Die Troubadours

Lieder - Nachdichtungen der Troubadours
 

 

 


Guiraut von Borneil
(1175 bis ca. 1220)

 

"Glorreicher König, Licht und Glanz der Welt,
Allmächt'ger Gott und Herr, wenn dir's gefällt,
Sei meinem Freund ein schützender Begleiter:
Seitdem die Nacht kam, sah ich ihn nicht weiter,
Und gleich erscheint der Morgen."

"Geliebter Freund, wachst oder schläfst du noch,
Schlaf jetzt nicht mehr, der Morgen stört dich doch;
Ich seh' den Stern schon groß im Osten stehen,
Der uns den Tag bringt, klar ist er zu sehen,
Und gleich erscheint der Morgen."

"Geliebter Freund, ich warne mit Gesang:
Schlaf jetzt nicht mehr, das Vöglein singt schon lang,
Das im Gebüsch sich sehnt nach Tageshelle;
Der Eifersüchtige, fürcht' ich, kommt zur Stelle,
Und gleich erscheint der Morgen."

"Geliebter Freund, tritt an das Fenster nur,
Betrachte selbst den Schein der Himmelsflur:
Daß ich ein treuer Bote, wirst du sagen,
Doch folgst du nicht, mußt du den Schaden tragen,
Und gleich erscheint der Morgen."

"Geliebter Freund, seitdem ich von dir schied,
Schlief ich nicht ein, nein harrte stets gekniet,
Zu Gott, dem Sohn Maria's, stieg mein Flehen:
Dich woll' er mir zum treuen Freund ersehen,
Und gleich erscheint der Morgen."

"Geliebter Freund, da draußen auf dem Stein
Hast du gebeten, daß ich nicht schlief' ein,
Vielmehr dort wachte, bis es würde tagen;
Jetzt will mein Sang und ich dir nicht behagen,
Und gleich erscheint der Morgen." -

"Lieb süßer Freund, so selig ruh' ich traun,
Ich möchte Tag und Morgen nimmer schaun,
Im Arm der Schönsten, die ein Weib geboren,
Drum sollen mich die eifersücht'gen Thoren
Nicht kümmern noch der Morgen."

Nachgedichtet von Friedrich Diez (1794-1876)

Aus: Leben und Werke der Troubadours
Ein Beitrag zur nähern Kenntniß des Mittelalters
Zwickau 1829 (S. 141-142)
_____

 

Glorreicher Fürst, wahrhaft'ger Glanz und Schein,
Allmächt'ger Gott und Herr! ach, kann es sein,
So sei mein Freund in deine Hut genommen!
Ich sah ihn nicht, seitdem die Nacht gekommen,
Und balde kommt das Frühroth.

Mein süßer Freund, wacht oder schlaft Ihr? - Nein,
Schlaft fürder nicht! Schon bricht der Tag herein.
Im Osten ist der Morgenstern erglommen;
Ich sah ihn wohl, im Dämmerlicht verschwommen,
Und balde kommt das Frühroth.

Mein süßer Freund, die Warnerstimme singt:
Schlaft fürder nicht! Das Lied der Vögel klingt,
Die lichtgewärtig durch die Büsche streichen.
Der Eifersücht'ge kann Euch nun beschleichen,
Und balde kommt das Frühroth.

Mein süßer Freund, daß Ihr ans Fenster gingt,
Die Zeichen säht, davon der Himmel blinkt!
Der letzte Zweifel würde von Euch weichen.
Mißachtet Ihr's, möcht' Euch ein Leid erreichen,
Und balde kommt das Frühroth.

Mein süßer Freund, seitdem ich von Euch schied,
Wohl hab' ich schlaflos für und für gekniet.
Ich bat den Sohn Mariens in der Höhe,
Zu schaffen, daß den Freund ich wiedersähe,
Und balde kommt das Frühroth.

Mein süßer Freund, so lang es Zeit, entflieht!
Spracht Ihr im Gäßlein nicht, mein Augenlied
Dürft' ich nicht schließen, bis der Tag erstehe?
Jetzt zürnt Ihr meinem Sang und meiner Nähe,
Und balde kommt das Frühroth.

"Schön süßer Freund, so selig ist mein Glück -
Ach, kehrte Tag und Morgen nie zurück!
Die Lieblichste der Welt halt' ich umfangen,
Die je ein Weib gebar; was soll ich bangen
Vor Eifersucht und Frühroth?"

Nachgedichtet von Paul Heyse (1830-1914)

Aus:
Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 274-275)
_____

 

Denk' an die Lieb' ich o wie freu' ich mich,
Sie, die mein Herz festhält in Dienstbarkeit!
Zu einem Garten gieng vorgestern ich
Voll Blumen und voll Vögeln weit und breit;
Und kaum daß mir der Eintritt war verliehn,
Als mir die schöne Lilienblum' erschien,
Die mir die Augen und das Herz bezwungen.
Von Ihr, die meiner Augen Leucht' und Licht,
Von allem Andern wust' ich fürder nicht.

Für Sie nur sing' und wein' ich stetiglich,
Und meine Zartgefühle klärt die Zeit.
Gebet und Sehnsucht kehren dorthin sich,
Wo mir erstrahlt ist Ihre Lieblichkeit.
Der Blumenkelch, - hoch grüßt und preist man ihn, -
Hat mich gewußt so hold an sich zu ziehn,
Herab sich laßend, mild, doch hochentsprungen,
Von sanftem Scherz, von Sitt' anmutig schlicht,
Zuneigend jedem Guten sein Gesicht.

Wagt' ich Ihr Lob zu künden, reich wär' ich,
Gern würde man mich hören weit und breit;
Jedoch vor den Verläumdern fürcht' ich mich.
Vor ihrer Falschheit, ihrer Schändlichkeit.
Viel Feind' hab' ich und werde bös verdrungen
Von ihnen, welche Gift aus Allem ziehn.
Doch seh' ich wen, der Ihrem Stamm entsprungen,
Schon' ich, zu preisen ihn, den Athem nicht,
So ganz verklärt hat mich der Liebe Licht.

Drum unterlaßt es nicht, späht emsiglich
Mein und der Liebe wegen, die ihr seid
Bosheiterfüllt und fraget, wie es sich
Verhalte mit der Ehre nah und weit.
Nichts hört ihr doch! Eh sei mir Tod verliehn,
Als ihr aus mir sollt das Geheimnis ziehn;
Vom besten Freund nicht würd' es mir entrungen.
Es fehlt an schlechtem Umgang leider nicht,
Dem Sohn, dem Vater nicht zu traun ist Pflicht.

Die Spötter werden nun begeifern mich:
"Ei, seht den Fant voll Geckenhaftigkeit!
Wie geht er stolz einher, wie spreizt er sich!"
Doch, auf dem Jahrmarkt selber, Ihr geweiht
Ganz bin ich, da ich Ihr von Herzen dien',
Indem nur dorthin meine Blicke ziehn,
Wo Sie, ich sprech' in mir von Ihr, durchdrungen
Hat Sie mich, der ich trau' in Zuversicht,
Denn, wer nicht zeigt die Liebe, liebt auch nicht.

Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 129-130)
_____



Dieser jahrzeit klar und gelind,
so herbei gesehnt und begehrt,
ziemet, dass man's empfahn ausfährt,
und sei jeglichs des froh gesinnt:
somm'r ist nicht weit,
der mit klarheit
geminnte freut
und minner beid, -
und ist, wens reut,
keins von beiden.

Mein will' innigern mut gewinnt
durch lust, dass man ins freie kehrt,
denn all die wonn' und wunsch der erd
füglich von dieser frist beginnt:
seh ich die heid
und holz gekleidt,
sei euch geseit:
durch lieblichkeit
mag ich ein zeit
sang nicht meiden!

Mein gedanken springender sind,
weil ein bot' ein zu mir gekehrt,
der mir minnen ein gruss beschert,
drum lust mir schwillt und reu mir schwindt -
ja war ich seit
lang zorn und neid, -
schier nicht gescheit,
mit minne entzweit, -
nun schaff ich breit
in der freuden!

Meh denn viel hoher sinne findt
man an ihr: die solch weisheit lehrt,
dass die zähn' ihr noch nie verstört
hoffart noch irgend ihr gesind:
demütigkeit
und dern geschmeid
ihr seele weiht,
stillt ihr den streit
und sagt ihr: "sei't,
- doch, bescheiden!"

Ob aller wissenschafte fünd -
also hoh überwuchs ihr wert -
ist die ihr' aller meist geehrt,
drum ihr doch nie kein had'r entstünde -
so überbeut
sie's hoh und weit, -
die klügsten leut
sind's, auf mein eid,
träg, nur halbscheid
zu bescheiden!

Also reich ehren trägt gebind
sie und der ich mich han gewährt, -
dass mir glaube nicht zu gehört,
dass durch minn' ich michs unterwind:
ich ward gefeit:
wärt Ihr verträut
mit ihr, Ihr schreit -
wer bei ihr leit,
kein kaiser freit
stolzer freuden.

Frau, was mein herz meint oder minnt,
und wähnt, und was es hoffen nährt,
an eur genaden ists gekehrt,
und erbarm' euchs, dass ich mich bind,
wie der die waid
al halse treit, -
und als auf eid
mich eigen beut,
so wahr Ihrs seid
wol zu leiden! -

Fraue, verleiht
verwegenheit
die wirklichkeit
und, so's euch freut,
lasst mich bei zeit
noch dran weiden!

Frau, so's euch freut,
lohnt und verzeiht
und lasst mich leid
lang nicht leiden!

übersetzt von Rudolf Borchardt (1877-1945)

Aus: Rudolf Borchardt Übertragungen
Herausgegeben von Marie Luise Borchardt
unter Mitarbeit von Ernst Zinn
Ernst Klett Verlag Stuttgart 1958
(S. 234-236)
_____


 

Biographie (engl.): http://en.wikipedia.org/wiki/Guiraut_de_Bornelh

 

 

 


 

zurück

zurück zur Startseite