Susanne von Bandemer (1751-1828) - Liebesgedichte

Susanne von Bandemer

 


Susanne von Bandemer
(1751-1828)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

An ***
bey der Übersendung einer Haarlocke

Die stolze Majestät des Löwen zu bezwingen,
Muss keine Kette ihn umschlingen;
Verachtend sprengt er sie. – Ein Faden fesselt ihn,
Und willig wird er Amors Wagen ziehn, -
Der Liebe süssgepries'ne Bande
Sind, leider! zu Cytherens Schande,
Nicht immer süss – und Blumenketten rar.
Doch ich, mein Trauter, fess'le gar
Den Mann der Liebe an ein – Haar -!
(S. 40)
_____
 

Erotischer Missmuth

Fluch sey dir, verrätherische Liebe!
Alles Unglück stammet von dir her,
Du verschleierst nur entweihte Triebe,
Und die Menschheit kennet dich nicht mehr.

Buhlerey ist was man Liebe nennet,
Falschheit und Betrug strebt nach Genuss;
Und Begierde, die das Herz entbrennet,
Schändet oft der Freundschaft heil'gen Kuss.

Nicht Gefühl, das noch in jenem Leben
Unsres Daseyns Seligkeit vermehrt:
Das den Geist zum Engel kann erheben,
Und der Menschheit Würde nie entehrt.

Nichts von dem wird in dem Busen lodern,
Der sich buhlerischer Liebe weiht:
Was die Lüsternheit der Sinne fodern,
Nennet man Gefühl und Zärtlichkeit.

Nein, so hass' ich, Liebe, deine Bande,
Deiner Allmacht flucht mein blutend Herz!
Und doch fühl' ich noch, zu meiner Schande,
Deiner Qualen ungeheilten Schmerz.

Fühle sie bis zu der letzten Stunde,
Wo des Lebens Zauberrausch verfliegt,
Und der Richter die geschlagne Wunde
Meines Herzens – meine Thränen, wiegt.

Gab ich nicht so rein und unbefangen
Alles, was die Liebe geben kann,
Ihm, dem Einzigen! den mein Verlangen
Heiss und voller Sehnsucht liebgewann?

Aber, ach! es ändern sich die Scenen
Eh' der Knoten noch sich fest geschürzt;
Und benetzt mit tausend heissen Thränen
Liegt mein Glück hin in ein Nichts gestürzt.

O, so mag dies Herz mein Urtheil sprechen,
Das allein so wahr, so innig liebt.
Mag die Wollust nur die Rosen brechen,
Die sie lächelnd ihren Sklaven giebt.

Ich verachte ihre schnöden Freuden,
Und die Liebe, die mein Herz verrieth;
Bis mein Geist nach durchgekämpften Leiden
Zu dem Thron der reinsten Liebe flieht.
(S. 110-112)
_____
 

An Selmar

Ha! dieser süsse Aufruhr aller Sinnen,
Dies Drängen, Streben, Schmachten und Zerrinnen
In heissen Thränen, die die Liebe weinet
So uns vereinet,

Sie lässt uns nie der Ruhe Glück geniessen,
Bis Herz an Herz sich wonnevoll wird schliessen,
Und dieses Busens ungestümes Schlagen
Dir mehr wird sagen

Als tausend Worte dir bezeichnen können -
Wer kann das Unaussprechliche benennen? -
Vergebens streb' ich, Holder! dies Entzücken
Dir auszudrücken.

Im Flammenkuss, den der Geliebte küsset,
Den Aug' und Herz, ach! überall vermisset,
Und von dem Arm des Einzigen umwunden,
Wird sie gefunden -

Die längst verlor'ne und von uns ersehnte,
Als ich noch Selmar nicht zu lieben wähnte,
Und doch im süssen Wahnsinn ganz versunken
Ward Liebe trunken.

Wie strebt' ich da im Geist dich zu umfangen,
Am Gaumen stockte dieses Sprechverlangen,
Ich fühlte mich, in dir so ganz verlohren,
Wie neu gebohren.

Wann schlagen sie die lang ersehnten Stunden,
Die seligsten der zögernden Sekunden!
Wo ich dich, Selmar, trunken von Entzücken,
Ans Herz kann drücken?

Dann mag die Welt vor meinen Augen schwinden,
Ich werde Welt und Himmel in dir finden,
Im langen Kuss, den diese Lippen geben
Mit Wonnebeben.

Und würde mir der Todesengel winken,
Ich müsste noch den Kelch der Liebe trinken,
Durch ihn gestärkt, fühlt' ich ein neues Leben
Den Busen heben.

Ein Himmelreich scheint mir die ganze Erde,
Und federleicht die drückendste Beschwerde,
Seit dem die Glut, die unsre Herzen nähret,
Die Welt verkläret.

O, komm Geliebter! den ein Gott mir wählte,
Der unsre Seelen ewig treu vermählte:
Komm! und vergiss an Selma's treuem Herzen
Der Unruh Schmerzen.
(S. 81-84)
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Der Fusstritt des Geliebten

Ha! hör' ich recht? sind dies die leisen Tritte
Des Einzigen, dem dieses Herz sich weiht? -
Er kömmt! beflügelt sind die sanften Schritte
Von Sehnsucht und von Zärtlichkeit.

Er kömmt! ich fühl's an diesen starken Schlägen
Des armen Herzens, dem er alles ist.
Es klopft entzückt dem Augenblick entgegen,
Wo er die heisse Thräne küsst;

Die Thräne, die sich von der Wange schleichet,
Und halb beschämt auf einen Busen stiehlt,
Der, ach! von seinem holden Blick erweichet,
Nicht mehr sich unempfindlich fühlt.

Nein, mein Gefühl wird mit dem Daseyn enden;
Ich bin von neuer Lebensglut beseelt;
Und dankbar nehm' ich aus der Liebe Händen
Den Liebling, den sie mir gewählt.
(S. 61-62)
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Die Abschiedsstunde

Ha! welch' ein Kampf! von meinem armen Herzen
Reisst grausam mir des Schicksals Schluss
Den besten Theil: dich, Mann der Lieb' und Schmerzen!
Der mich verlassen muss.

Dir winkt ein Gott! – und trostlos hier zu weinen
Verhüll' ich mich in dunkle Nacht,
Bis einst der Tag der Freude mir wird scheinen
Der ewig ruhig macht.

Und bis dahin, will ich die schwarzen Stunden
Der Sehnsucht und Erinn'rung weihn,
Des Glücks mich freun, das ich bey dir empfunden,
Und deiner würdig seyn.

Und wenn der Schmerz die Geisteskraft ersticket,
Das Weib nur Liebe klagen kann,
Denk' ich: Dass die Entfernung dich beglücket;
Und dulde gleich dem Mann.

Doch die Natur siegt in den heissen Zähren
Die Stella dieser Stunde weint;
Und dies Gefühl wird, ach! so lange währen
Bis uns ein Gott vereint

Auf einem Stern, wo keiner Trennung Leiden
Das Herz mit Höllenqual durchdringt:
Wo im Genuss von unvergällten Freuden
Uns reine Liebe winkt.

Dort werd' ich mich von hoher Lust durchdrungen
Verkläret deiner Liebe freun;
Und wann ich hier einst glücklich ausgerungen
Dein Erden-Schutzgeist seyn.
(S. 147-149)
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Die Liebende in dem Fluss Silemnus *

Ha! wie ist mir? bin ich neu geboren?
Welche selige Verwandelung!
Hat sich wirklich meine Qual verloren,
Oder täuscht mich die Erinnerung?

Nein, ich fühl' ein neu'res bess'res Leben:
Sanfter fühl' ich meines Herzens Schlag,
Seit mir Kühlung diese Wellen geben,
Süsse Kühlung, nach dem schwülen Tag.

Wie? o Lieb! fühl' ich nicht mehr deine
Schadenfrohe, bittre Peinigung?
Ja, zurückgegeben ist mir meine
Würde, Selbstheit und Beruhigung.

Schnell entthronet wurde der Besieger
Meines Herzens; ach, ich sah' in ihm
Nur Cytherens listigen Betrieger,
Und schwur ewig – ewig ihn zu fliehn!

Dort, wo ihm das reinste Feuer brannte,
Auf des Herzens heiligem Altar,
Wann ich weinend den Geliebten nannte,
Und das Echo seines Namens war;

Dort verlöscht' im kühlen Wunderbade
Des Silemnus, jenes Zauberbild,
Welches noch am blühenden Gestade
Seines Flusses, dieses Herz erfüllt.

Habe Dank! du reine Götterquelle!
Mehr als Leben gabst du mir zurück.
Denn in deiner sanften Silberwelle
Find' ich wieder, mein verlornes Glück.

Das Idol der Lieb' ist hingeschwunden:
Statt des Gottes, seh' ich nur den Mann
Der sich treulos, selbst von dem entbunden,
Wovon Liebe nie entbinden kann.

Und im sanften Kräuseln deiner Fluten,
Fühl' ich, Liebe, mich von dir geheilt.
Heil, sey dir, Silemnus! nicht mehr bluten
Wird dies Herz, das fröhlich dir enteilt.

Nein! nie wird mich Eros mehr bethören!
O, jetzt lach' ich seiner Tyranney.
Keine Thräne wein' ich mehr Cytheren,
Denn, ich Glückliche! bin wieder frey!
(S. 216-218)

* Ein Bad in dem Flusse Silemnus wirkte
Vergessenheit der Liebe und des Geliebten.
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Das Wiedersehn

Ha, Wiedersehn! du schönster der Gedanken!
Du reisst die Seele aus den engen Schranken
Des Körpers, giebst ihr Kraft und Schwung
Zum Taumel der Begeisterung!

Durch dich gestählt, reichst du den bangen Herzen
Den Lethetrank für der Entfernung Schmerzen,
Und selbst der nicht empfangne Kuss
Wird durch die Hoffnung zum Genuss.

Die Liebe kann der Liebe im Entbehren
Mehr Süssigkeit, als Sinnenlust gewähren,
Denn das Entzücken, das sie giebt,
Bleibt von der Reue ungetrübt.

Im Geist' fühl' ich das ungestüme Streben
Des lieben Herzens mir am Busen Beben,
Das rein und treu sich mir geweiht
Bis zu der fernen Ewigkeit.

Auch dort soll noch die reine Flamme brennen.
Dort wird mein Geist den deinen schnell erkennen;
Und wird zu bessern Welten gehn,
Gestählt durch dich, o Wiedersehn!
(S. 74-75)
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Klagen an den Entflohenen

Hier ruht dein Bild auf meinem Herzen,
Du, Mann der Liebe und der Schmerzen!
Der jetzt voll Grausamkeit mich flieht. -
Du fliehst umsonst -! denn meine Seele eilet
Dem Manne nach, der das Gefühl nicht theilet
Das ewig mir im Busen glüht.

Ja fliehe zu den fernsten Zonen,
Lass Hass in deiner Seele wohnen,
Wo sonst nur Liebe für mich sprach:
Zerbrich, zerreiss' der Liebe süsse Bande
Und tödte mich: ich folge bis zum Rande
Des Grabes dir im Geiste nach.

Die Liebe kennet keine Schranken,
Im Tode selbst wird sie nicht wanken;
Sie bleibt sich ewig einerley.
Die Zeit kann nie dies reine Feuer mindern,
Kein Mensch, kein Gott! kann ihre Allmacht hindern,
Und felsenfest ist ihre Treu.

Mein ganzes Daseyn seh' ich schwinden,
Um mich in deinem ganz zu finden:
Ich leb' und denke nur durch dich! -
Dich nur allein seh' ich von allen Wesen
Des Weltenall's. – Was du mir bist gewesen,
Bleibst du mir unabänderlich!

Die Liebe trotzt des Schicksals Strenge,
Besiegt der Vorurtheile Menge,
Und stumpfet ab den Zahn der Zeit:
Sie lächelt schlau bey der Moral des Weisen,
Und spottet selbst des kalten Blut's des Greisen.
Ihr Ziel beschränkt die Ewigkeit.

Wer nicht so fühlt, der weiss und kennet
Die Liebe nicht, die selbst getrennet,
In ihrer ganzen Fülle Kraft,
Nur ewig nach dem Einen strebet,
Sich selbst vergessend, nur dem Einen lebet,
Der ihr die Welt zur Wüste schafft.

Ha! dieses Schmachten, dieses Streben!
Verzehrt die Kräfte von dem Leben,
Das der Verzweiflung sich geweiht:
Ach! ohne ihn das Dasyen zu ertragen,
Wer fasst den Schmerz? O, selbst der Hölle Plagen
Sind ja dagegen Seligkeit!
(S. 37-39)
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An den May

Holder Schöpfer süsser Triebe,
Junger wonnereicher May!
Glück und Hoffnung und die Liebe
Sind in dir mir ungetreu.

Nie wird dieses Herz empfinden
Deiner Wonne Seligkeit:
Reiz und Jugend sah ich schwinden
Vor der uns bestimmten Zeit:

Denn der Gram gab ihnen Flügel;
Und sein Mehlthau traf das Herz.
Keiner weisen Stoa Zügel
Zähmt der Seele wilden Schmerz.

May, dein schönster Tag ist trübe,
Deinen Zephyr fühl' ich nicht;
Weil der süsse Trost der Liebe,
Mir, Unglückliche! gebricht.

Deine Sänger auf den Bäumen
Singen mir nicht Lieb' und Scherz.
Wachend klag' ich, und in Träumen
Blutet mein verrathnes Herz.

Wird der Kampf so lange währen
Bis die letzte Kraft versiegt?
Bis, geschwächt durch Gram und Zähren,
Endlich die Natur erliegt? -

Komm, du letzter meiner Tage!
Todesengel komm herbey!
Mache mich von aller Plage
Und der Liebe Schmerzen frey!
(S. 92-93)
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Das Bad zu Aachen

Hygea winkte mir nach Aachens Wunderquellen,
Wo man Gesundheit hohlt, und, durch das Bad erneut,
Sich eines bessern Dasyens freut;
Ich aber floh die warmen Wellen,
Wovon ein seltsames Gerücht
Herum ging, und wovon ein neuer Barde spricht: *
"Man las in einer Chronik von Cythere **
(So lautet seine Nachricht) "Amor wäre
"Den Armen seiner Mutter einst entschlüpft.

"Kaum war, der Lose! fortgehüpft,
"So zog er durch die Welt; und wo er hinkam machte
"Sein Pfeil, dass jedes Herz in Liebe schmolz. Einst brachte
"Der Zufall ihn nach einer deutschen Stadt,
"Die von dem Wasser eines Quells den Namen hat, ***
"Der zwischen Schilf und Blumen reizend floss,
"Und endlich sich in einen Hain ergoss,
"Der ihn durch dichtes Laub versteckte,
"Bis ihn der grosse Karl auf einer Jagd entdeckte.
"Hier sah der kleine Gott – ach! eine Nymphe stehn,
"Wie Juno stolz, wie Venus schön.
"Die Spröde floh, so bald sie ihn ersehn;
"Er flog ihr nach: allein sie tauchte
"Sich tief in diese Fluth. Du sollst mir nicht entgehn!
"Er sprachs, warf einen Pfeil ihr nach: das Wasser rauchte. -
"Nun hört' er sie verliebt um Hülfe flehn.
"Er aber floh hohnlachend fort. –"

Noch wirkt der böse Pfeil auf diesem Wunder-Ort.
Der Kranke, der es wagt die Glieder hier zu baden,
Fühlt allzubald mit seinem Schaden,
Dass, von dem heissen Pfeil entzündet,
Die Heilkraft mit der Glut der Liebe sich verbindet.
(S. 41-43)


* S. Amusements d'Aix la Chapelle, tome III.
** Insel und Stadt der Venus geheiligt, welche davon den Namen Cytherea und auch Cythere führt.
*** S. Büschings Erdbeschreibung, 3ter Theil, Pag. 1008, wo Aachen Aquia granum, Aquae, und Urbs aquensis genannt wird.

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Der Kampf

Ich sah dich einst, und fand in deinen Blicken
Der Liebe wonnetrunkenes Entzücken,
Das schnell in meine Seele drang.
Dein ach! für mich beredtes Schweigen
Vermochte diesen Stolz zu beugen,
Den keine Rednerkunst bezwang.

Auf deinen frischen jugendlichen Wangen,
Geröthet von dem süssesten Verlangen,
Verschönert durch Bescheidenheit,
Sah ich den Kampf verschwieg'ner Schmerzen,
Und fühlte tief in meinem Herzen
Der Liebe ganze Seligkeit.

Ein namenloses unbekanntes Beben
Zieht mich zu dir, heisst mich dir widerstreben:
Vernunft und Liebe sind im Streit.
Ach, weh mir! wer wird überwinden! - -
Ihr Götter, lasst den Tod mich finden,
Wenn mir die Pflicht zu fliehn gebeut.

Ich will zum Schweigen ewig mich verdammen,
Ganz Kälte scheinen, voll von heissen Flammen;
Mein Blick soll stumm und fühllos seyn.
Doch wird es einst mein Liebling wagen,
Mir – zitternd – sein Gefühl zu klagen, - -
Dann, Götter, macht mich schnell zum Stein.
(S. 54-55)
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Stella an den Geliebten

Könnt' ich dein Herz für mich allein gewinnen,
Ich tauschte nicht mit grossen Königinnen;
Ich würd' entzückt den Rest von meinem Leben
Für deine Küsse geben.

O! fühltest du der Seele banges Schmachten,
Du würdest mehr auf Stella's Blicke achten,
Und nicht gleich einem Schmetterlinge fliehen,
Wo Rosen für dich blühen.

Zwar ist der Reiz von meinen bleichen Wangen,
Mein Lenz, mein Sommer mehr als halb vergangen,
Doch ist ein Herz mir in der Brust geblieben,
Um glühend dich zu lieben.

Soll ich um diese Glut für dich erröthen?
Das sanfte Streben der Natur ertödten?
Und gleich der Jungfrau in geweihten Mauren
Nur dulden, schmachten, trauren?

Es sey! – Mein Schicksal scheint mir zu befehlen
Des Herzens Wünsche sorgsam zu verhehlen;
Und nur in mitternächtlich bangen Thränen
Ergiesse sich mein Sehnen!

Dich, den ich liebe, ewig zu vermeiden,
Gebeut die Pflicht mir; ich, bestimmt zum Leiden,
Gehorche zitternd; will in stummen Klagen
Den Schmerz der Liebe tragen.
(S. 27-28)
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Der gestrige Abend

Selig! selig! die, so ganz versunken
Im Gefühl der Liebe, dir im Arme lag:
Ach, sie lauschte hoher Wonne trunken
Auf des Herzens stärkern Schlag.

Der dir, - Holder, den ein Gott mir wählte -
Mit der reinsten Liebe sanft die Brust durchbebt,
Und mich mehr, als Amors Neuvermählte,
Zu Elysium erhebt.

Frey von jedem sinnlichen Verlangen,
In dem süssen Einklang reiner Harmonie,
Fühlt ich Trauter! ach, von dir umpfangen
Unsrer Seelen Sympathie.

Nein, nie fühlt' ich, was ich dort empfunden!
Unaussprechlicher hat Liebe nie beglückt!
O, in dieser seligsten der Stunden,
Ward mein Geist der Welt entrückt.

Und durchdrungen von dem reinsten Feuer
Hob die Sterbliche zur Göttin sich empor:
Du allein beseltest meine Leyer
Mehr, als der Kamönen Chor.

Dir erthönen diese Silbersaiten,
Und mit einer nahmenlosen Lust
Fühlen wir, der Liebe Eingeweihten,
Schon den Himmel in der Brust.
(S. 130-131)
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Die Rose
an der Brust des Geliebten

Sie blühte einst an deinem lieben Herzen
So schön, und welkte schnell dahin: -
O, wär' ich sie, die Blumenköniginn!
So stürb' ich, statt in Trennungsschmerzen,
An deinem Busen, wo sie starb,
Und durch den Tod sich meinen Neid erwarb.
(S. 177)
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Hymne an die Venus

Sie kömmt! ich fühle meiner Göttin Nähe.
Noch eh' ich sie mit trunknem Blicke sehe,
Fühl' ich ein neues Daseyn, neues Leben,
Den Busen heben!

Sie lächelt himmlisch gütig auf mich nieder,
Sie nimmt das Opfer meiner kleinen Lieder
Mit Götterhuld, winkt freundlich mir entgegen
Der Liebe Segen.

Und schenkt mir Rosen, um mein Haar zu kränzen,
An deren Blätter Nektartropfen glänzen,
Entdorn't von ihr, gepflückt von ihrem Sohne,
Zu meinem Lohne.

"Von allen Schmerzen, die du einst empfunden,"
Sprach sie: "soll meine Dichterinn gesunden;
"Und singen sollst du in der Laute Saiten
"Die Seligkeiten,

"Die du im Arm des Lieblings hast gefunden,
"Mit dem ich dich im Myrtenhain verbunden,
"Der, wie Adonis, süsse Küsse giebet,
"Und feurig liebet!" -

Das Taubenpaar vor Venus Muschelwagen
Fing girrend mit den Flügeln an zu schlagen;
Sie schnäbeln sich, und Amor hob den Bogen
Scharf angezogen,

Und schoss den Pfeil, mit Honigseim getränket,
Mir in die Brust, die in Gefühl versenket,
Die Welt vergass, um ganz dahin gegeben,
Nur ihm zu leben.

Heil dir, Alliebende! vor deinem Throne
Wein' ich dir Dank, und deinem holden Sohne!
Und neide dir nicht des Olympus Freuden;
Mich musst du neiden.

In einem Meer von Wonne ganz versunken,
Fühlt deine Sängerinn sich nektartrunken,
Und zittert, ach! vom heissesten Verlangen,
Ihn zu umpfangen,

Ihn, der des Herzens schönste Wünsche stillet,
Das Ideal der Phantasie erfüllet,
Den Geist bezaubert und das Herz entglühet,
Das zu ihm fliehet.

Ha! wenn nur bald die Götterstunde schläget!
Die meine Sehnsucht ungestüm erreget,
Wo er an meinen Busen zärtlich sinket
Und Liebe winket.

Dann wird Entzückung ganz mein Ich durchdringen:
In seinem Arm werd' ich, wie Sappho, singen,
Und an der Liebe heiligen Altären
Dich, Göttin! ehren.
(S. 113-116)
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Klagen

Sind das wirklich, Liebe, deine Freuden,
Und der Lohn für meine Treu,
Dass der Hölle qualenvollstes Leiden
Meines Lebens Antheil sey?

Muss ich Thränen in dem Becher trinken,
Den die Liebe mir gereicht?
Und verzweifelnd auf ein Lager sinken,
Wo der Gram den Schlaf verscheucht?

Muss ich nur die Sklavenkette fühlen,
Die die Liebe um mich wand,
Um die Wuth der Zauberinn zu kühlen,
Der ich lange widerstand?

Ha! so mag sie ganz ihr Werk vollführen,
Bis dies Herz verzweifelnd bricht!
Sie zum Mitleid will ich nie mehr rühren,
Und auch lieben ewig nicht!
(S. 159)
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Abschied an Selmar

So nimm es hin, das Opfer meiner Thränen,
Das dir der bittre Schmerz betrog'ner Liebe bringt.
Sey glücklich! fühle nicht dies martervolle Sehnen
Des Herzens, das so qualvoll ringt.

Nie werd' ich dich und meiner Liebe fluchen,
Obgleich in meiner Brust die Angst der Hölle glüht:
Vergebens würd' ich jetzt mir Trost und Ruhe suchen,
Da beides mir mit dir entflieht.

Du raubtest mir – das mag dir Gott vergeben -
Was mir im Unglückssturm des Schicksals treulich blieb:
Den hohen Muth sich selber zu erheben,
Der mich zum edlen Dulden trieb.

Da sink' ich nun von meines Lebenshöhen
Durch deine Wankelmuth vernichtet, tief herab.
O, musst ich einst nur darum dich verstehen,
Um schnell zu reifen für das Grab?

Ich fand in dir, was ich so lang' vergebens
In Idealen mir geschaffen und ersehnt;
In dir, genoss ich jetzt des bessern höhern Lebens,
Worin der Mensch sich göttlich wähnt.

Und trauend ihm, dem schönsten der Phantome!
Lebt ich allein für dich, dir huldigte mein Herz;
Was that ich, Grausamer! dass du zu meinem Lohne,
Mir giebst der Seele höchsten Schmerz?

Du willst von mir nur Freundschaft nicht mehr Liebe;
Ists möglich! hör' ich recht? seit wann genügt sie dir?
O, der allmächtigste und süsseste der Triebe,
Ist ja der bessre Theil von mir.

Für dich allein durchglühte mich dies Feuer,
Das von der Gottheit stammt, und nur im Tod' erlischt:
Sey frey! kannst du es seyn – du bist mir ewig theuer,
Bis einst dein Bild das Grab verwischt.

Du findest nie, was du zurück gegeben;
Ein Herz so liebevoll, so ganz an dir gebannt;
So treu, so einzig dein, das selbst in jenem Leben
Mein Himmel ruht in deiner Hand.

Du brichst den Bund, und meine Thränen fliessen
Der bängsten Wehmuth voll auf dies zerriss'ne Herz. -
O, möchtest du sie einst aus Reue nicht vergiessen,
Aus Jammer über meinem Schmerz.

Wenn ich den Kampf bald überstanden habe,
Des Lebens Lüge flieht, die Wahrheit mich umgiebt:
Dann komm' und weine sanft auf meinem stillen Grabe
Um die, so dich zu heiss geliebt.

Du täuschtest sie, und raubtest ihrem Blicke
Der Liebe Ideal, das mich mit dir vereint.
Der Zauber ist gelös't, und nichts bleibt mir zurücke -
Ists möglich -! als ein kalter Freund?

Wohlan es sey! – zerrissen sey die Kette
Die stark und magisch sich um unsre Seelen schloss.
O, dass ich nie in dir den Mann gesehen hätte,
Dem glühend diese Thräne floss!
(S. 178-182)
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Sonst und Jetzt
an Selmar

Sonst weckte freundlich mich aus sanftem Schlummer
Dein süsser Kuss, zwar nur im Traum geküst;
Und frey von jedem Seelenkummer
Ward jeder junge Tag begrüst.
Jetzt, Selmar, flieht der Gott, den Mohn umkränzet,
Das Lager, wo mein Auge schlaflos weint,
Bis mir Aurora's Purpur glänzet,
Und Phöbus wieder scheint.

Sonst schlug mein Herz vom seligsten Entzücken
Bey jedem Brief, der Treue Unterpfand;
Und, ach! mit wonnetrunk'nen Blicken
Küsst' ich die Züge deiner Hand.
Jetzt beb' ich angstvoll, wenn nach langem Sehnen
Ein kurzes Briefchen meine Sorge stillt!
Und zitternd brech' ich unter Thränen,
Der Treue sprechend Bild.*

Sonst, Selmar, wenn ein Gott dich zu mir brachte,
Las ich in deinem seelenvollen Blick
Dein Herz, das mich so selig machte,
Und in ihm meines Daseins Glück. -
Jetzt sieht dein Auge kalt und unbefangen
Den bittern Kampf, den unbesiegten Schmerz,
Die Thräne rollt von meinen Wangen
Und rühret nicht dein Herz.

Sonst sank ich dir, mein zweytes bessres Leben!
In deinen Arm, an deine treue Brust;
Ich fühlte deines Herzens Beben
O, Gott! mit namenloser Lust. - -
Jetzt seh' ich dich, - ist's möglich, es zu tragen? -
Dem Felsen gleich, erkaltet neben mir,
Dich rühren nicht mehr Selma's Klagen,
Gefühllos zürnst du ihr.

Sonst fühlten wir, bey tausend Feuerküssen
Das höchste Glück, für diese Welt zu gross!
Durft' ich in meinen Arm dich schliessen,
Dann pries ich göttergleich mein Loos!
Jetzt drück' ich dir, ach! übermannt von Schmerzen,
Nur leis' und schüchtern die geliebte Hand,
Kein Gegendruck giebt Trost dem Herzen,
Das alles in dir fand.

Sonst – Nein, ich will - ich muss mich dir entziehen,
Erinnerung, die grausam mich durchdringt!
Ach! könnt' ich vor mir selbst entfliehen,
Dann eilt' ich Jetzt auf leichter Winde Flügel,
O, Selmar! voll von meiner Liebe Pein,
Hin auf Leukadens Felsenhügel,
Dem Tode mich zu weihn.
(S. 196-199)

* Das Petschaft stellte ein Hündchen, das Symbol der Treue vor.
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An den Mann der Liebe

Süsser Liebling! Dich nur zu erblicken
Ist der Wunsch, der meine Seele füllt,
Jeder Puls schlägt feuriges Entzücken
Wann der Zufall diese Sehnsucht stillt.

Und doch bist du immer mir zugegen,
Wann dich gleich mein Aug' und Herz vermisst:
Ungeduldig schelt' ich dann den trägen
Stundenlauf, wo du nicht bey mir bist.

Wachend denk' ich dein, und seh' dich immer
Vor mir schwebend, wie dein süsses Bild
Jeden Raum in diesem kleinen Zimmer,
Jede Faser meines Herzens füllt.

Schlafend kann mich nur ein Traum beglücken,
Der dich, Bester meinen Armen giebt,
Wo ich dich an diesen Busen drücken,
Und dir sagen kann: wie die dich liebt,

Die auf dieser ganzen weiten Erde
Nur allein für dich, Geliebter! glüht;
Und des Lebens drückendste Beschwerde
Gerne trägt, und jeden Schimmer flieht.

Die den Fürsten ihre Hoheit gönnet,
Und sich glücklicher in Hüten preist,
Wenn sie, Holder! nie von dir getrennet
Die Geliebte, des Geliebten, heisst.

Dann mag die Natur aus ihren Fugen sinken,
Welten wieder in ihr Nichts vergehn;
Und des Himmels Seligkeit mir winken, -
Nur dich, Mann der Liebe! werd' ich sehn!
(S. 79-80)
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An Selmar

Vergessen soll ich dich? Ist's möglich, dich vergessen
Den einzig diese Seele denkt? -
Kannst du den tiefen Schmerz, die Herzensangst ermessen,
In der du grausam mich versenkt?

Schienst du nicht ganz für mich, und ich für dich geboren,
Beseelte uns nicht ein Gefühl?
Der Liebe ward kein Eid an dem Altar beschworen,
Denn ewig ist der Treue Ziel.

Die niedre Erde schwand, vor unsern trunknen Blicken
Enthüllte sich ein Himmel mir;
Ein süsses Vorgefühl von göttlichem Entzücken
Der Seligen fand ich bey dir.

Der Liebe Hochgefühl durchbebte mich am Throne
Der Gottheit, wo ich niedersank:
Ach! du war'st mein Gebet! dich heischt ich mir zum Lohne
Des Lebens, in der Leiden Drang.

An deiner treuen Brust, du Mann der Lieb' und Schmerzen!
Glaubt' ich zu finden Trost und Ruh';
Und itzt reisst du dich los von diesem wunden Herzen,
Dich lassen soll ich, forderst du!

Unmöglich ist es mir, ich kann dich nie verlassen
So lang' in mir ein Puls sich regt:
Vergessen kannst du mich, mich kränken und mich hassen;
Die Liebe duldet, leidet, trägt.

Dem schwachen Baume gleich, zerrissen von den Stürmen,
Entwurzelt durch des Wassers Fluth,
Sink' ich, indessen sich aufs neue Wetter thürmen,
In eine Nacht, wo alles ruht.

Wo die Vergessenheit den Kelch mit Lethe füllet,
Das Herz nicht blutet, Alles schweigt;
Des Grabes Dunkelheit dies matte Aug' umhüllet,
Kein Gram die Seele niederbeugt.

Dort harret einst mein Geist, wenn du dich spät entwunden
Der Erde, dann noch liebend dein;
Und unzertrennlich wird mein Geist mit dir verbunden
Durch alle Ewigkeiten seyn.
(S. 174-176)
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Sehnsucht der Liebe

Wer schildert sie des Herzens reine Wonne
Die mich durchbebt, wann endlich sich die Sonne
In Dunkel hüllt, und mir der Stern erscheinet,
Der uns vereinet.

Dann fliehen sie, die lang' ersehnten Stunden,
Bey dir dahin, als wären sie Sekunden,
Ich spähe nur in deinem süssen Blicke
Nach meinem Glücke.

Ja, ewig wird mein ganzes inn'res Leben,
Sey, wo du willst, zu dir, Geliebter! streben;
Und dieser Geist wird liebend dich begleiten
Durch Ewigkeiten.

Dann werd' ich dort, wo reine Liebe thronet,
Durch dich vielleicht auf einem Stern belohnet,
Wo Liebende, die Geist und Herz verbinden,
Sich wieder finden.

Und mit verjüngter, Engel gleicher Liebe,
Empfinden wir die seligsten der Triebe;
Und trinken dort, im hohen Himmelssaale,
Die Nektarschale.

Allein dein Kuss wird süsser mich beleben,
Als Nektar, den die guten Götter geben:
Entküss' ich ihn nicht in der nächsten Stunde
Von deinem Munde?
(S. 142-143)
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An den Liebling bey dem Heere
Im fremden Namen

Wo bleibt mein Freund? Wo strahlen seine Blicke
Von edlem Ehrgeiz angeglüht?
Wo bleibt er, dass ich an mein Herz ihn drücke,
Das ihm so heiß entgegen flieht?

Er kömmt! er kömmt! ich fühl's; - denn unter allen
Erles'nen Helden seiner Schaar,
Seh' ich die weisse Feder stolzer wallen,
Die seines Huthes Zierde war.

Schon fleucht sein Ross mit eines Sturmwinds Flügel:
Das edle kriegerische Thier,
Kennt seines Reiters Wunsch, es fleucht vom Hügel
Herab, und bringt ihn her zu mir. -

Sey mir gegrüßt, mein Stolz und meine Krone!
Von einem Gott mir zugesandt,
Aus deiner heißen mütterlichen Zone,
Zu der Columbus Wege fand. *

Ich seh', dein Auge blitzt ein doppelt Feuer,
Von Lieb' und Tapferkeit entflammt:
Mir strahlt es Lieb und Tod dem Ungeheuer,
Das von Lernäens Hydra stammt.

Die Heldentugend winkt dir gleich Alciden:
Ich seh's, dass du entschlossen bist;
Ich seh', dir ist der Ehrenkranz beschieden,
Der meines Lieblings würdig ist.

Horch! horch! es tönt der Aufruf schon zum Streite.
O, dass ich dir nicht folgen kann! -
Nimm mit, was dir gehört, nimm deine Beute,
Mein zärtlich Herz, und kämpf' als Mann!
(S. 34-36)

* Der Gegenstand dieses Gedichts war ein geborner Amerikaner.
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Alle Gedichte aus: Neue vermischte Gedichte von
Susanne von Bandemer gebornen von Franklin
mit dem Bildnisse der Verfasserin
Berlin 1802


 

Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Susanne_von_Bandemer



 

 


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