Die Troubadours

Lieder - Nachdichtungen der Troubadours
 

 

 


Marcabrun
(1140-1185)



Im Garten an der Quelle Rand,
Wo Rasen grünte dicht am Sand,
Am Fruchtbaum, wo man Kühlung fand,
Der, voll von neu erwachtem Sang,
Im Schmuck der weißen Blüten stand,
Da war's, wo einsam sich befand
Sie, die mein Kosen nicht begehrt.

Ein Fräulein in der Schönheit Zier,
Des Burgherrn Tochter, traf ich hier;
Sie freut sich wohl, so dacht' ich mir,
Am frischen Lenz und Liederklang
Und an dem grünen Lustrevier,
Und reden wollt' ich schon zu ihr,
Da, merkt' ich, war es umgekehrt.

Vom Weinen war ihr Aug' entstellt,
Von Seufzern ihre Brust geschwellt:
"O Jesus, - sprach sie - Herr der Welt,
Du bist an meinem Jammer schuld,
Dein Schimpf hat mir mein Glück vergällt:
Denn all die Besten dieser Welt
Ziehn aus für dich, da du's verlangst.

Dir hat sich auch mein Freund geweiht,
Den Anmut ziert und Tapferkeit,
Nichts bleibt mir hier, als bittres Leid,
Als Tränen nur und Ungeduld.
Dem König Ludwig werd' es leid,
Der alles aufruft weit und breit,
Und mir nichts schafft als Herzensangst!"

Kaum merkt' ich, wie betrübt sie war,
So kam ich zu der Quelle dar.
"O Schöne, - hub ich an - fürwahr,
Vom Weinen wird die Haut getrübt,
Und Gram ist unnütz offenbar,
Denn wer es blühn läßt Jahr für Jahr,
Erfreut auch ein bedrängt Gemüt."

"Herr, - sprach sie drauf - das mag wohl sein,
Daß Gott von aller Not und Pein
In jener Welt mich will befrein,
Er, der den Sündern oft vergibt;
Doch hier büß' ich den Liebsten ein;
Auch ihn muß ich der Kälte zeihn,
Da er so weit von dannen zieht."


Nachgedichtet von Friedrich Diez (1794-1876)

Aus: Friedrich Diez  Die Poesie der Troubadours
Nach gedruckten und handschriftlichen Werken
derselben dargestellt
2. vermehrte Auflage von Karl Bartsch Leipzig 1883 (S. 148-149)

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Im Garten, wo das Brünnlein sprang,
Am Kiesweg grünt der Rasenhang,
Ein Fruchtbaum kühl die Zweige schlang,
Wo zwischen weißer Blütenpracht
Der Vögel Sommerlied erklang,
Traf ich die Maid, die schon so lang
Mir Trost verwehrt, gar einsam an.

Das war ein Mägdlein schmuck und fein
Und eines Schloßherrn Töchterlein.
Nun dacht' ich, daß der grüne Hain
Und Vogelsang ihr Freude macht',
Und daß sie möcht' im jungen Mai'n
Wohl meinen Worten freundlich sein;
Doch anders war es angethan.

Mit Thränen trübte sie den Bach
Und seufzte tief manch bittres Ach.
"O Jesus, Herr der Welt!" sie sprach,
"Um dich ist mir der Gram erwacht;
Ich büße deine Kreuzesschmach,
Denn deinem Dienste pilgern nach
Die Besten; du erfreust dich dran.*

Mein Liebster ließ mich auch um dich,
So schön und reich und ritterlich,
In großen Nöthen ließ er mich,
In Angst und Weinen Tag und Nacht.
Schlimm geh' es König Ludewig,
Der alle Ritter schaart um sich,
So daß ich bittres Leid gewann!"

So trat ich zu dem Brünnlein klar
Und sprach: das Weinen bringt Gefahr
Der Wange, die so rosig lacht.
Wollt nicht verzweifeln ganz und gar!
Der dieses Laub schickt Jahr für Jahr,
Nimmt sich auch Euer freundlich an.

"Herr, sagte sie, ich zweifle nicht,
Daß Gott mir hält ein mild Gericht,
Der gnädig ist manch sünd'gem Wicht
In jener Welt, kraft seiner Macht.
In dieser hat mein Augenlicht
Er mir geraubt! - Der liebt mich nicht,
Der so weit von mir scheiden kann!"

* Kreuzzug von 1146

Nachgedichtet von Paul Heyse (1830-1914)

Aus:
Spanisches Liederbuch
von Emanuel Geibel und Paul Heyse
Berlin Verlag von Wilhelm Herz (Bessersche Buchhandlung) 1852
(Anhang: Provenzalische Lieder) (S. 242-244)

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Im Hain an einer Quelle Rand,
Wo grünes Gras berast den Sand,
In Baumes Schutz vor Sonnenbrand,
Von hellen Blumen hold ummait,
Von Frühlingssang umtönt, da fand
Ohn' ihn, für den sie war entbrannt,
Ich jene, die sich mir entzieht.

Ein Mädchen, wunderhold fürwahr,
Des Burgherrn Töchterlein es war.
Ich hofft' erfreut sie durch die Schaar
Der Vögel samt der Lieblichkeit
 Des Grüns im schönverjüngten Jahr,
Wohl meinem Wort zugänglich gar;
Doch anders war es, als ich rieth.

Denn Thränen dort im Lustrevier
Und Seufzer tief entquollen ihr.
"Ich klage, o Weltfürst, Jesus, dir -
So sprach sie - der da ist mein Leid.
Durch seines Herzens Ehrbegier
Entführt die Theuersten er mir;
Das eben ists, was gern er sieht.

Mit euch ja zieht mein Liebster, er,
So schön und edel, hoch und hehr,
Nichts hab' ich nun als Kummer mehr,
Und Zähren und Verlaßenheit.
Der König Ludwig* büß es schwer,
Der Alles ruft zu Waff' und Wehr,
Drob alle Freud' und Lust mich flieht." -

Als ich also verzagt sie sah,
Zu ihr am Quelle trat ich da:
"Nehmts, - sprach ich, - Hold', euch nicht zu nah,
Alt macht das Weinen vor der Zeit.
Faßt Mut, was immer auch geschah!
Er, der den Baum belaubt, kann ja
Vereinen wieder, was er schied." _

"Herr, - sprach sie drauf - das mag wohl sein,
Daß Gott von aller Noth und Pein
In jener Welt mich will befrein,
Er, der den Sündern gern verzeiht,
Doch hier büß' ich den Liebsten ein;
Auch achtet er nicht eben mein,
Da er so weit von dannen zieht."

* Ludwig VII von Frankreich


Nachgedichtet von Karl Ludwig Kannegießer (1781-1861)

Aus: Gedichte der Troubadours
im Versmaaß der Urschrift übersetzt
von Karl Ludwig Kannegießer
Tübingen 1852 (S. 49-51)

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Biographie: http://de.wikipedia.org/wiki/Marcabru

 


 


 

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