Luise Büchner (1821-1877) - Liebesgedichte

Luise Büchner

 


Luise Büchner
(1821-1877)

 

Inhaltsverzeichnis der Gedichte:

 

Frühling

Du schöner Frühling, o, wie lieb' ich dich!
Mehr als der Bräutigam die holde Braut;
Er weiß, sie wird ihm einstens angetraut,
Doch ich muß lieben dich mit Furcht und Beben,
Kaum da, fliehst du mit Windesschnelle mich
Und nimmst mir mit, das kaum erweckte Leben -
Du schöner Frühling, o, wie lieb' ich dich!

Du schöner Frühling, sei, o sei mir hold!
Spiel' um die Stirne mir mit süßem Hauch,
Und küsse mir den Thau vom müden Aug'!
Im Winter wächst die Qual bedrängter Herzen,
Des Lebens Schatten steh'n in seinem Sold;
Du kommst, ein Lächeln - es entflieh'n die Schmerzen,
Du schöner Frühling, sei, o sei mir hold!

Du schöner Frühling, meiner Seele Lust!
Mein schauernd Herz will ewig dir sich weih'n,
Es blieb dies Herz stets einsam und allein.
Nie mocht' ein Menschenauge mich beglücken
So tief in Lieb' und seligem Entzücken,
Als ich in deines Himmels Bläue seh'!
O, nimmer täuschest du! du kehrest wieder
Und neue Schönheit, neu erwachte Lieder
Verscheuchen jedes Leid und jedes Weh!
Zum Himmel wirst du immer neu mich heben,
In ew'ger Jugend werd' ich mit dir leben,
Verblich der Locke Braun auch längst in Schnee!
Du schöner Frühling, ewig lieb' ich dich!
(S. 8-9)
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Stille Frage

Es quillt des Abendsterns
Geheimnißvoller Schein,
So nah' und auch so fern,
Mir in das Herz hinein.

Drin glüht ein and'res Licht,
So nah' und auch so fern,
Das Herz umschließt es dicht -
Doch weit ist's wie der Stern.

Du gold'ner Liebesstrahl,
Geh', frage deinen Stern,
Bleibt er zu deiner Qual,
Dir ewig, ewig fern?
(S. 16)
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Einsamkeit

Ich bin allein - wie oft mit kaltem Schauer
Trifft mich dies Wort, mit namenloser Trauer -
Ob sich auch laut das Leben um mich regt;
Allein - mit meinem Streben und Bemühen,
Allein - wenn eine andre Brust durchglühen
Ich möcht', mit dem, was Meine schön bewegt.

O, so allein ist nicht des Südens Pflanze,
Die einzeln steht in nord'scher Blumen Kranze,
Es grüßt sie hier wie dort der Sonne Kuß;
So einsam nicht auf weitem Feld die Eiche,
Das sehnsuchtsvolle Rauschen ihrer Zweige,
Erwiedert hold der Vögel lauter Gruß.

Wohl einmal auch, zwei kurze schöne Stunden,
Hab' ich der Seele süßen Hauch empfunden,
Die geistverwandt mit mir die Schwinge regt;
Doch sie entschwand in endlos weite Ferne,
Ich schau' ihm nach, dem glänzend schönen Sterne,
Von milder Schwermuth wundersam bewegt.

So flieht mein Leben einsam still von hinnen,
Ein Quell, der bang im Sande muß verrinnen,
Und nie in einen stolzen Strom sich gießt;
Ein Epheu, der bestaubt am Boden lieget:
Kein Baum, daran er sich vertrauend schmieget,
Um den er liebend seine Arme schließt!
(S. 41)
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Zu einem »Lied ohne Worte«

Ich fleh' zu dir, o, lausche meinen Tönen,
Die sanfte Luft zu deinem Ohre trägt,
Lass' sagen meines Liedes heißes Sehnen,
Was lange schon mein volles Herz bewegt.
Du lauschst ja auch der Aeolsharfe Klingen,
Wenn sanfter Wind durch ihre Saiten zieht,
Und lächelst fröhlich bei der Lerche Singen -
So lächle jetzt auch freundlich meinem Lied.
Denn, um das Herz dir schmeichelnd zu erschließen,
Hab' ich manch' süßen Ton hineingebannt,
Und, die vom Himmel sich zur Erd' ergießen,
Die Melodieen der Natur entwandt.
Der Nachtigall lauscht' ich im dunklen Hain,
Sog ihren vollsten Ton in's Herz hinein,
Ich hörte, was bei'm sanften Sternenlicht
Geheim die Lilie zu der Rose spricht.
Ich lag im Wald am mos'gen Felsenhang,
Aus dessen Brust ein Bächlein murmelnd sprang,
Des Rieselns Sinn hab' ich ihm abgelauscht,
Und wie's ihm Antwort durch die Zweige rauscht. -
Sein Nachtgebet das letzte Vöglein sang,
Zur Ruhe mahnt der Abendglocke Klang,
Nur leise summt noch die Cikade dort,
Die Glocke schweigt in zitterndem Accord,
Ein Seufzer noch - dann hört mein Ohr mit Beben
Des Tages letzten Laut in Nacht verschweben.
Auf ging der Mond, und neue Melodie'n
Begannen durch die stille Nacht zu zieh'n;
Der Erd' entströmten süße Liebesklagen,
Die milde Lüfte hoch gen Himmel tragen,
D'raus leise tröstend Töne niederwallen,
Wie droben sie von Engelsharfen schallen.
Der Erde Leid, des Himmels sel'ge Lust -
Die Töne strömen dir aus meiner Brust.
Und Blumensprach' und Nachtigallensang
Und Bachesmurmeln, Abendglockenklang,
Dies Alles ist in meinem Lied erklungen,
Ich hab' dir's zitternd, bebend vorgesungen.
Dein dunkles Auge eine Thräne füllt,
Ein Seufzer deinen Lippen sanft entquillt,
Mein flehend Lied, es hat dein Herz erweicht,
Des Lebens höchstes Ziel, es ist erreicht!
Da wollt' ich jubeln wie der Wasserfall,
So sollte donnern meiner Töne Schall,
Da wollt' ich jauchzen, wie die junge Welt,
Wenn Sonnenkuß nach langer Nacht sie hellt.
Hin ist die Kraft - mir blieb ein einz'ger Ton,
Wie betend Engelslippen er entfloh'n!
(S. 24-25)
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Weiser Vorsatz

Ich will nicht dein gedenken,
Sollst nicht mehr bei mir sein
In allem meinem Denken,
In meinem ganzen Sein.

Die Rose wird gepflücket
Vom Sturm, an einem Tag,
Den Felsen selbst zerstücket
Ein einz'ger Donnerschlag.

So will ich's auch erringen,
Dem Alles ist geweiht -
Schnell soll dies Herz erzwingen
Sich die Vergeßlichkeit!

Nicht, wie ja Alles müde
Zu Grabe endlich schwankt,
Nein, wie die Ros' verblühte,
Und wie der Felsen wankt.

So flieh mit einem Schlage
Du Leid, so herb gesinnt,
Dich tödt' an einem Tage,
Vernunft, der rauhe Wind!

Umsonst, umsonst ihr Mühen,
Es trotzt ihr jede Stund -
Nie wird des Herzens Glühen
Besiegt vom weisen Mund!
(S. 54-55)
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Treue

Ihr müßt dies Herz nicht schelten,
Das sich so schwer ergiebt,
Könnt' schneller es gesunden,
Dann hätt' es nie geliebt.

Es gliche dann sein Fühlen
Ja nur dem Morgenthau,
Den eine Sonnenstunde
Hinwegküßt von der Au.

Dann wär' es wie die Welle,
So leicht und schnell erregt,
Und wie der Sommerfaden,
Den jeder Hauch bewegt.

Doch ach! es gleicht dem Felsen,
Der sich nicht beugen läßt;
Wie er am Schooß der Erde,
Hält es sein Fühlen fest.

Weil man darauf kann bauen,
Wie auf den Felsengrund,
Weil es ein Starkes, Festes,
Wird es so schwer gesund!
(S. 50)
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Jugendträume

Kalt ist, wer nicht Liebe suchet,
Spricht der Menschen große Zahl,
Elend ist, wer nie empfunden
Ihre Lust und ihre Qual!

Und das Letzte was sie sagen,
O, ich glaub' es ihnen wohl,
Aber niemals kann ich fassen,
Daß man Liebe suchen soll.

Liebe muß sich auf uns senken
Wie ein schöner, gold'ner Traum,
Ahnungslos muß sie durchdringen
Unsres Herzens tiefsten Raum.

Und wenn dann wir leis' erwachen,
Steht sie da als Königin,
Und vor ihrem Strahlenblicke
Sinken machtlos wir dahin.

So muß uns die Liebe nahen,
Soll sie heil'ge Liebe sein,
Denn der Schlaf schützt reine Herzen,
Himmlisches nur läßt er ein.

Wollte Gott mir leuchten lassen
Solcher Liebe Himmelslicht,
Knieend wollt' ich sie empfangen,
Doch sie suchen kann ich nicht!
(S. 15-16)
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An Marie

Ob ich dich liebe, wolltest du mich fragen -
Und was ich liebe, will ich treu dir sagen:

Das Blümchen lieb' ich, das die würz'gen Düfte
Ausstreuet in die lauen Frühlingslüfte,
Und doch sich tief verbirgt im dunklen Moos -
Kein Auge sieht der Heimath stillen Schooß.

Den See auch lieb' ich, deß krystallner Quell
Dem Blick sich öffnet bis zum Grunde hell,
Auf dessen Spiegel sich in sanftem Licht
Getreu des Himmels milder Abglanz bricht.

So lieb' ich auch der Jungfrau still Gemüth,
Das nur für Schönes, Heiliges erglüht.
Das fromme Herz, das muschelfest umschließt
Den reinen Kern, dem Reines nur entsprießt. -

Nun weißt du was ich liebe, denke nach,
Ob ich, Marie, dich wohl lieben mag.
(S. 13)
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Liebesklage

O, dürft' er dir's doch laut gesteh'n,
Wie er dich liebet tief und bang,
Und sollst dies scheue Herz du seh'n
Denn niemals ohne Hehl und Zwang?

So lauscht der Alpenrose Gluth
Verborgen unter'm Schneegefild,
Ein Sonnenblick gibt ihr den Muth,
Hervorzubrechen frei und mild.

Wo heute Alles starr und weiß,
Da strahlt's schon morgen rosenroth;
Den Zauber nur zu deuten weiß,
Dess' Herz gefühlet gleiche Noth.

Du ahnst vielleicht, doch weißt es nicht,
Wenn kalt dies Auge auf dich sieht,
Daß dir im Innern hell und licht
Ein ganzer Rosenhimmel blüht.

O, nur ein Sonnenblick, ein Hauch
Von eines bess'ren Frühlings Weh'n,
Und sichtbar deinem theuren Aug'
Sollt' es in Gluth und Flammen steh'n!
(S. 48)
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Der Liebestempel

O, ihre Liebe war ein stolzer Bau -
Der Freude Flagge weht' auf seinen Zinnen,
Und Kränze, feucht von süßer Thränen Thau,
Sie schmückten ihn von außen und von innen.

Vertrauen, stärker noch als Marmorstein,
Als Säule trug die Kuppel in der Mitten,
Das Fenster prangt' im reinsten Demantschein,
Aus ächter Treue festem Stoff geschnitten.

Und süßes, heitres Himmelslicht ergoß
Des Herzens Reinheit durch die klare Scheibe,
Wie Heil'genschein sein Inn'res ganz umfloß,
Was Liebe Gutes, Schönes weckt im Weibe.

So stand gebaut er für die Ewigkeit;
Weh' daß das Heut' ihn schon in Trümmern findet -
Ihn stürzte nicht die allgewalt'ge Zeit,
Ach, nein! er war auf losen Sand gegründet!

Er selbst hat ihn gebrochen und zerstört,
Den stolzen Bau, in dem sie ihn verehret,
Von seiner eignen Schwäche überthört,
Hat er ihn selbst mit frevler Hand verheeret.

Erst sank die Flagge von der Kälte Hauch,
Die Kränze welkten bei der Launen Spiele,
Die Säule bröckelte am Ende auch -
Im Staub erst, sah ihr Glaube sich am Ziele.

Die Treue nur prangt noch im Demantschein,
Kann sie so schnell den theuren Tempel lassen?
Der Gram wie bleiches Mondlicht fällt hinein
Und findet nirgends, nirgends Raum zum Hassen! -

Wer weiß, wenn er dereinst die Straße geht
Und ihres Baues Trümmer vor ihm ragen,
Ob dann voll Trauer er nicht stille steht,
Voll bitt'rer Reue, daß er ihn zerschlagen!
(S. 58-59)
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»So tief verwundet ist dies Herz«

So tief verwundet ist dies Herz -
Es möchte sich in Nacht versenken,
Nicht sehen, hören und nicht denken,
Nur fühlen seinen bitt'ren Schmerz!
So kostet' es ihn bis zum Grund,
Es müßte langsam sich verbluten,
Und aus den ausgebrannten Gluthen
Erhöb' es sich vielleicht gesund.

Nun aber wird der laute Tag,
Der ihn geschäftig will zerstören,
Des Herzens Qual nur noch vermehren,
Nicht stark es machen, sondern schwach.
Doch sei's getragen - nach dem Wie
Nicht fragt der Selbstbeherrschung Wille;
Nur Aug' und Lippe, haltet stille,
Das inn're Leid verrathet nie!
(S. 49)
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Schönes Bild

Wie bist du schön, o Rose,
Und hold in deiner Pracht,
Vom ersten Sonnenstrahle
Geküßt nach thau'ger Nacht;
Von Thränen übergossen
Dein leuchtend Angesicht,
Stehst lächelnd du im Schimmer
Des Lichts, das dich umflicht.

O Mädchen, so bist lieblich
Du wie der Rose Bild,
Wenn sich dein dunkles Auge
Mit süßen Tropfen füllt,
Die Wangen sanft sich röthen
In stiller, heil'ger Gluth
Vom Sonnenstrahl der Liebe,
Der schimmernd auf dir ruht!
(S. 21)
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Ein Liebesbote

Wie du fliegst auf meine Hand,
Bunter Schmetterling,
Bist du wohl ein Gruß von ihr,
Eh' sie weiter ging?

Süßer Gruß, und doch so herb,
Daß es überquillt,
Dieses Aug', das ahnend sieht
Drin der Liebsten Bild.

Wenn nun, gleich dem Schmetterling,
Heute sie mir naht,
Morgen flieht - o, armes Herz,
Weißt du dir dann Rath?
(S. 31)
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Alle Gedichte aus: Frauenherz. Gedichte von Luise Büchner
Berlin: Max Hirsch 1862


Biographie:

http://de.wikipedia.org/wiki/Luise_Büchner


 


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