Die Troubadours

Lieder - Nachdichtungen der Troubadours
 

 

 


Arnaut Daniel
(um 1180-1200)

 

Sehnsucht, die ins Herz mir eingeht,
Vermag nicht auszureißen Zahn noch Nagel
Dem Kläffer, der durch Lug verliert die Seele.
Darf ich ihn geißeln nicht mit Zweig noch Ruthe,
Will ich mit List dort, wo mich hemmt kein Oheim,
Der Liebe doch mich freun in Busch und Kammer.

Wenn ich denke jener Kammer,
Wo - mir zum Schaden weiß ich's - niemand eingeht,
Ja, alle mehr als Neff' und Oheim,
Dann bebt mir jedes Glied bis auf den Nagel,
So wie dem Kind, wenn man ihm zeigt die Ruthe:
Denn fremd, so fürcht' ich, bin ich ihrer Seele.

Ihr wär' ich mit Leib, nicht Seele,
So sie mich heimlich einließ in die Kammer:
Denn mehr verletzt mich's, als der Streich der Ruthe,
Daß selbst ihr Knecht, dort wo sie haust, nicht eingeht.
Doch halt' ich fest an ihr, wie Fleisch am Nagel
Und traue nicht, wenn Freund mich warnt und Oheim.

Sie, die Schwester nennt mein Oheim,
Liebt' ich nicht so, noch mehr, bei meiner Seele!
So nahe, wie der Finger ist dem Nagel,
Erlaubt sie mir's, wünsch' ich mich ihrer Kammer;
Mit mir kann Liebe, bis ins Herz mir eingeht,
Frei schalten, wie wer stark mit schwacher Ruthe.

Seit dem Blühn der dürren Ruthe
Und seit von Adam Neff' entsprang und Oheim,
War dieser Liebe, die ins Herz mir eingeht,
An Aechtheit keine gleich in Sinn und Seele.
Nie weicht, wo sie auch sei, in Feld und Kammer,
Mein Herz von ihr, so lang noch hält der Nagel.

Denn es sitzt mein Herz als Nagel
Und haftet fest an ihr wie Rind' an Ruthe,
Sie ist mir Burg der Lust, Palast und Kammer;
Mehr lieb' ich sie, als Vetter und als Oheim:
Deß freut sich einst in Eden meine Seele,
Wenn treuer Liebe halb der Mensch dort eingeht.

Nachgedichtet von Friedrich Diez (1794-1876)

Aus: Leben und Werke der Troubadours
Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters
Zwickau 1829 (S. 354-355)
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Sehnsucht, die in's Herz mir eingeht,
Vermag nicht auszureißen Zahn noch Nagel
Dem Kläffer, der durch Lug verliert die Seele.
Darf ich ihn geißeln nicht mit Zweig noch Ruthe,
Will ich mit List dort, wo mich hemmt kein Oheim,
Der Liebe doch mich freun in Busch und Kammer.

Wenn ich denke jener Kammer,
Wo - mir zum Schaden weiß ich's - niemand eingeht,
Ja, Alle mehr mir sind als Neff' und Oheim,
Dann bebt mir jedes Glied bis auf den Nagel,
Sowie dem Kind, wenn man ihm zeigt die Ruthe;
Denn fremd, so fürcht' ich, bin ich ihrer Seele.

Ihr wär' ich mit Leib, nicht Seele,
So sie mich heimlich einließ' in die Kammer;
Denn mehr verletzt mich's als der Streich der Ruthe,
Daß selbst ihr Knecht, dort wo sie haust, nicht eingeht,
Doch halt' ich fest an ihr wie Fleisch am Nagel,
Und traue nicht, wenn Freund mich warnt und Oheim.

Sie, die Schwester nennt mein Oheim,
Liebt' ich nicht so, noch mehr, bei meiner Seele!
So nahe, wie der Finger ist dem Nagel,
Erlaubt sie mir's, wünsch' ich mich ihrer Kammer;
Mit mir kann Liebe, die in's Herz mir eingeht,
Frei walten, wie wer stark mit schwacher Ruthe.

Seit dem Blühn der dürren Ruthe,
Und seit von Adam Neff' entsprang und Oheim,
War dieser Liebe, die in's Herz mir eingeht,
An Echtheit keine gleich in Sinn und Seele.
Nie weicht, wo sie auch sei, in Feld und Kammer,
Mein Herz von ihr, so lang noch hält der Nagel.

Denn es sitzt mein Herz als Nagel
Und haftet fest an ihr wie Rind' an Ruthe,
Sie ist mir Burg der Lust, Palast und Kammer,
Mehr lieb' ich sie als Vetter und als Oheim:
Des freut sich einst in Eden meine Seele,
Wenn treuer Liebe halb der Mensch dort eingeht.

Arnald singt diß vom Nagel und von Oheim,
Zu ihrer Gunst, der Ruthe seiner Seele,
Des Sehnsuchtsziels, wo er zur Kammer eingeht.

Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 242-243)
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Vergnügt und fein ist mein Gedicht,
Am Hobeln fehlt's und Bonen nicht,
Wahr wird's und verläßig sein;
Laßt's die Feile nur bestehen!
Lieb' umgoldet meine Lieder,
Daß sie ich sing', ist Ihr Geheiß,
Die des Ruhmes Hort und Schimmer.

Nach Ihr nur kehrt sich mein Gesicht,
Ich thu' auf Alles sonst Verzicht.
Könnt' ich Maaß mir nur verleihn!
Ihrem Herzen nach muß stehen
Meins und senket sich danieder.
Doch stürm' es, oder frier's und schnei's,
Lieb' ist warmer Regen immer.

An Läutrung laß' ich's fehlen nicht,
Mir strahlt Ihr liebliches Gesicht.
Ihr bin, - laßt mich offen sein! -
Ich vom Kopf bis zu den Zehen.
Mehr als Müh' schlägt Liebe nieder.
Mehr Werth gibt Ihr als eines Ei's
Audierna's Monclar nimmer.

Doch aller Qualen Schwergewicht
Entzog mich Ihrer Liebe nicht.
Achtet Sie auch wenig mein,
Hin zu Ihr erklingend wehen
Alle meine Reim' und Lieder.
Es fehlt mir ja zu Ihrem Preis
Werkstatt gleichwie Werkzeug nimmer.

Ich thu' auf Roma's Reich Verzicht,
Und auch Apostel würd' ich nicht,
Dürft' ich Ihr mich nicht mehr weihn,
Die mich heißt in Flammen stehen.
Schau' ich Ihre holden Glieder,
Wie braun Ihr Haar, Ihr Leib wie weiß,
Selbst Lucern dann möcht' ich nimmer.

Ihr bring' ich tausend Messen; nicht
Auch fehlt's an Wachs und Oel zum Licht,
Daß Gott möge Hülfe leihn.
Ihr muß schlachtlos Sieg erstehen.
Drum, versöhnet Sie mich wieder
Die Liebe, tödtet Sie mit Fleiß
Mich, und kommt zur Höll' auf immer.

Lüfte haschend zieh' ich wider
Den Hafen mit dem Ochsen, heiß'
Arnaut, bin der Stromanschwimmer.

Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 244-245)
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I.
Willen grimm,, der in mich einfährt,
mag nicht klau aus mir sprengen noch kein nagel
des gleissnervolks, das sich lügt um die seele -
wol, stäupen darf ichs nicht mit prüg'l und rute:
nur mehr auf borg, da mich betrifft kein oheim,
Lüst ich nach lust; im hag od'r in der kammer.

Denket mir irgend die kammer,
da ich von schaden weiss, dass man nicht einfährt,
- ja ich als letzter "bruder" hiess, und "oheim" -:
kein mein bein, das nicht schüttere bis in nagel, -
als geschiehet dem kindlein vor der rute!
vor angst, des werde zu viel für mein seele.

Kind, ja mein leibes, nicht seele!
so vergönnte sie mir, tief in ihr kammer!
- denn mehr rünstigt mir's herz, denn hieb der rute,
dass, da sie wohnt, ihr eigenmann nicht einfährt -:
allzeit wohnt ich ihr bei, wie fleisch bei nagel,
ohn gefährde aller zucht von freund noch oheim!

Schwester hat keine mein oheim,
die 'ch liebte meh, noch so, bei dieser seele!
denn so nachbar wie finger mit dem nagel,
mit ihr vergunst, wollt ich sein bei ihr kammer!
leichter spiel hat an mir, die 'ns herz mir einfährt,
Minne, denn harter mann an kranker rute.

Seit erblüht die dürre rute,
und von Adâm gefahren neffe und oheim,
minne als wie die, so tief ins herz mir einfährt,
wähn ich, war nie, geschweige in leib' in seele.
sei's wo sie sei, hauss am platz, binn der kammer,
mein leib ab ihr nicht spellt, weil hält der nagel.

Denn so verwuickt mit dem nagel
mein leib in sie, wie der kork um die rute -
die'st all mein wonnen pàlas, turm und kammer,
und geht mir über bruder, sippen, oheim -
denn zween himmel entschliesst sie meiner seele,
so je durch feste minne ein mann dort einfährt.

Arnaut bestellt sein lied von nag'l und oheim
ihr heim, die handhabe seiner rute seele,
seiner Verbrunst, die stolz zur kammer einfährt.

übersetzt von Rudolf Borchardt (1877-1945)

Aus: Rudolf Borchardt Übertragungen
Herausgegeben von Marie Luise Borchardt
unter Mitarbeit von Ernst Zinn
Ernst Klett Verlag Stuttgart 1958
(S. 248-250)
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Wählig in ton hier und witzig
wort schafft ich hoblend und zimmer',
und kommen vollends zu recht,
als bald' ichs schick' an die feile,
denn Minn' übergüldt mir geschwinde
mein singen, das bricht aus Ihr,
die prangt an herrlichster stelle.

Taglang mich bessr' ich und spitz' ich
in dienste der schönsten immer,
der welt, - das nehmt mir für echt, -
von sohl' ihr eigen zur steile;
und stürmet schneidiger winde
regent Minn' ins herze mir,
hält mich heiss am starren quelle.

Bittmessen stift' und versitz' ich,
flamm' ölig- und wächsen flimmer,
ob an ihr, wo erliegt gefecht,
mirs Gott gelohne zu heile;
und wenn ich ihr falb haar finde
und den leib schwank, jung und zier
minn' ich's mehr als hätt' ich Kölle.

So herz' ich's innig und hitzig,
ich verwirks und überkümmer,
ob herzminne selb sich schwächt;
denn ihr leib ragt überm teile
des meinen zu duft: enschwinde -
zu wucher zinsen ihr schier
gewerk und kauf bei der elle.

Nicht römisch reich, und besitz' ich
den Stuhl des Pabestes, - nimmer
drum wär, durch die mir verlecht
das herz und verbirst, mir feile;
und gilt sie mir qual nicht linde
durch ein küssen heur und hier,
mich würgt sie und wirbt sich hölle.

Dannoch um qual, drin ich schwitz', ich
achte minne des nicht schlimmer,
obs mich in wüsten verschmächt:
ich reims in zeilen um zeile
ergrimmter denn mann an der winde -
mehr rang nicht der von Munclîr,
dass Audierne er sich geselle -

Ich bin Arnaut, zwinge winde;
und hetz' auf hasen den stier;
und schwimm' auf wider gefälle.

übersetzt von Rudolf Borchardt (1877-1945)

Aus: Rudolf Borchardt Übertragungen
Herausgegeben von Marie Luise Borchardt
unter Mitarbeit von Ernst Zinn
Ernst Klett Verlag Stuttgart 1958
(S. 250-251)
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Biographie: http://de.wikipedia.org/wiki/Arnaut_Daniel

 

 

 


 

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