß nicht, wie's gekommen,
Stracks fiel das andre Röschen nach,
Doch kams nicht angeschwommen.

Er gab dem Bache Kuß auf Kuß.
So liebt' er, wie Poeten,
Ein Ideal, fern vom Genuß
Und den Realitäten.

Drauf macht' er, im Gehirn verrückt,
Das Ding noch immer bunter,
Und sprang, nachdem er gnug geguckt,
Husch, in den Bach hinunter.

Sein Name lebt, wie Doctor Duns
In dicken Folianten,
In einem Blümchen unter uns,
Das Gärtner nach ihm nannten.

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe.
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998 (S. 36-40)
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Adelstan und Röschen
Abentheuer
von einem Ritter, der sich in ein Mädchen verliebt,
und wie der Ritter sich umbrachte

1.
Ein Mann mit einem Ordensband,
Der Ritter Hardiknut
Verließ die Stadt, und kam aufs Land
Wie oft der Städter thut.
Von Geigern und Castraten fern,
Und vom Redutentanz,
Vertauscht' er seinen Ordensstern
Mit einem Blumenkranz.

2.
Der Schoos der Au, der Wiesenklee,
Verlieh ihm süßre Rast
Als Himmelbett, und Canapee,
Im fürstlichen Pallast.
Er irrte täglich durch den Hayn
Mit einer Brust voll Ruh,
Und sah, im Blumenmond, dem Reyhn
Der Schäferinnen zu.

3.
Stracks war sein Herz, als er im May
Hier Rößchen sah, dahin,
Er liebte bis zur Raserey
Die holde Schäferin.
Sie wurden drauf gar bald vertraut.
Was Wunder doch! Er war
Ein Mann von Welt, und wohlgebaut,
Und Rößchen achtzehn Jahr.

4.
Sie gab, durch manchen Thränenguß
Erweichet, ihm Gehör.
Zuerst bekam er einen Kuß,
Zuletzt noch etwas mehr.
Itzt wurde, nach des Höflings Brauch,
Sein Busen plötzlich lau.
Er saß nicht mehr, am Schlehenstrauch,
Mit Rößchen auf der Au.

5.
Des Dorfes, und des Mädchens satt,
Warf er sich auf sein Roß,
Flog aus dem Dorf, kam in die Stadt,
Und wieder in sein Schloß.
Hier taumelt' er von Ball zu Ball,
Vergaß die Rasenbank,
Wo, beym Getön der Nachtigall,
Sein Mädchen ihn umschlang.

6.
Sein Rößchen, das auf Wiesengrün,
Bey ihren Schafen saß,
Sah Mann und Roß vorüberfliehn,
Indeß sie Blumen las.
Mein Hardiknut, mein Hardiknut!
Er sah und hörte nicht,
Und drückte sich den Reisehut
Noch tiefer ins Gesicht.

7.
Ach Jesus! welch ein Donnerschlag
Schlug Rößchen an das Herz!
Sie schaut dem falschen Buben nach,
Zernagt von Seelenschmerz;
Und schluchzt, und wirft sich in das Gras,
Zerknirschten Sündern gleich,
Weint ihren schönen Busen naß,
Weint ihre Wangen bleich.

8.
Kein Tanz, kein Spiel behagt ihr mehr,
Kein Abendroth, kein West,
Das Dörfchen dünkt ihr freudenleer,
Die Flur ein Viepernnest.
Ein melancholisch Heimchen zirpt,
Vor ihrer Kammerthür,
Ihr Todesahnungen. Sie stirbt,
Der Schäfermädchen Zier.

9.
Die dumpfe Todtenglocke schallt
Drauf in das Dorf. Man bringt
Den Sarg daher. Der Küster wallt
Der Bahre vor, und singt.
Der Pfarrer hält ihr den Sermon,
Und wünscht dem Schatten Ruh,
Der diesem Jammerthal entflohn,
Und klagt und weint dazu.

10.
Ein schwarzes Kreuz, mit Flittergold
Bekränzt, wird auf das Grab
Gepflanzt, und Thrän' auf Thräne rollt
Von jeder Wang herab.
Nun ward es Nacht. Ein düstrer Flor
Bedeckte Thal und Höhn,
Auch kam der liebe Mond hervor,
Und leuchtete so schön.

11.
Vernehmt nun, wies dem Ritter gieng!
Er lag auf Eiderpflaum,
Um welchen rother Atlas hieng,
Und hatte manchen Traum. -
Er zittert auf. Mit blauem Licht
Wird sein Gemach erfüllt,
Ein Mädchen tritt ihm vors Gesicht,
Ins Leichentuch verhüllt.

12.
Ach, Rößchen ists, das arme Kind,
Das Hardiknut berückt,
Die Rosen ihrer Wangen sind
Vom Tode weggepflückt.
Sie legt die eine kalte Hand
Dem Ritter auf das Kinn,
Und hält ihr moderndes Gewand
Ihm mit der andern hin.

13.
Blickt drauf den ehrvergeßnen Mann,
Den Schauer überschleicht,
Dreymahl mit hohlen Augen an,
Und wimmert, und entweicht.
Sie kam drauf, jede Mitternacht,
Sobald es zwölfe schlug,
Vermummt in die Gespenstertracht,
Ins weiße Leichentuch.

14.
Der Ritter fiel, in kurzer Zeit,
Drob in Melancholey,
Und ward, verzehrt von Traurigkeit,
Des Todes Conterfey.
Mit einem Dolch bewafnet, floh
Er aus der Stadt, und lief
Zum Gottesacker hin, allwo
Das arme Rößchen schlief.

15.
Wankt' an die frische Gruft, den Stahl
Dem Herzen zugekehrt,
Und sank. Sein Antlitz wurde fahl,
Und blutig ward das Schwert.
Es gieng ihm mitten durch das Herz,
Entsetzlich anzuschaun,
Die Augen starrten himmelwärts,
Und blickten Furcht und Graun.

16.
Sein Grab ragt an der Kirchhofmaur.
Der Landmann, der es sieht,
Wenns Abend wird, fühlt kalten Schaur,
Und schlägt ein Kreuz, und flieht.
Auch pflegt er, bis die Hahnen krähn,
Den Mordstahl in der Brust,
Mit glühnden Augen, umzugehn,
Wie männiglich bewußt.

 

andere Lesart:


Adelstan und Röschen
1771

Der schöne Mayenmond begann,
Und alles wurde froh;
Als Ritter Veit von Adelstan
Der Königsstadt entfloh.
Von Geigern und Kastraten fern,
Und vom Redutentanz,
Vertauscht' er seinen goldnen Stern
Mit einem Schäferkranz.

Der Schooß der Au, der Wiesenklee,
Verlieh ihm süßre Rast,
Als Himmelbett' und Kanapee
Im fürstlichen Palast.
Er irrte täglich durch den Hain,
Mit einer Brust voll Ruh,
Und sah dem Spiel', und sah dem Reihn
Der Dörferinnen zu;

Sah, unter niederm Hüttendach,
Der Schäfermädchen Preis;
Und plötzlich schlug sein Herzensschlag
Wol noch einmal so heiß.
Sie wurden drauf gar bald vertraut;
Was Wunder doch! er war
Ein Mann von Welt, und wohlgebaut;
Und Röschen achtzehn Jahr.

Sie gab, durch manchen Thränenguß
Erweichet, ihm Gehör.
Zuerst bekam er einen Kuß,
Zuletzt noch etwas mehr.
Itzt wurde, nach des Hofes Brauch,
Sein Busen plötzlich lau;
Er saß nicht mehr, am Schlehenstrauch,
Mit Röschen auf der Au.

Des Dorfes und des Mädchens satt,
Warf er sich auf sein Roß,
Flog wieder in die Königsstadt,
Und in sein Marmorschloß.
Hier taumelt' er von Ball zu Ball,
Vergaß der Rasenbank,
Wo, beym Getön der Nachtigall,
Sein Mädchen ihn umschlang.

Und Röschen, das auf Wiesengrün,
Im Haselschatten, saß,
Sah Mann und Roß vorüberfliehn,
Und wurde todtenblaß.
Mein Adelstan! ich armes Blut! -
Er sah und hörte nicht,
Und drückte sich den Reisehut
Nur tiefer ins Gesicht.

Sie zupft', auf ihren Hirtenstab
Gelehnt, am Busenband,
Bis er dem Roß die Spornen gab,
Und ihrem Aug' entschwand;
Und schluchzt', und warf sich in das Gras,
Verbarg sich im Gesträuch,
Weint' ihren schönen Busen naß,
Und ihre Wangen bleich.

Kein Tanz, kein Spiel behagt ihr mehr,
Kein Abendroth, kein West;
Das Dörfchen dünkt ihr freudenleer,
Die Flur ein Otternnest.
Ein melancholisch Heimchen zirpt
Vor ihrer Kammerthür;
Das Leichhuhn schreyt. Ach Gott! sie stirbt,
Des Dorfes beste Zier!

Die dumpfe Todtenglocke schallt
Drauf in das Dorf. Man bringt
Den Sarg daher; der Küster wallt
Der Bahre vor, und singt.
Der Pfarrer hält ihr den Sermon,
Und wünscht dem Schatten Ruh,
Der diesem Jammerthal' entflohn,
Und klagt, und weint dazu.

Man pflanzt ein Kreuz, mit Flittergold
Bekränzet, auf ihr Grab;
Und auf den frischen Hügel rollt
So manche Thrän' herab.
Es wurde Nacht. Ein düstrer Flor
Bedeckte Thal und Höhn;
Auch kam der liebe Mond hervor,
Und leuchtete so schön.

Vernehmt nun, wie's dem Ritter ging!
Der Ritter lag auf Pflaum,
Um welchen Gold und Seide hing,
Und hatte manchen Traum.
Er zittert auf. Mit blauem Licht
Wird sein Gemach erfüllt,
Ein Mädchen trit ihm vor's Gesicht,
Ins Leichentuch verhüllt.

Ach, Röschen ist's, das arme Kind,
Das Adelstan berückt!
Die Rosen ihrer Wangen sind
Vom Tode weggepflückt.
Sie legt die eine kalte Hand
Dem Ritter auf das Kinn,
Und hält ihr moderndes Gewand
Ihm mit der andern hin;

Blickt drauf den ehrvergeßnen Mann,
Den Schauer überschleicht,
Dreymal mit hohlen Augen an,
Und wimmert, und entweicht.
Sie zeigte, wann es zwölfe schlug,
Itzt alle Nächte sich,
Verhüllet in ein Todtentuch,
Und wimmert', und entwich.

Der Ritter fiel, in kurzer Zeit,
Drob in Melancholey,
Und ward, verzehrt von Traurigkeit,
Des Todes Konterfey.
Mit einem Dolch bewaffnet, floh
Er aus der Stadt, und lief
Zum Gottesacker hin, allwo
Das arme Röschen schlief;

Wankt' an die frische Gruft, den Dolch
Dem Herzen zugekehrt,
Und sank. Folg! ruft ein Teufel, folg!
Und seine Seel' entfährt.
Der Dolch ging mitten durch das Herz,
Entsetzlich anzuschaun!
Die Augen starrten himmelwärts,
Und blickten Furcht und Graun.

Sein Grab ragt an der Kirchhofmaur.
Der Landmann, der es sieht,
Wenn‘s Abend wird, fühlt kalten Schaur,
Und schlägt ein Kreuz, und flieht.
Auch pflegt er, bis die Hahnen krähn,
Den Blutdolch in der Brust,
Mit glühnden Augen umzugehn,
Wie männiglich bewußt.

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe.
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998 (S. 67-75)
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Leander und Ismene
oder
die schöne Zauberin und der entführte Schäfer
In drey Balladen

Erste Ballade

Seit Adam von dem Apfel biß,
Glich unter allen Schönen,
Hier unterm Mond, das ist gewiß,
Kein Mutterkind Ismenen.
Bey meiner armen Seel'! es war
Ein Mädchen zum Entzücken,
Mit runder Brust, mit blondem Haar,
Und Adel in den Blicken.

Der ganze Wuchs war Ebenmaaß,
Das Aug voll Himmelsbläue,
Die Wang - ein Chor von Scherzen saß
Darauf in bunter Reihe.
Der Mund, der tausend Lust verhieß,
War sonder alle Mängel,
Und wenn sie sang, so klangs so süß,
Als säng' ein heilger Engel.

Die holde Schöne, denkt einmal,
That aber arge Thaten,
Und muß vielleicht, im Pfuhl der Quaal,
Jetzt kochen oder braten.
Behexte, wie das Dorf erzählt,
Die Kühe des Magisters,
Darob sein Weibchen treflich schmählt,
Das Federvieh des Küsters.

Sie knüpfte manchem Ehepaar
Den Nestel, als ein Meister,
Und rief, wenns ihr gefällig war,
Ein Rudel Höllengeister.
Ritt, trotz dem besten Postkurier,
Auf ihrem Besenstiele,
Und übergab den Winden ihr
Geringelt Haar zum Spiele.

Sie tanzte stets, am ersten May,
Mit Blumen in den Locken,
Den weißen Busen schleyerfrey,
Im Reigen, auf dem Brocken.
Dann pflag der alte Satanas
Den süßen Herrn zu spielen,
Und wenn sie stand, und wenn sie saß,
Nach ihrer Brust zu schielen.

Begierig küßt' er ihre Hand,
Als wollt' ers Händgen eßen,
Und konnt', an des Kocytus Strand,
Die Schöne nicht vergeßen.
Sandt' ihr so manches billet doux
Durch seine Hoflakeien,
Schloß kaum die Augenwimpern zu,
Und träumte schon vom Freyen.

Allein Ismene lachte nur
Des grämlichen Pedanten,
Und suchte sich, bald auf der Flur,
Bald in der Stadt Amanten.
Sie sah einmal am Wiesenbach,
Wo manches Blümchen keimte,
Leandern, der im Schatten lag,
Und süße Träume träumte.

Er träumte von der Adelheit,
Mit der er sich versprochen,
Daneben von der Seeligkeit
Der ersten Flitterwochen.
Es sollte schon die Priesterhand
Am Altar ihn beglücken;
Man hieng ein langes, rothes Band,
Das Haar der Braut zu schmücken,

Schon an den bunten Flitterkranz;
Man stimmte schon zum Reigen,
Zum Menuet und Wirbeltanz,
Die Flöten und die Geigen.
Was meynt ihr wohl, die Unholdin
Trat vor den schönen Schläfer,
Zupft' ihn am Ohr und vorn am Kinn,
Und rief: wach auf mein Schäfer!

Sie hatte seines Mädchens Bild
Und Kleidung angenommen.
Leander ward mit Freud' erfüllt,
Und stotterte Willkommen.
Er nannte sie mein lieber Schatz,
Mein Engelchen, mein Kindchen,
Und gab ihr manchen Feuerschmatz
Aufs kleine, rothe Mündchen.

Sie giengen endlich, Hand in Hand,
Der Kühlung zu genießen,
Zum Wald'. Ein schöner Wagen stand
Schnell neben ihren Füßen.
Ein Kutscher, mit besetztem Rock
Und grämlicher Geberde,
Saß majestätisch auf dem Bock,
Und lenkte stolz die Pferde.

Der Wagen war von Elfenbein,
Besetzet mit Opalen,
Kein Galawagen ist so fein,
Die Zaubrin konnt's bezahlen.
Sie stiegen in den Phaeton,
Drauf raßelten die Schimmel
Straks über Stock und Stein davon,
Mit donnerndem Getümmel.

Nun flogen sie gar himmelan,
Ein Wunder anzuschauen;
Leandern, wie man denken kann,
Begonn darob zu grauen.
Wir wollen, wenn es euch beliebt,
Die Leute fliegen laßen,
Und Morgen, wenn Gott Leben giebt,
Den Rest in Reimen faßen.



Zwote Ballade

Der Wagen fuhr auf gutes Glück,
Bis daß der Himmel graute,
Und man, beym ersten Sonnenblick,
Ein grünes Eiland schaute.
Es lag im Süderocean,
Seit lieben langen Jahren,
Es hart' es noch kein Magellan,
Kein Dampier befahren.

Sie traten in ein Paradies,
Wo Freud' und Wollust lauschte,
In jedem Frühlingslüftgen blies,
In jeder Quelle rauschte.
Das war euch, traun, ein Lustgefild!
Rings lachten bunte Flächen,
Rings zitterte das goldne Bild
Der Sond in hundert Bächen.

Die Weste flüsterten vertraut,
Und raubeten den Veilchen,
Wie der Geliebte seiner Braut,
Auf jeder Wiese, Mäulchen.
Es sahn, um jeden Silberquell,
Die Blumen ihre Wangen
In Fluthen, welche spiegelhell
Durch Auen floßen, hangen.

Musik entströmte sonder Rast
Den kühlen Rebenlauben,
Es hetzten sich auf jedem Ast
Des Hains, verliebte Tauben.
Es sprang, Potz Stern, da möcht ich seyn!
Im Schatten grüner Hecken,
Der feurigste Burgunderwein
In weite, goldne Becken.

Es ragt' ein prächtiger Palast,
Erbauet aus Türkisen,
Mit Gold und Perlen eingefaßt,
Auf angenehmen Wiesen.
Die Treppen waren aus Agat,
Die weiten Flügelthüren,
Durch die man in den Palast trat,
Aus blitzenden Sapphiren.

Das Dach, und auch der Wetterhahn,
Wie man leicht kan erachten,
Von feinem Gold aus Indostan,
Besetzet mit Smaragden.
Ein wunderbares Feyenschloß,
Bei dem wohl sonder Zweifel,
Der es gebaut, viel Schweis vergoß,
Gott sey mit uns, der Teufel.

Ein großer tapezierter Saal
Gieng mitten durchs Gebäude,
Mit Schildereyen ohne Zahl
Die schönste Augenweide!
Von Raphael und Titian.
Hier eine nackte Lede,
Dort Vater Zevs mit ihr, als Schwan,
In einer Liebesfehde.

Der Großsultan, der Perser Schach,
Im Zirkel ihrer Frauen,
Ein lustig Karnevalgelag,
Gar lieblich anzuschauen.
Der Muselmänner Himmelreich,
Voll niedlicher Figuren,
Ein grüner Wald, im Wald' ein Teich,
Voll Badeposituren.

Sie lebten hier, als Frau und Mann,
Am grünen Meergestade,
Und tranken, wenn der Tag begann,
Bald Thee, bald Schokolade.
Sie hielten im Gemäldesaal,
Von dem wir euch erzählten,
Das Frühstück und das Mittagsmahl,
Dem keine Reize fehlten.

Die Speisen kamen auf den Wink
Der Unholdin von selber,
Es flogen, wenn sie schellte, flink
Gebratne Tauben, Kälber,
Kapaunen, Hasen auf den Tisch,
Lampreten und Forellen,
Und ein poßierliches Gemisch
Von Austern und Sardellen.

Nicht minder kam, auf ihr Gebot,
Viel Backwerk angeflogen,
Pasteten, Torten, Mandelbrodt,
Daß sich die Tafeln bogen.
Das große, goldne Deckelglas,
Gefüllet mit Tokaier,
Goß ihre Kehlen weidlich naß,
Goß durch die Adern Feuer.

Sie spielten alle Nachmittag,
Nach eingenommnem Mahle,
In einer Sommerlaube Schach,
Und aßen kalte Schaale:
Und giengen, wenn das Abendroth
Durch ihre Laube blinkte,
Zum Palast, wo das Abendbrodt
In goldnen Schüßeln winkte.

Sie irrten, wenn der Mondenschein
Den Wald mit Silber deckte,
Vertraulich durch den Myrthenhain,
Wo mancher Vogel heckte,
Und setzten sich auf Immergrün,
Bedeckt von Myrthenästen,
Durch die der schöne Vollmond schien,
Umscherzt von lauen Westen.

Sie ruhten, Brust an Brust gedrückt,
Und was sie weiter thaten,
Der schöne Vollmond hat's erblickt,
Ich kan es nicht errathen.
Ein süßes, klatschendes Getön
Scholl aus den Myrthenbüschen,
Die Vögel sangen wunderschön
Ein Minnelied dazwischen.

Der West, der im Gesträuche war,
Goß einen Blüthenregen,
Voll Abendduft, bald um ihr Haar,
Bald ihrer Brust entgegen.
Sie trippelten, mit trübem Blick,
Und Graß und Staub in Haaren,
Nach ihrem Zauberschloß zurück,
Wo weichre Polster waren.

Sie lasen, wenn sie sich gesetzt,
Zur Zeit des Schlafenlegens,
Rosts schöne Nacht, zu guter letzt,
Anstatt des Abendsegens.
Und schlüpfeten, wenn dies vollbracht,
Zum Ruhekabinette:
Wir wünschen ihnen gute Nacht,
Und gehen auch zu Bette.



Dritte Ballade

So lebeten auf ihrer Burg,
Wie wir erzählt, die beiden,
Den May, den Junius hindurch,
In Herrlichkeit und Freuden:
Und schwammen hier in Ueppigkeit
Bis über beide Ohren,
Doch endlich floh die Trunkenheit,
Worinn er sich verloren.

Er hatte sich mit Zuckerbrodt
Den Magen überladen,
Ward bleich und hager, wie der Tod,
Es schwanden seine Waden;
Sein Auge, wie Vergißmeinnicht,
Erlosch und wurde dunkel,
Er trug im kupfrigen Gesicht
Rubinen und Karfunkel.

Die Küße, Weine, das Konfekt,
Die Zuckerbißen alle,
Wornach er sonst den Mund geleckt,
Verkehrten sich in Galle.
Der Vögel buhlrisches Koncert,
Das er, in Lust verloren,
Mit solcher Wonne jüngst gehört,
Mißklang itzt seinen Ohren.

Nun floh er, mehr als Tod und Grab,
Den Palast und Ismenen,
Schlich am Gestade auf und ab,
Und weinte große Thränen.
O liebe, liebe Adelheit!
So rief er sonder Ende,
Der ich mein treues Herz geweiht,
Und rang die welken Hände:

Wie magst du, gute Seele! wohl
Leanders Angedenken,
Mit lautem Schluchzen, einen Zoll
Getreuer Zähren schenken!
O könnt' ich dir den Thränenguß,
Dem Kerker hier entrißen,
Durch einen warmen treuen Kuß,
Von deiner Wange küßen!

O welch ein Unstern! wehe mir!
Das Mastvieh war geschlachtet.
Der Pfarrer hatte sein Gebühr,
Wornach er lang geschmachtet.
Wir waren schon, ich armer Mann!
Vom Pfarrer aufgeboten,
Und dachten wahrlich nicht daran,
Was uns für Wetter drohten.

Schon gierig, mit manchem bunten Band
Am Hut, der Hochzeitbitter
Im Dorf herum, der Musikant
Probierte schon die Zitter.
Die Speisen, die wir angeschafft,
Sind nun schon längst verdorben;
Mein Liebchen ist wohl, hingerafft
Von Schwermuth, gar gestorben.

Den guten Göttern mußte dies
Nun wohl zu Herzen gehen,
Drum flog ein Schiff heran und ließ
Die Flagge stattlich wehen.
Der Schiffspatron nahm ihn an Bord,
Und bracht' in wenig Stunden
Ihn wohlbehalten an den Ort,
Wo ihn Ismene funden.

Madam stand unbeweglich da,
Als, fern am Horizonte,
Sie die geschwollnen Seegel sah,
Und es nicht wehren konnte.
Zerriß die Haare, weinte sich
Die Wangen bleich und hager,
Und wand die Hände jämmerlich
Auf dem verwaisten Lager.

Sie ritt mit thränendem Gesicht,
Auf ihrem Besenstiele,
Viel Länder durch, und fand ihn nicht,
Und ritt sich manche Schwiele:
Und ward, wie männiglich bekannt,
Nach vielen Abendtheuern,
Zuletzt elendiglich verbrannt,
In Würzburg oder Bayern.

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe.
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998 (S. 85-95)
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Die Nonne

Es liebt' in Welschland irgendswo
Ein schöner junger Ritter
Ein Mädchen, das der Welt entfloh,
Troz Klosterthor und Gitter;
Sprach viel von seiner Liebespein,
Und Schwur, auf seinen Knieen,
Sie aus dem Kerker zu befreyn,
Und stets für sie zu glühen.

»Bey diesem Muttergottesbild,
Bey diesem Jesuskinde,
Das ihre Mutterarme füllt,
Schwör' ichs dir, o Belinde!
Dir ist mein ganzes Herz geweiht,
So lang ich Odem habe,
Bey meiner Seelen Seligkeit!
Dich lieb' ich bis zum Grabe.«

Was glaubt ein armes Mädchen nicht,
Zumal in einer Zelle?
Ach! sie vergaß der Nonnenpflicht,
Des Himmels und der Hölle.
Die, von den Engeln angeschaut,
Sich ihrem Jesu weihte,
Die reine schöne Gottesbraut,
Ward eines Frevlers Beute.

Drauf wurde, wie die Männer sind,
Sein Herz von Stund' an lauer,
Er überließ das arme Kind
Auf ewig ihrer Trauer,
Vergaß der alten Zärtlichkeit,
Und aller seiner Eide,
Und flog, im bunten Gallakleid,
Nach neuer Augenweide;

Begann mit andern Weibern Reihn,
Im kerzenhellen Saale,
Gab andern Weibern Schmeicheleyn,
Beym lauten Traubenmahle.
Und rühmte sich des Minneglücks
Bey seiner schönen Nonne,
Und jedes Kußes, jedes Blicks,
Und jeder andern Wonne.

Die Nonne, voll von welscher Wut,
Entglüht' in ihrem Muthe,
Und sann auf nichts als Dolch und Blut,
Und schwamm in lauter Blute.
Sie dingte plözlich eine Schaar
Von wilden Meuchelmördern,
Den Mann, der treulos worden war,
Ins Todtenreich zu fördern.

Die bohren manches Mörderschwert
In seine schwarze Seele;
Sein schwarzer falscher Geist entfährt,
Wie Schwefeldampf der Höhle.
Er wimmert durch die Luft, wo sein
Ein Krallenteufel harret.
Drauf ward sein blutendes Gebein
In eine Gruft verscharret.

Die Nonne flog, wie Nacht begann,
Zur kleinen Dorfkapelle,
Und riß den wunden Rittersmann
Aus seiner Ruhestelle,
Riß ihm das Bubenherz heraus,
Recht ihren Zorn zu büßen,
Und trat es, daß das Gotteshaus
Erschallte, mit den Füßen.

Ihr Geist soll, wie die Sagen gehn,
In dieser Kirche weilen,
Und, bis im Dorf die Hahnen krähn,
Bald wimmern, und bald heulen.
So bald der Seiger zwölfe schlägt,
Rauscht sie, an Grabsteinwänden,
Aus einer Gruft empor, und trägt
Ein blutend Herz in Händen.

Die tiefen hohlen Augen sprühn
Ein düsterrothes Feuer,
Und glühn, wie Schwefelflammen glühn,
Durch ihren weißen Schleyer.
Sie gafft auf das zerrißne Herz,
Mit wilder Rachgeberde,
Und hebt es dreymal himmelwärts,
Und wirft es auf die Erde.

Und rollt die Augen voller Wut
Die eine Hölle blicken,
Und schüttelt aus dem Schleyer Blut,
Und stampft das Herz in Stücken.
Ein dunkler Todtenflimmer macht
Indeß die Fenster helle.
Der Wächter, der das Dorf bewacht,
Sah‘s oft in der Capelle.

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe.
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998 (S. 170-172)
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Christel und Hannchen
eine Schnitteridylle

Lindere Luft begann die müden Erndter zu kühlen,
Und das Gold der sinkenden Sonn' umbebte die Ähren,
Und die ragenden Garben, als Schnitter Christel sein Hannchen
Rief zum duftenden Busch, wo tausend ländliche Grillen
Liebe zirpten und Ruh. Sie waren beide verlobet,
Harrten beide der Stunde der frohen Vermählung entgegen.
Christel hatt' ihr bereits zum Pfand der bräutlichen Treue
Eine Bibel geschenkt, und ein vergoldetes Psalmbuch,
Und das liebende Mädchen zur Gegengabe dem Jüngling
Einen prunkenden Hut, und stattliche Bräutigamshemde.
Von der Abendkühle des dämmernden Strauches umsäuselt,
Ruhte das glückliche Paar, indeß die Schnitter und Mädchen
Ihre Kleider suchten, sich haschten, und scherzten, und sangen.
Bald beginnet der Tag des Hochzeitkranzes, o Hannchen,
Bald, bald nenn ich dich Weib, und theile die Sorgen der Wirthschaft,
Hannchen, Hannchen, mit dir! Bewehn die Winde die Stoppeln,
Rötheln die Äpfel des Wipfels uns heller entgegen, und frischer,
Dann beginnet der Tag des Hochzeitkranzes, o Hannchen!
Jede kommende Nacht umschwebt mich dein lächelndes Bildniß,
Bald im Hochzeitgeschmuck, von rothen Bändern umflattert,
Bald im Schnitterhütgen, und blauem Kranze der Erndte.
Dann erwach ich, und hasche dein Bild, und horche der Grille,
Und ein Seufzer entfliegt zu deiner einsamen Hütte.
Lieber Christel, lispelte Hannchen, und drückt' ihm die Hände,
Und verstummt' ein Weilchen. Wie meinen Vater und Mutter
Lieb' ich dich, Christel, und will, so lang ich athme, dich lieben!
Alles wird mir so werth, was deine Hände berühren,
Als ein Pathengeschenk. Seit du mir die Bibel gegeben,
Les' ich so häufig darin, und zeichne die schönen Geschichten
Von Rebecca, und Rahel und Judith mit goldenen Bildern.
Schon entstieg der freundliche Mond dem Thaugewölke,
Und die zitternden Weizenwogen schwammen im Silber;
Da ergriffen die Schnitter die Sensen, und schäkerten Christeln
Aus dem trauten Geschwäz mit seinem liebenden Hannchen.


andere Lesart:
 

Christel und Hannchen

Lindere Luft schon kühlte die gern ausruhenden Ernter,
Röthlich bebt' um die Ähren das Gold der sinkenden Sonne,
Und an gerichteten Garben der Flur; als Christel, der Schnitter,
Hannchen, die Binderin, rief zum duftenden Busche des Abhangs,
Am sanftrieselnden Bach: wo vertraut sie, in ländlicher Grillen
Tausendfachem Gezirp, sich lagerten. Beide verlobet,
Sprachen sie dort selbander vom nahenden Fest der Vermählung.
Christel hatt' ihr bereits, zum Pfande der bräutlichen Treue,
Eine Bibel geschenkt, und ein rothes vergoldetes Psalmbuch;
Und das liebende Mädchen, zur Gegengabe, dem Jüngling,
Einen prunkenden Hut und stattliche Bräutigamshemde.
Jezt in behaglicher Stille des überhangenden Strauches
Ruhte das glückliche Paar; indeß die Schnitter und Mädchen
Ihre Gewand' anzogen, und jugendlich unter einander
Schäkerten, oder sich haschten mit Jubelgeschrei durch die Stoppeln.
Schau, so redete Christel, wie klar die Sonne sich senket,
Und zur morgenden Ernt' uns heiteres Wetter verkündigt.
Ach, bald bringt sie den Tag des Hochzeitkranzes, o Hannchen!
Bald, bald nenn‘ ich dich Weib, und theile die Sorgen der Wirtschaft,
Hannchen, Hannchen! mit dir! Wehn über die Stoppel die Wind' erst,
Rötheln heller daher vom bunten Baume die Äpfel;
Dann, dann nahet der Tag des Hochzeitkranzes, o Hannchen!
Jede kommende Nacht umschwebt dein lächelndes Bild mich,
Oft in dem Hochzeitschmuck, von rothen Bändern umflattert,
Oft wie du, hinter der Sens', als Binderin, rasch mich begleitend,
Unter dem Schnitterhütchen mit blauem Kranze hervorlachst.
Plözlich verjagt mir die Freude den Traum, und ich hasche das Bildnis,
Fühle mich öd', und horche der klagenden Grill' in der Kammer;
Und ein Seufzer entfliegt zu deiner entlegenen Hütte.
Du mein redlicher Christel, wie lieb' ich dich! lispelte Hannchen,
Drückt' ihm fester die Hand, und sah ihn mit glänzendem Aug' an;
Und sie verstummt' ein Weilchen: o mehr, als Vater und Mutter,
Lieb' ich dich, Christel, und will, so lang' ich athme, dich lieben!
Was aus deinen Händen mir kommt, wird alles so werth mir,
Als ein Patengeschenk. Seit Du mir die Bibel geschenkt hast,
Les' ich so fleißig darin, und zeichne mit goldenen Bildern
Das von Rebecka, und Rahel, und andere schöne Geschichten.
Hell aus thauiger Wolk' enthüllte der freundliche Mond sich,
Und rings schwammen in Silber die zitternden Weizenwogen.
Jünglinge huben die Sens', und Mädchen die Hark‘ auf die Schulter,
Lachten des säumigen Paars, und ermahneten. Eilig verließen
Beid' ihr trautes Geschwäz, das erröthende Hannchen und Christel,
Sprangen empor, und folgten der singenden Erntegesellschaft.

Aus: Ludwig Christoph Heinrich Hölty: Gesammelte Werke und Briefe.
Kritische Studienausgabe. Hrsg. von Walter Hettche. Wallstein Verlag 1998 (S. 198-200)
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