Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58


 

Amalie Gräfin von Münster-Meinhövel 
(1767-1813)


Bardenfleth*

Seht, wie um die morschen Trümmer
Bei des Mondes sanftem Schimmer,
Unter bleichem Sterngeflimmer,
Geisterhaft die Sage schwebt!
Einst, - einst standen Thürm' und Säulen,
Wo jetzt Eul' und Uhu heulen,
Luftgestalten nur verweilen,
Kalter Schauer uns durchbebt!

Tief im Walde - dort, wo Raben
Krächzen, hinter Wall und Graben,
Die noch Wächter streng umgaben,
Ach! verseufzte ihre Zeit
Edda, hold wie einst Helene! -
Sanft, in jungfräulicher Schöne,
Sang sie klagend süße Töne,
Sang dem Wiederhall ihr Leid! -

Herrisch warb um Gegenliebe
Edda's Vormund; seinem Triebe
Blieb sie kalt; - wann ward wohl Liebe
Durch Despotenwuth erweckt?
Zarte Neigung zu erzwingen,
Strebt' er fruchtlos; Amors Schwingen
Können nur ans Ziel ihn bringen,
Das nach Willkür er gesteckt!

Bardenfleth, ein edler Ritter,
Hatt' an Edda's Fenstergitter
Oft bei Sturm und Ungewitter,
Oft bei Mondlicht sich gezeigt,
Unvergolt'ne Lieb' erlitten,
Endlich doch, durch leise Bitten,
Blick' und Züg' und edle Sitten,
Edda's Felsensinn erweicht.

Mitternächtlich kühle Winde
Wehten um des Schlosses Gründe,
Um die mondbeglänzte Linde -
Um des Mädchens gold'nes Haar;
Furcht und Liebe leihen Flügel! -
Krachend wich des Fensters Riegel,
Da herangesprengt zum Hügel
Kaum der edle Ritter war.

Zitternd ließ sie sich hernieder -
Zart und weiß wie Schwangefieder,
Ach! wie bebten ihre Glieder,
Als er auf sein Roß sie schwang!
In der Burg entsank sein Degen;
Da mit feierlichem Segen
Ihm ein Priester eilt' entgegen
Unter bräutlichem Gesang.

Monde schwanden jetzt wie Tage,
Sonder Kummer, sonder Klage;
Und bei festlichem Gelage
Stellte Vormund Gulph sich ein.
Ahnungsvoll sah Edda Fehde -
Doch des Alten Mien' und Rede
Fernten bald der Sorge jede,
Friedlich schien er zu verzeih'n.

Aber ach! der Meeresstille
Folget tosendes Gebrülle; -
Oft der Seligkeiten Fülle
Kummer, wenn das Schicksal winkt!
Harm und Freuden auszuspenden,
Hält das Glück die Wag' in Händen,
Pflegt das Zünglein schnell zu wenden,
Wenn die Freudenschale sinkt!

Scheinbar nur war Gulphens Güte,
Denn der Rache Flamm' entglühte
Dem erbitterten Gemüthe,
Gönnt' ihm weder Rast noch Ruh';
Zornig raunt er nun dem Pfaffen:
"Lind'rung meinem Zorn zu schaffen,
Straf', o straf' mit heil'gen Waffen
Edda's Frevel! - straf' ihn Du!"

Bald den Priester zu gewinnen,
Ihn durch Lohn und Listersinnen
In sein gold'nes Garn zu spinnen -
Spornt ihn tief verborg'ne Wuth.
Sein entflammter Blick wird trübe,
Tobend klagt er seine Liebe; - -
Kannt' er je die süßen Triebe,
Zarter Herzen reine Gluth?

Mit erheuchelter Geberde,
Und den Blick gesenkt zur Erde,
Rief der Priester aus: 'Ich werde,
Edler, euren Wink vollzieh'n;
Ohne Bann und Fluch zu sprechen,
Will ich Edda's Frevel rächen;
Und auch Bardenfleth's Verbrechen
Soll der Strafe nicht entflieh'n!'

Einst an festlich hoher Feier,
Da der Reue Thräne freier
Von dem naßgeweinten Schleier
Zu dem Thron der Gottheit drang:
War's, daß aus den dichten Reihen
Frommer Mönche, Nonnen, Laien,
Unter kirchlichem Kasteien,
Psalm und Bußgebet erklang.

An des Altars Stufen kniete
Edda; Andacht, sanfte Güte,
Rührten nicht den Mönch; er glühte -
Sah auf sie mit Zorn im Blick;
Strafte dann auf neue Weise:
Gab den Lippen, rasch, doch leise,
Statt der eingeweihten Speise,
Kühn das Opfergeld zurück.

Bardenfleth sieht Edda beben,
Hört der Stimme banges Streben -
Lieb' und Zorn und Wuth beleben
Ihn zur ernsten Rache schon,
Edda Sicherheit zu schaffen,
Greift er wüthend zu den Waffen;
Er durchbohrt die Brust des Pfaffen -
Ruft: "Verderben sei dein Lohn!"

Rasch, wie jählings Blitz' entstehen,
Laut, wie Aeol's Kinder wehen,
Stämm' und Masten wirbelnd drehen -
Wog' auf Woge dann sich thürmt:
So umlagerte die Menge
Nun den Ritter; im Gedränge
Ward das Herz ihm schier zu enge! - -
Kein Erretter, der ihn schirmt! -

Doch den Muth ihm zu erneuern,
Sammelten um ihn sich Laien
Und es gaben seine Treuen
Der betäubten Edda Schutz.
Draußen harrten ihrer Rosse,
Und der Ritter sammt dem Trosse
Bot im wohlverwahrten Schlosse
Den erzürnten Priestern Trutz. -

Doch - Gewissenszweifel ließen
Ihn der Ruhe nicht genießen;
Träumend sah er Blut noch fließen -
Sah von Schwertern sich umblinkt. -
Wie bei kalter Luft die Blüthe,
Die ein Sonnenstrahl verfrühte,
Wenig Augenblicke glühte,
Welkend nun dem Kelch entsinkt;

So war Edda's Glanz verschwunden!
Ihres Herzens tiefe Wunden
Bluteten noch wenig Stunden -
Da umfing sie ach! das Grab! -
An der Burg erklimmten Höhen
Sah man plötzlich Krieger stehen,
Federbüsch' um Helme wehen -
Rosse trabten auf und ab.

Rache sprüht der Schwarm; - erstiegen
Wird die Mauer; - "muthig siegen
Oder Helden gleich erliegen"
War des Ritters Losungswort.
Aber ach! die starke Rechte -
Sank im schmetternden Gefechte -
Und die Wuth der Feinde rächte
Sonder Glimpf den Priestermord!

Bald zur Rechten, bald zur Linken
Sah man Thürm' und Mauern sinken,
Pfeile fliegen, Schwerter blinken -
Prasselnd stieg die Flamm' empor; -
Falber glänzt' um Schutt und Trümmer
Hesper's nächtliches Geflimmer -
Luna trat mit trübem Schimmer
Hinter Wolken bleich hervor!


* Diese Erzählung gründet sich zum Theil auf eine wahre Geschichte.
Bardenfleth, der Held der Romanze, war nach alten Chroniken ein Heerführer
der Stedinger. Ein aufgebrachter Priester reichte seiner Gemahlin
am Altar den Beichtpfennig, statt der Hostie.
Der Ritter erstach ihn. Hierüber entstand eine Fehde,
in welcher der Bischof von Bremen sich mit verschiedenen
andern Nachbarn gegen Bardenfleth unterlag der Menge seiner Feinde;
seine Burg ward zerstört und er selbst kam in einer Schlacht um.
Der Pfennig, der die Losung zum Kriege gab,
soll noch im Stedingerlande irgendwo aufbewahrt werden.

Aus: Deutschlands Dichterinnen.
Blüthen deutscher Frauenpoesie
aus den Werken deutscher Dichterinnen
der Vergangenheit und Gegenwart ausgewählt von Karl Wilhelm Bindewald
Osterwieck / Harz o. J. [1895] (S. 25-26)

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