Sophie Dethleffs (1809-1864) - Liebesgedichte



Sophie Dethleffs
(1809-1864)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 




Habe Acht auf dich

O, habe Acht auf dich in Wort und Blicken,
Sprich nicht von Liebe, wo's nicht darf geschehn!
Es ist so leicht, den Dorn in's Herz zu drücken,
Das dann verblutet still und ungesehn.

Du gehst hinaus in das bewegte Leben
Und lachst und liebst und denkst nicht mehr daran;
Du mußt die Zukunft handelnd dir erstreben,
Der rasche Wechsel reizt den rüst'gen Mann.

Doch sie vergaß nicht, sie hat tief im Herzen
Sich jeden Blick bewahrt und jedes Wort,
Dort lebt Erinn'rung ihr mit tausend Schmerzen,
Dort lebt dein Bild und ihre Liebe fort.

Sie wird zu Gott um ihren Frieden beten,
Den Du für immer achtlos ihr zerstört;
Denn ihren Frühling hat dein Fuß zertreten,
Und ihre Blüthen hast du ihr verheert.

Sie wird nicht klagen, wird dir still vergeben,
Dir jeder Tugend milden Glanz verleihn;
Doch ihr so früh geknicktes Jugendleben
Wird eine Klage vor dem Richter sein.
(S. 14-15)
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Die Welt ist so groß, und das Herz ist so klein

Die Welt ist so groß, und das Herz ist so klein,
Doch schließt es das ganze Weltall ein.
Das Weltall aber mit seiner Pracht
Das kleine Herz doch nicht glücklich macht,
Wenn's unverstanden und unerkannt
Ein gleiches Herz nicht auf Erden fand.
(S. 15)
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Kein kaltes Herz

Ich wollt', ich könnte ganz vergessen
Und hätt' ein Herz von Stein,
Dann, dünkt mich, würd' ich ungemessen
Vergnügt und glücklich sein

Ich ginge an der Menschheit Leiden
Ganz ungerührt vorbei,
Und nichts vergällte meine Freuden,
Was es auch immer sei.

Mich brächte nichts aus meinem Gleise,
Und mit zufried'nem Sinn
Zög ich in unbeirrter Weise
Auf meinem Pfad dahin.

Und alles Leid vergangner Tage,
Ich wär's mir nicht bewußt,
Es ruhte wie verklung'ne Sage
Mir lautlos in der Brust.

Und auch die süßen Melodien
Vergangner Seligkeit,
Sie sollen alle, alle ziehen
In die Vergessenheit?

Die Leiden, die das Herz verklären
In stiller Heiligung, -
Ich sollte ihren Trost entbehren
In der Erinnerung?

Ich sollte keine Thräne haben
Für Menschenlust und Pein?
O Herz, mit allen Erdengaben -
Wie wärest du allein!

Du klopftest nicht in heißen Schmerzen
Und nicht in sel'ger Lust.
O Gott, bewahr' vor solchem Herzen
Doch jede Menschenbrust!
(S. 17-18)
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Ein geliebtes Menschenherz

Mir kann's so weh im Herze werden,
Wenn ich darüber nachgedacht:
Was ich zumeist geliebt auf Erden,
Hat mir am meisten Schmerz gebracht.

Wenn Gottes Hand mich schwer getroffen,
Und wenn sie mir das Liebste nimmt:
Ich bin getrost im Glauben, Hoffen,
Weil Seine Liebe mir's bestimmt.

Doch schwerer, schwerer ist zu tragen
Der Wunden brennend heißer Schmerz,
Die mir ein Menschenherz geschlagen,
Ach, ein geliebtes Menschenherz.

Oft schwur ich mir das Herz zu lassen,
Das so zum Tode mich betrübt,
Doch kann ich selber es nicht fassen:
Ich hab's nur immer mehr geliebt!
(S. 35-36)
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Verloren und verloren

Wenn Gott ein theures Herz von mir genommen,
Und es berief zu einem höhern Sein,
Dann darf ich betend zu dem Grabe kommen,
Und darf ihm Blumen auf den Hügel streun.

Und die ich liebe, werden mit mir trauern,
Am theuren Grabe weinend mit mir stehn,
Und ich empfinde unter Andachtsschauern:
Wir werden droben einst uns wieder sehn!

Doch wenn schon hier ein Herz sich von mir wandte,
An dem mit Liebe meine Seele hing,
Wenn's sich zur eitlen Lust der Welt bekannte
Und ihre dunklen sünd'gen Pfade ging,

Dann kann ich nicht an seinem Grabe weinen,
Dann darf die Welt nicht meinen Kummer sehn,
Dann kann ich nicht im Trauerkleid erscheinen,
Will auch das Herz vor bitt'rem Gram vergeh'n.

Was ich verloren, laß mich's droben finden,
Wo es der Herr mir einst entgegen führt,
Nicht hier in dieser Welt voll Kampf und Sünden,
Wo's auf dem Irrweg sich in Nacht verliert.
(S. 38)
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Wo möcht' ich sein?

Wo möcht' ich sein? so muß ich oft mich fragen,
Und blicke forschend in die Ferne hin,
Wenn die Gedanken trauernd mich verklagen,
Daß unter Menschen ich nicht glücklich bin.

Auf hohem Berg', von grünem Wald umgeben,
Von allen Fesseln ird'scher Sorge frei,
Dem Himmel näher, droben möcht' ich leben,
Damit im Herzen auch mehr Himmel sei.

Und bunte Blumen müßten mich umsprießen
Mit hellen Farben, duftend, zart und rein,
Ein klarer Bach zu meinen Füßen fließen,
Und still und klar auch meine Seele sein,

Der Vögel Lieder müßten mich umtönen,
Die fröhlich jubelnd wirbeln himmelan,
Damit mein Herz, bewegt von allem Schönen,
Mit diesen Sängern jubelnd danken kann.

Und nicht der Menschen Treiben möcht' ich sehen,
Es dünkt im All der Schöpfung mir so klein.
Ich möchte einsam, einsam oben stehen,
Mit meinem Gott und der Natur allein.

So denk' ich oft; und doch mit tausend Banden
Zieht mich mein Herz zu andern Herzen hin;
Und auf der Erde muß ich wieder landen,
Weil an die Erde ich gefesselt bin.

Es kann der Mensch nicht ohne Menschen leben,
Und ohne Liebe steht er so allein,
Das hat der Schöpfer ihm in's Herz gegeben,
Und weil Er's giebt, wird's wohl am besten sein.
(S. 46-47)
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Das Meer, das Herz

Das Meer, so schäumend, und so wild bewegt,
Wenn es der Sturm mit seinen Flügeln schlägt,
Wenn er es tief bis in den Grund durchwühlt,
Und Well' um Welle über's Ufer spült;
Wenn's schwarz und düster in den Abgrund braus't,
Nach oben treibt, was in der Tiefe haus't.

Das Herz, so wild und oft so sturmbewegt,
Wenn sich die Leidenschaft im Busen regt,
Die dann der Klugheit Grenzen überfliegt,
Und wohl des Herzens Güte gar besiegt,
Die neu zum Leben ruft, was längst bedeckt
Und aus der Tiefe düstre Schatten weckt.

Das Meer, so weit, so unermeßlich groß,
So voll Geheimniß in dem dunkeln Schooß,
So reich an Schönheit und so voll von Graun,
So freundlich oft und nimmer doch zu traun;
So lockend, wenn's zum Wagen uns bestimmt,
So tückisch, wenn es seine Opfer nimmt.

Das Herz so groß, so unaussprechlich weit,
So reich an Glück und Seligkeit,
Voll Raum für Menschenlust und Leid,
Und so voll Räthsel und voll Dunkelheit,
So freudig opfernd, wo gebeut die Pflicht
Und doch so klein oft, wo die Selbstsucht spricht.

Das Meer, so tief, so still, so lieblich blau,
So leicht umwoben von des Nebels Grau, -
Den Nachen schaukelt es zum sonn'gen Strand,
Mit Blumen spielt es an des Ufers Rand,
Die Sterne spiegelt es, des Mondes Blick,
Den ganzen Himmel strahlt es hell zurück.

Das Herz, so tief, so sinnig still, das Herz,
So oft umdüstert von der Erde Schmerz,
Und doch so leicht der Freude zugewandt,
So süß beglückend durch der Liebe Band,
So warm, so treu, so fromm, so mild,
Des reinen Himmels sonnverklärtes Bild.
(S. 50-51)
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Die Erzählung des alten Steuermanns

Ich stehe allein auf der weiten Welt,
Die Freude hat selten mein Herz erhellt.
Nicht Vater und Mutter hab' ich gekannt,
Das weite Meer hab' ich "Heim" genannt.
Das enge Schiff war von je mein Haus,
Mir ist es am wohlsten im Sturmgebraus.
Kein Scheiden und Meiden hat mich betrübt,
Denn ihn nur, ihn hab' ich allein geliebt.

Sie brachten auf's Schiff ihn, so zart und klein,
Er stand wie ich auf der Welt allein;
Ich weiß es nicht, wie es sich so gefügt,
Er hat sich still an mich angeschmiegt.
Mein rauhes Wesen, mein finstrer Blick,
Sie scheuchten ihn niemals von mir zurück. -
Er war so verlassen, so jung und zart,
Ich hab' ihn beschützet nach meiner Art,
Ich habe den Schmerz von ihm abgewandt,
Wenn Strafe ihm drohte durch rauhe Hand;
Und lachte ihm jemals das Auge in Lust,
So lachte mein Herz in der alten Brust.
So wurde er größer und wuchs heran,
Und hat seine Pflicht so voll Treue gethan.

Da traf uns das Unglück so finster und schwer:
Wir segelten auf dem atlantischen Meer, -
Es grollte schon lange im tiefsten Schooß,
Und plötzlich brach grausig das Wetter los.
Es wurde so finster, als nahe die Nacht,
Der Sturm fuhr daher mit entsetzlicher Macht.
Es thürmten die Wellen sich bergeshoch,
Daß Raae und Mast wie ein Rohr sich bog.
Das Schiff flog hinauf, und hinab in die Gruft
Und züngelnde Blitze durchzuckten die Luft.
Es heulte der Sturm und es brauste die Fluth,
Und auch den Beherztesten sank der Muth. -

Da wurde er in den Mast kommandirt,
Und hurtig wie stets er Ordre parirt.
Ich weiß es nicht, ob ihn des Sturmes Hast -
Ob plötzlicher Schwindel ihn jäh gefaßt?!
Er wirbelt hinab in des Meeres Schaum,
Als wär' es im Herbste ein Blatt vom Baum.
Ich stand am Steuer, stand dicht dabei,
Ich hörte den letzten Verzweiflungsschrei,
Ich sah sein Auge, das mich entdeckt,
Die Hand die er flehend mir ausgestreckt;
Ich sah wie er kämpfte mit Todesmuth,
Dann sah ich, wie ihn verschlang die Fluth.

Ich blieb auf dem Posten der Pflicht getreu,
Doch war mir's als bräche mein Herz entzwei,
Ich habe kein Auge von ihm verwandt,
Ich faßte das Steuer mit fester Hand,
Und lenkte mit wildem verzweifeltem Sinn,
Das fliegende Fahrzeug über ihn hin. -

Es war ein Moment, nur ein Augenblick,
Doch immer und immer kehrt er zurück,
Und steh' ich am Steuer auf einsamer Wacht
Und blicke hinaus in die schweigende Nacht,
Dann drängt's an mein Ohr sich mit finst'rer Gewalt,
Dann seh' ich die bleiche, die stille Gestalt.
Dann seh ich den Blick, der mich schaudernd durchbebt,
Die Hand, die sich stumm aus den Fluthen erhebt.
Ihm mag es wohl besser dort unten sein;
Ich stehe im Leben nun wieder allein,
Ich blicke hinaus auf das endlose Meer,
Mein Herz ist so einsam, die Welt so leer,
Kein Scheiden und Meiden mich mehr betrübt,
Denn ihn nur, ihn hab' ich allein geliebt.
(S. 62-64)
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Des Lebens Wechsel

Er hat es ihr gesagt, daß er sie liebe,
Nun macht kein Wölkchen ihren Himmel trübe;
Denn sie ist selig, sie ist ewig sein.
Sie möchte Alles um sich her beglücken,
Die ganze Welt möcht' an das Herz sie drücken,
An dieses Herz voll Licht und Sonnenschein.

Sie sieht den Lenz nun anders sich entfalten,
Sie möchte schmeichelnd jede Blume halten,
O, wenn es ewig, ewig Frühling wär'!
Ihr ist's, als ob die Vögel heller sängen,
Als ob melodischer die Glocken klängen,
Als glänzte mehr der Himmel und das Meer.

Da ist das Schicksal rauh daher gekommen,
Und was sie liebte, hat es ihr genommen,
Und um ihr irdisch Hoffen ist's geschehn.
Von allem Glücke ist ihr nichts geblieben,
Als die Erinn'rung, als ihr treues Lieben,
Und ihre Sehnsucht nach dem Wiedersehn.

Nun freut sie sich, wenn schon der Lenz gegangen,
Sie sieht beglückt die welken Blüthen hangen,
Und lächelt, wenn es um sie welkt und bricht;
So wird ein Jahr doch nach dem andern gehen,
Und immer näher rückt das Wiedersehn,
Uns hält ja ewig diese Erde nicht.
(S. 66-67)
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Die Blüthe der Unschuld

Es keimt eine Blüthe
Im Herzensgrund,
Die pfleg' und behüte
Zu jeder Stund'.

Die Wurzeln verschlungen
Im Herzen dicht,
Die Krone erhebt sich
Zum Himmelslicht.

Die Farben so glänzend,
So weiß und rein,
Der Staub und die Fäden
So zart und fein.

Der Kelch sich erschließend
So tief verhüllt,
Der Duft so erquickend,
Der ihn erfüllt.

Berührst du die Knospe,
Im frevelnden Scherz,
Dann welket die Blüthe,
Dann bricht das Herz.
(S. 67-68)
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Das späte Wiedersehen

Sie steht ihm zur Seite, sie sieht ihn an,
Es kommt ihr fast vor wie ein Traum;
Die Zeit, wo sie heute und sonst ihn gesehn,
Trennt, ach, ein unendlicher Raum.

Sie redet so heiter mit ihm, so mild,
Spricht viel von vergangener Zeit;
Sie lauscht so bewegt seiner Stimme Klang,
Und giebt dann ihm still das Geleit.

D'rauf setzt sie sich stumm an das Fenster hin
Und blickt durch die Scheiben ihm nach;
Sie faltet die Hände, ihr Auge wird feucht
Sie ruft die Vergangenheit wach.

Derselbige Gang noch, so rasch sein Schritt,
Doch trägt er das Haupt nun gebeugt;
Dasselbige Antlitz, das Auge so mild,
Doch sind seine Haare gebleicht.

Sie hat ihn geliebt, den alten Mann.
Geliebt mit heiliger Treu';
Sie hat ihn geliebt von Jugend auf
Doch aber verbarg sie's ihm scheu.

Da zog er von hinnen, sie blieb allein,
Fast hätte der Gram sie verzehrt.
Sie blieb nun allein, ob die freundliche Hand
Auch flehend die Liebe begehrt.

Es folgt ihm ihr Auge durch Raum und Zeit,
Sie hoffte ihn wiederzusehn,
Und was sie gehofft so manches Jahr,
Das ist denn nun heute geschehn.

O, Träume der Jugend, wo seid ihr hin,
Wo blieb das verheißene Glück?
O, Jahre des Kummers, auch ihr seid dahin;
Verschlang nicht auch euch das Geschick? -

So hat sie gelitten, geduldet, gewacht,
Gekämpft oft mit Sorge und Schmerz.
Und nach ihrer Liebe hat Niemand gefragt,
Die hütet verborgen ihr Herz.
(S. 71-73)
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Sei nicht betrübt!

Sei nicht betrübt! ich ziehe in die Ferne,
Und ob ich gehe, bleib' ich doch bei dir;
Mein Auge sieht am Himmel andre Sterne,
Doch meiner Liebe Stern glänzt hell in mir.

Sei nicht betrübt! ich werde nie vergessen,
Und ob du's wähnst, - du bist doch nicht allein,
Denn mein Gedanke wird den Raum durchmessen
Und meine Liebe immer bei dir sein.

Sei nicht betrübt! sing' deine süßen Lieder,
Und leg' in sie der Sehnsucht stillen Schmerz;
Als Gruß der Liebe tönen sie herüber,
Und nicht mehr einsam fühlt sich dann mein Herz.

Sei nicht betrübt! läßt Gott mich noch hienieden,
So kehr' ich fröhlich einst zu dir zurück.
Dann folgst du mir zu meiner Hütte Frieden,
Und bist mein Himmel und mein ganzes Glück.
(S. 73-74)
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Liebe

Lieb' ist nimmer ein getrenntes Wesen,
Weil sie Herzen mit einander eint,
Lieb' ist nimmer etwas, was gewesen,
Weil sie bleibet, wo sie je erscheint.

Lieb' ist frei, engt auch das arme Leben,
Das Verhältniß, sie in Schranken ein,
Tiefer wird sie in der Seele weben,
Um dort Oben wieder frei zu sein.

Lieb' ist treu, und ewig ohne Wanken,
Weil sie sonst ja keine Liebe wär',
Lieb' ist wahr in jeglichem Gedanken,
Fordert wenig, aber bietet mehr.

Lieb' ist Segen, wo sie auch erscheinet,
Von des Lebens Anfang bis zum Grab,
Wo der Kummer einsam sitzt und weinet;
Liebe trocknet alle Thränen ab.

Lieb' ist göttlich, kam von Gott hernieder,
Der sie pflanzte in die Menschenbrust,
Spendet, wo sie weilt, den Himmel wieder,
Ewig ihres Urquelles sich bewußt.
(S. 76)
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Die Verlassene

Sie liebt' ihn treu, mit jenem heil'gen Feuer,
Das nur in tiefen, stillen Seelen wohnt.
Er war ihr über Alles, Alles theuer;
Wie hat er diese Liebe ihr gelohnt?

Er ist gegangen, hat sie still verlassen,
Und einer Andern schenkte er sein Herz,
Sie ist getäuscht, kann nicht die Wahrheit fassen,
Und steht vernichtet in dem höchsten Schmerz.

Wo soll ich hin? ich kann mich nimmer retten
Vor der Verzweiflung, die mein Herz durchdringt,
Die mich erdrückt mit ihren ehr'nen Ketten
Und ihre schwarzen Flügel um mich schlingt.

Ich kann nicht beten, nicht zu Gott erheben
Das so gebeugte, tiefgequälte Herz,
Weil finst're Schatten marternd mich umgeben
Und mir den Geist verdunkelt wilder Schmerz.

Wer wird versöhnend mir zum Herzen sprechen,
Wer richtet mich in meinem Gram empor?
Die Welt wird schonungslos den Stab mir brechen
Und noch zertreten das geknickte Rohr.

Komm du, o Stolz, und zieh' in meine Seele
Mit deinem tödtenden Gefolge ein,
Daß ich der Welt den bitt'ren Gram verhehle;
Erst wirst du Schein, bald kalte Wahrheit sein.

Er kam, der Stolz, und nahm ihr frommes Sehnen,
Nahm ihr den weichen, liebevollen Sinn,
Nahm von dem Auge ihr die heißen Thränen,
Und ihres Herzens Milde nahm er hin.

Er nahm ihr Alles, bis sie spottend schaute
In's Paradies vergang'ner Liebeszeit,
Bis vor dem eignen Herzen ihr es graute
In seiner kalten, öden Einsamkeit.
(S. 79-80)
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Ich liebe dich

Ich liebe dich!
Das möcht' ich Allem, Allem sagen,
Was mir in der Natur entgegen tritt,
Und Alles, Alles möcht' ich wieder fragen:
Liebst du auch mich?

Ich liebe dich!
Das möcht ich rufen in des Meeres Rauschen,
Und aus der blauen, tiefen, klaren Fluth
Möcht' ich der Antwort auf die Frage lauschen:
Liebst du auch mich?

Ich liebe dich!
Das möcht' ich jubeln in die fernste Ferne,
Hinauf zum hohen, stillen Himmelsdom.
Und fragen möchte ich die goldnen Sterne:
Liebst du auch mich?

Ich liebe dich!
Das ruf' ich seufzend in des Sturmes Brausen,
Wenn er des Waldes Eichengipfel biegt.
Und Antwort lausch' ich aus der Bäume Sausen:
Liebst du auch mich?

Ich liebe dich!
Das möcht' ich flüsternd in die Blumen hauchen,
Und in den tiefen thauumperlten Kelch
Möcht' ich die stille Herzensfrage tauchen:
Liebst du auch mich?

Ich liebe dich!
Ja Allem, Allem möchte ich es sagen,
Was in der Schöpfung mir entgegen tritt,
Doch nimmer könnte ich dich selber fragen:
Liebst du auch mich?
(S. 81-82)
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Wie kömmt's

Der erste Sonnenblick im Lenze,
Der Schmelz des Herbstes auf der Flur.
Das helle Klingen einer Sense,
Der Glocke fernes Läuten nur,

Der Duft von einer Frühlingsblüthe
Und eines Vogels leiser Sang:
Die wecken oft mir im Gemüthe
Gar tiefen, wundersamen Klang.

Dann ziehen Bilder mir vorüber,
Die mich schon einmal sonst umschwebt;
Dann hör' ich theure Stimmen wieder,
Die einst mit Wonne mich durchbebt.

Dann ist die Jugend wieder kommen,
Und froh und heiter ist mein Sinn;
Und Alles lebt, was mir genommen,
Und Alles blüht, was längst dahin.

Und wenn ich zu mir selbst gekommen, -
Dann war's ein heller, schöner Traum,
Der wie ein Sonnenblick verschwommen;
Wie er entstanden, weiß ich kaum.

Und mich erfaßt ein stilles Sehnen,
Und fragend blick' ich himmelwärts;
In meinen Augen stehen Thränen,
In meinem Herzen zuckt der Schmerz.
(S. 84-85)
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Die goldnen Hände

Als du zum Abschied einst dich mußtest von mir wenden
Und ließest mich in meinem Schmerz allein,
Da gabt du mir die Kette mit den goldnen Händen,
Sie sollten ein Symbol der Treue sein.

Die goldnen Hände halten sich noch fest umschlungen,
Mein Auge blickt sie öfters an und weint,
Daß Das, was sie bedeuten sollten, längst verklungen
Und Gold doch echter als die Treue scheint.

Denn uns're Hände haben sich schon längst gelassen,
Ich habe oft um das Warum gefragt,
Und möchte einmal wohl die deinen noch erfassen
Und fragen, ob dein Herz dich nicht verklagt?
(S. 88)
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Hast du je ein Herz besessen

Hast du je ein Herz besessen,
Und du bist von ihm vergessen,
Ach, das ist ein bitt'res Leid!
Hast du treu dies Herz geliebet,
Das dich so zum Tod betrübet,
Ach, dann währt's in Ewigkeit.

Denn in alle deine Freuden
Drängt sich dieses stille Leiden,
Gräbt sich fest in's Herz hinein;
Wohnt da tief, im tiefsten Grunde,
Blutet ewig aus der Wunde,
Deckt sie gleich der äuß're Schein!

In des Lebens buntem Drängen,
Bei der Freude hellsten Klängen
Quält es oft am tiefsten dich,
Und wenn sie dich fröhlich wähnen,
Stehlen dir wohl heiße Thränen,
Heimlich von den Wimpern sich.

Ach bei Allem, was dem Herzen
Nahet unter Glück und Schmerzen,
Wallt es in Dir, still und mild,
Und als könnt' es nie dich trügen,
Kömmt mit den geliebten Zügen
Wieder das geliebte Bild.

Jahre kommen, Jahre gehen,
Magst du's selbst auch nicht verstehen,
Wähnen, Alles sei zur Ruh',
Aber tief, im tiefsten Grunde,
Blutet ewig doch die Wunde,
Und kein Balsam schließt sie zu.
(S. 90-91)
_____



Nur einmal noch

Ich weiß, wir sind für immerdar geschieden,
Ich hab' es lange, lange schon gewußt;
Doch ist es mir, als hätt' ich dann erst Frieden,
Wenn ich nur einmal, einmal noch hienieden
Mein Haupt gelehnt an deine Brust.

Dann wird mir sein, als ob nun Alles ende,
Was mir die qualerfüllte Brust bewegt;
Als ob nun Alles sich zur Ruhe wende,
Wenn du noch einmal segnend deine Hände
Auf mein gebeugtes Haupt gelegt.

Ich will dann still und einsam weiter gehen,
Nicht mehr des Lebens bitt're Kämpfe scheun;
Will nur mein Heil in Gottes Schickung sehen,
Will and'rer Menschen Leid und Schmerz verstehen
Und will mich ihres Glücks erfreun.
(S. 94-95)
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Wo du auch bist

Wo du auch bist, mein Sehnen wird dich finden,
Es folgt dir ewig durch die Erde hin,
Magst du in Wüsten dir die Heimath gründen,
Du bist nicht einsam, weil ich bei dir bin.

Wo du auch bist, mein Geist durchfliegt die Schranken; -
Ach, deine Liebe hat mich einst beglückt!
Ich will dir ewig diese Liebe danken,
Hat auch dein Scheiden mir das Herz geknickt.

Wo du auch bist, o möge Gott dich halten
In jedem Schmerz mit seiner starken Hand,
Nie wird mein Herz in seiner Lieb' erkalten,
Weil es in dir einst seinen Himmel fand.
(S. 95)
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Stillehalten

Es ist vorbei, du bist von mir geschieden!
Leb' deine Tage ferner hin in Frieden,
Kein Kummer störe dich in deiner Ruh',
Und geh' getröstet deinem Ziele zu.
Er meint es gut mit dir, dein Gott und Herr,
Das Stillehalten wird nur oft so schwer.

Du wolltest einmal noch ihn wieder sehen,
Doch was du hofftest, sollte nicht geschehen.
Hast du geprüft dein unruhvolles Herz?
Warum erneuen dir den alten Schmerz?
Er meint es gut mit dir, dein Gott und Herr,
Das Stillehalten wird nur oft so schwer.

Du kannst das Wort "für immer" noch nicht fassen,
Es kann dein Herz nicht von der Hoffnung lassen,
Doch weißt du ja, es muß so besser sein,
Drum füg' dich, füg' dich, armes Herz, darein.
Er meint es gut mit dir, dein Gott und Herr,
Das Stillehalten wird nur oft so schwer.

Denk nicht mit Trauer an vergang'ne Leiden,
Trag' in die Zukunft deine stillen Freuden:
Gebet und Arbeit und der Lauf der Zeit
Besiegen auch das tiefste Herzeleid.
Er meint es gut mit dir, dein Gott und Herr,
Das Stillehalten wird nur oft so schwer.
(S. 96-97)
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Sie glaubt an ihn

Nehmt mir nicht Alles, nehmt mir nicht den Glauben
An seiner Tugend tief empfund'nen Werth,
Wollt ihr dies Eine meinem Herzen rauben,
So hab ich nichts, was mich das Leben tragen lehrt.

Nehmt mir nicht Alles, mußt' er mich nicht lassen?
Das war der Ausspruch, der mich leben hieß.
O, wär es anders müßt' ich ihn ja hassen,
Daß er des armen Mädchens treues Herz verstieß.

Nehmt mir nicht Alles! Wollt ihr ihn verdammen,
Sagt ihr daß treulos war der harte Mann,
Dann stürzt der Himmel über mir zusammen,
Dann bin ich elend, weil ich nicht mehr glauben kann.

O ich kann leiden, ich kann viel ertragen,
Das Schwerste dulden ist des Weibes Pflicht,
Ich kann dem Glück mit festem Muth entsagen
Doch ihn verachten und noch leben kann ich nicht.
(S. 97-98)
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Meine Heimath ist dein Herz

Ach, ich hatte eine Heimath,
Alle Freuden wohnten dort,
Doch es trieb mich unerbittlich
Aus der süßen Heimath fort.

Schön ist Gottes weite Erde,
Aller Orten wohnt das Glück,
Aber unaussprechlich sehn' ich
In die Heimath mich zurück.

Nicht ein Reich, so groß und mächtig, -
Meine Heimath ist nur klein,
Aber dennoch schließt sie Alles -
Alles, was ich liebe, ein.

Wie durch trüben Nebelschleier
Seh' ich rings die Welt umher,
Denn das Heimweh macht so traurig,
Und das Herz ist mir so schwer.

Laß mich, laß mich wiederkehren,
Nimm mir meinen heißen Schmerz!
Willst mir nicht die Heimath wehren
Meine Heimath ist dein Herz!
(S. 100-101)
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Stille Liebe

Oft wohnet in des Herzens stillem Grunde
Wohl ein Geheimniß, wonnig, tief und zart. -
Bis offenbar es wird zur rechten Stunde,
Bleibt unberührt und heilig es bewahrt,

Wie eine Knospe, die noch nicht erschlossen,
Die schlummernd ruht im grünen Blätterkranz,
Vom linden Frühlingshauche mild umflossen,
Und aufgeküßt vom ersten Sonnenglanz.

Und wenn die Knospe sich verschämt entfaltet,
Wenn das Geheimniß sich enthüllt dem Licht,
Dank, Dank dem Schicksal, das so freundlich waltet
Ach, manche Knospe, sie enthüllt sich nicht.

Denn wird das Zauberwort nicht ausgesprochen,
Das süß bewegt von fremder Lippe quillt,
Dann welkt die Knospe, und das Herz, gebrochen,
Birgt das Geheimniß, ewig unenthüllt.
(S. 102)
_____



Ich hatte einen Freund so lieb

Ich hatte einen Freund so lieb,
Er mußte von mir gehn,
Und als er ging, da blieb ich trüb
In meiner Thüre stehn.

Und als die freundliche Gestalt
Um jene Ecke schwand,
Erfaßte Ahndung mich so kalt,
Mit ihrer eis'gen Hand.

Ob er mir wol die Treue hält,
Die mir sein Mund versprach?
Was wäre mir die ganze Welt
Wenn er sein Wort mir brach!

Ich ging hinein ins öde Haus,
Die Welt war mir so leer,
Und meine Freuden alle aus,
Das Herz so trüb und schwer.

Ich weinte nicht, ich klagte nicht,
Doch lag's mir tief im Sinn;
Mit ihm war meines Lebens Licht,
Und Alles war dahin.

Und so wie es mir damals war,
So ist mir's heute noch,
Denn meine Ahndung wurde wahr,
Und ach, - ich lieb ihn doch. -
(S. 104-105)
_____



Das ferne Licht

Wieder grüßet aus der Ferne
Mich das liebe traute Licht,
Wie aus dunkler Nacht der Sterne
Milder reiner Schimmer bricht.

Friedlich glänzet es herüber
In mein dunkles Kämmerlein,
Immer stiller, immer trüber,
Bis es stirbt im Morgenschein.

Sinnend und das Haupt gebeuget
Sitzt er bei der Schrift und wacht
Und die bleiche Stirne zeuget
Von der schlummerlosen Nacht.

Sein umdüstert' Auge blicket
Träumend in der Flamme Licht,
Und die Sorge, die ihn drücket,
Nennt die stumme Lippe nicht.

Könnt' ich, wie der Duft der Linde
In das offne Fenster ziehn!
Könnt' ich gleich dem Abendwinde,
Kühlen seiner Wangen Glühn!

Dürfte ich ihm leise sagen,
Daß die Seele, die ihn liebt,
Selig sei, mit ihm zu tragen
Alles, was sein Herz betrübt!

Durch die dunkle Nacht herüber
Leuchtet meiner Liebe Stern
Immer stiller, immer trüber,
Ach mir ewig, ewig fern.
(S. 106-107)
_____



Die weiße und die rothe Moosrose

Die Weiße
Siehst du umschlossen sie von grünem Moose,
Die zarte, wundervolle weiße Rose?
Das schöne Haupt erhebend stolz und frei,
Als ob der Blumen Königin sie sei,
Als müss' die Schwester selbst, der Liebe Zeichen,
Die rothe Rose, ihrer Schönheit weichen.
Dies milde Weiß bedeutet stille Trauer,
Dies milde Grün der Hoffnung ew'ge Dauer.
Vor allen möcht' ich diese Rose pflegen
Und auf das Grab der treuen Liebe legen.
Mag dann die rothe Rose hier verglühen,
Die weiße soll das Herz zum Himmel ziehen;
Sie lehrt, daß in der Trauer ernsten Stunden
Die Hoffnung ihren Ankergrund gefunden.

Die Rothe
Wie sie der Sonne froh entgegenschaut,
Die rothe Rose, wie in ihr die Perle thaut! -
Dies Antlitz, lauter Lust und Licht,
So schön ist doch die weiße Schwester nicht!
Was schauest du so ernst darein?
Nur Liebe, Liebe muß das Leben sein!
Mich, spricht sie, wählt zum Schmuck die Braut,
Dir wird die stille Sehnsucht nur vertraut.
Dir ist Entsagung, mir das Glück gegeben,
Dir nur der Schmerz, und mir das volle Leben. -
Wähl' du den Himmel dir als schön'res Ziel,
Mir hat die Erde noch der Lust so viel;
Hier muß ich glühn und meine Düfte streun
Und mich des Lebens und der Liebe freun.
(S. 114-115)
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Aus: Gedichte in hochdeutsche und plattdeutscher Mundart
von Sophie Dethleffs
Fünfte vermehrte Auflage
Mit einem Vorworte und einem Lebensabriss
Herausgegeben von Klaus Groth
Hamburg Verlag von Robert Kittler 1878


 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sophie_Dethleffs






 

 


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