Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Marie Landmann
(1850-1908)


Galathea
Ovid. met. 10, 243ff

Nachtigallenlieder schallen
Schmelzend durch den Myrthenhain,
Um Kytherens Tempelhallen
Webt der Morgenröthe Schein.
Um die Marmorsäulen fließen
Purpurströme feurig mild;
Betend zu der Göttin Füßen
Liegt das schönste Frauenbild.

Mit den götterklaren Zügen,
Marmorschön und marmorkühl,
Scheint sie vom Olymp gestiegen
In das nied're Erdgewühl.
Nie durchfurcht von Schmerz und Sehnen
Ward dies holde Angesicht,
Nie verdunkelten die Thränen
Ihrer Augen heit'res Licht.

"Göttin", spricht sie, "meinen Gatten
Drückt ein unbegreiflich Weh,
Nimmer weichen will der Schatten,
Den auf seiner Stirn' ich seh'.
Doch vergeblich ist mein Fragen,
Schmerzvoll nur blickt er mich an,
Stets auf's Neu' in dunklen Klagen
Bricht sein Unmuth dann sich Bahn.

'Vor dem eignen Werke kniete
Ich von Sehnsucht heiß erfüllt,
Bis erbarmend Aphrodite
Odem gab dem Marmorbild.
Doch die Göttin, die zum Leben
Aus dem Stein erweckt den Leib,
Kein empfindend Herz gegeben
Hat sie Dir, Du schönes Weib.

All mein Sehnen ist vergebens,
Meiner Liebe bleibst Du kalt
Und es ist nur Schein des Lebens,
Was durch Deine Adern wallt.'
Also klagt er. Zu verstehen
Nicht vermag ich, was ihn quält.
Doch erhöre Du sein Flehen
Und verleihe, was mir fehlt.

Hast in's Dasein mich gerufen,
Gib mir auch ein menschlich Herz!" -
Knieend an des Altars Stufen,
Hebt den Blick sie himmelwärts.
Auf der Göttin hehrem Bilde
Hell ein Sonnenstrahl nun blinkt,
Und der Flehenden hat milde
Sie Erhörung zugewinkt.

Tage, Monde ohne Säumen
Eilen mit beschwingtem Fuß,
Und nur in den heil'gen Räumen
Stockt der Zeit bewegter Fluß.
Auf des Tempels Zinnen nieder
Scheint das erste Frühlicht mild,
Galathea knieet nieder
Betend vor der Göttin Bild.

In den Augen schimmern Thränen,
Schmerzbewegt ist ihr Gesicht,
Menschlich Weh und menschlich Sehnen
Aus den schönen Zügen spricht.
Und sie hebt die Lilienarme
Zu der Göttin brünstiglich:
"Schaumgeborene, erbarme
Gnädig der Bethörten Dich!

Du erhörtest mein Verlangen,
Menschlich fühlt dies arme Herz,
Und es pocht mit heißem Bangen
Und es zuckt in bitterm Schmerz.
Warum lehrtest Du empfinden
Mich der Liebe Allgewalt?
Fern und ferner seh' ich schwinden,
Was als höchstes Glück mir galt.

Von ihm lassen kann ich nimmer,
Der sich treulos von mir kehrt,
Dem unwandelbar für immer,
Doch mein ganzes Herz gehört.
Wie mein Lieben treu und innig,
Wie so herbe mein Pein,
Ach, er fühlt es nicht, - ihm bin ich
Seelenlos - ein kalter Stein.

Allzu heiß die Wunden brennen,
Und das Herz ist kampfesmatt.
Hätte ich ermessen können,
Was in blindem Wahn ich bat.
Wie so unheilvoll die Spende,
Ach, ich hab' es nicht gewußt.
Ihre Qual ist ohne Ende,
Karg und flüchtig ihre Lust.

Selbst dem Glück entquellen Thränen,
Kaum berühret welkt der Kranz,
Und in nie gestilltem Sehnen
Stirbt des Lebens heit'rer Glanz.
Schaumgeborene, erbarme,
Hehre Göttin, Du Dich mein,
Und dies schmerzgequälte, arme,
Menschenherz sei wieder Stein."

Flehend weilt sie so. Schon zündet
Eos ihre Fackel an,
Doch kein Himmelszeichen kündet
Ob Erhörung sie gewann.
Seufzend will sie geh'n; da reget
Hinter ihr sich ein Gewand,
Und auf ihre Stirne leget
Lind sich eine weiche Hand.

Milde mit des Mitleids Zähren
Blickt die Priesterin sie an:
"Eitel ist es, zu begehren,
Was kein Gott verleihen kann.
Kypris selbst kann nicht im Herzen
Löschen Dir den heißen Brand,
Deine Liebe, Deine Schmerzen
Endigt nur der Parze Hand."

""Und so läßt Du mich verzagen,
Ohne Trost und ohne Ruh'?""
"Was so viele Herzen tragen,
Glaube mir, das trägst auch Du
Lern' entsagend Dich bescheiden,
Wie der Pyrrha arm' Geschlecht;
Seligkeit sei Dir Dein Leiden,
Und der Schmerz ein heilig' Recht.

Lindernd wird der Thränen Gabe
Kühlen Deiner Wunden Gluth,
Aber nur im Stillen labe
Dich an der geweihten Fluth.
Im Verborgnen dulde weiter,
Weine aus die tiefe Pein,
Vor der Menschen Augen heiter
Wandle stolz und kalt wie Stein."

Schluchzend zu der Göttin Füßen
Liegt das schönste Frauenbild,
Um die Marmorsäulen fließen
Purpurströme feurig mild.
Nachtigallen schallen
Schmelzend durch den Myrthenhain,
Um Kytherens Tempelhallen
Flammt der Morgenröthe Schein.

Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 146-148)

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