Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58



Hermann Marggraff
(1809-1864)


Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 






Der tolle Tambour

I.
Was klingt vor Liebchens Fenster
So laut in der Nacht hinein?
Das muß wol eine Trompete
Und eine Trommel sein.

Ja! ein verliebter Trompeter
Bläst ins Metall so stolz,
Und ein verliebter Tambour
Schlägt wacker auf Fell und Holz.

Der Eine steht links im Garten,
Der Andre rechts am Zaun;
Die beiden Nebenbuhler
Sich in die Augen schaun.

Der Tambour legt in die Trommel
Der Sehnsucht ganzen Schmerz,
Der Trompeter an die Trompete
Seinen Mund und auch sein Herz.

So stehen sie und warten,
Wem Hand und Herz sie gibt,
Ob mehr sie die Trompete,
Ob mehr sie die Trommel liebt.


II.
Was wirbelt auf der Straße
Vor der Liebsten niedrigem Haus,
Als zöge nächtlich zum Thore
Ein Regiment hinaus?

Das klingt ja wildverworren,
Das hat einen lauten Takt,
Das hat mit Furcht und Entsetzen
Die Nachbarn angepackt.

Wie Feuerlärm so schrillend,
Wie sterbende Liebe bald,
Wie ein Signal beim Aufruhr
Die wirbelnde Trommel schallt.

So wirbeln können viele,
So flüstern kann Eine blos;
Es läßt der Tambour die Geister
Des liebenden Wahnsinns los.

Die überkollern und jagen
Sich alle in wilder Lust;
Sie steigen nicht aus der Trommel,
Sie steigen aus tiefer Brust.

Die Fenster werden helle -
Da erscheint sie im Nachtgewand! -
"Mein Tambour, lieber Tambour!" -
Sie winkt mit der weißen Hand.

Die Lippen wie Rosenblätter
Sich voneinander thun.
Sie spricht - wie horcht der Tambour,
Wie läßt er die Schlägel ruhn!

"Mein Tambour", ruft sie, "mein Tambour!
Was treibst du vor meinem Haus?
Du Wilder! Du störst den Trompeter
Und mich beim nächtlichen Schmaus!"

Da ergreift er wild die Schlägel,
Da rührt er sie mit Macht,
Da hat er durch die Straßen
Gewirbelt und laut gelacht.

Das Fell zersprang vom Schlagen,
Sein Herz zersprang vor Weh;
Die Trommel fand man am Ufer,
Den Tambour im tiefen See.

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857
(S. 58-60)
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Raoul und Isaure

Durch den Garten schlüpft Isaure -
Denn die Laube kennt sie schon,
Wo Raoul aus seiner Zither
Zaubert süßen Liebeston.
Blumen wandeln sich in Laute,
Und in Blumen Laut und Sang;
Ihren Klang hat jede Blume,
Seine Blume jeder Klang.

Blumen, Töne - ja die Liebe
Spricht allein, allein durch sie;
Worte sind für sie zu irdisch,
Füllen ihren Abgrund nie.
Klang ist des Gesanges Farbe,
Farbe ist der Blume Klang.
Schönste Sprache, wo der Blume
Bild erläutert den Gesang!

Und das Paar sitzt auf der Moosbank,
Von dem Myrtendach umlaubt,
Und sie drückt zum Liebeslohne
Ihm den Blumenkranz aufs Haupt.
In dem Kranze, thaubefeuchtet,
Manche schöne Blüten stehn:
Veilchen, Lilje, Ringelblume,
Wilde Rose, Tausendschön!

Lustig klingt die Kriegsfanfare,
Fodert auf zu That und Schlacht;
Durch die Straßen von Toulouse
Zieht Raymond mit seiner Macht.
Und sein Sohn Raoul begleitet
Ihn zur Schlacht auf edlem Thier.
Leichter mag es sein, vom Leben
Abschied nehmen als von ihr!

Seinen Degen mit der Rechten
Fassend an dem goldnen Knauf,
Grüßt Raoul noch nach dem Fenster
Der geliebten Maid hinauf.
Auf dem Reiterwamms am Herzen
Ist der welke Kranz zu sehn:
Veilchen, Lilje, Ringelblume,
Wilde Rose, Tausendschön!

Lärmhaft blut'ges Kriegsgetümmel,
Wilden Drang und Gegendrang
Sah die Flur von Guinegaste,
Die das Blut der Helden trank.
Mitten durch das Herz geschossen,
Lag Raoul auf Kies und Stein;
Seine Herzenswunde rahmte
Rings der Kranz Isaurens ein.

Als die Kunde sie vernommen,
Klagte sie und rief sie laut:
"War ich deine Braut, du Süßer!
Bin ich nun des Himmels Braut.
Aber deinen Tod zu ehren,
Soll Gesang mit Blumen nun
Sich bei edlem Fest vereinen,
Soll das Lied sein Bestes thun."

Zu des Liedes holden Festen
Und zu süßem Blumenspiel
Ruft sie Frankreichs Dichterjugend:
Frankreichs Dichter kommen viel;
Sehn als Preis, in Gold gebildet,
Manche schöne Blüten stehn:
Veilchen, Lilje, Ringelblume,
Wilde Rose, Tausendschön!

Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857
(S. 63-65)
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Was thut man nicht aus Liebe!

Zwei werben um ein Mägdlein schön -
Das Mägdlein spricht in Hulden:
"Vor meinem Fenster mögt ihr stehn
Und treulich euch gedulden.
Und wer vom Platze nimmer weicht,
Dem wird zuletzt der Kranz gereicht -
Was thut man nicht aus Liebe!"

So stehen sie nun sonder Trug,
Die beiden wackern Jungen;
Der Eine gar die Laute schlug,
Der Andre hat gesungen.
Sie stehn und harren ohne Wank,
Sie stehen tag- und mondenlang -
Was thut man nicht aus Liebe!

Der Winter kommt, es kommt der Reif,
Sie glänzen wie von Glase,
Sie frieren ein, sie frieren steif,
Voll Eis hängt ihre Nase.
Sie sind in Schnee wie eingescharrt,
Ihr Mantel wie ein Panzer starrt -
Was thut man nicht aus Liebe!

Der Frühlingssonne milde Glut
Beginnt das Eis zu schmelzen;
In Strömen rinnt die Wasserflut
Von ihren Winterpelzen.
Das Mägdlein spricht: "Nun geht nach Haus,
Ihr hieltet gut und wacker aus -
Was thut man nicht aus Liebe!"

Der Eine hört's und läuft davon
Und hat sich rasch empfohlen
Und sagt: "Mamsell! den Liebeslohn
Will ich mir später holen."
Der Andre spricht: "Jetzt wird es schön,
Jetzt will ich erst beharrlich stehn -
Was thut man nicht aus Liebe!"

Er steht und steht, bis gar ein Strauch
Umwachsen seine Glieder;
Da beugt mit zartem Liebeshauch
Die Maid sich zu ihm nieder:
"Nimm hin den Kranz, mein Held so kühn!"
Er aber flüstert aus dem Grün:
"Was thut man nicht aus Liebe!"


Aus: Gedichte von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1857
(S. 116-117)
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Die Romanze von dem edlen Junker Ferdinand von Schroff
und der schönen Philippine Goldschaum

Herr von Schroff war arm, doch ein Edelmann,
Nie gegen die Ehre verstieß er;
Einen edlen Junker hat er zum Sohn,
Und Ferdinand so hieß er.

Herr Goldschaum schlicht war Bankier,
Voll Sammelfleiß wie die Biene,
Der besaß ein züchtiges Töchterlein,
Und das hieß Philippine.

Und Philippinchen und Ferdinand
Sahn einst sich - es konnte nicht fehlen -
Nur flüchtig auf einem Ball und gleich
Verschmolzen sich ihre Seelen.

"Quod non!" sprach zornig der Herr von Schroff -
"Das wäre wider die Ehre!" -
"Quod non!" sprach auch der Bankier -
"Wenn er nur reicher wäre!"

Indeß der Junker, das feurige Blut,
Heirathete die feur'ge
Jungfrau im Stillen, die zu ihm sprach:
"Nun bin ich auf ewig die Eur'ge!"

Und der Bankier und der Edelmann
Erschraken und wurden stutzig
Und riefen Beide zu gleicher Zeit:
"Das ist ja ganz nichtsnutzig!"

Und aus Verzweiflung liefen sie
Sofort zu ihrem Beirath,
Zum Rechtsanwalt, und dieser sprach:
"Vollzogen ist leider die Heirath!

Ergebt euch in das fait accompli
Gleich allen Diplomaten;
Der eine gibt als Mitgift sein Von,
Der andre die goldnen Dukaten!"

Drauf dachten Beide: ein Vortheil sei
Doch immer auf beiden Seiten;
Sie reichten sich die Hände dar
Und spielten die Gescheidten.

Auch war Philippine so hold und schön
Und nützlich an jeder Stätte,
Daß der alte von Schroff sich beinah' in sie
Verliebt wie der Junker hätte.

Da gab's ein großes Versöhnungsfest,
Man brach den Flaschen die Hälser -
Das ist der Stoff, draus Redwitz gemacht
Seitdem "Philippine Welser".

Aus: Balladenchronik
Erzählende Gedichte ernster und humoristischer Gattung
von Hermann Marggraff
Leipzig F. A. Brockhaus 1862 (S. 138-140)

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