Mewlana Abd ur Rahmân ibn Achmed

Dschami

(1414-1492)

Aus dem Diwan

(in der Übersetzung von Joseph von Hammer-Purgstall)




Gaselen

Es brennen jede Nacht vom Herzensfeuer Fackeln,
Es kommen von dem Gau des Grames Karawanen.

Mein Herz ward durch der Wangen Sonnenglanz zur Lampe,
An Ketten deines Lockenhaares aufgehangen.

Nicht Jedermann versteht des Weins Geheimnisse,
Wenn ihm der alte Wirth nicht löset diese Fragen.

O gehe nicht den Weg der Armuth und des Elends,
Verhängniß lauert auf dem Weg im Hinterhalte.

Es kennet des Verstands Gerede keine Grenzen.
O reiche Wein! daß ich vergesse das Geschwätze.

Geheimniß aus der Schenke kennen Trinker nur,
Die wie Dschami die Pfennige zur Schenke trugen.
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Wer ist der Mond, der ins Gemach
Hereingeschlichen kommt,
Vor dessen Wangen Widerschein
Das Licht ein Schatten ist?

Es ist der helle Sonnenball,
Aus dessen Orient
Sich unser Glücksgestirn erhebt
Zum höchsten Himmelsplan.

Ich knete mit Thränengüßen
Den Lehmen meines Grams,
Damit der Hoffnung Rose sprosse
Aus Lehmen meines Grams.

Die Seel' entfloh, was soll ich sie
Auf ihre Spuren streu'n,
Wenn einst nach meinem Tode sie
Zu meinem Grabe geht!

Für seinen Nebenbuhler hält
Zuletzt mich noch ihr Hund;
In beyden Welten machet mir
Nur dieser Nahmen Ehre.

Für ihren Staub tauscht' ich die Seele!
Allein was nützt es mir,
Da dieß Geschenk von ihrer Huld
Nicht gut geheißen ward.

Daß du gelangest zum Genuß,
Dschami, biet auf den Muth,
Und hohle Muth, denn jede That
Vollendet nur der Muth.
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Auf Sina's Feldern gibt’s Gaselen nicht wie du,
Was Sina! denn es gibt sie auf der Erde nicht.

Ich sehe nicht im Hain die Wangen einer Tulpe,
Worauf dein Liebemaal nicht wäre eingebrannt.

Violen haben, weil gekrümmet ist dein Haar,
Den Faden nicht an die Jasminen angebunden.

Der Wunsch nach deinen Lippen ging nicht aus der Seele;
Wo sind die Bienen, die sich nicht nach Honig sehnen!

O Mönch, was nützet dir die vielgefärbte Kutte,
Wenn du im Aermel nicht von Liebe Kenntniß trägst!

Du warst, Dschami, aus Trotz der Freund des Nebenbuhlers,
Thu's nicht, denn dieses ist zur Freundschaft nicht geeignet.
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Dein Hemde duftet Seelenduft,
Und eine Seele scheint dein Leib!
Ach! wenn ich erst denselben sähe,
Ich, der schon todt vom Hemdenduft!

Zwar lieblich ist der Rose Duft,
Doch süßer duftet noch dein Leib.
Des Paradieses Frucht ist süß,
Doch um viel süßer ist dein Kinn.

Wohl mir, sobald mein Ohr vernimmt
Ein Zuckerwörtchen deines Munds.
Der süße Laut von deinem Wort
Verliert sich nicht an meinem Ohr.

Es starb aus bittrem Gram Dschami,
Weil ihm Nichts ward von deinem Mund.
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Dein Wangenwiderschein entflammt die Himmel,
Und finstre Schatten nur die Sonne wirft.
Es sprang ein Blitz hervor aus deinem Glanz,
Der Feuer in des Daseyns Flamme wirft.

Wohl! daß die Lieb' dem stör'gen Himmelsgaul
Das Joch der Zwietracht auf den Nacken wirft.
So wie der Morgen sieht dein Trinkgelag,
Er gleich entzwey des Himmels Atlaß wirft.

Du gingst umher, da sprachen Himmlische:
Wohl dem der seinen Kopf zum Fuß ihm wirft!
Sieh' wie dem Papagey Vernunft ins Hirn
Die Wange und der Flaum Verwirrung wirft!

Verständig ist die Liebe nicht, Dschami,
Weil sie durch Wangen in das Meer dich wirft.
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Du dessen Schönheit die Peris beschämt,
Vor dessen Glanz das Rosenblatt erröthet,
Viel Blut vergoß ich deinethalb auf Fluren,
Da wurden roth die Weiden Tabari.

Von jenem Tag an ward die Welt verwirret,
Und deine Locke kräuselte der Ost.
Wer von dir schwanken will muß straucheln,
Deßwegen fiel das Repphuhn ins Gestein.

Die Stadt ist voll von deinen Unglücksnetzen,
Und überall versperret ist der Weg.
Huri? der heilige Geist? ein Cherubim?
Wer ists wenn du den Morgenschleier lüftest?

Wie sprichst von gleichen Farben du Dschami,
Eh' du der Herzensthränen Strom gesehn?
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O Staub von seinen Sohlen
Bist meine Augenschminke,
Ein Tritt von seinem Fuße
Aufs Haupt ist meine Krone.

Bemühe nicht die Lippen
Von uns Nachricht zu fragen,
Wie viel du auch magst fragen,
Wirst keine Nachricht hören.

Eh' ich kam zu der Kaaba,
Kam ich zu deinem Gaue;
Es war, Gott sey gedanket
Nicht lang der Weg der Reise.

Es wusch der Strom der Wimpern
Das Blut von deinem Gaue,
Er wollte nicht daß Spuren
Von mir dort bleiben sollten.

Es ist der Saum des Kleides
Befleckt mit blut'gen Maalen,
Vom Blute daß aus Maalen
Verliebter Herzen träufet.

Die Thränen und die Wangen
Sind eingedrückt dem Staube,
Du schätzest Gold und Silber,
Als den Staub viel minder noch.

Ich will zu deinen Füßen
Wie Dschami Perlen gießen,
Es ziemen nur Juwelen
Sich dir zum Ohrgehänge.
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Perigesicht, geh' nicht vom Hause,
Hab' Mitleid mit dem irren Herzen,
Durch Liebesschmerz ward ich zur Fabel,
O sitz' und höre dieses Mährchen.

Ich bin voll Liebeswein wie Becher;
O setz' die Lippen an den Becher!
Was such' ich nach dem Schatz der Schönheit,
Wenn du in meinem Schutte sitzest.

Ich bin verliebt und deinen Wangen
Gibt neuen Glanz mein Rauschgeschrey.
Ich suchte Licht bey Wangenkerzen,
Da fiel das Feuer in die Hütte.

Dschami, sprach als er sah dein Maal,
Wann wird dieß Korn den Vögeln werden?
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Wo immer ich mein Haus aufschlag',
Ich dich als meinen Nachbar finde.
An keinem Ort begeb' ich mich,
In dem ich dich nicht wieder finde.

Wenn ich des Nachts im Bette schlaf',
Wenn ich allein nach Hause gehe,
Ich dich in meinem Traume seh',
Ich dich in meinem Hause finde.

Bey Festen, wo der Becher kreis't,
Und bey Versammlungen der Trauer,
Ich dich, o Herzensliebster mein,
Als den Geliebten wieder finde.

In jeglichem Gesellschaftskreis'
Wo Kerzen angezündet brennen,
Ich in des Lichtes Flammenkreis'
Als deinen Schmetterling mich finde;

Und wenn ich ohne eig'nes Glas
Mich hinbegebe in die Schenke,
Bin ich gewiß, daß ich dein Glas
In aller Trinker Händen finde.

Zieh' ich die Kutte über'n Kopf,
Und tauche in des Meeres Fluthen,
Ich dann in jeder Muschel dich
Als ihre Perle wieder finde.

Es hat Dschami Verzicht gethan
Auf allen Ruhm und guten Nahmen,
Gewiß, daß unter jeder Hüll'
Er den Geliebten wieder finde.
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Mir ist das Kleid der Seel' aus Gram zerrissen,
O komm, Verlangen der betrübten Seelen!
Dein Nahm' ist nicht verwischt aus meinem Herzen,
Wiewohl ich mich vom Lehmen rein gewaschen,

Mit einem Schritte raubst du hundert Herzen;
O Gott, welch ein gewandter Straßenräuber!
Ich komme jede Nacht zu deinem Gaue,
Zerriss'nen Halsband's und zerfetzten Saumes.

Bald streu' ich mir aus Schmerz Staub auf den Kopf,
Bald reib' aus Sehnsucht ich im Staub' die Stirne,
Verlangensvoll nach deinem Haus' und Thore
Ruf' ich: O Selma's Stätte! wo ist Selma?

Was ist zu thun wenn störrig ist Dschami?
Du bist ein zarter Stiel, und er Gestrüppe.
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Der Freund ist aus dem Aug, doch Tag und Nacht im Sinn,
Abwesend in Gestalt, doch in der That bey mir.
Verliebte sehn den Freund von Außen und von Innen,
Dem Inneren ist dieser Sinn von Außen klar.

In Freundes Gegenwart ist's nicht erlaubt zu schau'n
Nach allen Seiten, sieh' es schaut auf dich der Freund.
Nur unter Liebeslast gefällt sich mein Gemüth,
Denn außer Liebe ist Verliebten Alles Last.

Damit Derwische lernen mögen Dankgeduld,
Ertragen sie geduldig und mit Dank die Leiden.
Erkenne als Geheimniß den verschlossnen Mund;
Den zu beschreiben aller Ausdruck ist zu schwach.

Dschami gewann durch Zauberwort sich die Peri,
Drum sagen sie er ist nicht Dichter; Zauberer.
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Du öffnetest den Mund zum Sprechen,
Und Perlen hast du ausgegossen.
Du öffnetest des Haares Locken,
Und Moschus hast du ausgegossen.

Es trägt der Wein der Rose Farbe,
Es haucht der Wind der Rose Düfte;
Aus Eifersucht hat sie in Winden
Den Duft, in's Wasser Farb' gegossen.

Recht ist's, wenn du mich hast ermordet,
Wie kann man denn vom Tode retten
Ein Schaf, das in des Schlächters Messer
Sich selbst mit Lust hat hingegossen.

Es können nicht Andächt'ge bethen,
Weil mit dem Blute ihrer Augen
Sie auf den Hochaltar der Frommen
Die Augenbrauen hingegossen.

Es wohnet mitleidlos dein Herz
In deines Leibes reinen Formen,
Es scheinet mit dem Silberstrahl
In eine einz'ge Form gegossen.

Die Zeit verfließet mir in Frieden
Seit ich von deinem Gram gekostet.
Wohl dem, der diesen Julep mir
Hat in die Seele eingegossen.

Maria's Palme ist der Kiel
Dschami's, der, wenn er sich bewegt,
Die frischen Datteln von dem Zweige
In ihrer Freundinn Schooß gegossen.
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Aus: Geschichte der schönen Redekünste Persiens mit einer Blüthenlese
aus zweyhundert persischen Dichtern
von Joseph von Hammer-Purgstall Wien 1818
(S.  316-319)
 

 

 

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