Cathinka Serafina Bergmayr (1814-1843) - Liebesgedichte



Cathinka Serafina Bergmayr
(1814-1843)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 


 




Der Liebe Rosen

I.

Einst nahte mir die Liebe, und bot mir Rosen an;
Ich wollte nicht verschmähen, wie ich so oft gethan.

Da nahm ich von den Blumen, und wand sie mir zum Kranze
Die Augen fest geheftet auf ihrem Farbenglanze.

Und schöner, immer schöner sah ich sie auferblühn,
Als wollte durch die Augen in's Herz ihr Zauber ziehn.

Doch als ich nun geendet zum Kranze sie zu binden,
Wollt' ich zum höchsten Schmucke ihn in die Locken winden.

Mit tändelndem Verlangen ziert' ich mir Kleid und Haar,
Und freute mich des Scherzes, der mir so selten war.

Da kehrte sich die Liebe zu mir in ernster Weise,
Und hielt mich fest gebannet in ihrem engen Kreise:

"Nicht für die Locken hab' ich die Rosen dir geboten, -
Sie sollen sich verschlingen zum festen Liebesknoten!"

"Nicht dein Gewand zu schmücken, sind sie dir zugedacht;
Dient dir zu so Geringem die holde Zauberpracht?"

"Nicht einen Kranz zu winden dem sinnlichen Verlangen
Und in der Freude Tempel ihn jubelnd aufzuhangen,

Gab ich dir die Symbole der süßen Liebeslust -
Es darf sie nur empfangen die unentweihte Brust."

Da nahm ich, tieferbebend, die Rosen aus den Haaren,
Um sie verschämt zu bergen, wo sie so gerne waren.

Und nahe meinem Herzen ließ ich sie freundlich ruh'n,
Nicht Ursach' gab's, zu fürchten solch unschuldvolles Thun.

Doch als ich sie nun emsig an dieser Stelle pflegte,
Da war's, wie wenn ein Zauber urplötzlich mich bewegte.

Jed' mögliche Empfindung war in mir aufgegangen,
So ungehoffte Freuden - wie nie geahntes Bangen ...

Der Rosen Wurzeln rankten sich tief in's Herz hinein;
Sie sogen dort die Säfte für ihre Blumen ein,

Und holten dort die Schätze, aus dem verborgnen Schrein.
Licht, Wohlgeruch und Leben, sie dankten's ihm allein. -


II.

Als ich sie nun so üppig zu mir herangezogen,
Sah ich sie mit Entzücken an meinem Busen wogen.

Da nahte sich die Liebe, und sah die Rosen an,
Gar viele wollten mit ihr, in dem Gefolge, nah'n.

Und in Gerüchen schwelgen, mit Rosen-Reizen kosen,
- Da haben ihre Kelche sie niemals aufgeschlossen!

Doch sieh! die Liebe brach sich von diesen Rosen ab:
Erstaunend sah ich's, wie sie sie hin an And're gab!

Wie Liebe mit den Blumen gar Manchen reich bedachte, -
Doch niemals gleiche Gabe zurück mir wieder brachte.

Wie sie die Rosen pflückte - voll süßen Thaues schwer -
Doch an dem Herzen blieb mir die Stelle öd' und leer!

Ich hörte laut den Werth der Rosen sie verkünden,
Doch niemals ließ sie mich die gleich Werthvollen finden ...

Da hab' ich denn zur Liebe mich klagend hingewendet:
Hör't noch, was ich ihr sagte - dann ist mein Lied geendet!

""Willst du nur Schmerz mir bieten - und Andern nur die Lust?
Für was trag' deine Rosen ich an der treuen Brust?""

""Die Wurzeln mit den Dornen hast mir in's Herz gesenket,
Der Blume Wohlgerüche an And're nur geschenket.""

""Da kann ich wohl entbehren, so Ungunst, als die Huld;
Es blieb ja meine Seele befreit von jeder Schuld!""

""Denn, Schätze hinzugeben, um mind're zu empfangen -
Solch seltner Tausch, in Wahrheit! ist schwierig zu erlangen.

Und weißt du wohl, wie wenig ich deine Schmerzen fürchte?
Nicht will ich das verweisen, was einst mein Glück verbürgte.

Was ich in's Herz gegraben - mit Stolz will ich's erhalten -
Hab' ich's so hoch gewürdigt - will ich auch nicht erkalten.""

""Doch deine Rosen mag ich nicht ferner Andern geben,
Will ohne solche Liebe, und - ohne Kummer leben!""
(S. 99-105)

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Liebespoesien
Erster Kranz

I.

Angedenken

Träumen von Glück - aufsteh'n zu Sorgen
Ist Jedes Loos, der lebt und liebt - -
Byron

Wenn die reinen Abendlüfte
Mich geheimnißvoll umrauschen,
Und die tiefsten Seelenkräfte
Ihrer Geisterstimme lauschen,
Wenn ein süßes leises Klingen
Mir nur hörbar - mir allein,
Meinem Ohr' vorüber ziehet:
Denk' ich - Freund! - ich denke dein!

Wenn sich der ital'sche Himmel
Im azurnen lichten Bogen
Über deinem Haupte wölbet,
Wenn dein Geist sich angezogen
Fühlt, von hoher Schönheit Formen -
Tadellos und mängelrein -
Sprich! denkst du in der Umgebung
So, wie du versprachst, noch mein?

Wenn im einfach schönen Liede
Tönen inn'ger Freundschaft Worte,
Die ergriff'nen Saiten beben
Vom melodischen Accorde,
Liebliche Erinnerungen
Wieder meinen Geist erfreu'n,
Mich wie Genien, mild umschweben:
Denk' auch ich, ich denke dein!

Wenn du zum Cypressenhange
Sinnend deine Schritte lenkest,
Und den weitentfernten Theuren
Dann ein freundlich Grüßen schenkest,
Wirst du wohl von diesen Blüthen,
Auch mir wieder eine weih'n,
Werd' ich deinen Gruß empfangen,
Oder denkst du nimmer mein?

Glühend sinkt der Sonnenwagen
In den Ocean, den fernen,
Und die Himmels-Bilder tauchen
Auf, mit ihren goldnen Sternen;
Auch sie bleichen und verlöschen
Durch Auroras Purpurschein -
Doch in diesem ew'gen Wechsel
Bleibt mein Angedenken dein!
(S. 133-135)

_____

II.

Sehnsucht

Der Himmel ist so klar, so hell,
Kein Wölkchen trübet ihn;
Es rieselt frisch und froh der Quell,
Die Wasser, sie fliehen dahin.
Und Blümlein stehn am Ufer dort
So lieblich anzuschau'n, -
Mich zieht es fort
Zum lieben Ort,
Mir eine Hütte zu bau'n.

Wer ist es doch, der mit mir fühlt,
So wunderbar - so tief -
Der liebevoll erkennen will,
Was so lange schon in mir schlief?
Der meiner denkt in Einsamkeit,
Der mit mir Freude theilt,
Dem Einsamkeit
Entzücken beut -
Weil bei mir sein Gedanke verweilt?

Wohl heil'ge Treue weih' ich dem,
Der also mich erkennt,
Und der mit nie empfundner Lust
Seine einzige Liebe mich nennt!
Mein reines Herz beklagt sich nicht,
Weil schnell dies Glück entflieht;
Ein Zauberlicht
Entschwindet nicht:
Das in dem Auge geglüht!
(S. 136-137)

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III.

Liebes-Räthsel

Einst schöpft' ich neu die Hoffnung:
Ich fände wieder mich
In dir - in deinen Augen
Erblickt' ich mich, und dich;
Doch war es ein Versehen,
Der Zauber ist gebannt, -
Wie mir schon oft geschehen,
Hatt' ich auch dich verkannt. -

Viel' Tage sind verronnen,
Bis ich dich wiedersah,
Und als ich dich gesehen,
Da warst nicht du mir nah'.
Jetzt bist du weit entfernet,
Weit, über Land und Meer,
Doch als du nah' gestanden,
Warst du mir auch nicht mehr!

Mit bangen Staunen denk' ich
Des Raumes, der uns trennt,
Und lausche stumm der Kunde,
Wenn man, mein Freund! dich nennt!
Seit kurzem darf dein Name
Die Lippe nicht berühren, -
Ich mußte wiederfinden
Um ewig zu verlieren.

Denn, was du mir betheuert,
Begreift die Seele nicht;
Es war zu viel - zu wenig,
Zu dunkel und zu licht.
Nur dieses Eine wurde
Mit bittrem Schmerz mir klar:
Du hast an mir gezweifelt,
Als ich geschieden war.

Und weil du denn so wenig
Mich treu und fest geglaubt,
So hat dir erst dies Zagen
Das treuste Herz geraubt.
Und weil du meine Worte
Nicht faßtest, ihren Sinn,
So nimm jetzt deine Liebe -
Nimm sie - ich geb' sie hin!

Und dennoch, ob ich fühle,
Daß du für mich verloren,
So wird mir die Erinn'rung
Doch täglich neu geboren! -
Wer löset mir dies Räthsel
Und gibt dem Dunkel Licht?
Uns trennet halb Europa -
Und ich - vergaß dich nicht! -
(S. 138-140)

_____

IV.

Vorsatz

So kannst du mich betrüben!
Mein Leben und mein Lieben
Es muß sich wieder flüchten
Ins Innerste hinein.
Du konntest mich verkennen
Mein reines Herz mißdeuten,
Drum will ich streng dich meiden
Und nimmer bin ich dein.

Warum ich dich erwählte,
Dein Auge mich beseelte
Und meine Wangen glühten
Bei deinem Wiedersehn, -
Warum du in mir Liebe
Vermochtest zu erwecken,
Werd ich dir nie entdecken:
Du kannst es kaum versteh'n.

Es wird der Schmerz vertoben,
Wenn sich der Geist erhoben
Mit seinen starken Schwingen,
Zu seiner würd'gem Ziel'.
Und Serafina wurde
Zu solchem nur geboren,
Doch das, was du verloren -
Es ist unendlich viel!
(S. 141-142)

_____

V.

Was ist die Liebe?


Was ist die Liebe? Jenes starke Band
Das Herz in Herz, und Seel' in Seele einet.
Ein Sühnungsbogen nach Gewittersturm.
Die Frucht des Glaubens. Das Symbol der Treue.
Der Wahrheit Bote. Des Betrübten Tröstung.
Und des Verirrten Stern in dunkler Nacht.

Was ist die Liebe? Das Gefühl der Brust,
Das wärmer, als der Freundschaft Stimme, redet,
Das lauter, als der Ehrgeiz, in ihr spricht,
Das mächt'ger, als die Furcht, das Herz beherrschet,
Das, - auf der Hoffnung Flügel fortgetragen
Sich über Grab und Moder aufwärts schwingt!

Sizilianische Romanze, v. Riama

Was ist die Liebe? fragt nicht so mein Herz,
Das eben ihre junge Kraft empfunden.
Ist dies die Liebe, die es heimgesucht?
Dann wünscht es schnelle wieder zu gesunden.

Ist Liebe dieses schüchtern bange Zagen
Was Geist- und Körper-Stärke hemmt und lähmt,
So lange uns die Lieb' in's Auge schauet,
In's Auge - das sich birgt - so hold verschämt?

Ist Liebe diese wollustvolle Qual,
Die nach der Trennung unser Selbst umstricket,
Daß man nicht weiß: ob mehr des Scheidens Weh'
Uns schmerzt - als das "geliebt zu sein!" beglücket?

Ist Liebe dieser mag'sche Zaubergriffel
Der unsrer Seele Augen auferweckt,
Um sie zu blenden mit dem Licht, dem ew'gen, -
Und plötzlich dann mit schwarzer Nacht bedeckt?

Dies ist die Liebe? - O dann ist sie mehr
Als Edens-Lust - und mehr als menschlich Leiden!
Dann ist sie uns ein doppeltscheinend Gut,
Um welches Himmel noch und Erde streiten!
(S. 143-144)

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VI.

Seinem Bilde

Niemals hab' ich mich so sehr gesehnet,
Mich in deine Augen zu versenken
Als wie jetzt, wo es doch Thorheit wäre,
An ein trautes Wiederseh'n zu denken;
Jetzt, wo ich die Hoffnung aufgegeben,
Muß dein Bild für mich, statt deiner leben.

Niemals hat es mich so sehr gedränget
In dein liebes Angesicht zu schauen,
Denn die Gegenwart durft' ich nicht zählen
Und der Zukunft wollte ich vertrauen -
Jetzt, wo nur Vergangenheit geblieben,
Sprich! muß ich dein Bild nicht doppelt lieben?

Denn die Hälfte habe ich verloren
Von dem Himmel, den ich mir erwählet,
Habe ich doch meinen liebsten Freuden
Eine schön're Zukunft zugezählet!
Niemals konnte Gegenwart dies bieten -
Die Erinnerung blieb d'rum vermieden.

Aber jetzt, wo in vergang'nen Zeiten
Meine Seele ihre Nahrung findet,
Weil der trügerische Schein der Hoffnung
Langsam weichet - immermehr entschwindet -
Jetzt ist mir dein Bild der Stern, der helle,
Den ich hin an meinen Himmel stelle.

Jetzt ist es dein Bild, um welches Liebe,
Gram und Tröstung sich geduldig reihen,
Welchem sich des feuchten Auges Blicke
Und die bangen Herzensschläge weihen, -
Deinem todten Bilde will ich geben,
Was beglücken könnte manches Leben!
(S. 145-146)

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VII.

Verwandlung

Wenn ich deinen Brief entfalte,
Den du weit mir hergesendet,
Muß ich glauben, muß ich meinen,
Daß mein Herz sich ganz gewendet!
Denn es schlägt mit leisem Pochen
Deiner lieben Schrift entgegen;
Glaubt' ich doch vor wenig Wochen:
Nimmer könntest du's bewegen!

Wenn ich dieses Blatt betrachte,
Das auf wilden Meereswogen
Als ein Bote treuen Sinnes
Kam zu mir herangezogen,
Das durch viele Länder eilte,
Längst Gehörtes zu erneuern,
Fühle ich ein heißes Drängen,
Dir das Gleiche zu betheuern!

Wenn ich diese Worte lese,
Die aus deinem Innern quellen,
Fühl' ich meine Kraft erschüttert,
Sehe Düst'res sich erhellen.
Denn das Tiefste - Seelenvollste
Der Empfindung ist dir eigen,
Und es soll mich nicht beglücken,
Das wir uns so völlig gleichen?

Alle deine Worte suchen
Einem Sinne nachzustreben,
Doch in immer neuen Bildern
Strömt aus ihnen reges Leben.
O wie reich ist diese Sprache,
Und wie lieb sind diese Laute!
Wohl ist's mehr, als zu entschuld'gen,
Wenn ich ihnen ganz vertraue!

Wenn ich diese Blüthe nehme,
Will ich an mein Herz sie schmiegen,
Ihr die Heimath zu ersetzen,
Deinem Willen zu genügen.
Unter Myrthen und Orangen
Hast du sie für mich gepflücket -
Was nicht Worte sagen können,
Sinnvoll durch sie ausgedrücket.

Und du sagst mir: es sei Alles,
Was ich wollte, d'rauf zu lesen, -
Tauschest so mit meiner Seele,
Senkest so dich in mein Wesen!
Meinem eignen Willen also
Hast du dich anheimgegeben,
Denn du weißt es, daß nur fester
Sich dadurch die Bande weben.

Sieh! so weckest du mein Herz, zu
Unruhvollen lauten Schlägen,
So weißt du dein Bild der Seele,
Neu geschmücket, einzuprägen.
Ach, was ich noch mehr empfunden
Will ich dir nicht eingestehen,
Aber wär'st du nun mir nahe,
Könntest du es deutlich sehen!

Und weil du, von Glanz umgeben,
Der so manches Auge blendet,
Dennoch dich zur wahren Ehre
Edler Denkungsart gewendet,
Und weil du, so weit entfernet
Mein gedacht, - für mich gelebet -
So hab' ich seither nach höhern
Freuden nimmermehr gestrebet,

So vermag nur solcher Liebe
Himmelsstrahl mein Herz zu rühren,
Das nur einem Schmerz erläge:
Dich, o Theurer! zu verlieren!
Doch vermögen Ströme, Meere,
Länder, Menschen, uns zu trennen?
Nein! - im Sturmflug der Gedanken
Darf ich uns vereinigt nennen! -
(S. 147-150)

_____


VIII.

Dem Entfernten

"Ach, laß uns lernen, was die irdische Liebe sein soll -
Etwas so Reines wie das Licht, so Friedliches
wie die Unsterblichkeit, wachend über der stürmischen Welt,
die sie überdauern soll, und hoch über den darunter
hinstreichenden Wolken und Nebeln.
Laß kleine Seelen in das heiligste Gefühl alle Unruhe
und Bitterkeit des gemeinen Lebens hineinbringen!
aber uns laß lieben als Wesen, die dereinst Bewohner
der Sterne seyn werden!" - Bulwer


Wo weilest du? - Und hältst mich noch gebunden,
Wie schnell dich auch entführt der Rosse Huf? -
So haben denn die allzuflücht'gen Stunden
Noch nicht verweht den letzten Abschieds-Ruf,

Der leise und gepreßt der Lipp' entglitten,
Als sich das "Müssen" zwischen uns gestellt,
Und achtungslos den Knoten rasch zerschnitten,
Der uns entbehrlich machte eine Welt?

Ich weiß es nicht, wo jetzo du verweilest,
Doch dieß weiß ich, daß du an mich gedenkest,
Wie weit du auch, gezwungen nur, enteilest,
Die schönsten der Erinn'rungen mir schenkest.

Und weil ich dieses weiß, so will ich pflegen
Die Geistesblüthen, die dir so gefallen,
Und will für dich allein zurück sie legen,
Daß keine du vermissest einst von Allen.

Und bis du wiederkehrest, will ich klagen,
Und Worte geben einem herben Schmerz,
Denn nicht in stiller Fassung zu ertragen
Sich zwingen läßt mein so verwöhntes Herz.

Mit dir ist ja das Zauberland entschwunden,
Das mir erblühte unter deinem Fuß -
In wüster Öde hab' ich mich gefunden,
Und folgenlos verhallt mein Liebesgruß!

Denn wenn auch deine Hand das, was gewesen,
Und was noch jetzt ist - alles wiederholet,
Wenn sich auch, hab' das Theure ich gelesen,
Die Seele schnell von jedem Gram erholet,

So schwindet doch gar bald dies süße Trösten
Und bange Zweifel treten an die Stelle,
Die früher schwer sich von der Seele lösten.
Der Glücklichste - er fürchtet Wechselfälle.

Es lag einst unwillkürlich in den Zügen
Dir alles das, was du für mich gefühlt;
Ich durfte nicht erbangen, mich zu trügen,
Du hättest ein zu hohes Spiel gespielt!

Du wolltest deine Liebe mir verkünden,
Und so, wie du empfandest, gabst du dich -
So muß ich denn mich enge dir verbünden,
Dein Wesen nur hat einzig Reiz für mich!

Darum enteilt mein Geist zur weiten Ferne
Und suchet dort sich dein so liebes Bild! -
Ich denke diese Züge mir so gerne:
Denn Liebesblick, so glühend und so mild,

Das bedeutungsvolle sprechende Verstummen,
Das mehr noch, als das Wort der Liebe war,
- O niemals läßt sich diese je vermummen,
Durch Alles wird ihr Zauber offenbar!

Doch nicht nur offen - bleibend muß er werden!
Wenn auch, was man mit ernstem Sinn erwählte,
Die Stürme dieses Lebens einst verheerten,
So ist's dasselbe doch, was uns beseelte.

Und dieses kann zu ew'gem Glück genügen,
Kann uns erheben über Schmerz und Trennung -
In unsrer Geister gleichen raschen Flügen
Wird ja uns Beiden sichre Anerkennung!

Und wenn ich sinnend also dies bedenke,
Empfinde ich des Friedens holdes Nah'n,
Und nehme zu dem theueren Geschenke
Der Freundschaft, schüchtern das der Liebe an.

Mir dies zu denken, ist mir ja geblieben -
Geblieben ist, zu leben nur in dir -
Zu zählen dich zu meinen liebsten Lieben,
Ob du entfernet bleibest, oder hier! -
(S. 151-155)

_____

Zweiter Kranz

I.

Liebe

Liebe! - heil'ge, wunderbare
Kraft der Seele! Endlos wirket
Deine Macht, und angezündet
An des Himmels nie verloschner Leuchte
Ist das Feuer, welches du entfacht.

Liebe! Einzig Gut,
Das werth des Lebens,
Wie das Leben werth der Lieb' nur ist!
Einzig Gut, das lohnt des Todes Schrecken,
Das des Sterbens und des Lebens Jammer
Aufwiegt, mit des Paradieses Wollust!

Liebe, Lichtgebild, das blendend,
Plötzlich, einen farbenreichen Garten
An die graue Wand des Daseins malt.
Fähigkeit, von keinem Geist begriffen,
Ungelöstes Räthsel der Empfindung,
Die des Körpers Adern rasch durchströmt -

Liebe! heil'ge, wunderbare
Kraft der Seele -
Göttlich bist du!!
(S. 156-157)

_____

II.

Eigner Sinn!

"Nicht will ich küssen, wie die Andern,
Die frischen, purpurrothen Lippen:
Bei Amors frohem Göttermahle
Will ich mir eignen Nektar nippen.

Ich will nur küssen deine Hände
Mit ihren ros'gen Fingerspitzen,
Die dunkelblauen Liniamente,
Wo die Orakelsprüche sitzen.

Will küssen deine reichen Locken,
Die von den zarten Schläfen wallen,
Um zephyrleicht, und doch beschwerend
Hernieder auf mein Herz zu fallen.

Will küssen deine hohe Stirne,
Auf welcher alle Reitze thronen,
Verstand und Demuth, Lieb' und Treue
Beseligend beisammen wohnen.

Will küssen deine dunkeln Augen
Mit ihren wunderbaren Blicken!
O! wagt es nicht, hineinzuschauen -
Sie werden euch der Welt entrücken!"
(S. 158-159)

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III.

Kraft der Liebe

Die Liebe sprach: "ich will dir Vater sein -
O komm' zu mir, und schlummre bei mir ein!
Gar gut zu ruh'n ist's an des Vaters Brust,
Die Sicherheit gibt Ruh' und Traumeslust."

"Und blickst du wachend dann zu mir empor,
Und lauschet meinem Willen dann dein Ohr,
Dann breite ich den Mantel meiner Huld
Weit über dich, und hüte dich vor Schuld." -

Die Liebe sprach: "ich will dir Bruder sein -
Denn nur dem Bruder ist das Recht allein:
Die Schwester führen auf dem Lebenspfad,
Die Schwester schirmen, wenn Gefahr sich naht."

"Dann küsse ich mir dein geliebtes Haupt,
Dann wird's von mir mit duft'ger Ros' umlaubt,
Dem Fuße breit' ich einen Teppich vor,
Wenn er sich je auf stein'gem Weg' verlor." -

Die Liebe sprach: "dein Kind - ich möcht' es sein -
Sei du die herzgeliebte Mutter mein!
Bin ich dein Kind, so flücht' ich mich zu dir,
Und folge willig, ich gelob es dir!"

"Und sei es auch, daß ich nicht artig war,
Wie's oft geschieht in munt'rer Kinderschaar,
Und glänzt mir dann ein Thränlein bittrer Reu', -
So strafst du nicht, es sieget Muttertreu'!" -

Ich aber sprach zur Liebe: Alles dieß,
Ich hab' es ja schon sicher und gewiß!
Die Liebe, die ich liebe, hat die Kraft
In sich zu einen jede Eigenschaft.

Ist der Geliebte denn nicht Vater mir
Dem jubelnd ich gehorche für und für?
Die ächte Liebe wahret stets vor Schuld,
Und bändigt streng des Lebens Ungeduld.

Ist er nicht Bruder - Schirmer, wenn es gilt -
Der der Verwöhnten jeden Wunsch erfüllt?
Nie ist die Ros' von schön'rem Roth beseelt,
Als wenn die Liebe sie zum Schmuck gewählt.

Und ist er nicht ein schmeichelnd holdes Kind
Mit fest-verbundnem Aug' - die Lieb' ist blind -
Ich leite es mit treuem Liebeswort,
So wandeln wir, beglückt, beglückend, fort.

O wenn du kommen willst nochmal zu mir
In anderer Gestalt, als die schon hier -
Dann stelle dich als Todesengel ein
Und öffne mir die Pforte, eng und klein!

Sieh', dieses nur kann der Geliebte nicht -
Er kann nicht mit mir zieh'n zum Sternenlicht!
O hülle dich in Obaddons Gestalt,
Und tödte so des Todes Allgewalt!!
(S. 160-163)

_____

IV.

Auf dem Meere!

Auf dem Meere, auf dem Meere
Möcht' ich sein mit meiner Liebe;
Daß sie nur mein eigen bliebe,
Schweben auf der grünen Fluth!

Schifflein möcht' mein Haus ich nennen
D'rin ich meiner Liebe diene,
Emsig, ruhlos, wie die Biene
Ihrer einz'gen Königin.

Fortgezogen von den Wogen,
Von dem Ufer abgestoßen,
Fühlte sie das Doppel-Tosen:
Wogendrang, und Herzensglut.

Und der Menschen Thun und Irren
Könnte nimmer uns betäuben;
Einsam, einsam dürfte treiben
Schifflein, auf dem Ocean!

Wenn dann klar die Wasser wären
Und die schimmernde Koralle
Blickte aus dem Wogenfalle,
Senkt' ich mich zum Felsenriff';

Und ich brächte aus dem Meere
Das gewaltig, todeslüstern, -
Dann mit süßem Liebesflüstern
Der Geliebten solche Zier.

Perlenmuscheln, Meerespflanzen,
Fischlein mit den Silberflossen,
Goldschaum von den Sonnenrossen, -
Jede Schönheit brächt' ich ihr!
(S. 164-165)

_____

V.

Stumme Liebe

Einstmals ist es mir gewesen,
Als ob du mich liebtest gar!
Gern aus Augen mocht' ich's lesen,
Denen gar so gut ich war.

Aber wenn die Augen sprachen,
So versagte dir der Mund -
- Lautlos kann man eh'r entsagen -
Und es blieb ein stiller Bund.
(S. 166)

_____

VI.

Schuldlose Täuschung

"Kann dies Lächeln, das bezaubernd
Über deine Züge schwebet,
Kann die Anmuth, die der Glieder
Zartes Ebenmaß belebet," -

"Kann der Augen ruhevolle
Tiefe, kann ihr mildes Leuchten,
Können scherzbegabte Launen,
Die oft fremden Schmerz verscheuchten" -

"Kann der Frohsinn, der durch tausend
Reize unsre Seelen zwinget,
Daß sie Lust für Trauer tauschen,
Dem Unmögliches gelinget!" -

"Kann dein traulich holdes Plaudern,
Das mich Alles lehrt vergessen,
Mich, mich selbst - und was gewesen
Eh' ich fromm bei dir gesessen" -

"Kann dies Alles, was du spendest,
Täuschung sein -? Du kannst empfinden -
Leiden kannst du - und verstummen?
Leiden - und uns Lust verkünden?"

Rosenblätter pflückt die Liebe,
Streuet sie auf Grabesstätten;
Ohne Ahnung, was sie decken,
Mag dein Fuß sie dann betreten.

Schmerzen, welche nicht zu heilen -
Leiden, die nur mir verständlich -
Gleichen wohl den Grabesstätten:
Besser ist's, sie sind unkenntlich!
(S. 167-168)

_____

Aus: Stimmen der Einsamkeit
Gesammelte Gedichte von
Cathinka Serafina Bergmayr geb. Rüdel
Erlangen bei Ferdinand Enke 1841


 

Biographie:

Bergmayr, Katharina Seraphine, Gemahlin des Vorigen [Bergmayr, Joh. Balth. Fr. Aug. geb. 1796], geb. zu Würzburg, Tochter eines Consist. Raths, entwickelte frühzeitig bedeutende musikalische Talente unter der Leitung des Reg. Registrat. Wucherer, später zur höheren Weihe im Piano, Gesange und Declamation unterrichtet vom Musikdirektor und Professor Fröhlich, was sie in mehren Konzerten verschiedener Städte unter allgemeiner Anerkennung der allerhöchsten Herrschaften bethätigte. Hier widmete sie sich noch mit emsigem Fleiße der Ausbildung in der Dichtkunst.
Stimmen der Einsamkeit. Gesammelte Gedichte. Erl. 1841.

Aus: Zweites Pantheon der Literaten und Künstler Bambergs
vom XI. Jahrhunderte bis 1843
verfaßt von Heinrich Joachim Jäck,
königl. bayer. Bibliothekar
Bamberg 1843 (S. 9)


 

 


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