Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58

 

Julie Ludwig
(1832-1894)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 




Ein Heldentod

Das Dörflein genommen mit stürmender Hand!
Schon weichen die Feinde, sie weichen!
Ob theuer erkaufet mit blutigem Pfand,
Nur Fußbreit um Fußbreit errungen das Land -
Voran! über Wunden und Leichen.

"Jetzt gilt es, jetzt zeigt euch als Helden fürwahr!"
So stürzt er, den Degen gezogen,
Der tapfere Führer der tapferen Schaar -
Hoch über den Häuptern hin flattert der Aar -
Hinein in die kämpfenden Wogen.

Und endlich - sie haben - sie halten den Ort -
Doch wehe! wen bringt man getragen?
Nur mühsam entringt sich den Lippen das Wort;
Des Sterbenden letztes Kommando heißt: "Fort!
die flüchtigen Feinde zu jagen!"

Kaum hat man den Führer auf ärmliches Stroh
Den Sohn der Paläste, gebettet,
Zieht fern sich und ferner des Kampfes Halloh.
"Fahr' hin denn, mein Leben!" er seufzet es - o!
Er weiß, daß kein Engel ihn rettet.

"Ade, du Geliebte! - er schreibt es der Braut,
Dem Treuen gelehnt an die Kniee -
Du Stern, den mein brechendes Auge erschaut,
Du letzter, den Lippen verhauchender Laut -
Ich grüße dich sterbend - Marie!"

Da horch! vor dem Fenster Getümmel, Geschrei,
Erdröhnend von Schüssen und Streichen!
Mit blitzenden Augen, wie hebt er sich frei!
"Was soll das?" - ""Herr Hauptmann, sie fliehen vorbei"" -
"Der Feind?" - ""Nein die Unsern, sie weichen!""

"Ha! - lodert der Wunde - mit Nichten!" Er rafft
Sich empor, und er steht bei den Seinen;
Den Säbel geschwungen mit plötzlicher Kraft -
So muß er, ein Geist, der entstiegen der Haft
Des Grabes, den Kämpfern erscheinen.

"Steht, Brüder!" er ruft's und sie sammeln sich schnell,
Die lose Zersprengten, in Reihen -
'Er lebt - ist erstanden!' so jubelt's zur Stell',
Zum Helden begeistert wird jeder Gesell
Und Einer versucht es mit Dreien.

"Wohlan denn - zum Siege!" so bricht er sich Bahn -
Hinein, wo's am wildesten knattert.
Die Feinde bestürzet ein lähmender Wahn:
Gleich Engeln des Krieges so stürmt er voran,
Vom fliegenden Banner umflattert.

Und "Sieg!" und "Victoria!" tönt das Signal -
Da neigt sich der Sieger, der bleiche;
Die Hand auf dem Herzen, so sinkt er zumal
Ohn' Laut, ohne Seufzer, ein gleitender Strahl - -
Und schweigend umsteh'n sie die Leiche.

Der Diener, der treue, er löset ihm sacht
Das Blatt aus der starrenden Linken:
Das letzte Ade, der Geliebten gebracht;
Es möge, ein himmlischer Trost, in die Nacht
Der trauernden Heldenbraut sinken!

Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 70-71)
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Das Kleeblatt des Glückes

Schön, wie des Lenzes Wiederkehr,
Ging jüngst ein Paar auf seinen Wegen,
Das Haupt gesenkt, als solle er
Darauf die Segenshände legen.
Der Frühling - ja! der wäre just
Der rechte Priester für das Pärchen;
Ein Prinz, ein Feenkind im Märchen,
So träumten sie nur Lieb' und Lust.

Doch ach! die Wolke, welche dort
Am Himmel hing und Wetter braute,
Sie barg statt Segensspruch ein Wort:
"Trennung", verwandt dem schlimmsten Laute.
Bläulich im Süden zuckten schon
Die Blitze, ferner Donner grollte,
Und mancher Maid Herzliebstem rollte
Die Thrän' und mancher Mutter Sohn.

Die über der Paläste Dach
Und über Hütten hing dem Volke,
Krieg hieß und schwer entlud hernach
Am heißen Tage sich die Wolke.
Auch ihm, der jungen Braut Idol,
Erging der Ruf zu Preußens Fahnen;
Auch ihn ergriff ein banges Ahnen
Beim letzten: "Liebchen, lebe wohl!"

Doch ihr, voll namenlosen Weh's,
Tropft Thrän' nach Thräne auf die Erde,
Gleich Fragen an die Saat des Klee's:
Ob ihr ein Wiedersehen werde?
Und sieh'! was hebt mit einem Mal
Zum Himmel ihren Blick, den feuchten?
Ihr ganzes Angesicht ein Leuchten,
Sie selbst ein leibgeword'ner Strahl.

Und - hat sie sich zu tief gebückt? -
Aufblüh'n die Wangen ihr, die bleichen:
"Sieh', Liebster! sieh'! was ich gepflückt:
Untrüglich ist's, des Glückes Zeichen.
Auf Wiederseh'n! dies Blättchen spricht's.
Ein Vierblatt! Trag' es auf dem Herzen
Und keine Wunde wird Dich schmerzen,
Kein Hieb, kein Schuß Dich treffen - nichts!"

Und heiß den Liebsten sie umschlingt!
"Dem Himmel Dank! Du kehrst mir wieder".
Doch er, der mit den Thränen ringt,
Beugt stummen Kusses sich hernieder.
Er theilt ihn nicht, den holden Wahn,
Liegt fein zu lächeln ihm auch ferne.
"Ade! Ade!" Ihr ew'gen Sterne!
Nun dunkel wird der Liebe Bahn.

Und wiederum auf grünem Plan,
Doch ach! gestickt mit Purpurblüthen,
Steht unser Held. Der Talisman
Auf seiner Brust, wird er ihn hüten?
Wohl statt des Blättleins wäre hier
Ein bombenfester Panzer nütze -
Entlang der Linien der Geschütze
Durchsprengt der Tod sein Jagdrevier.

Und aus der Hölle Schlund fürwahr
Scheint Pech und Schwefelgluth zu regnen.
Zurück! zurück! was drängt die Schaar
Den Lauf zum Tode, den verweg'nen?
Dampf schwärzt des reinen Himmels Bild,
Die Kugel zischt, Granaten springen,
Und wo sonst Lerch' und Wachtel singen,
Brüllt die Kanone durch's Gefild.

Jetzt bete, Lieb' im Kämmerlein!
Zwar wenig mag dein Beten nützen
Dem, der so grimmig vor den Reih'n
Aus Allen ragt, ein Ziel dem Schützen.
Und dennoch bete - heißes Fleh'n:
"Daß Gott der armen Seele gnade!"
Dort, auf des ew'gen Lebens Pfade,
Wirst du den Liebsten wiederseh'n.

Zwei Schritte noch und - Welt ade!
Da - halt! was muß ihn plötzlich packen,
Daß er, den Blick gewandt zum Klee,
Im vollen Laufe beugt den Nacken?
Ein Vierblatt - ha mit einmal hat
Erinnerung ihn überkommen -
Vom Liebeszauber hingenommen,
Kniet er in's Land und pflückt das Blatt.

Und sieh! die Kugel, die den Flug
Haarscharf nach dir genommen, Wack'rer!
Pfiff über's Haupt hinweg und schlug
Tief in das Feld, ein grimmer Ack'rer.
Victoria! Die Kugel sank -
Er stürmt hinan mit seinem Schatze,
Der Erste auf errung'nem Platze
Schwenkt er den Degen: "Liebchen, Dank!"

Und nächtlich an der Feuerstatt,
Das Knie zum Pult, hat er geschrieben:
"Dem Himmel Dank und diesem Blatt!
Ich lebe, bin gesund geblieben.
Untrüglich ist der Talisman.
Du dachtest mein im stillen Zimmer,
Ich dein im Schlachtenbraus und immer
Hat Liebe Wunder noch gethan".


Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 86)

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