Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Franziska Madelung
(1801-?)


Der Bergmönch

Hatt' einst ein Knapp' ein Mädel lieb
Vor langen, langen Jahren,
Doch kam's, daß er nicht treu ihr blieb,
Das hat es bald erfahren;
Und hat geweint und hat gezagt
Von früh an, wenn es kaum getagt,
Bis spät beim Sternenschimmer. -

Es waren beide, Knapp' und Maid,
Von Wuchse hoch und eben,
Wohl mocht' es schier zu jener Zeit
Kein schöner Pärlein geben.
Die Dirne blond, der Knappe braun,
Wie Ros' und Eichbaum anzuschau'n,
So kräftig und so lieblich.

Geschworen hatt' er oftmals ihr
Bei Sternen, Mond und Sonne,
Es wollte dann das Herzchen schier
Ihr übergeh'n vor Wonne.
Doch Männertreu gleicht Edelstein,
Oft nachgeäfft durch falschen Schein
Und selten Probe haltend.

Einst nahm er Abschied von der Maid,
Die Schächte zu befahren,
Da sprach er prüfend: "Wenn ich heut'
- Doch Gott wird mich bewahren! -
Nicht wiederkehrt' an deine Brust,
Mein Leben du und meine Lust,
Sprich, würdest du wohl weinen?"

Und ihrem Aug' entrann schon jetzt
Ein Thränlein nach dem andern,
Darob der Knapp' sich still ergötzt
Und denket nicht an's Wandern.
Voll Wehmuth schaut sie dann ihn an:
'O, scherz nicht also, böser Mann,
Ich müßte ja vergehen!'

Und in ihm ward die stille Gluth
Der Lieb' zu hellen Flammen:
"Ja, Mädchen, ja, du bist mir gut,
Und Gott soll mich verdammen,
Treib' ich mit deiner Liebe Scherz,
Schlägt einer Andern je dies Herz,
Und wirst du nicht die Meine!

Zertrümmert mög' ich in dem Schacht
Auf ewig sein begraben,
Es möge dort in längster Nacht
Mich keine Ruhe laben,
Ich müsse wandern ohne Rast
Und tragen meines Treubruchs Last
Bis zu der Welten Ende!" ...

Auch Röschen gab der Treue Wort,
Doch mild wie Frühlingswehen;
Dann trieb das süße Kind ihn fort,
Der Arbeit nachzugehen.
Noch Liebespfand um Liebespfand,
Noch Blick und Kuß und Druck der Hand,
Und dann: 'Glück auf zum Scheiden!'

Doch als er einstmals heimgekehrt
Bei Mond- und Sterngeflimmer,
Hat ihn der Böse schier bethört
Durch zweier Augen Schimmer,
Die sah'n ihn freundlich in's Gesicht
Und leise frug's: "Kennt Ihr mich nicht?
Ich bin ja Nachbars Else."

Und Else, die er lang' nicht sah,
Weil lang' sie fern gewesen,
Wie hoch und herrlich stand sie da, -
Ja! ja! - wie auserlesen
Zu stören Röschens Erdenglück;
Denn flammend hing des Knappen Blick
Am braungelockten Mädchen.

Und ach! die braune Else hat
Auf immer ihn gefangen,
Wohl weinte Röschen sich nicht satt,
Wohl bleichten ihre Wangen
Doch - als vorbei der Hochzeitstag,
Da ging der Knapp' der Arbeit nach
Und - kehrte nimmer wieder.

Da dachte Röschen an das Wort,
Das er ihr einst gesprochen,
Doch betete sie fort und fort
Für ihn, bis bald gebrochen
Der stille Gram das treue Herz!
Das Ruhe fand von allem Schmerz
Nur in dem Todesschlummer.

Das ist der Berggeist, der noch jetzt
In unsern Schächten hauset,
Darob sich Mancher schwer entsetzt
Und jedem Knappen grauset. -
Hegst, flüchtig Blut, du Wankelmuth,
Mög' er, an Röschens Thränenfluth
Ernst mahnend, dir erscheinen!
 

Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 32)
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