Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

 

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Anna Louise Karsch
(1722-1791)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 




Duldmanns Rache

Wie Duldmann sich gerochen,
Als ihm in sein Gebiet
Ein Weiberdieb gebrochen,
Dies sey mein lehrend Lied
Aufs ganze Mannsgeschlechte,
Und wen von ungefähr
Sein Schicksal treffen möchte,
Der mach es so wie er.

Sein böser Engel brachte
Zur ungelegnen Zeit
Ihn in sein Haus und machte,
Daß er mit Hastigkeit
Nach seinem Weibchen fragte.
Stellt euch sein Schrecken vor,
Als ihm die Köchin sagte;
Bei ihr sey Coridor.

Im Puz- und Oberstübchen
Auf weichem Sofa war
Sein angetrautes Liebchen;
Er fand sie offenbar
Mit ihrem Zeitvertreiber,
Wie einst der Schmiedegott
Die Königin der Weiber
Zu aller Götter Spott -

Was meint ihr? Was begonnte
Des Mannes Grimmgefühl,
Der Stoff uns geben konnte
Zum Mord- und Trauerspiel,
So schrecklich wie’s den Britten
Der große Shakspear sang
Vom Mohren, den kein Bitten
Und keine Thräne zwang?

Ihr denkt an Dolch und Messer
An Pulver und an Blei,
An giftgemischt Gewässer,
Und an die Barbarei,
Sie beide zu durchbohren
Mit einem Degenstich;
Ihr hättet drauf geschworen,
Daß Mund an Mund verblich.

Ihr irrt euch in der Sache:
Herr Duldmann nahm sein Beil
Und hieb, voll heißer Rache,
Ein großes Mauertheil
Von seinem Küchenheerde,
Lief in ein Bacchushaus,
Und trank auf die Beschwerde
Zwo Quart Burgunder aus.

Drauf ging er heim, und machte
Durch süßen tiefen Schlaf,
Daß er nicht mehr dran dachte.
Was aber Sie betraf,
Sie bebte vor der Lücke
Mit Schaudern, Furcht und Scheu
Ihr Lebelang zurücke
Und blieb dem Manne treu.

Aus: Anna Louisa Karsch. Gedichte.
Nach der Dichterin Tode herausgegeben
von ihrer Tochter Caroline Luise von Klencke
Berlin 1792 (S. 212-214)
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Dorimön und Amariethe in ihrer neuen Wohnung
1768

Dorimön
Du Wonne meiner jungen Tage,
Du Leben meines Lebens, sage,
Wie diese Hütte dir gefällt?


Amariethe
Wie einer von den Erdgöttinnen
Der allerhöchste Thron der Welt!


Dorimön
Mein Vater wohnete darinnen
Viel schöne Sommer lang, und fand
Vergnügen dran mit eigner Hand
Die zarten Bäume zu begießen,
Die dazumal von mir sich noch umspannen ließen,
Und nun so hoch empor gestrebt;
Hier hat mein Vater froh gelebt,
Wie in dem seligen Gefilde
Der erste Mensch mit seiner Braut.
O du nach eines Engels Bilde
Für mich so liebenswerth gebaut,
Hier will ich leben dir zur Seite
So glücklich wie der erste Mann.


Amariethe
Hier geb ich dir durch Blumen das Geleite
Vom kunstgepflanzten Garten an
Bis in die wilden Rosen-Hecken.


Dorimön
Der Laube grünes Dach soll dich und mich verstecken
So oft der Mittag glüht; hier will ich Rosenduft
In langen Zügen geitzig trinken,
Und wann aus ungepaarten Fincken
Die bange Liebe lockend ruft,
Und wann die Nachtigallen klagen,
Daß Fels und Hügel Antwort giebt,
Dann will ich im Entzücken sagen:
Ich bin geliebt!


Amariethe
Und ich will mich von deinem Busen stehlen
Des Morgens, wenn aus Lerchen-Kehlen
Das erste Lied gen Himmel tönt;
Ich will die schönsten Blumen pflücken
Den kleinen Altar auszuschmücken,
Den deine Mutter oft gekrönt
Mit Rosen und mit Reben-Ranken;
Dann wecket dich mein sanfter Kuß,
Dann folgst du meinem Wink und kniest mit mir am Fuß
Des Opfer-Heerdes, dem zu danken,
Der alle Wesen kommen hieß,
Und über unsern Häuptern Sonnen
Und um uns her die Flur entstehen ließ,
Und dich erschuf, den ich zärtlich lieb gewonnen,
Dich meines Herzens süßen Freund!
Dann beten wir und loben mit einander
Den guten Gott, der uns vereint,
Und unser Lob steigt mit einander
Wie zween Flammen hoch empor
Und unser Lob erreicht sein Ohr!

Aus: Anna Louisa Karsch. Gedichte.
Nach der Dichterin Tode herausgegeben
von ihrer Tochter Caroline Luise von Klencke
Berlin 1792 (S. 276-278)
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Alzindor und Lucinde
Eine Romanze

Alzindor und Luzinde
Genossen lange Zeit,
Beschützt von Cypris Kinde,
Das Glück der Zärtlichkeit:
Der Mutter bliebs verborgen,
Wie lieblich manche Nacht
Bis an den grauen Morgen
Die Tochter zugebracht.

Der Jüngling stieg behende
Zum Fenster ein und aus:
So klettert an die Wände
Und auf das Taubenhaus
Die blickbeflammte Katze
Des Nachts mit kühner List,
Wie er zu seinem Schatze
Hinaufgeklettert ist.

Was sie dort alles thaten,
Von Wonne ganz berauscht,
Das mögen die errathen,
Die nie der Mond belauscht
Bey schlaugestohlnen Küßen,
Die niemals nachgedacht,
Was ohne Vulkans Wissen
Mars bey der Venus macht.

Doch großes Glück ist, leider!
Wie aller Welt bekannt,
Nicht ohne bittre Neider,
Nicht frey von Unbestand.
Alzindors Freund, voll Tücke,
Gab insgeheim sich Müh,
Das er ihr Herz berücke;
Und ihn verschmähte sie.

Da sucht er sich zu rächen,
Nach Art der jungen Herrn,
Die viel aus Prahlsucht sprechen
Von Schönen, die sie gern
Durch Schmeichelkunst betrogen. -
Hört, wie der Höllenbrand
Alzindors Ohr belogen
Und leichten Glauben fand!

Von Bosheit angetrieben,
Spricht sein verwünschter Mund:
Lucind‘ hat mir geschrieben,
Daß ich den Liebesbund
Mit ihr vollziehen solle,
Und daß sie schon darzu
Ein Mittel finden wolle,
Wie man es heimlich thu.

Alzindor wird durchdrungen
Von gräulich wilder Wuth. -
Wie nach Verlust des Jungen,
Die Löwinn brüllend fodert,
So fodert er voll Glut,
Die schröcklich in ihm lodert,
Lucindens Busenblut.

O! Weh, o! Schreck, o! Jammer,
Mit bloßem Degen kömmt
Er schnell in ihre Kammer,
Und stürzet, ungehemmt
Von ihrer süßen Stimme,
Wie Sturmwind auf sie zu;
Und fragt mit Donnerstimme:
Sag‘ an: Wem schreibest du?

Lucinde spricht gelassen:
An deinen Freund schrieb ich.
Ha! nun must du erblassen,
Ruft er; und mörderlich
Fährt ihr bey sanften Lächeln
Der Degen stark und tief
Ins Herz; und ach! mit Röcheln
Lallt sie: Hier ist - der - Brief.

Sie sinkt, und läßt im Sinken
Ihr Auge, brechendmatt,
Noch seine Blicke trinken.
Er liest das Unglücksblatt:
Dem Lügner war geschrieben:
Herr, plagt mich länger nicht!
Nur einen kann ich lieben,
Und dieser seyd ihr nicht.

O Scheusal! - ruft er plötzlich:
Stirb nach, hier liegt dein Weib!
Drauf sticht er sich entsetzlich,
Wie Kato, durch den Leib;
Fällt auf Lucindes Leiche,
Stirbt ächzend, und verflucht
Nunmehr in Plutos Reiche
Den Zorn der Eifersucht.

Aus: Neue Gedichte von Anna Louisa Karschin
Mietau und Leipzig 1772 (S. 30-35)
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Recept wider böse Weiber
Eine Romanze

Ein armer Ehegatte,
Der ohne seine Schuld
Die Höll‘ auf Erden hatte,
Ward endlich der Geduld
Nach langen Jahren müde,
Und schaffte schnell und klug
Sich vor dem Engel Friede,
Der ihn mit Fäusten schlug.

Sein Weib war bitterböse,
Die Tobsucht rief aus ihr,
Bey manchem Zankgetöse:
Ein Leides thu ich mir!
Ja, ja, du Weiberhasser,
Du Teufel, der du bist,
Ich springe noch ins Wasser,
Wo es am tieffsten ist.

Sie sprachs zu tausendmalen,
Und sprang ins Wasser nie.
Auf neue Männerqualen
Dacht ihre Seele früh,
Sobald der Tag erwachte.
Ihr Dämon, schwarz und klein,
Blies ihr im Traum bey Nachte
Den Stoff zum Zanken ein.

Einst fieng beym Abendtische
Ihr Zorn zu donnern an,
Und still, wie stumme Fische,
Blieb ihr geplagter Mann;
Ließ ihrer frechen Zunge
Den Zügel - gab ihr nach,
Bis sie vom Wassersprunge
Mit blauen Lefzen sprach.

Da warf der Mann sein Messer
Tief in den Tisch, und riß
Das Weib an ein Gewässer.
Hier, sprach er: Thue dieß
Was du zu thun beschlossen.
Hier springe mir hinab. -
Hier sah sie, furchtbegossen,
Ins grause Wassergrab.

Sie hieng an seinen Armen
Und fühlte Todesquaal;
Er aber, ohn Erbarmen,
Er tauchte siebenmal
Sie unter mit dem Kopfe,
Bis sie die Luft verlor:
Und hub sie drauf beym Zopfe
Stark aus der Fluth empor.

Das Mittel half geschwinde:
Sie seufzte leichenblaß:
Ach! Männchen, sei gelinde,
Ach! liebes Männchen, laß
Mich diesesmal nur leben,
Und ende meine Pein,
Ich will mich gern bestreben,
Recht lämmerfromm zu seyn.

Der Mann ließ sich bedingen,
Das Weib ward zahm gemacht,
Und an kein Wasserspringen
Ward künftig mehr gedacht.
Sie lebten, sanft wie Tauben,
Von keinem Zank gequält,
Und alle Welt wirds glauben
Weil es ein Weib erzählt.

Aus: Neue Gedichte von Anna Louisa Karschin.
Mietau und Leipzig 1772 (S. 36-40)
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Eine kranke Braut an ihren Geliebten

O du! an den ich täglich eine Menge
Klagvoller Seufzer abgesandt,
Miß mein Gefühl nicht nach des Briefes Länge,
Ihn schrieb die zitternde Hand.

Des Fiebers Gluth, empor ins Haupt gestiegen,
Fraß den Gedanken, ehe er sich
Entwickelte, da wo Gedanken liegen
In der Empfindung für dich!

So sengt in heissen unbewölkten Tagen
Die Mittags-Sonne Blumen ab,
Die halb verhüllt noch in der Knospe lagen.
So fliehen Blätter herab

Vom Lindenbaum, wenn vor den Ungewittern,
Der losgelaßne Sturm ihn schwenkt,
Und einen Gott mit unterdrücktem Zittern
Der Sünder fühlet und denkt.

O du Geliebter! ahnde nicht mein Schweigen;
Gezwungne Sünden räche nicht!
Gieb mir, gieb mir oft deiner Liebe Zeugen.
Das harte Siegel zerbricht

Von meinem Kuß, der heftig aufgedrücket
Von Lippen wird, die geizig dich
Erwarten, Freund! wie werd ich dann entzücket!
An deine heften sie sich;

Und rednerisch wird unter tausend Küssen
Mein Herz mit Wollust vollgetränkt,
Dir süsse Nahmen herzustammeln wissen,
Die Sapho selber nicht denkt.

Aus: Anna Louisa Karsch. Auserlesene Gedichte
Berlin 1764 (S. 237-238)
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