Die Troubadours

Lieder - Nachdichtungen der Troubadours
 

 

 


Azalais von Porcairagues
(Mitte des 12. Jahrhunderts)

 

Ach, die kalte Zeit beginnt,
Schmutz und Schnee und Eis kehrt wieder,
Wo die Vögel stille sind,
Wo zu hören keine Lieder;
Busch und Zweig sind blätterleer,
Keine Blüthe zeigt sich mehr,
Nirgends singen Nachtigallen;
Nur der Mai gibt Leben Allen.

Mißmut mir das Herz umspinnt,
Mir erschlaffen alle Glieder;
Schneller ja als man gewinnt,
Wie ich weiß, verliert man wieder.
Fehl' in wahrer Red' ich, schwer
Stürmt es von Aurenga her,
Und ich muß, dem Schreck verfallen,
Losgerißen trostlos wallen.

Schlecht berieth die Dame sich,
Die sich widmet einem Reichen.
Einem Lehnsmann weihe dich,
Sonst gibst du der Thorheit Zeichen.
Wie Ovidius ja spricht:
Lieb' ob Reichthums tauget nicht!
Läßt du dir solch Loos gefallen,
Wirst du in Verachtung fallen.

Einen edlen Freund hab' ich,
Niemand kann sich ihm vergleichen,
Wahrhaft ist er gegen mich,
Gibt mir treuer Liebe Zeichen;
Drum mein Mund von Liebe spricht,
Und wer spricht, und thut es nicht,
Der sei bösem Lohn verfallen!
Mir soll beßres Lob erschallen.

Der ihr schön und bieder seid,
Nehmet denn mein Herz auf immer!
Ritterlich und wohlgemeit,
Arges heischt von mir ihr nimmer.
Und so kenn' ich meine Pflicht.
Euch mistrauen kann ich nicht;
Euch nur, Keinem sonst von Allen
Will ich treu sein und gefallen.

Gott, nimm Holdenblickes* wahr,
Nimm in Hut die Stadt Aurenza,
Und Gloriet und Caslar,
Und den Herrn auch der Provenza.
Was mir hold, vergiß dort nicht!
Ihn dort, meines Lebens Licht,
Büßt' ich und in Lebens allen
Tagen laß' ich Klag' erschallen.

Muntrer Bote, säumet nicht,
Nach Narbonne diß Gedicht
Tragt, laßt ihr's zum Schluß erschallen,
Jung und froh seh' ich sie wallen.


* Bel Esgar, allegorischer Name  - Auffallend sind in dieser Strophe
die veränderten Reime der 4 ersten Zeilen,
sowie die Anrede an eine Dame in dem Geleit.


Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 98-100)

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Vida:
"Frau Azalais de Porcairagues war aus der Gegend von Montpellier, eine edle und gebildete Dame. Und sie verliebte sich in Herrn Gui Guerrejat, den Bruder Herrn Guillems de Monpeslier. Und die Dame verstand es zu dichten und machte viele gute Lieder über ihn."

zitiert aus:
Angelica Rieger - Trobairitz
Der Beitrag der Frau in der altokzitanischen höfischen Lyrik
Edition des Gesamtkorpus
Max Niemeyer Verlag Tübingen 1991
 

 

Biographie: Azalaïs de Porcairagues

Azalaïs de Porcairagues war eine Trobairitz des späten 12. Jahrhunderts. Über ihr Leben ist wenig überliefert. Laut ihrer Vida stammte sie aus Montpellier; sie könnte jedoch nach neueren Forschungen auch aus Portiragne stammen. Azalaïs de Porcairagues gilt als die früheste, namentlich bekannte Trobairitz.

Obwohl nur ein Lied und eine Vida erhalten sind, scheint sie zu ihrer Zeit durchaus mit Trobairitz wie Beatriz de Dia oder Castelloza verglichen worden zu sein.

Der Trobador Raimbaut d'Aurenga, mit dem sie in Korrespondenz stand, war das Objekt der Begierde in ihren Liedern. Raimbaut d'Aurenga bezeichnete sie in seinen Werken mit dem senhal (Pseudonym) „Joglar“ (Spielmann).

aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Azala%C3%AFs_de_Porcairagues

 

 

 


 

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