Helene Branco (Ps. Dilia Helena) (1816-1894) - Liebesgedichte

 


Helene Branco (Ps. Dilia Helena)
(1816-1894)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

Ständchen

Auf dem blauen Spiegelteiche
Zieht der Schwan in sanfter Pracht,
Wie dein Bild, das wonnereiche,
Durch die Phantasie der Nacht.

Im beseelten Glanz der Thränen
Träum' ich dich, im Frühlingslicht,
Bis aus des Erinnerns Wähnen
Deines Bildes Rose bricht.

Abgeschmeichelt lichter Ferne
Mit des Herzens Leidenschaft,
Seh' ich deines Blickes Sterne
In dem Geiste zauberhaft!

Hörbar klingt mir dein Gedanken
Mit der Milde vom Gebet,
Deiner Neigung warmes Danken
Mich im Spiel der Lust umweht.

Eingebannt in mein Erinnern
Glänzt beseelt die Lichtgestalt
Ewig, ob auch meinem Innern
Glück und Schmerz vorüberwallt.

Aus: Neuere Lieder von Dilia Helena
Berlin Nicolaische Buchhandlung 1849 (S. 16-17)
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Hier!

Dem letzten Deingedenken
Ist dieser Ort geweiht;
Hier will ich mich versenken
In's Meer der Traurigkeit.

Hier lebt' ich selge Stunden -
Sie kehren nimmermehr;
Das Herz kann nicht gesunden,
Die Welt ist todt und leer.

Ein Fieber ward mein Leben,
Mein Traum geht himmelwärts,
Die matten Pulse beben
Im letzten Todesschmerz.

Nun strömt, ihr Thränenfluthen,
Hinab in's Angesicht:
Hier mag das Herz verbluten,
Verglühn der Augen Licht.

Hier hat sich mir erhoben
Ein Glück, das keinem gleich:
Hier ist mir auch zerstoben
Ein ganzes Himmelreich.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 77-78)
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Winternachtmusik

Der Himmel ruht im Nachtgewande,
Mit Sternenflammen golddurchwebt,
Der Winterschmerz ruht auf dem Lande,
Und nur mein Busen glüht und lebt.

In Mitternächte wollt' ich weben
Gedichte deiner Lieblichkeit;
Da tönt aus meiner Saiten Beben
Die Nachtmusik der Traurigkeit.

Gefühle ziehn im dunklen Herzen
Gleich Schwänen in dem blauen Bach;
So kling' mein letzes Lied der Schmerzen
In dir als milde Tröstung nach.

Wie Blumen schließen sich die Sinne:
So öffne dir sich Traumesglück,
Und führ' im himmlischen Gewinne
Dir sel'ger Tage Bild zurück.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 58)
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Liebchens Haus

Dort wo die hohen Bäume stehen,
Um jenen freundlich grünen Platz,
Seht ihr ein kleines Häuschen stehen?
Das birget mir des Herzens Schatz!

Und stets mit süßem Weh und Bangen
Ich schau beim Morgensonnenschein
Hinauf mit sehnendem Verlangen
Zum grünumlaubten Fensterlein.

Wenn dann ihr Spiel die Elfen treiben
Im Dämmer zieht's mich wieder fort,
Ich kann nicht rasten, kann nicht bleiben,
Ich muß zu jenem Zauberort.

Und flimmen nun die hellen Sterne,
Dann sitz' ich unterm Blüthenbaum,
Und schöpf' aus tiefer Brust so gerne
Mir eines stillen Glückes Traum.

Ach, Ruhe kann ich nimmer finden,
Denn ewig lockt es mich hinaus,
Ob Monde kommen, Monde schwinden,
Zu schauen jenes stille Haus.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 71-72)
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Alles in dir

Du lehrest mich die Lieder singen,
Du hauchest den Gesang mir ein,
Du leihst der Seele höhre Schwingen;
Wer giebt mir Lieder? du allein.

In dir empfind' ich nur das Leben,
Du rufst die Seele aus dem Nichts,
Du giebst mir Glauben, giebst mir Streben,
Trägst mich hinauf in's Reich des Lichts.

O sage mir, mein hoher Meister,
Was ich dir opfernd weihen mag!
Im unermessnen Reich der Geister
Zieht dir, nur dir mein Wesen nach.

Befiehl, ich gehe in's Verderben,
In Nacht und Graus und Tod hinein;
Dir will ich tausend Tode sterben,
Du giebst mir tausendfaches Sein.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 60)
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Dein Auge

Ein Himmelreich dein Auge ist,
Ein Engel jeder Blick;
Wem liebend er begegnet ist,
Dem lächelt das Geschick.

O Himmel, nimm mich auf in dich,
Und laß mich selig sein!
O Engel, ziehe segnend mir
In's offne Herz hinein!

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 59)
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Einmal nur!

Einmal nur so von Entzücken,
So von dunklem Gram erfüllt
Ueber deine Hand mich bücken,
Und mein Sehnen wär' gestillt.

Einmal traulich bei dir säumen,
Glückesstill dir lächeln zu,
Selig dir am Herzen träumen
Eines Augenblickes Ruh'!

Einmal nur es glaubend fassen,
Daß dein Lieben nimmer ruht,
Daß dir nimmer werd' erblassen
Meines Bildes Farbenglut.

Einmal in dein Auge sinken
Thränenheiß mein Blick hinein -
Dann hinweg! wo Sterne winken,
Schlumm're meine Seele ein!

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 65)
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Mädchen-Lied

Heilige Gluthen
Füllen die Brust,
Seit mir der Liebe
Glück ist bewußt.

O, wie verwandelt
Sonnig erhellt,
Seit du mich liebest,
Scheint mir die Welt!

Nur von dem Worte,
Das du gesprochen,
Lebet die Seele
Ununterbrochen.

Dir folgt im Glücke,
Dir folgt im Leid
All' meine Liebe
Durch alle Zeit.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 79)
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Ich sinke dir an's volle Herz,
Mir woget überschwänglich
Ein tiefes Weh', ein alter Schmerz
Im Geiste unvergänglich.

Und glühend aus dem Auge bricht
Ein Thränenstrom hernieder,
Und leise aus dem Herzen spricht
Und sagt es ewig wieder:

Ich liebe unaussprechlich dich
Aus innerstem Gemüthe;
Ich liebe tief unsäglich dich,
Du Geist der reinsten Güte!

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 69)
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Wunsch

Jeder liebliche Accord
Schweb' als Engel zu ihm fort,
Der im süßen Spiel der Töne
Ihm die Dämmerzeit verschöne.

Kleine holde Maienblum!
Aus des Glöckchens Heiligthum
Gieße deine schönsten Düfte
Aromatisch durch die Lüfte.

Veilchen unter'm Rosenstrauch,
Heiße Rose und du auch,
Nelke, haucht die Balsamseele,
Folgt gehorsam dem Befehle!

Sanfter flüch'ger Frühlingswind,
Säus'le um ihn lieb und lind;
Blumen, Blätter, lieblich tauschet
Liebesworte, wenn er lauschet.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 63)
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Das Mädchen mit der Feldblume

Kleine Blume, bin dir gut,
Weil so liebes auf dir ruht.

Edle Hand hat dich gepflückt,
Schönes Aug' dich angeblickt.

Mit wie trautem Blick und Wort
Gab er dich, o Blume, fort.

Tauschte nicht den Edelstein
Gegen deinen Zauberschein.

Täglich in der Abendstund'
Küßt dich weinend still mein Mund.

Schlug' um dich ein seidnes Band,
Trage dich als Liebespfand.

Welkst du gleich an meiner Brust,
Scheint mir das doch kein Verlust.

Denke, stürb' ich auch gleich dir,
Ehrt er Heiliges in mir.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 66)
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Liebe Seele! weile, weile!
Bau dich an in meiner Näh',
Daß ich ganz dein Leben theile,
Tief in's tiefe Herz dir seh'.

Wie gesellig und wie fröhlich
Soll mein Geist sich deinem leihn;
Dies Verständniß o wie selig!
Lieb um Liebe im Verein.

Ziehe, ziehe nicht zur Ferne:
Hier an meinem stillen Heerd
Weilt die Treue doch so gerne,
Wo die Liebe sich bewährt.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 80)
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Ergebung

Mein ganzes Sein, es neigt in Liebe,
In Sehnsucht neigt es dir sich zu,
Und der Gefühle Blumentriebe,
Sie wurzeln tief in deinem Du.

Wenn Lichtgedanken aus dir klingen,
In mir sie nehmen Traumgestalt,
Und wandeln sich in leises Singen,
Das aus mir strömt und nach dir wallt.

Nur Eins bin ich mit deinem Streben!
Ich ruh' in dir wie in dem Glück,
Und alles führt im tiefsten Leben
Mein sinnend Sein in dich zurück.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 57)
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Mit jedem Pulsschlag leb' ich dir,
Du mein geliebtes Leben!
In alle Träume will sich mir
Dein holdes Bild verweben.

Und jeder Atemzug ist nur
Dir eine Liebesweihe,
Und jeder Seufzer ist ein Schwur
Unwandelbarer Treue.

Und ewig sind von dir erfüllt
Die sehnenden Gedanken,
Die sich um dein geliebtes Bild
Wie weiche Reben ranken.

Und wird mir schwer, und wird mir bang:
Gedenk' ich dein, wird's Friede;
Es löst das Leid sich im Gesang
Und wallt zu dir im Liede.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 67)
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Mädchens Heimweh

Mit Sternenblicken wink't es leise,
Wie Heimweh zieht es meinen Sinn:
Sanft wie ein Schwan zur Lenzesreise
Träumt mein Gedanke zu dir hin.

Dort strahlt der Liebe höchstes Leben,
Und keinen Schatten trägt das Glück,
Auf Rosen leicht die Tage schweben,
Kein Echo hat das Schmerzgeschick.

O dort zu blühen, dort zu säumen
In sanft beseelter Einsamkeit,
Mit dir den ird'schen Himmel träumen,
Ist mir im Traum die Ewigkeit.

Aus: Neuere Lieder von Dilia Helena
Berlin Nicolaische Buchhandlung 1849 (S. 48)
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Gretchenlied

Möchte weinen, weinen
Stille Tage lang,
Möchte fröhlich scheinen -
Bin so schmerzenskrank.

Hab' nur einen steten
Heißen Herzensdrang,
Möchte wachen, beten
Stille Nächte lang.

Möcht' die Seufzer fragen:
Ach, wohin, woher?
Ihr verschwiegnen Klagen
Zieht so wehmuthschwer! -

Froh und traurig bin ich,
Kenne mich nicht mehr,
Tag und Nächte sinn' ich -
Wüßt' ich, was mir wär'!

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 73)
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Des Mädchens Wunsch und Geständniß

O nimm mich an als deine Magd,
Und dulde mich in deiner Nähe:
Dir dien' ich, wenn der Morgen tagt,
Bis ich den Abendstern ersehe.

Ich sorge deine Häuslicheit,
Und deinen Wunsch und deinen Willen
Eil' ich, eh' ihn ein Wort gebeut,
So still, so freudig zu erfüllen.

Und kehrst du als des Tages Held
Von deines Wirkens heilgen Wegen
Dann heim aus dem Geräusch der Welt,
Wie freudig trät ich dir entgegen!

Dich grüssend küßt' ich deine Hand,
Den Boden, den dein Fuß betreten;
Nicht sagt' ich was mein Herz empfand -
Du hörtest nur mein stilles Beten.

Spricht nur dein Aug' ein freundlich Wort,
Winkt mir dein Gruß nur einmal täglich,
Dann schleich in's Kammerchen ich fort,
Veredelt und beglückt unsäglich.

Die Liebe die mich zu dir zieht,
Du kannst sie nimmermehr ergründen,
Die Treue die der Brust erglüht
So heiß mir niemals nachempfinden.

Ich ford're, ich ersehne nur
Zu meinem Glück und meinem Frieden,
Zu folgen deines Daseins Spur,
Fern von der nächt'gen Welt geschieden.

Wohl gabst du mir, o theurer Mann,
Mit dir die höchste Königshabe,
Indeß ich dir nichts bieten kann
Als meine Lieb' und Liedergabe.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 61-62)
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Gartenständchen

Schmücken Liedes Blüthentriebe
Dir dein Gärtchen mit Musik,
Auf Gedanken meiner Liebe
Sanfter schließe sich dein Blick.

Aus der Mondnacht heil'gem Feuer
Steige auf der goldne Traum:
Venus zieht die Strahlenschleier
Durch des Schweigens nächt'gen Raum.

Nachtviolen streuen Düfte
Ihrer Sehnsucht in's Gezweig:
Wölkchen reisen durch die Lüfte,
Hüllen dich in Dämm'rung weich.

Wie durch dunkle Schattenschleier
Dufterfüllte Rosen blüh'n,
Mag mein Herz für dich nur treuer
Durch die Nacht des Scheidens glüh'n.

Kaum ein Abendfalter flüchtet
Noch der Blumenwiege zu,
Nur die Liebe wacht, und dichtet
Schlummerlieder deiner Ruh.

Wie am Himmel ruht's geborgen,
Liegt im Schlummer das Geschick.
Träume, Liebling, bis zum Morgen -
Schlaf ist Lebens Sterbeglück.

Aus: Neuere Lieder von Dilia Helena
Berlin Nicolaische Buchhandlung 1849 (S. 5-6)
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So hat mich vergessen
Dein Herz:
Nicht ist zu ermessen
Mein Schmerz.
Nun kehret der Kummer
Mit Macht,
Nun flieht mich der Schlummer
Bei Nacht.
Ich denke ja immer
Nur dein:
Erinnerst du nimmer
Dich mein?
Ich seufze und weine
Nach dir -
Ach, wieder erscheine
Doch mir,
Und senk' auf mich nieder
Den Blick:
Dann lächelt mir wieder
Das Glück! –

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 82)
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Gruß

Wandelst du durch Blumenräume,
Schaust die Flur im jungen Grün,
Sieh' verwandelt meine Träume
In den Rosen dich umblühn.

Wenn dich sanfte Lüfte grüßen,
Halm und Blatt sich leise regt,
Gräschen spielen dir zu Füßen:
Denk', mein Seufzen hat's bewegt.

Und wenn Wolken sich ergießen
In des Regens Hoffnungskuß:
Denke, daß sich Wimpern schließen,
Daß mein Auge weinen muß.

Hat der Tag in goldner Ferne
Sich verklärt im Abendlicht:
Denk', das sind der Liebe Sterne,
Leuchten mir vom Angesicht.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 64)
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Abends

Wenn die Abendglocken hallen
Nieder in der stillen Au,
Und wenn leuchtend Sterne wallen
In dem reinen Himmelblau:

Dann in meines Herzens Grunde
Wird es still und feierlich,
Und es naht sich leis die Stunde
Der Erinnerung an dich.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 70)
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Lied, Blume, Liebe

Wer nicht Lieder, wer nicht Blumen liebt,
Kann, was Liebe ist, nicht sagen.
Duft, Gefühl, wie Lied und Blume giebt,
Glüht der Liebe Geist zu tragen.

Duft, das ist der zarte Sehnsuchtstrieb,
Der im Thränenbau beglücke,
Duft ist Schmachten, das im Herzen blieb,
Liebesruf dem Sonnenblicke.

Ja! Gefühl ist der geheime Zug
Stiller Engel aus dem Herzen
In's Empfinden, das das Andre trug,
Sei's in Freuden oder Schmerzen.

Wer nicht Lieder, wer nicht Blumen liebt,
Kann, was Liebe ist, nicht sagen.
Duft, Gefühl, wie Lied und Blume giebt,
Glüht der Liebe Geist zu tragen.

Aus: Neuere Lieder von Dilia Helena
Berlin Nicolaische Buchhandlung 1849 (S. 4)
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Des Glöckchens Lied

Wie durch die Sommernacht ein Glöckchen klingt,
So der Gefühle bräutlich einsam Lied
Dir leise an die warme Seele dringt
Mit scheuem Hauch, der gern die Sprache flieht.

Und wie der Winde Spiel, voll Blumenduft,
Der Düfte Süßigkeit von Beeten führt:
So sei mein Lied gewebt dir an die Brust,
Ein klingend Glöckchen, das dich tief gerührt.

Aus: Neuere Lieder von Dilia Helena
Berlin Nicolaische Buchhandlung 1849 (S. 20)
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Sonne, Meer und Herz

Wie eine Sonn' in Gluth,
So flammt das Herz in Liebe,
Und wie ein Meer in Fluth,
So wogen Sehnsuchtstriebe.

Wohl hängen Wolken schwer
Hoch ob der Liebeswonne:
Doch bleibt sie tief wie das Meer
Und ewig wie die Sonne.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 74)
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Zauberer Frühling

Zaub'rer Frühling kommt in Lüften,
In der goldnen Strahlen Tracht,
Malt in Farben, haucht in Düften,
Schmückt die Flur in luft'ger Pracht.

Sieh, wie lohen, sieh, wie flammen
Hier die Grunde, dort die Flur,
In ein einzig Grün zusammen
Blüht erwachend die Natur.

Maienglöckchens Brautgelaute
Steht in seinem reichen Sold,
Wonnereigen füllt die weite
Flur im Grün und Sonnengold.

Kleine Sänger, die Gespielen
An der Rose holdem Thron,
Schlagen an mit seel'gem Fühlen
Neue Lust im Liebeston.

Bunte Schmetterlinge schweben
Wie in einer Wunderwelt,
Blumen sich beflügelt heben
Von der Luft emporgeschnellt.

Im melod'schen Zuge wallen
Goldne Bienen durch die Luft,
Silberweiße Flöckchen fallen
Leicht in's Grün wie Nebelduft.

Aus der Sonne goldnen Strahlen
Webt der Zaub'rer Frühling Licht,
Falter, Lüfte, Blümchen malen
Frühlingsgöttlich Traumgesicht.

Aus: Neuere Lieder von Dilia Helena
Berlin Nicolaische Buchhandlung 1849 (S. 50-51)
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Zur dunklen Grabstatt ward mein Herz:
Ihr finstrer Wächter ist der Schmerz;
Begraben drin liegt Freud' und Lust
Und jedes Glück der Menschenbrust.

Doch eine Stimme nur hat Macht,
Zu lösen diese Grabesnacht:
Wenn deren Ruf in Lieb' erklingt,
Sich Jubellust der Brust entschwingt.

Aus: Lieder von Dilia Helena
Mit einem Vorworte von Ludwig Tieck
Berlin in der Nicolai'schen Buchhandlung 1848 (S. 81)
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Biographie:

Branco, Helene, geborne von Rödlich, wurde am 13. Oktober 1816 zu Düsseldorf als die Tochter eines Generals geboren und vermählte sich mit dem Regimentsarzt Dr. Branco in Potsdam. Sie verfiel später in Wahnsinn und lebt jetzt in einer Irrenanstalt. -
Ihre Dichtungen veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Dilia Helena.
D.: Lieder, mit einem Vorwort von L. Tieck Verl. 1848. 3. Aufl. 1872 - Neuere Lieder Ebd. 1849.
Aus: Deutsches Dichter-Lexikon. Biographische und bibliographische Mittheilungen über deutsche Dichter aller Zeiten. Unter besonderer Berücksichtigung der Gegenwart
von Franz Brummer. Eichstätt & Stuttgart 1876


 

 


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