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      Friedrich Schiller  
      
      
      (1759-1805) 
       
       
      Inhaltsverzeichnis der Balladen: 
  
      
        
      
      
       
       
      Hero und Leander 
       
      Seht ihr dort die altergrauen 
      Schlösser sich entgegenschauen, 
      Leuchtend in der Sonne Gold, 
      Wo der Hellespont die Wellen 
      Brausend durch der Dardanellen 
      Hohe Felsenpforte rollt? 
      Hört ihr jene Brandung stürmen, 
      Die sich an den Felsen bricht? 
      Asien riß sie von Europen, 
      Doch die Liebe schreckt sie nicht. 
       
      Heros und Leanders Herzen 
      Rührte mit dem Pfeil der Schmerzen 
      Amors heil'ge Göttermacht. 
      Hero, schön wie Hebe blühend, 
      Er, durch die Gebirge ziehend 
      Rüstig, im Geräusch der Jagd. 
      Doch der Väter feindlich Zürnen 
      Trennte das verbundne Paar, 
      Und die süße Frucht der Liebe 
      Hing am Abgrund der Gefahr. 
       
      Dort auf Sestos' Felsenturme, 
      Den mit ew'gem Wogensturme 
      Schäumend schlägt der Hellespont, 
      Saß die Jungfrau, einsam grauend, 
      Nach Abydos' Küste schauend, 
      Wo der Heißgeliebte wohnt. 
      Ach, zu dem entfernten Strande 
      Baut sich keiner Brücke Steg, 
      Und kein Fahrzeug stößt vom Ufer; 
      Doch die Liebe fand den Weg. 
       
      Aus des Labyrinthes Pfaden 
      Leitet sie mit sicherm Faden, 
      Auch den Blöden macht sie klug, 
      Beugt ins Joch die wilden Tiere, 
      Spannt die feuersprühnden Stiere 
      An den diamantnen Pflug. 
      Selbst der Styx, der neunfach fließet, 
      Schließt die Wagende nicht aus, 
      Mächtig raubt sie das Geliebte 
      Aus des Pluto finsterm Haus. 
       
      Auch durch des Gewässers Fluten 
      Mit der Sehnsucht feur'gen Gluten 
      Stachelt sie Leanders Mut. 
      Wenn des Tages heller Schimmer 
      Bleichet, stürzt der kühne Schwimmer 
      In des Pontus finstre Flut, 
      Teilt mit starkem Arm die Woge, 
      Strebend nach dem teuren Strand, 
      Wo auf hohem Söller leuchtend 
      Winkt der Fackel heller Brand. 
       
      Und in weichen Liebesarmen 
      Darf der Glückliche erwarmen 
      Von der schwer bestandnen Fahrt 
      Und den Götterlohn empfangen, 
      Den in seligem Umfangen 
      Ihm die Liebe aufgespart, 
      Bis den Säumenden Aurora 
      Aus der Wonne Träumen weckt 
      Und ins kalte Bett des Meeres 
      Aus dem Schoß der Liebe schreckt. 
       
      Und so flohen dreißig Sonnen 
      Schnell, im Raub verstohlner Wonnen, 
      Dem beglückten Paar dahin, 
      Wie der Brautnacht süße Freuden, 
      Die die Götter selbst beneiden, 
      Ewig jung und ewig grün. 
      Der hat nie das Glück gekostet, 
      Der die Frucht des Himmels nicht 
      Raubend an des Höllenflusses 
      Schauervollem Rande bricht. 
       
      Hesper und Aurora zogen 
      Wechselnd auf dem Himmelsbogen, 
      Doch die Glücklichen, sie sahn 
      Nicht den Schmuck der Blätter fallen, 
      Nicht aus Nords beeisten Hallen 
      Den ergrimmten Winter nahn; 
      Freudig sahen sie des Tages 
      Immer kürzern, kürzern Kreis, 
      Für das längre Glück der Nächte 
      Dankten sie betört dem Zeus. 
       
      Und es gleichte schon die Wage 
      An dem Himmel Nächt' und Tage, 
      Und die holde Jungfrau stand 
      Harrend auf dem Felsenschlosse, 
      Sah hinab die Sonnenrosse 
      Fliehen an des Himmels Rand. 
      Und das Meer lag still und eben, 
      Einem reinen Spiegel gleich, 
      Keines Windes leises Weben 
      Regte das kristallne Reich. 
       
      Lustige Delphinenscharen 
      Scherzten in dem silberklaren 
      Reinen Element umher, 
      Und in schwärzlicht grauen Zügen 
      Aus dem Meergrund aufgestiegen 
      Kam der Tethys buntes Heer. 
      Sie, die einzigen, bezeugten 
      Den verstohlnen Liebesbund, 
      Aber ihnen schloß auf ewig 
      Hekate den stummen Mund. 
       
      Und sie freute sich des schönen 
      Meeres, und mit Schmeicheltönen 
      Sprach sie zu dem Element: 
      »Schöner Gott! du solltest trügen! 
      Nein, den Frevler straf' ich Lügen, 
      Der dich falsch und treulos nennt. 
      Falsch ist das Geschlecht der Menschen, 
      Grausam ist des Vaters Herz, 
      Aber du bist mild und gütig, 
      Und dich rührt der Liebe Schmerz. 
       
      »In den öden Felsenmauern 
      Müßt' ich freudlos einsam trauern 
      Und verblühn in ew'gem Harm, 
      Doch du trägst auf deinem Rücken, 
      Ohne Nachen, ohne Brücken, 
      Mir den Freund in meinen Arm. 
      Grauenvoll ist deine Tiefe, 
      Furchtbar deiner Wogen Flut, 
      Aber dich erfleht die Liebe, 
      Dich bezwingt der Heldenmut. 
       
      »Denn auch dich, den Gott der Wogen, 
      Rührte Eros' mächt'ger Bogen, 
      Als des goldnen Widders Flug 
      Helle, mit dem Bruder fliehend, 
      Schön in Jugendfülle blühend, 
      Über deine Tiefe trug. 
      Schnell von ihrem Reiz besieget 
      Griffst du aus dem finstern Schlund, 
      Zogst sie von des Widders Rücken 
      Nieder in den Meeresgrund. 
       
      »Eine Göttin mit dem Gotte, 
      In der tiefen Wassergrotte 
      Lebt sie jetzt unsterblich fort, 
      Hilfreich der verfolgten Liebe 
      Zähmt sie deine wilden Triebe, 
      Führt den Schiffer in den Port. 
      Schöne Helle! Holde Göttin! 
      Selige, dich fleh' ich an: 
      Bring' auch heute den Geliebten 
      Mir auf der gewohnten Bahn!« 
       
      Und schon dunkelten die Fluten, 
      Und sie ließ der Fackel Gluten 
      Von dem hohen Söller wehn, 
      Leitend in den öden Reichen 
      Sollte das vertraute Zeichen 
      Der geliebte Wandrer sehn. 
      Und es saust und dröhnt von ferne, 
      Finster kräuselt sich das Meer, 
      Und es löscht das Licht der Sterne, 
      Und es naht gewitterschwer. 
       
      Auf des Pontus weite Fläche 
      Legt sich Nacht, und Wetterbäche 
      Stürzen aus der Wolken Schoß, 
      Blitze zucken in den Lüften, 
      Und aus ihren Felsengrüften 
      Werden alle Stürme los, 
      Wühlen ungeheure Schlünde 
      In den weiten Wasserschlund, 
      Gähnend wie ein Höllenrachen 
      Öffnet sich des Meeres Grund. 
       
      »Wehe! Weh mir!« ruft die Arme 
      Jammernd. »Großer Zeus, erbarme! 
      Ach! Was wagt' ich zu erflehn! 
      Wenn die Götter mich erhören, 
      Wenn er sich den falschen Meeren 
      Preisgab in des Sturmes Wehn! 
      Alle meergewohnten Vögel 
      Ziehen heim in eil'ger Flucht, 
      Alle sturmerprobten Schiffe 
      Bergen sich in sichrer Bucht. 
       
      »Ach gewiß, der Unverzagte 
      Unternahm das oft Gewagte, 
      Denn ihn trieb ein mächt'ger Gott. 
      Er gelobte mir's beim Scheiden 
      Mit der Liebe heil'gen Eiden, 
      Ihn entbindet nur der Tod. 
      Ach! in diesem Augenblicke 
      Ringt er mit des Sturmes Wut, 
      Und hinab in ihre Schlünde 
      Reißt ihn die empörte Flut! 
       
      »Falscher Pontus, deine Stille 
      War nur des Verrates Hülle, 
      Einem Spiegel warst du gleich; 
      Tückisch ruhten deine Wogen, 
      Bis du ihn heraus betrogen 
      In dein falsches Lügenreich. 
      Jetzt in deines Stromes Mitte, 
      Da die Rückkehr sich verschloß, 
      Lässest du auf den Verratnen 
      Alle deine Schrecken los!« 
       
      Und es wächst des Sturmes Toben, 
      Hoch zu Bergen aufgehoben 
      Schwillt das Meer, die Brandung bricht 
      Schäumend sich am Fuß der Klippen, 
      Selbst das Schiff mit Eichenrippen 
      Nahte unzerschmettert nicht. 
      Und im Wind erlischt die Fackel, 
      Die des Pfades Leuchte war, 
      Schrecken bietet das Gewässer, 
      Schrecken auch die Landung dar. 
       
      Und sie fleht zur Aphrodite, 
      Daß sie dem Orkan gebiete, 
      Sänftige der Wellen Zorn, 
      Und gelobt den strengen Winden 
      Reiche Opfer anzuzünden, 
      Einen Stier mit goldnem Horn. 
      Alle Göttinnen der Tiefe, 
      Alle Götter in der Höh' 
      Fleht sie, lindernd Öl zu gießen 
      In die sturmbewegte See. 
       
      »Höre meinen Ruf erschallen, 
      Steig aus deinen grünen Hallen, 
      Selige Leukothea! 
      Die der Schiffer in dem öden 
      Wellenreich, in Sturmesnöten, 
      Rettend oft erscheinen sah. 
      Reich ihm deinen heil'gen Schleier, 
      Der, geheimnisvoll gewebt, 
      Die ihn tragen, unverletzlich 
      Aus dem Grab der Fluten hebt.« 
       
      Und die wilden Winde schweigen, 
      Hell an Himmels Rande steigen 
      Eos' Pferde in die Höh'. 
      Friedlich in dem alten Bette 
      Fließt das Meer in Spiegelsglätte, 
      Heiter lächeln Luft und See. 
      Sanfter brechen sich die Wellen 
      An des Ufers Felsenwand, 
      Und sie schwemmen, ruhig spielend, 
      Einen Leichnam an den Strand. 
       
      Ja er ist's, der auch entseelet 
      Seinem heil'gen Schwur nicht fehlet! 
      Schnellen Blicks erkennt sie ihn, 
      Keine Klage läßt sie schallen, 
      Keine Träne sieht man fallen, 
      Kalt, verzweifelnd starrt sie hin. 
      Trostlos in die öde Tiefe 
      Blickt sie, in des Äthers Licht, 
      Und ein edles Feuer rötet 
      Das erbleichte Angesicht. 
       
      »Ich erkenn' euch, ernste Mächte, 
      Strenge treibt ihr eure Rechte, 
      Furchtbar, unerbittlich ein. 
      Früh schon ist mein Lauf beschlossen, 
      Doch das Glück hab' ich genossen, 
      Und das schönste Los war mein. 
      Lebend hab' ich deinem Tempel 
      Mich geweiht als Priesterin, 
      Dir ein freudig Opfer sterb' ich, 
      Venus, große Königin!« 
       
      Und mit fliegendem Gewande 
      Schwingt sie von des Turmes Rande 
      In die Meerflut sich hinab. 
      Hoch in seinen Flutenreichen 
      Wälzt der Gott die heil'gen Leichen, 
      Und er selber ist ihr Grab. 
      Und mit seinem Raub zufrieden 
      Zieht er freudig fort und gießt 
      Aus der unerschöpften Urne 
      Seinen Strom, der ewig fließt. 
       
      Aus: Friedrich von Schiller Sämtliche 
      Gedichte und Balladen  
      Herausgegeben von Georg Kurscheidt 
      Insel Verlag 2004 (S. 145-152) 
      _______ 
       
       
      
       
      Die berühmte Frau 
      
      Epistel eines Ehemanns an einen andern 
       
      
      Beklagen soll ich dich? Mit Tränen bittrer Reue 
      Wird Hymens Band von dir verflucht? 
      Warum? Weil deine Ungetreue 
      In eines andern Armen sucht; 
      Was ihr die deinigen versagen? 
      Freund, höre fremde Leiden an 
      Und lerne deine leichter tragen. 
      Dich 
      schmerzt, daß sich in deine Rechte 
      Ein zweiter teilt? - Beneidenswerter Mann! 
      Mein Weib gehört dem ganzen menschlichen Geschlechte. 
      Vom Belt bis an der Mosel Strand, 
      Bis an die Apenninenwand, 
      Bis in die Vaterstadt der Moden 
      Wird sie in allen Buden feil geboten, 
      Muß sie auf Diligencen, Paketbooten 
      Von jedem Schulfuchs, jedem Hasen 
      Kunstrichterlich sich mustern lassen, 
      Muß sie der Brille des Philisters stehn 
      Und, wie's ein schmutz'ger Aristarch befohlen, 
      Auf Blumen oder heißen Kohlen 
      Zum Ehrentempel oder Pranger gehn. 
      Ein Leipziger - daß Gott ihn strafen wollte! - 
      Nimmt topographisch sie wie eine Festung auf 
      Und bietet Gegenden dem Publikum zu Kauf, 
      Wovon ich billig doch allein nur sprechen sollte. 
      
      Dein 
      Weib - Dank den kanonischen Gesetzen ! - 
      Weiß deiner Gattin Titel doch zu schätzen. 
      Sie weiß warum? und tut sehr wohl daran. 
      Mich kennt man nur als Ninons Mann. 
      Du klagst, daß im Parterr' und an den Pharotischen, 
      Erscheinst du, alle Zungen zischen? 
      O Mann des Glücks! Wer einmal das von sich 
      Zu rühmen hätte! - Mich, Herr Bruder, mich, 
      Beschert mir endlich eine Molkenkur 
      Das rare Glück, den Platz an ihrer Linken - 
      Mich merkt kein Aug', und alle Blicke winken 
      Auf meine stolze Hälfte nur. 
      
      Kaum ist 
      der Morgen grau, 
      So kracht die Treppe schon von blau und gelben Röcken, 
      Mit Briefen, Ballen, unfrankierten Päcken, 
      Signiert: An die berühmte Frau. 
      Sie schläft so süß! - Doch darf ich sie nicht schonen. 
      »Die Zeitugen, Madam, aus Jena und Berlin!« 
      Rasch öffnet sich das Aug' der holden Schläferin, 
      Ihr erster Blick fällt - auf Rezensionen. 
      Das schöne blaue Auge - mir 
      Nicht einen Blick! - durchirrt ein elendes Papier 
      (Laut hört man in der Kinderstube weinen), 
      Sie legt es endlich weg und frägt nach ihren Kleinen. 
      
      Die 
      Toilette wartet schon, 
      Doch halbe Blicke nur beglücken ihren Spiegel. 
      Ein mürrisch ungeduldig Drohn 
      Gibt der erschrocknen Zofe Flügel. 
      Von ihrem Putztisch sind die Grazien entflohn, 
      Und an der Stelle holder Amorinen 
      Sieht man Erinnyen den Lockenbau bedienen. 
      
      Karossen 
      rasseln jetzt heran, 
      Und Mietlakaien springen von den Tritten, 
      Dem düftenden Abbe, dem Reichsbaron, dem Briten, 
      Der - nur nichts Deutsches lesen kann, 
      Großing und Kompanie, dem Z** Wundermann 
      Gehör bei der Berühmten zu erbitten. 
      Ein Ding, das demutsvoll sich in die Ecke drückt 
      Und Ehmann heißt; wird vornehm angeblickt. 
      Hier darf ihr - wird dein Hausfreund so viel wagen? - 
      Der dümmste Fat, der ärmste Wicht, 
      Wie sehr er sie bewundre, sagen; 
      Und darf's vor meinem Angesicht! 
      Ich steh' dabei, und will ich artig heißen, 
      Muß ich ihn bitten, mitzuspeisen. 
      
      Bei 
      Tafel, Freund, beginnt erst meine Not, 
      Da geht es über meine Flaschen! 
      Mit Weinen von Burgund, die mir der Arzt verbot, 
      Muß ich die Kehlen ihrer Lober waschen. 
      Mein schwer verdienter Bissen Brot 
      Wird hungriger Schmarotzer Beute; 
      O diese leidige vermaledeite 
      Unsterblichkeit ist meines Nierensteiners Tod! 
      Den Wurm an alle Finger welche drucken! 
      Was, meinst du, sei mein Dank? Ein Achselzucken, 
      Ein Mienenspiel, ein ungeschliffenes Beklagen - 
      Errätst du's nicht? O, ich versteh's genau! 
      Daß diesen Brillant von einer Frau 
      Ein solcher Pavian davon getragen. 
      
      Der 
      Frühling kommt. Auf Wiesen und auf Feldern 
      Streut die Natur den bunten Teppich hin, 
      Die Blumen kleiden sich in angenehmes Grün, 
      Die Lerche singt, es lebt in allen Wäldern - 
      Ihr ist der Frühling wonneleer. 
      Die Sängerin der süßesten Gefühle, 
      Der schöne Hain, der Zeuge unsrer Spiele, 
      Sagt ihrem Herzen jetzt nichts mehr. 
      Die Nachtigallen haben nicht gelesen, 
      Die Lilien bewundern nicht. 
      Der allgemeine Jubelruf der Wesen 
      Begeistert sie - zu einem Sinngedicht. 
      Doch nein! Die Jahrszeit ist so schön - zum Reisen. 
      
      Wie 
      drängend voll mag's jetzt in Pyrmont sein! 
      Auch hört man überall das Karlsbad preisen. 
      Husch ist sie dort - in jenem bunten Reihn, 
      Wo Ordensbänder und Doktorenkragen, 
      Zelebritäten aller Art, 
      Vertraulich wie in Charons Kahn gepaart, 
      Zur Schau sich stellen und zu Markte tragen, 
      Wo, eingeschickt von fernen Meilen, 
      Zerrißne Tugenden von ihren Wunden heilen, 
      Dort, Freund - o lerne dein Verhängnis preisen! - 
      Dort wandelt meine Frau und läßt mir sieben Waisen. 
      
      O meiner 
      Liebe erstes Flitterjahr! 
      Wie schnell - ach wie so schnell bist du entflogen! 
      Ein Weib, wie keines ist und keines war, 
      Mir von des Reizes Göttinnen erzogen, 
      Mit hellem Geist, mit aufgetanem Sinn 
      Und weichen leicht beweglichen Gefühlen - 
      So sah ich sie, die Herzenfeßlerin, 
      Gleich einem Maitag mir zur Seite spielen; 
      Das süße Wort: Ich liebe dich! 
      Sprach aus dem holden Augenpaare. 
      So führt' ich sie zum Traualtare - 
      O wer war glücklicher als ich! 
      Ein Blütenfeld beneidenswerter Jahre 
      Sah lachend mich aus diesem Spiegel an, 
      Mein Himmel war mir aufgetan. 
      Schon sah ich schöne Kinder um mich scherzen, 
      In ihrem Kreis die Schönste sie, 
      Die Glücklichste von allen sie, 
      Und mein durch Seelenharmonie, 
      Durch ewig festen Bund der Herzen. 
      Und nun erscheint - o mög' ihn Gott verdammen! - 
      Ein großer Mann - ein schöner Geist. 
      Der große Mann tut eine Tat! - und reißt 
      Mein Kartenhaus von Himmelreich zusammen. 
      
      Wen hab' 
      ich nun?- Beweinenswerter Tausch! 
      Erwacht aus diesem Wonnerausch, 
      Was ist von diesem Engel mir geblieben? 
      Ein starker Geist in einem zarten Leib, 
      Ein Zwitter zwischen Mann und Weib, 
      Gleich ungeschickt zum Herrschen und zum Lieben; 
      Ein Kind mit eines Riesen Waffen, 
      Ein Mittelding von Weisen und von Affen! 
      Um kümmerlich dem stärkern nachzukriechen, 
      Dem schöneren Geschlecht entflohn, 
      Herabgestürzt von einem Thron, 
      Des Reizes heiligen Mysterien entwichen, 
      Aus Cythereas goldnem Buch gestrichen 
      Für - einer Zeitung Gnadenlohn! 
       
      
        Aus: Friedrich von 
        Schiller Sämtliche Gedichte und Balladen  
      Herausgegeben von Georg Kurscheidt 
        Insel Verlag 2004 (S. 205-208) 
      _______ 
      
         
       
       
      Ein Wechselgesang 
      
      
      Leontes 
      Delia - 
      Mein dich zu fühlen! 
      Mein durch ein ewiges Band. 
      Göttern auf irdischen Stühlen 
      Gönn' ich den dürftigen Tand. 
      Dich in die Arme zu drücken - 
      O wie verdien' ich mein Glück? 
      Geb' ich auch dir dies Entzücken, 
      Dir dieser Seligkeit Fülle zurück? 
      
      
      Delia 
      Ach nur 
      ein einziges Leben, 
      Teurer Leontes, ist mein. 
      Tausende, könnt' ich sie geben, 
      Tausende wollt' ich dir weihn. 
      Einmal nur kann ich mich schenken, 
      Einmal durchschauert von Lust, 
      Einmal auf ewig nur sinken, 
      Sinken an deine hochschlagende Brust. 
      
      
      Beide 
      Höre den 
      Dank deiner glücklichen Seelen, 
      Glücklich durch deinen allmächtigen Wink, 
      Glühenden Dank dir: du lehrtest uns wählen, 
      Glühenden Dank für dein bestes Geschenk. 
      
      
      Leontes 
      Delia, 
      da wir uns fanden, 
      Hört' ich den himmlischen Ruf: 
      »Willst du mein Himmelreich ahnden, 
      Liebe dies Mädchen! Ich schuf. 
      Menschen, besudelt von Sünden, 
      Bleibt meine Gottheit verhüllt. 
      Willst du den Ewigen finden, 
      Such' ihn in diesem bescheidenen Bild.« 
      
      
      Delia 
      Da mir 
      Leontes erschienen, 
      Flüsterten Engel mir ein: 
      »Trockne die heimlichen Tränen, 
      Mädchen, der Jüngling ist dein. 
      Aus den erwärmenden Sonnen 
      Seines beseelenden Blicks 
      Sind deine Himmel gesponnen, 
      Fließen dir Strahlen unsterblichen Glücks.« 
      
      
      Beide 
      Höre den 
      Dank deiner glücklichen Seelen, 
      Glücklich durch deinen allmächtigen Wink, 
      Glühenden Dank dir: du lehrtest uns wählen, 
      Glühenden Dank für dein bestes Geschenk. 
      
      
      Delia 
      Wenn wir 
      uns liebend umschlingen, 
      Küsse vor Küssen entfliehn, 
      Flattern auf eilenden Schwingen 
      Goldene Stunden dahin. 
      Mir reicht Leontes die Hände 
      In den gefürchteten Kahn, 
      Weil ich Leontes dort finde, 
      Locken Elysiums Fluren mich an. 
      
      
      Leontes 
      Stille 
      Vergnügungen (pflücken 
      Wird der Verschwender sie nie) 
      Klimmen empor zum Entzücken, 
      Teil' ich mit Delia sie. 
      Pfeile, die fern auf mich zielen, 
      Wehrt deine Liebe zurück. 
      Schmerzen, die still mich durchwühlen, 
      Schmelzen an deinem empfindenden Blick. 
      
      
      Beide 
      Höre den 
      Dank deiner glücklichen Seelen, 
      Glücklich durch deinen allmächtigen Wink, 
      Glühenden Dank dir: du lehrtest uns wählen, 
      Glühenden Dank für dein bestes Geschenk. 
       
      
        Aus: Friedrich von 
        Schiller Sämtliche Gedichte und Balladen  
      Herausgegeben von Georg Kurscheidt 
        Insel Verlag 2004 (S. 518-520) 
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