Liebes-Balladen, Romanzen u. ä.

Frederic Leighton Der Fischer und die Sirene um 1856-58




Aloys Wilhelm Schreiber
(1761-1841)

Inhaltsverzeichnis der Balladen:
 





Der Falke

Im Eichenschatten auf dem Bühle
Sitzt, an des Felsenbrünnleins Rand,
Herr Friedewin in Morgenkühle,
Den treuen Falken auf der Hand.

Der Falke schwingt sich in die Lüfte,
Doch zieht er nicht auf Raub und Tod,
Er trägt ein Blatt voll Rosendüfte,
Er ist der Liebe treuer Bot'.

Das Brieflein bringt er zu Erlinen,
Der schönen Jungfrau hold und zart.
Der Ritter schwur, nur ihr zu dienen;
Doch ist ihr Vater stolz und hart.

Die Liebe hat sich viel zu sagen,
Dem Herzen ist die Trennung schwer,
Die leisen Wünsche und die Klagen,
Die trägt der Falke hin und her.

Doch heut ist er umsonst geflogen,
Es findet sie am Erker nicht,
Und durch den offnen Fensterbogen
Sieht er ein kleines mattes Licht.

Die Jungfrau ruht, im Todtenkleide,
Die Händ' gefaltet, auf der Bahr';
Als Gottesbraut ist ihr Geschmeide
Ein Kranz von Rosmarin im Haar.

Der Falke flattert zu der Leiche,
Er nimmt den Kranz und flieht davon,
Er kreiset dreimal um die Eiche,
Und niederfällt die Todtenkron'.

"Ich will die Kron' ihr wiederbringen!"
Ruft Friedewin im irren Schmerz:
"Das Leben läßt sich bald bezwingen,
Im Grabe ruht mir schon das Herz.

Mein festes Schloß, es mag zerfallen,
Nur einen Stab noch nehm' ich mir,
Dann will ich fort als Pilgrim wallen,
Und suchen so den Weg zu ihr."

Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 113)
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Die Jungfrau auf Windeck

Es stehn zwei alte Thürme
Hoch unter Schutt und Graus,
Der Berggeist und die Stürme,
Die ziehn da ein und aus.

Durch den zerfall'nen Bogen
Stieg ich als Knab' hinan;
Die wilden Blumen zogen
Mich wunderbarlich an.

Da trat aus dem Gemäuer
Ein zartes Jungfräulein,
Sie sah im weißen Schleier
Fast wie ein Engel drein.

Sie trug aus grünen Weiden
Ein Körblein in der Hand,
Sie pflückte Moos und Haiden,
Und was sie sonst noch fand.

Da rief es aus dem Boden -
Sie wurde lilienbleich
Und sprach: "Nur still, ihr Todten!
Ich komm', ich komme gleich."

Die weiße Haiderose,
Sie steckte sie in's Haar,
Die Dolden und die Moose
Bot sie mir freundlich dar.

Mich überlief ein Schauer,
Ich wurde heiß und kalt;
Schnell an der Epheumauer
Verschwand jetzt die Gestalt.

Das Bild ist mir geblieben,
Noch seh' ich sie vor mir, -
Ach, könnt' ein Schatten lieben,
Ich ging alsbald zu ihr!

Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 113-114)
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Der Mummelsee

Hoch auf dem Tannenberge,
Da ist ein schwarzer See,
Und auf dem See da schwimmet
Ein Röslein weiß wie Schnee.

Es kommt ein Hirtenknabe
Mit seinem Haselstab:
'Das Röslein muß ich haben,
Das Röslein brech' ich ab!'

Er zieht es mit dem Stabe
Wohl an den Binsenrand,
Doch aus dem Wasser hebet
Sich eine weiße Hand.

Sie zieht das Röslein nieder
Tief in den dunkeln Grund:
"Komm, lieber Knab', ich mache
Dir viel Geheimnis kund!

Im See am Boden wurzelt
Das Röslein, das du liebst,
Da will ich dir es brechen,
Wenn du dich mir ergiebst."

Den Knaben fast ein Grauen,
Er eilt hinweg vom See;
Doch immer ist sein Sinnen
Das Röslein weiß wie Schnee.

Er irret durch die Berge,
Der Gram das Herz ihm frißt, -
Und Niemand weiß zu sagen,
Wo er geblieben ist.


Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 114)
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Die Lilienbraut

Vor des Kirchhofs öden Mauern,
- Schwarz umgittert ihn das Thor,
Und im heißen Mittagsscheine
Blinkten hell die Leichensteine -
Spielte froh der Kinder Schaar.

Horch, da knarrte leis die Pforte,
Und, schneeweiß von Angesicht,
Trat ein Kind heraus, und Blumen,
Rosen, Lilien und Myrthen
Bot es freundlich Jedem an.

Und die muntern Knaben griffen
Nach der Rosen bunter Pracht;
Mädchen schmückten sich mit Myrthen,
Banden wechselnd frische Kränze,
Spielten Bräutigam und Braut.

Lange stand das Kind, und keines
Nahm der andern Blumen wahr:
Als ein Mädchen, fromm und sittig,
Aus dem wilden Haufen nahte,
Eine Lilie sich erlas.

Und ein schnelles Lächeln zuckte
Auf des Kindes Angesicht;
Drauf ihr leis die Stirne küssend
Eilt' es fort; - ein heimlich Grauen
Bebte durch des Mädchens Brust.

Neckend riefen ihr die andern:
"Lilienbraut, komm Lilienbraut!"
Doch sie eilte zu der Mutter,
Von dem schönen Kind erzählend,
Aengstlich froh und tief bewegt. -

Zwölfmal war der Lenz entflohen,
Und zur Jungfrau, hold und zart,
Stand das Mädchen aufgesprossen;
Und von nah' und ferne warben
Jüngling' um ihr Herz und Hand.

Keiner doch mocht' ihr gefallen,
Denn geheimer Schauder griff
In ihr Herz, sobald die Thränen
Heißer Sehnsucht es berührten,
Die mitleidig sie empfand.

Endlich siegt der Liebe Flehen
Und der Mutter ernster Rath.
Der der Treuste ihr geschienen,
Wird erwählt, und schüchtern krönen
Lieb' und Scham den frommen Bund.

Anberaumt zur Hochzeitfeier
Ward der Tag; glückwünschend nah'n
An dem Abend vor dem Feste,
Einen Kranz von Rosen bringend,
Die Gespielinnen der Braut.

Da ergreift sie's tief im Innern,
Und der Kindheit frommer Geist
Rührt sie an, und lächelnd spricht sie:
'Wißt ihr doch, nicht Rosen ziemen,
Lilie ist mein Hochzeitkranz!'

Drauf, als still die Nacht gekommen,
Und der Lärm des Tags verstummt,
Lockt, im Freien lustzuwandeln,
Sie der laue Sommerabend,
An des Freundes sicher'm Arm.

Unvermerkt, nach langem Irren,
Steh'n sie vor des Kirchhofs Thor,
Und im blassen Mondenscheine
Blinken rings die Leichensteine
Ahnend schlägt des Mädchens Brust.

Offen steht die schwarze Pforte,
Und ein tiefer Orgelton
Summet aus des Kirchleins Hallen -
Zitternd in des Freundes Armen
Ruft die Jungfrau: 'Laß uns flieh'n!'

Aber kaum, daß sie's gesprochen,
Schließet sich ein langer Zug
Tief verhülleter Gestalten
An sie an, und nach dem Kirchlein
Reißt das Grausen sie mit fort.

Leis ertönt Gesang, und höher,
Immer höher steigt der Ton,
Immer tiefer sinkt die Orgel,
Bis in höchster Höh' und Tiefe
Sich der Schall in Nichts verliert.

Nun erfüllt sich vom Gedränge
Rings der Altar und das Chor:
Kinder, blaß, mit Todtenkronen
Ziehen durch die dichten Reihen,
Tragen einen Lilienkranz.

Und ein Jüngling, schön und herrlich,
Aber bleich, wie frischer Schnee,
Tritt hervor, und mit Entsetzen
Sieht die Jungfrau jenes Kindes
Züg' in seinem Angesicht.

Drauf ein Priester naht dem Altar,
Und der schöne Jüngling eilt
Auf sie zu mit zücht'ger Sitte,
Fasset ihre Hand, und kalter
Schauer dringt durch ihr Gebein.

An des Freundes Brust geklammert
Ruft sie bang: 'Er ist's, er ist's!'
Starr hängt sie an seinen Blicken,
Als des Thurmes Glocke plötzlich
Schallt, und dumpf der Grund erbebt.

Und mit ängstlichem Gewimmer
Drängt die bleiche Schaar sich fort -
Finstre Stille wird's; kein Lüftchen
Rauscht; sprachlos in seinen Armen
Trägt der Liebende die Braut.

Keuchend eilt er durch die Pforte,
Die sich hinter ihm verschließt:
Da aus seinen Armen sinket
Todt die Jungfrau; eine Lilie
Duftet frisch an ihrer Brust.

Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 115-116)
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Das Grab auf der Haide

Es kehrt ein Rittersmann heim vom Streit,
Seine Burg möcht' er bald erreichen;
Die Nacht ist schaurig, die Eule schreit,
Der Sturm durchsauset die Eichen.

Jetzt sieht er nicht fern, mit blauem Schein,
Ein Lichtlein sich plötzlich erheben;
Es flackert an einem Grabesstein,
Den Dorn und Nesseln umgeben.

Und an dem Stein lehnt eine Gestalt,
Ein Mägdlein im weißen Kleide -
'Lieb Mägdlein, es ist die Nacht so kalt,
Was machst du allein auf der Haide?'

"Mein Geliebter kommt heut aus fremdem Land,
Er hat mir die Ehe versprochen;
Dies goldne Ringlein gab er zum Pfand,
Drauf ist sein Name gestochen!"

'Dein Geliebter, er hat gar leichten Sinn,
Die Fremde hält ihn gebunden;
Sein Ringlein, wirf es in's Wasser hin,
Ein schönres ist dir gefunden!

Ich nehme dich mit mir auf mein Schloß, -
Hinweg mit vergeblichem Harme!'
Der junge Ritter springt ernst vom Roß,
Und schlingt um das Mägdlein die Arme.

'Dein Mund ist kälter als Eis, mir graut!
Du wirst an der Brust mir erblassen!'
"Ha, kennst du denn nicht mehr deine Braut,
Die du so treulos verlassen?

Jetzt hab' ich dich wieder, hier ist mein Haus,
Da soll uns nichts mehr entzweien!
Am Tage, da ruh'n wir, und geh'n heraus,
Wenn die Eulen um Mitternacht schreien!"

Sie küßt ihn, ihr Kuß ist kalt wie der Tod;
Sie ruft: "Nun bist du der Meine!"
Sie drückt ihn an's Herz, - beim Morgenroth
Da liegt er verblichen am Steine.

Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 116)
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Hadur

'Wohin, o Jüngling, in Wetternacht,
Da es blitzt und kracht?
Und dort im steinichten Grunde
Da hauset ein wilder, fremder Gesell;
Horch, seiner Rüden Geheul und Gebell!
Mit dem Tode steht er im Bunde!'

"Ich hatt' ein gutes, getreues Schwert,
Es war mir gar werth,
Das hat der Gesell mir gestohlen.
Ich hatt' eine huldige, treue Maid,
Die raubt' er im Schlafe von meiner Seit',
Und beide will ich mir holen."

'Nimm, Jüngling, dies Schwert, es ist gefeit!
Ich bin geweiht,
Und deute den Sternenreigen.
Steck' auf den Helm dieses Todtenbein!
Es leuchtet schwach, mit bläulichem Schein,
Doch wird es den Weg dir zeigen.'

Und Hadur dankt der Alrune sehr,
Er nimmt die Wehr,
Und zieht bei des Lichtleins Helle
Zum öden, steinichten Thalesgrund;
Da plötzlich tritt aus dem Felsenschlund
Der wilde, fremde Geselle.

In schwarzer Rüstung schreitet er her,
Und schwingt den Speer,
Wie der Sturmwind schüttet die Tanne.
Er sagt zum Jüngling mit dumpfer Stimm':
"Ha, treibt dich hieher der Hölle Grimm?
Was willst du in meinem Banne?"

Der Jüngling nicht lang antworten mag,
Und Schlag auf Schlag
Fällt er an den trotzigen Recken,
Und haut ihm herab den Helm vom Schopf,
Und sieht auf dem Rumpf einen Todtenkopf
Die Zähne gegen ihn blecken.

Und keck noch einmal das Schwert er schwingt,
Und wie es erklingt,
Da fällt der Recke zusammen;
Nur glimmende Asch' ist noch von ihm da;
Doch stracks erheben sich fern und nah
Viel hundert lodernde Flammen.

Des Jünglings Roß, es zaget und schäumt;
Doch wie es sich bäumt,
Treibt er's den Flammen entgegen;
Und im Nu da löschen sie alle aus,
Und Hadur kommt an ein Todtenhaus,
Wo tausend Gerippe sich regen.

In der Mitte, da steht aus Marmelstein
Ein Sargbettlein,
Von Löwenfüßen getragen:
In dem Sarge liegt seine schöne Maid,
Das Auge geschlossen, im weißen Kleid, -
Den Ritter ergreift ein Zagen.

Er springt von dem Pferd, da erheben sich
Gar fürchterlich
Die Todtengerippe in Schaaren;
Doch hat er sie kaum mit dem Schwert berührt,
Als schnell eine Windsbraut sie entführt,
Wie Geister auf Wolken fahren.

Er wirft sich auf das geliebte Weib,
Er umfaßt den Leib,
Er drückt die glühende Lippe
Auf Mund und Wange, - sie sind so kalt!
Dem Grabe gehört die schöne Gestalt,
Vermählt wird sie einem Gerippe.

Der Jammer bethört ihm Sinn und Herz,
Er sinket vor Schmerz
Am Sarg ohnmächtig darnieder.
Schon röthet die Frühe der Berge Saum,
Und Hadur erwacht wie aus schwerem Traum,
Ihm kehrt das Bewußtseyn wieder.

In einem Garten, wo neben der Blüth'
Die Goldfrucht glüht,
Von Frühlingsdüften umschwommen,
Da liegt er, und eine Jungfrau schön
Steht vor ihm, er hat sie oft gesehn,
Sie heißt ihn freundlich willkommen.

"Ich sah dich, du süße schöne Maid,
Im Todtenkleid,
Umgeben von schauriger Stille,
Und zähnefletschend sah ich den Tod, -
Jetzt siehst du vor mir so frisch und roth,
In des Lebens herrlicher Fülle!"

""O Hadur, du hast mit kühnem Schwert
Die Treue bewährt,
Und Schönes wird dir zum Lohne!
Im Garten der Liebe sind wir hier,
Mein Leben, das hast du erkämpfet dir,
Und mir die duftende Krone!""

Aus: Deutschland's Balladen- und Romanzen-Dichter
Von G. A. Bürger bis auf die neueste Zeit
Eine Auswahl des Schönsten und charakteristisch Werthvollsten
aus dem Schatze der lyrischen Epik
in Balladen und Romanzen, Mären, Legenden und Erzählungen
nebst Biographieen und Charakteristiken der Dichter
unter Berücksichtigung der namhaftesten kritischen Stimmen
von Ignaz Hub Zweite, gänzlich umgearbeitete und stark vermehrte Auflage
Karlsruhe Verlag von Wilhelm Creuzbauer 1849
(S. 116-117)
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Adeline

Adeline stieg in der Morgenstunde
Herab von der Burg auf Ehrenstein,
Sie wallte zum Kirchlein im Eichengrunde
Mit frommen Vertrauen, ganz allein.

Die Blümlein blühten so frisch am Wege,
Sie dachte: die schönsten wähl' ich aus;
Das Opfer ist gut gemeint, ich lege
Es auf den Altar im Gotteshaus.

Da kam ein Landsknecht daher gegangen,
Er grüßte die Jungfrau mit frechem Blick,
Er wollte den schönen Leib umfangen,
Sie stieß ihn mit hohem Ernst zurück.

Ha, schöne Maid, und müßt' ich dich kaufen
Mit meiner Seele, so wollt' ich's thun!
Und wage nur nicht, mir zu entlaufen,
In deinem Arm, da muß ich ruh'n.

Adeline faltet die Lilienhände,
Ihre Wange wird Schnee, ihr Blut wird Eis,
Sie versucht, ob des Frevlers Herz sich wende,
Sey menschlich, stöhnet sie, bang und leis;

Beflecke dich nicht mit solchem Raube,
Es ist ein Auge, es schlummert nicht;
Die Gestalt - sie vermählt sich bald dem Raube,
Der Seele harret ein schwer Gericht.

Der Kriegsmann umfaßt sie mit schnödem Hohne,
Er hält sie in seinem starken Arm;
Du bist und bleibst mir der Frauen Krone,
An deinem Busen da ruh' ich warm.

Und wenn ich dich auch dem Himmel stehle,
Er hat der Bräute ja noch mehr.
So spricht er, doch in der Jungfrau Seele
Leuchtet ein Gedanke von oben her.

Dem Tode verkauft hast du dein Leben,
Ich bin nur ein armes schwaches Weib,
Doch kann ich dir wohl ein Mittel geben
Zu schützen vor Wunden deinen Leib.

Sieh, diese Blumen, im Thau gepflücket,
Bewährt ist ihre geheime Kraft!
Umsonst ist das Schwert auf den gezücket,
Der sich bestreichet mit ihrem Saft.

Der Kriegsmann versetzt: wär'st du erfahren
In der verborg'nen, hohen Kunst,
Dein Mittel, ich wollt' es treu bewahren,
Und suchte bey dir nicht and're Gunst.

Die Jungfrau lächelt: deines Schwertes Spitze
Bieth' ich mich selbst zur Prüfung dar,
Ich weiß, daß es mir die Haut nicht ritze,
Dein Arm ist stark, und mein Wort ist wahr.

Sie nimmt vom Halse die gold'ne Kette,
Sie reibt den Blumensaft emsig ein,
Sie bethet in sich: Gott im Himmel rette
Die Seele mir, ich erhielt sie rein.

Sie kniet zur Erde - mit irrem Muthe
Führet der Krieger den Todesstreich;
Der Boden wird roth von der Jungfrau Blute,
Das Haupt liegt im Grase, starr und bleich.

Aus: Aloys Schreiber's Gedichte
Erster Theil Neueste Auflage
Wien 1817 Bey B. Ph. Bauer (S. 168-170)

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