Elisabeth Braunhoff (1917) - Liebesgedichte




Elisabeth Braunhoff
(1917)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Einem verwundeten Freunde

1.
Der Eisentritt der todbereiten Scharen
Dröhnt dir im Ohr. - Ich weiß, sie rufen dich
Nun bald zum zweiten Mal, und es verblich
Dir längst, daß unsre Stunden köstlich waren . . .

Und wie ja Frau'n das bitterste Erfahren
Nur leiden können, batest du auch mich
Nur Eins: Würde zu tragen innerlich. -
Sieh, diesen Glauben will ich dir bewahren!

Will diese stille Kraft in dich versenken,
Wie in die starke Erde edle Saat!
- Ich seh dich an, - und sinne, dir zu schenken,

Was mein Besitz an Kostbarkeiten hat . . .
Und werde stumm in trosterfülltem Denken:
Du bist gesegnet! - Dir gehört die Tat.
(S. 7)
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2.
Du bist bei mir, - du, den ich kaum gedacht . . !
Wie deine Worte halb zerbrochen sinken . . .
Die Augen durstig mir vom Antlitz trinken . . .
So steigt wohl Licht aus tiefem Brunnenschacht,

Geheimnisvoll im Grunde neu entfacht,
Um brünstig in die goldne Welt zu sinken . . .
Es fiel ein Stern. - Sahst du ihn müde blinken?
- Nun starb er sanft in der Novembernacht. -

Geh nur, mein Freund. - Dies war das Trennungszeichen.
- Ach, - Blick und Wort, wie leise Hände, streichen
Mir von der kranken Stirne, was ich litt . . .

Ich soll dir ein Geschenk zum Abschied reichen?
- Ich habe nichts für dich. - Nein, - nicht erbleichen!
Ich bin ein Stück von dir. Du nimmst mich mit.
(S. 8)
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3.
Wohin nun alle Lebensfluten münden,
Die sonst in Fern' und Weite ziellos drangen,
Und nun in einem Strom zusammenklangen,
Der zu dir stürzt aus wunderdunklen Gründen, -

Daß alle Dinge, - Traum und Tag, - sich ründen
Zum Zauberkreis, drin Sein und Wille hangen,
Und nach Erlösung nun, - nach dir - verlangen,
- Dies will ich dir, mein Freund, von mir nicht künden. -

Ich bin dir fern und fremd in allem Ahnen . . .
Und keine Mauern werden davon brechen . . .
Erinnrungsschrift in deinen Tag zu stechen

Vermag ich nicht. Nur ein verhaltnes Mahnen
Wird dir vielleicht im Rauschen heil'ger Fahnen
Noch weich von allem, was dir lieb war, sprechen . . .
(S. 9)
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4.
Du edler Künstler, der du unterfangen,
Den Ausbau meines Wesens zu vollenden,
Nur um in fernes Leben mich zu senden,
Des Vorbilds reine Linien willst erlangen, -

Wem sonst, als dir, soll deiner Schöpfung Prangen
In späten Zeiten stolzes Obdach spenden?
Willst du in Wahn die Wunder hinverschwenden,
Die nur, so lang ich liebe, dir gelangen?

Du bist nur Gott, weil ich dich so geschaffen,
Ich bin nur Tempel, wenn du darin thronst.
Drum sieh, dein Bauwerk so emporzuraffen,

- Wie es auch sei, - daß du es stets bewohnst!
Es muß wie Zunder auseinander klaffen,
Wenn du den Grundriß, - Liebe, - nicht verschonst. -
(S. 10)
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5.
Dies ist die Tiefe unsrer Liebesstunde:
Daß Seligkeit, die keine Worte nennen,
Uns wächst aus unerbittlichem Erkennen
Des Kommenden, das immer wacht im Grunde.

Und jeder Tropfen Blut aus dieser Wunde
Wird Flamme, wenn wir ineinander brennen,
Zur Inbrunst wird, was uns versucht zu trennen,
Und Schmerz loht auf zum feierlichsten Bunde.

Geliebter, komm, wir wollen leise sprechen
Und nur von Glück und aller Dinge Süße!
Den Wein, der schmerzlich trunken macht, zu zechen

Sind wir bereit, ob auch kein Tag mehr grüße . . .
Die karge Zeit, bis Weg und Brücken brechen,
Halt meine Hand! - Ich frag' nicht, was ich büße! -
(S. 11)
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6.
Ich bin des Brunnens marmorne Rotunde,
Du jähe Flut, drin schattenkühl verhangen
Sich glättend deine Kraft und dein Verlangen
Ausruht und Tiefe strahlt im klaren Runde.

Ich bin das Buch, das der Erkenntnis Funde
Dir hält und schließt mit diamantnen Spangen, -
Ich bin der Gral, drin heilig aufgefangen
Dein Herzblut liegt aus tief geheimer Wunde.

Ich will der Mantel sein, der dich umschließe
Auf deiner Wandrung durch ein ödes Feld, -
Der goldne Kelch, der nie ermüdend fließe,

Wenn du ihn durstig hebst, - das weiche Zelt,
Das Obdach schenkt, - der Mensch, dem sich ergieße
Ganz ohne Scham das Grauen deiner Welt. -
(S. 12)
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7.
Der Wein im Glase glühte halb getrunken . . .
- Ganz reglos auf den Divan hingestreckt,
Die Arme sinnend unters Haupt gereckt,
Lagst du, im braunen Seidenfell versunken . . .

Vom Ampellicht als elfenbeinern Prunken,
- Geheimnis, das verlockt und doch erschreckt, -
War deiner Glieder Schönheit aufgeweckt . . .
In Haar und Wimpern hingen goldne Funken . . .

- Von dunkler Angst erfaßt bog ich mich nieder
Tief über dich, - in blanken Wellen schleifte
Mein Haar auf deine Brust . . . Du hobst die Lider

Und sahst mich stumm und blicklos an. - Da streifte
Mich schauernd dein Vergangnes, - Last von Erzen . . .
- Und meine Stirne sank zu deinem Herzen. -
(S. 13)
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8.
Eins ist, was mich so wild erschrecken kann,
Als wollten Finger mir, totkalt und beinen,
Die Kehle drosseln: Daß wir so im reinen,
Aufsprühn'den Gluten unsrer Liebe dann

Mit einmal zittern, - lauern, - unter Bann
Und Grauen vor einander fast versteinen,
- Blutsaugend uns, wie Nachtgespenster scheinen . . .
Erzfeindin Weib, . . zerstörend Raubtier Mann . . .

Die Lippen, noch gebogen von den Küssen
Auflösend brünstiger Vereinungsgier,
Verzehrt ein Droh'n, - ein leidend Quälen-Müssen . . .

Die Frage starrt: Was willst du, - fremdes Tier . . .?
- Der Blick wird schlaff, - die Sehnen matt entspannt . . .
Wir büßen, Lieber. Laß mir deine Hand. -
(S. 14)
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9.
Dies aber macht zu Schaum die finstren Lasten,
Die in den Stoßflug unsrer Einheit drücken, -
Und fügt von Land zu Land beglänzte Brücken,
Wo wir nur scheu die ew'ge Trennung faßten:

Wenn du den Kopf, den leidenschafterblaßten,
Dann plötzlich weich an meine Brust zu rücken
Fast kindlich suchst, und innig mein Entzücken
Gleich einer Mutter Schoß umfängt dein Rasten . .

Vertrauen, wie ein Lichtstrom sich ergießend,
Verlöscht des Urkampfs schmerzenvolle Brände,
In sanfter Sehnsucht streifen sich die Hände,

Und selbst der Atem, ineinander fließend,
Verebbt wie Flut zur Zeit der Abendwende,
Den zarten Ring der Güte um uns schließend. -
(S. 15)
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10.
Ein zitterndes Erinnern ist noch immer
In jeder Fiber meines Leibes wach . . .
Den grenzenlosen Stunden fühl ich nach
Und sinke drein, wie ein erschöpfter Schwimmer . . .

Der Seidenlampe tief umflorter Schimmer
Begrub die Wirklichkeit im Umriß, brach
Die Farben, machte alles selig schwach,
Was um uns war, - und nur der grüne Glimmer

Aus deinen Augen sprühte fast ein Grauen
Vor unerhört erhöhtem Machtbereich . .
- Du, - braun und stolz wie ein Araberscheich,

Der Herr der schnellsten Rosse, schönsten Frauen,
Stahlhart die Faust, der Mund betörend weich,
- Mein Glück und Fürchten lag auf deinen Brauen. -
(S. 16)
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11.
Uns ward, - weil wir vom Göttertisch genommen
Den Taumeltrank der königlichen Sünden
Straflos und kühn, die unbeschränkt vermünden
Ins Niebetretne, - daß wir aufgeklommen,

Wo des Bewußten Grenzen fast verschwommen,
- Daß wir die rote Fackel erst entzünden,
Wo andre schaudern vor den nackten Schlünden
Des tiefsten Menschseins! - Aber, daß verglommen

Die wahnsinnsgrelle Pracht zur Wärme wird,
Darin wir stark und selig ruhen dürfen, -
Daß nie der Geist in ein Entsetzen irrt,

Wenn wir das Äußerste der Stunde schlürfen
Und fessellos die letzte Scham versprühte, -
- Dies große Wunder quillt - aus großer Güte. -
(S. 17)
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12.
Zum Abschied
Ich bin, - nun du den Fuß erhebst zum Bügel,
Der Zukunft ernst gewärtig, die mir reifte. -
- Nicht jener Glutrausch, da in Fetzen schleifte
Vor wilder Größe auch der letzte Zügel,

Ich zittern sah die schmalen Nasenflügel,
Ein Netz von Küssen sengend mich umstreifte,
Du Lohe warst und Eis zugleich, - es schweifte
Nicht diese Kühnheit bis zum blausten Hügel

Der Seligkeit! - Weil schwerer muß ich missen,
Daß unsre sanften Zärtlichkeiten rissen:
Du schliefst, und deine Schulter war mein Kissen,

Dein Arm die Wiege, die mich tief umschloß, -
Gehütet, heilig hütend mich zu wissen,
- Dies war das Paradies, das ich genoß. -
(S. 18)
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Der Brief ins Feld

1.
Will ein Lied mich stets ans Fenster zwingen,
Wenn Soldaten hier vorüber gehen,
Das von Heimat sagt, von Wiedersehen,
Und wie schön im Wald die Vöglein singen . . .

Täglich kommts heran mit Schall und Klingen,
Bis aus allen Häusern Tücher wehen . . .
- Denk ich: Einer, den ich angesehen,
Mag vielleicht zu dir mein Grüßen bringen . . .

Und vor jenen, die so tatbereit
Singend unsre ganze Hoffnung tragen,
Schäm' ich mich, dir noch ein Wort zu sagen,

Über meiner Tage Nichtigkeit . . .
- Fern verhallt Gesang und Trommelschlagen . . .
Und ich lege still den Brief beiseit. -
(S. 21)
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2.
Wie ich dich liebe, weiß allein die Nacht.
Nur ihre kühle Hand vernahm das Pochen
Jagender Pulse in den vielen Wochen,
Die ich gewartet, - die ich stumm verwacht . . .

Die süßen Worte deiner tiefen Glut, -
In jener ersten Liebesnacht gesprochen,
Da Gott und Schicksal über uns zerbrochen, -
Trank und bewahrt nun treu mein selig Blut . . .

Es ging so laut mir oftmals durch die Glieder,
Daß ich vor seinem schweren Rauschen meinte,
Ich hörte deine dunkle Stimme wieder . . .

Darüber kam es, daß ich leise weinte . . .
Des Tages starre Kraft verrann hernieder,
Bis mich ein Traum, - ein armer Traum, - dir einte. -
(S. 22)
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3.
Wenn ich dich je verlöre an die Erde, -
Die dunkle Erde, die ich so sehr liebe,
Die Ihr zerwühlt mit raschem Spatenhiebe,
Daß sie Euch berge vor des Lebens Fährde, -

Wenn ich dich je verlöre an die Erde, -
Ich weiß es, daß mein Mund geschlossen bliebe,
Und läg' mein Herz in Stein, der es zerriebe,
Ich fände keine grelle Leidgebärde.

Um ew'gen Himmel rüttelt mir kein Schreien, -
Und keine Dichtung, künstlich aufgebaut,
Kann mir die Tropfen Blut zum Schmuckstück reihen . . .

Ein weltenweiter Schmerz hat keinen Laut.
Der Hände Arbeit müßte ihn vertraut
Verhüllen wie ein Mantel - und befreien. -
(S. 23)
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4.
Geht ein grauer Tag im Havellande . . .
Schwarzer Wald kränzt, gleich als ob er wüßte,
Daß es gramvoll sich zu sterben rüste,
Fahles Land mit dumpfer Grabgirlande.

Springt ein Wellchen auf am gelben Strande,
Gleitet fern in kalte Nebelwüste . . .
Streift wohl irgendwo an fremder Küste
Ueber deinen Fuß im Ufersande . . .

Will dir meiner Tage Stillstes sagen:
Daß - umstarrt von einer Welt Verderben, -
Nur um Eins die dunkle Inbrunst bebe:

Deines Wesens Glanz, den fürstlich herben,
Dich zum Leben abermals zu tragen,
Wenn ich je ein Kind zur Sonne hebe . . .
(S. 24)
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1916

Als keine Nachricht kam . . .

Es ist um mich so seltsam leer geworden . . .
Gespenstisch tönt die wirre Trommelweise . . .
Gedanken hocken scheu davor im Kreise,
Wie sturmverschlagne Vögel aus dem Norden . . .

Und zwischen grau verhangnen Uferborden
Treibt hin mein Kahn, unhemmbar und so leise,
Als führe Tod die ungewisse Reise
Zu jener Trauer, die fast Ziel geworden.

Ziel, weil das Leben bricht an ihrem Erze
Nach unvergeßnen, sehnend süßen Lüsten, -
Des hohen Lebens früchteschwere Küsten

Fernhin verblassen, - namenlosem Schmerze
Ein Sinn nur leuchtet, - gleichwie müde Kerze
In kühler Nacht: Ein Tun, - ein Werk zu rüsten. -
(S. 27)
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Die schweren Nächte

Daß ich nicht träumen müßte! - Sind die Schalen
Des wachen Tags nicht schon gerüttelt voll
Von Bitternis . . . Wie grausam höhnend soll,
Was einst uns köstlich war, sich wieder malen,

Spukhaft verzerrt, zu endelosen Qualen . . .
Denn wie ein Strom, der unterirdisch schwoll
Im Zwang der Mauern, nächtens überquoll
Und mordend ausbricht, - und wie Blut in Strahlen

Aus offnen Adern stürzt, wenn die Verbände
Sich lösen, - also brechen mir die Wände
Des Willens . . . Trügend öffnet sich das Tor,

Davor ich bettelnd hungern muß am Tage,
Du hältst mich wieder . . . Bis zu wunder Klage
Erwachend, - ich dich abermals verlor. -
(S. 28)
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Dämmerung

Den Raum erfüllt ein fahles Winterlicht.
Im Feuer glüht noch halb erloschnes Blinken. -
Vor jeden Umriß Abendschatten sinken
Als weiche Schleier, lautlos, matt und dicht.

Wie sehnt sich meines Denkens Schwergewicht,
Im Meer des Unbewußten zu ertrinken . . .
Im Dämmer geht ein Schwanken, - Wehen, - Winken . . .
Nun seh ich, wie durch Tränen, dein Gesicht . . .

- Sie sagen, du seist tot. - Welch sinnlos Wort!
Ich atme, - ich, - dein Wille, deine Kraft!
Die Lider hebe! - Nein, gleite nicht fort!

Sieh, Mund und Haar und Hände, Frauenschaft
Und Geist, sie warten . . . Nichts. - Es dunkelt dort. -
Nacht kommt gezogen, - groß und grauenhaft. -
(S. 29)
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Die letzten Kressen

Heut brach ich mir am Haus die letzten Kressen,
Die flammend überm grauen Steine hingen. -
Die dünne Luft zerschnitt das feine Singen
Segelnder Flügel. - Düster wie Zypressen

Fror stumm der Bergwald, - reglos, - unermessen
Ein Wall der Einsamkeit, den zu durchdringen
Die Sehnsucht müde ward . . . Wie spurlos gingen
Die hohen Tage, die ich nie vergessen

Und nie verwinden kann . . . Von Glück so schwer
Wie Erntezeit mit übervollen Garben,
So quellend reich von glutgetränkten Farben,

So groß und wechselnd wie ein stürmend Meer . . .
Und welken doch zu tötlichem Verringern
Wie jene Blumen zwischen meinen Fingern. -
(S. 30)
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Spuk im Kriegshafen

Als die Nacht die Töne eingefangen,
Blaue Mondesschatten um die schiefen
Winkeldächer auf dem Marktplatz liefen,
Ist es wunderlich dort zugegangen:

Eines Lachens bunte Wellen sprangen
Um zwei Kirchen, die verdrossen schliefen,
Durch die spitzgebogten Rathaustiefen,
Bis auch die von Lächeln wiederschwangen . . .

Und es lächelte die Turmuhrsonne,
Lächelte am Brunnen die Madonne, -
Selbst des Kaisers Rock, den du getragen!

Alle mußtens staunend weitersagen
Bis zum fernsten Schiff im Werftgerüst:
Daß du mich auf offnem Markt - geküßt!!
(S. 31)
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O du, der du die blanken Sterne singst . .

1.
Als du zuerst mich liebtest, blühten kaum
Die Primeln auf den osterlichen Wiesen.
Der See lag blau, wie seidenglatte Fliesen,
Die weiße Birke stand im ersten Flaum.

- Nun brennt im Todesfeuer schon der Baum
An meinem Haus, - die feuchten Winde bliesen
Die müden Felder kahl und graue Riesen
Drohn aus den Wolken in den toten Raum . . .

Der goldne Strom des Sommers will verrinnen
Aus mir, - ein seltsam Gleiten ohne Halten, -
Wie sich ein Abendrot aus Purpurzinnen

Zerflatternd löst in blasse Spukgestalten . . .
- Naht mir ein Enden? - Grüßt mich ein Beginnen? -
Aus Liebe wurden dunkelnde Gewalten.
(S. 35)
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2.
Wie Frau Isolde mit den blonden Haaren
Das glühe Eisen trug um Tristans willen,
Und wie der Weißhand jammervoll die stillen
Tage des Wartens nur ein Sterben waren, -

Der Ottegebe Weg, den himmlisch-klaren,
Und wie Griseldis durch des Gatten Grillen
Lächelnd ein Elend trug nach seinem Willen, -
Dies Weibtum hab ich ohne Rest erfahren.

In Worten, die verzweifelt um dich rangen,
Gab ich die Seele einem Messer hin,
- Der Nacktheit Qual, - wie Jene zu Salerne . . .

Bin unter tötliches Gericht gegangen
Vor dir, wie einst vor Gott die Königin,
Und meine Kraft verströmt um deine Ferne . . .
(S. 36)
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3.
O du, der du die blanken Sterne singst,
Auf daß sie Fackeln wären unsern Nächten, -
Und aus der Berge bunt kristallnen Schächten
Den Zauberschimmer mir zu Häupten hingst, -

Der du mit mir durch sieben Feuer gingst,
Bis wir uns fliegend, - ohne Schwere, - dächten, -
Der du den engen Erdkreis mir zu ächten
Gleich einem Gotte maßlos unterfingst, -

Wie hast du mich mit Schmerzen so beladen,
Daß tief mein helles Haar am Boden schleift,
Und gossest Jammer über mich in Schwaden,

Bis schwarze Flut mir an die Lippen greift . .
- Wohlan! - Die Schalen wiegen gleich am Ende. -
Ich gebe dir zu neuem Weg die Hände. -
(S. 37)
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4.
Ja, ich bin durstig, - wie der Erde Breiten
In eines Tages mitleidslosem Brande
Nach Tau der Nacht, - nach hüllendem Gewande
Um aller Dinge nackte Wirklichkeiten!

Und will mir meiner Träume Trunk bereiten,
Dem ich verrinne, wie der Quell im Sande,
Ich sterbe, wie der Baum auf fremdem Lande
In dieses Wissens grellen Grausamkeiten.

- Du, einzig du, kannst jenen Rausch gewähren,
Der süß betäubend hebt zur Sternenreise,
Und fahle Wände purpurn wandeln kann . . .

- Ich weiß, du bist ein Trug, - ein Bild im Leeren,
Du schöner Leib voll Sucht, du Haupt von Eise . . .
Und dennoch . . . Komm! - Denn ich muß trinken, Mann!
(S. 38)
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5.
Dies ist nicht Liebe, was uns so umkettet,
Daß wir nach diesem Schmerz uns suchen mußten
Zum zweiten Male, - denn im Unbewußten
Ist Lähmung bleiern über uns gebettet . . .

Die blinde Sehnsucht wähnt sich heimgerettet
Und bebt doch nur vor schwereren Verlusten . . .
Wie grüne Tiefe unter Eiseskrusten
Droht peinvoll ein Erinnern, - kaum geglättet.

Was uns jetzt eint, ist gottverlassnes Wissen
Vom Schaumgehalt der Dinge und der Werte,
- Verächter taugt dem Bettler als Gefährte. -

Es ist der Bann des Bluts, der, nie zerrissen,
Sein Träumen will um nackte Hölle breiten,
- Und Mitleid trägt den Gleichvermaledeiten. -
(S. 39)
_____



Irrfahrten

Ich trog dir dennoch . . .

Die starken Zähne grubst du knirschend tief
In meiner Schulter marmorkühle Haut . . .
Und ich, von Schmerz geschüttelt, stöhnte laut,
Indeß mein Blut in deine Hände lief . . .

In deine Hände, zitternd, wie verhalten,
Dann immer rascher rann der dunkle Strahl . . .
Und küssend trankst du meine tiefste Qual
Aus meines Blutes lodernden Gewalten . . .

Doch ob ich, schwankend zwischen Tod und Leben,
Erstickt in sinnverlorner Küsse Grab,
Dir, wunderschöner Tiger, mich gegeben . . .

Ob ich mein Haar auch um den Hals dir gab,
Daß es mit seidnen Ketten uns vereinte . . .
- Ich trog dir dennoch. - Ein Erinnern weinte. -
(S. 57)
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Abrechnung

Ein Wort noch, eh wir gehn für alle Zeiten:
Ich habe dich geliebt als Königin,
Und Kostbarkeiten warf ich lächelnd hin,
Dir niegeträumte Feste zu bereiten.

Es war ein Reigen wilder Herrlichkeiten,
Ein blindes Schenken, dem Verlust Gewinn -
Und sankst du schwindelnd mir zu Füßen hin,
Ließ ich um dich der Liebe Purpur gleiten.

Dies war. Du schlugst den Talisman in Scherben. -
Doch, war der Liebe Schöpfermacht gegeben,
So kann dich Haß verdammen und verderben!

Zertreten wird er dir dein stolzes Leben,
Ein Schatten saugt in deinen Tritt sich ein . .
Nun geh. - Du weißt es jetzt: Du bist nie mehr allein. -
(S. 58)
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Gefährte

Er sprach: "Nicht deiner Glieder prangend Schreiten,
Nicht deiner Lippen heimliches Bekennen,
Zwingt mich so stark, Geliebte dich zu nennen;
Nein, daß um deine Stirn Gedanken gleiten

Wie wilder Vögel stählern Flügelspreiten
Aus jener Dinge grauendem Erkennen,
Dran Schöpferseelen sich zu Asche brennen, -
Gleich glüh von Hölle und von Seligkeiten!

So wie der Schein des Feuers auf dem Herde
Mit einer Kette von Rubinen zieht
Den Wandrer in die offne Tür, dem Erde

Und Luft zu weit geworden, - also flieht
Ein Mensch zu dir, auf daß ihm Heimat werde
Bei der Gezeichneten, die ihn erriet." -
(S. 59)
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Segnender Abschied

Ich sehne mich nach deiner jungen Nähe,
Und deinen Worten, die so leise fallen
Wie Schleier, wenn sie über Wunden wallen . . .
Oh daß ich deine Augen stählern sähe,

Und steil den Nacken, kampfbereit und jähe,
Und daß ich dich die feinen Hände ballen,
Die aderblauen, um den Schwertgriff krallen,
Dein Haar im Sonnenwinde fliegen sähe . . .

So jung und frei in Pracht und Überschäumen
Warst du vor mir an einem einz'gen Tag . . .
Und stehst nun so in allen meinen Träumen.

Nun deine kranke Liebe ganz erlag,
Seh ich zurück nach diesem Herrscherbäumen,
Daß ich in Armut nicht ertrinken mag. -
(S. 60)
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Aus: Elisabeth Braunhoff
Vom fernen Ufer Sonette
Egon Fleischel & Co Berlin 1917



 

 


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