Die Troubadours

Lieder - Nachdichtungen der Troubadours
 

 

 


Peire d'Alvernhe
(um 1150-1180)

 

a)

"Zu der Kammer meiner Lieben
Schwing dich hin, Frau Nachtigall.
Sag ihr, daß ich treu geblieben;
Dann von ihren Worten all,
Die sie spricht,
Bring Bericht;
Mahne drum sie leise
Deiner Pflicht,
Daß sie nicht
Hindre deine Reise.

Kehre bald zurück und künde,
Ob sie trüb ist oder froh.
Nicht vom Freund und Bruder stünde
Je mein Sinn auf Kunde so." -
Flügel schlug
Froh genug
Nachtigall im Winde,
Forscht' im Flug
Treu und klug,
Wo das Haus sie finde.

Und sobald die Botin schaute
Meiner Herrin Lieblichkeit,
Bricht sie aus in süße Laute,
Wie sie pflegt zur Abendzeit.
Dann verklang
Ihr Gesang,
Und in klaren Tönen,
Süß und bang,
Sprach sie lang
So zu meiner Schönen:

"Der Euch liebt mit treuer Seele,
Hieß mich gehn in Eure Haft,
Daß ich singend Euch erzähle,
Was Verliebten Freude schafft.
Er gebot,
Daß als Bot'
Ich ihm wiedersage,
Ob Euch Not
Hier bedroht,
Die er dort beklage.

Macht ihn meine Botschaft heiter,
Habt auch Ihr wohl Freude dran,
Denn auf Erden ist kein Zweiter
Inniger Euch zugetan.
Dann sofort
Flieg' ich fort,
Plaudr' es aus ins Weite,
Daß mein Wort
Allerort
Allen Lust bereite.

Pred'gen will ich's auf den Gassen:
Wessen Sinn auf Liebe steht,
Nimmer soll er Zeit verpassen,
Denn der Liebe Zeit vergeht.
Wangenschein
Weiß und rein
Bräunt sich gleich dem Laube;
Drum soll kein
Zaudern sein,
Nichts der Zeit zum Raube."


b)

Wohl befliß sich grader Straßen
Nachtigall zu meinem Lieb.
Die beschied sie solchermaßen,
Da sie mein gedenk verblieb:
"Deine Mär
Hab' ich sehr
Freudenvoll vernommen.
Horch nunmehr
Um nicht leer
Wieder heim zu kommen.

Ach, wohl leid' ich viel Beschwerden,
Daß so fern ist, der mich liebt;
Nichts auf Erden kann mir werden,
Was mir gleiche Wonne gibt.
Als er kam,
Abschied nahm,
Hab' ich zagen müssen.
Angst und Scham
Ließ den Gram
Lindern nur mit Küssen.

Liebende Gedanken send' ich
Zu dem Lager, wo er ruht.
Mein Geleit ist er beständig,
Fröhlich macht er meinen Mut.
Was mich engt,
Wird verdrängt,
Wenn mein Arm in Wonnen
Ihn umfängt,
An ihm hängt,
Bis der Traum zerronnen.

Immer liegt er mir im Sinne,
Kommt er, geht er, ist er weit.
Nicht um eines Fürsten Minne
Tauscht' ich seine Zärtlichkeit.
Wohlgemut
Ist mein Blut,
Und mich macht frohlocken
Sturmeswut,
Sommerglut,
Winterliche Flocken.

Echtes Gold und echtes Minnen
Sind einander nah verwandt,
Weil sie höhern Wert gewinnen,
Pflegt man sie mit treuer Hand.
Schöner blüht
Still bemüht
Freundschaft alle Stunden.
Reiner glüht
Ein Gemüt,
Das sein Glück gefunden.

Süßer Vogel, früh am Tage
Flieg zu seiner Wohnung hin,
Daß dein Lied ihm treulich sage,
Wie ich ganz sein eigen bin!"
Und er bringt
Leichtbeschwingt,
Doch zu träg, die Kunde; -
Ach, wie dringt,
Was er singt,
Hold zum Herzensgrunde!


Nachgedichtet von Paul Heyse (1830-1914)

Aus: Provenzalisches Liederbuch
Lieder der Troubadours
mit einer Auswahl biographischer Zeugnisse,
Nachdichtungen und Singweisen
zusammengestellt von Erhard Lommatzsch
Berlin 1917 (S. 295-299)

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Biographie (engl.):
http://en.wikipedia.org/wiki/Peire_d'Alvernhe

 

 


 

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