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      Edmund Blair Leighton 
      (1853-1922) 
      Abaelard und seine Schülerin Heloise (1882)  | 
      
        
       
      Luise von Ploennies  
      (1803-1872)
 
      Abälard und Heloise 
       
      Ein Sonettenkranz 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      An den Geliebtesten, der sie durch diese 
      Sternlose Nacht geleiten soll als Vater, 
      An ihren Gatten, Bruder, Freund, Berather, 
      An Abälard die Seine, Heloise. 
       
      Der Wahn, dass deine Seele mich verließe, 
      Die du geweiht zur Dolorosa Mater, 
      Sollt' ewig fern mir bleiben, aber naht' er, 
      Ist mir's, als ob der Heiland mich verstieße. 
       
      Ich hab' den Brief an deinen Freund gelesen, 
      Er hat das Innerste mir neu zerrissen, 
      Nun fehlt der Trost mir, d'ran ich mag genesen. 
       
      Ich bin allein in tiefen Finsternissen, 
      O du! der Sonne meinem Lenz gewesen, 
      Laß mich den Strahl in meiner Nacht nicht missen! 
       
       
      Heloise an Abälard 
       
       
      O schreibe mir, du, dessen Wort den Schwingen 
      Der bangen Seele leihet neue Kraft, 
      Wenn sie auf ihrem steilen Flug erschlafft, 
      Wenn alle Himmelsträume ihr zergingen. 
       
      O du! den diese Arme einst umfingen 
      Im Zauberbanne glüh'nder Leidenschaft, 
      Verzeih', verzeih', wenn ich der süßen Haft 
      So sel'gen Traumes nicht mich kann entringen. 
       
      Du Einziger! mit dem ich wonnetrunken 
      Durch alle Himmel flog im Glutverein, 
      Als Stern um Stern an meine Brust gesunken; 
       
      Du Göttlicher, in deiner Liebesfülle! - 
      Welch kalter Schauer rinnt durch mein Gebein, 
      Ich beuge stumm mein Haupt, das ich verhülle. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      An sie, die in der Welt mir Gattin ward, 
      Die nun die Braut des höchsten Gottes ist, 
      Geliebte Schwester mir in Jesu Christ, 
      An Heloise schreibt ihr Abälard. 
       
      Nicht wähnt' ich, dass auf ird'sche Zeichen harrt 
      Die Gottesbraut, die dieser Welt vergisst, 
      Daß sie die Trennung nach dem Raume mißt, 
      Genossenschaft nach ird'scher Gegenwart. 
       
      Nicht wähnt' ich zaghaft, der die Kraft gegeben, 
      Kleinmüthig nicht, der Großes ward vertraut, 
      Die stärken, trösten, leiten soll, erheben: 
       
      So lebst du mir im Geiste, Gottesbraut, 
      Drum aus dem Zagen laß es dich erheben, 
      Daß Abälard als Heilige dich schaut. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Du Einziger! nach langem, langem Schweigen 
      Bin ich umweht von deines Geistes Grüßen, 
      Und lieg' in Andacht betend dir zu Füßen, 
      Dir, dem sich muß mein tiefstes Wesen neigen. 
       
      Du Einziger weißt, wie ich ganz dein eigen, 
      Wie nicht das Herz mich hält in Klosterhallen, 
      Wie meine Hymnen, die gen Himmel wallen, 
      Aus einer heißen Seelenwunde steigen. 
       
      Dich fleh' ich an, bei meiner wunden Seele, 
      Zu den Gesunden zähle nicht die Kranke, 
      Daß nicht die einz'ge Arzenei mir fehle; 
       
      Bei dieser Sehnsucht, drin ich mich verzehre, 
      Für stark nicht halte du die schwache Ranke, 
      Daß sie in dir nicht ihren Stab entbehre. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Gott weiß, ich hab' nach Anderm nie getrachtet, 
      Als einzig nur nach dir, o du mein Leben! 
      Nicht wollt ich mich durch Glück und Rang erheben, 
      Nach deinem süßen Selbst hab' ich geschmachtet. 
       
      Nicht was die Menge groß und herrlich achtet, 
      Ersehnt' ich, meines Herzens heißes Streben 
      War einzig, ganz mich dir dahin zu geben, 
      Würd' ich darum von aller Welt verachtet. 
       
      Und hätt' Augustus mir die Kaiserkrone 
      Geboten, dass ich auf dem Herrscherstuhle 
      Der Welt als stolze Gattin mit ihm throne, 
       
      So ruf ich Gott den Ewigen zum Zeugen, 
      Daß es mir größer schien, als deine Buhle 
      Mein Haupt in Schmach und Niedrigkeit zu beugen. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Und ich war glücklich, konnt' in allen Reichen 
      Von Sonnenaufgang bis zum Niedergang, 
      So weit der Liebe Lebensruf erklang, 
      Ein glücklich Weib dem Deinen sich vergleichen? 
       
      Der Edelste ja selber musste weichen 
      Dem Einzigen, den dieser Arm umschlang, 
      Der wie das Sonnenlicht die Welt durchdrang 
      Mit seinem Geist, dem klaren, lebensreichen. 
       
      Und er, den alle Stimmen jubelnd priesen, 
      Den sein Jahrhundert sich als Stern erkor, 
      Der Tausenden den Weg zum Heil gewiesen, 
       
      Hob mich an sein begeistert Herz empor. 
      Da war ich Gottesbraut, als Heloisen 
      Ihr Abälard erschloß des Himmels Thor. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Wenn ich als Quelle deines Leids verdamme 
      Mein Herz, dann droht das Uebermaas der Wehen 
      Es zu zersprengen; Frieden zu erflehen, 
      Werf ich danieder mich am Kreuzesstamme. 
       
      Dann ringt sich manchmal himmelan die Flamme, 
      Wie Jephta's Tochter fühl' ich mich durchwehen 
      Vom heil'gen Stolz, dass du mich ausersehen, 
      Du Einziger! zu deinem Opferlamme. 
       
      Das ist das Heil in diesem Trank, dem bittern, 
      Daß ihn die Liebe weiht; das wird erheben 
      Mich einst als Trost im letzten Herzenszittern: 
       
      Daß ich den vollen Kranz vom reichen Leben, 
      Ohn' in Entblätterung ihn zu zersplittern, 
      Für eine große Liebe hingegeben. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Schon lange hört' ich deinen Ruhm erschallen, 
      Wie du, von seltner Geisteskraft durchdrungen, 
      Dem hohen Bild der Wahrheit nachgerungen, 
      Der Edelste, der Weiseste von Allen. 
       
      Wie in des Wissens hochgewölbten Hallen 
      Du dich so früh, so ernst emporgeschwungen, 
      Wie deinem starken Wort der Sieg gelungen 
      Ob Finsterlingen, die der Nacht Vasallen. 
       
      Dein Wort, es sei der göttlichen Gedanken 
      Harmonisch lichtdurchflossenes Gewand, 
      Durchwoben von lebend'gen Blumenranken; 
       
      Es sei ein blitzend Schwert in deiner Hand, 
      Vor dem vernichtet deine Gegner sanken, 
      Um das der Ruhm den grünen Lorbeer wand. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Und wie ich nun in's schöne Aug' dir schaute, 
      Dein Ton erklang in meinem stillen Zimmer, 
      Da war mir's klar im Herzen, dass ich nimmer 
      Empfunden solchen Blick und solche Laute. 
       
      Warm, wie ein Frühlingsperlenschauer, thaute 
      Dein Wort in's Herz mir, reicher, heller immer; 
      Dein Blick durchstrahlte es mit Sonnenschimmer, 
      Bis sich in mir der Wunderbogen baute. 
       
      Und ich, bedrängt vom innern Glanze, sah 
      Nach dir, der unterm kühn geschwungnen Bogen 
      Stand wie ein Sieger, heiter lächelnd da; 
       
      Da schlug des Innern Fülle starke Wogen, 
      Ein selig Klingen tönte fern und nah, 
      Und dir zu Füßen fühlt' ich mich gezogen. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Gelernet hatt' ich nach dem Schulgebrauche, 
      Denn heiß war nach Erkenntniß mein Verlangen, 
      Ich ließ mein Aug' an starren Lettern hangen, 
      Daß ihrer Nacht die Weisheit hell enttauche. 
       
      Jetzt las ich sie in deinem schönen Auge; 
      Die ernst und streng an mir dahin gegangen, 
      Erschien als Grazie vom Reiz umfangen 
      Mir in der Liebe duft'gem Rosenstrauche. 
       
      Wie aus dem tiefen See zum Licht der Sonnen 
      Die Ballisneria steigt aus grünen Ranken, 
      Den Kelch erschließend in dem Drang der Wonnen: 
       
      So, wenn ins Herz mir deine Strahlen sanken, 
      Erhoben aus der Nacht, die sie umsponnen, 
      In's Reich des Lichts sich blühend die Gedanken. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Wenn sich zwei Herzen aneinander pressen, 
      Vom Himmel selbst ersehn zum Liebesbunde, 
      Wie kann mit solcher lebensglühnden Stunde 
      Der kalte Traum des Ruhmes je sich messen? 
       
      Wir hatten Erbe, Gram und Tod vergessen, 
      Mein Lebenshauch ging aus von deinem Munde, 
      Die höchste Lust, die quoll dem Erdenrunde, 
      Wir hatten eins durch's andre sie besessen. 
       
      Denn deines ganzen Wesens keusche Flammen, 
      Und meines tiefsten Lebens reine Triebe, 
      Sie strömten unaufhaltsam stark zusammen; 
       
      Kein Blatt im Kelch, das unerschlossen bliebe, 
      Der süßen Rosen, die aus Eden stammen, 
      Der Geist und Sinn bewält'gend sel'gen Liebe. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Und wenn wir dann in Götterfrieden ruhten, 
      Ward unser Auge zum verstärkten Spiegel, 
      Und unsre Lippen drückten stumm das Siegel 
      Auf unseres Glücks geheimnißvolle Gluten. 
       
      O wunderbare, göttliche Minuten! 
      Erinnrung sprengt des Schicksals ehrne Riegel, 
      Und meine Sehnsucht schlägt mit wundem Flügel 
      Bang an die Pforte, heiß sich zu verbluten. 
       
      Erinn'rung, Sehnsucht, Reue, Grauen, Zagen, 
      Verzehren mich, doch treibt mich das Verlangen, 
      Statt der Gebete dieses Wort zu sagen: 
       
      Glücksel'ger Mund, an dem sein Glück gehangen, 
      Glückselig Herz, an dem sein Herz geschlagen, 
      Glückselig Weib, das liebend er umfangen. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Ich leb' so ganz in jenen Lenzestagen 
      Mit meiner Seele und mit allen Sinnen, 
      Daß alle Tropfen, die zum Herzen rinnen, 
      Die Gluten ihrer Sonnen in sich tragen. 
       
      So Tag und Nacht, bei starkem Herzensschlagen 
      Such' ich im Kreise frommer Beterinnen 
      Umsonst der Seele Frieden zu gewinnen, 
      Ach alle Hymnen werden Sehnsuchtsklagen. 
       
      Oft hingesunken vor der Jungfrau Bilde 
      Fleh' ich umsonst zu ihrer heil'gen Milde, 
      Sie blickt auf mich hernieder streng und kalt; 
       
      Sind denn die Gluten, die mein Sein verzehren, 
      Nicht auch ein Funken jener Lieb', der hehren, 
      Die einst am Kreuze himmelan gewallt? 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Wird, von der Liebe heil'gem Geist durchdrungen, 
      Nicht jedes Weib der Erde zur Madonne, 
      Nicht jedes Kind ein Heiland und in Wonne 
      Auf's neu der alte Feind, der Haß bezwungen? 
       
      So wähn ich oft, im Traum von dir umschlungen, 
      Des künft'gen Lebens Himmel schon gewonnen, 
      Von einem Strahl der ew'gen Liebessonnen 
      Den neuen Leib in Seligkeit durchdrungen. 
       
      Ja, Mann und Weib sind Träger jener Flammen 
      Die schöpferisch das weite All durchglühen, 
      Drum strömen sehnsuchtsinnig sie zusammen. 
       
      Wenn alle Kräfte ihres Seins zur Klarheit 
      Gelangt, als Krone ihres Bunds erblühen, 
      Dann giebt sich kund des Bundes inn're Wahrheit. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Der Stunde denk' ich, der geheimnißvollen, 
      Als sich mit feuchtem Glanz dein Auge schmückte, 
      Als das vom Uebermaß des Glücks bedrückte 
      Ließ auf mich nieder seine Thränen rollen. 
       
      In meinem Geiste hört' ich Reichbeglückte 
      Die Lieder, die durch alle Lande schollen, 
      Vom Nachhall unsres Glückes schon umquollen, 
      Als noch des Glückes Fülle mich entzückte. 
       
      O diese Lieder, die wie Nachtigallen 
      Entzündet vom melod'schen Liederbrand, 
      Sich schwangen durch des Lenzes grüne Hallen! 
       
      O diese Rosen aus dem Paradiese, 
      Die mit dem Dufte durch das Vaterland 
      Den Namen trugen deiner Heloise! 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Glückselig, die geliebt von einem Dichter, 
      Mit ihm entrückt dem Treiben dieser Welt, 
      Ruht träumend aus im ros'gen Wolkenzelt, 
      Drin er entzündet seine Gnadenlichter. 
       
      In leisen, süßen Zauberworten spricht er, 
      Von feiner'n Wonnen ist sein Herz geschwellt, 
      Sein Aug' von sel'gem Gottesglanz erhellt, 
      Und ihr in's Haar statt Blumen Sterne flicht er. 
       
      Zerronnen! Dicht umhüllt von Trauerflören, 
      Im Kreuzgang knieend auf den kalten Steinen, 
      Bin ich umwallt von schwarzen Schattenchören. 
       
      Erloschen! Grabeskerzen seh' ich scheinen, 
      Nur Grabgesänge darf die Nonne hören, 
      Nur heiße Thränen auf die Gräber weinen. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Geliebte Braut in Christo, sei gegrüßt! 
      Und er verleihe dir den heil'gen Frieden, 
      Der alle Trauer, alle Qual hienieden 
      Mit seinem sanften Himmelstrost versüßt. 
       
      Und glaube mir, die Welt ist öd' und wüst, 
      Die du nach meinem Wunsche früh gemieden, 
      Und jeder Seele wird das Heil beschieden, 
      Die selbstvergessen für die Liebe büßt. 
       
      Laß fest in dir den Glauben Wurzel schlagen, 
      Dann sprieset lebendig in dir auf das Hoffen, 
      Als Krone werden sie die Liebe tragen. 
       
      Wo Glaube, Liebe, Hoffnung sich getroffen, 
      Erstarkt die Seele bald zu kühnem Wagen, 
      Und edler That sind neue Bahnen offen. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Du weißt, daß hohe Segenswunder schafft 
      Die Liebe, wenn sie stark empor sich schwinget 
      Zu solcher Höhe, daß sie sich entringet 
      Im Himmelsflug der Ichheit enger Haft. 
       
      Sie wird zum Helden, der, ob blutig klafft 
      Die heiße Wunde, stark die That vollbringet; 
      Zum Heiland, der am Kreuz die Welt umschlinget, 
      Und segnend stirbt als Gott durch ihre Kraft. 
       
      Was in der Liebe irdisch war, zerrinne, 
      Wir aber schließen heiliger und freier 
      Ein Liebesband hoch überm Reiz der Sinne. 
       
      Du Priesterin der höchsten Liebesfeier, 
      Zünd' an die Kerzen unsrer ew'gen Minne, 
      Und laß mich ruh'n in deinem weißen Schleier. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Die nur vom Erdenreize stammt, die Liebe, 
      Gleicht unsres Lenzes wonnevoller Rose, 
      Ein Kind der Erde, theilt sie Erdenloose, 
      Geboren, daß sie mit dem Lenz zerstiebe. 
       
      Blind folgend der Natur gewalt'gem Triebe, 
      Bleibt ihrem Bunde fern das Ew'ge, Große, 
      Sie ist die reizende, doch willenlose, 
      Nichts lebt in ihr, das nach dem Lenz noch bliebe. 
       
      Doch unsre Liebe, die erstarkt zur Tugend, 
      Ist ihrer tiefen Wahrheit sich bewußt; 
      Enttaucht dem heißen Wonnerausch der Jugend, 
       
      Dringt sie in Tiefen der verwandten Brust; 
      Das Unvergängliche in Trümmern suchend, 
      Ahnt sie im Tod des ew'gen Lebens Lust. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Der höchste Schritt ist's zur Vollkommenheit, 
      Wenn zwei in hoher Liebe überwinden, 
      Wenn, die erst Fessel war, den Geist zu binden, 
      Zur Schwinge wird, die rettend ihn befreit. 
       
      Und das wird sein die höchste Seligkeit, 
      Wenn wir dereinst in Gott uns wieder finden, 
      In ihm, den ahnend wir in uns empfinden, 
      Vermählt zu sein für alle Ewigkeit. 
       
      Die über Klippen einst gestürzt, die Welle, 
      Sie ströme nun, vom starken Drang gereinigt, 
      Dem Meer entgegen silberklar und helle; 
       
      Nicht ferner durch der Trennung Qual gepeinigt, 
      Bedenke, daß uns bald der Liebe Quelle, 
      Die endlich Alles in sich eint, vereinigt. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      O Liebster, könnt' ich jetzt bei dir erscheinen, 
      In heil'ger Ruh zu deinen Füßen liegen, 
      Wie ein beschwichtigt Kind an's Herz dir schmiegen 
      Mein sinnend Haupt und leise, leise weinen! 
       
      Wie tief und heilig fühl' ich dich den meinen! 
      Jetzt wird mein Geist, der nah dem Unterliegen, 
      Durch deine Kraft den heißen Schmerz besiegen, 
      Um nachzustreben deinem Flug, dem reinen. 
       
      O führ' mich, Einziger, o führ' mich weiter! 
      An deiner Hand erklimm' ich Stuf' um Stufe 
      Der steilen, mühevollen Himmelsleiter. 
       
      Gieß Strahl auf Strahl von deinem hellen Lichte 
      Mir aus, mein Stern, zu dem ich flehend rufe, 
      Zu dem ich sehnend Herz und Blicke richte! 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Erfülle mich mit deines Glanzes Pracht, 
      Laß meine Seele deinen Geist umfangen; 
      Wie einst mein Auge deinen Blick empfangen, 
      So schenke Klarheit meiner Seele Nacht. 
       
      Denn mancher Zweifel ist in mir erwacht, 
      Nicht kann ich blind an meinem Glauben hangen, 
      Drum laß des Lichtes auch zu mir gelangen, 
      Das deine Weisheit unsrer Zeit entfacht. 
       
      Du hast die heil'ge Wohnung uns gegründet; 
      Hier, wo die Wälder das Geheul, das wilde, 
      Des Raubthiers einst durchdrungen, uns verbündet; 
       
      Hast vor der Liebe himmlisch reinem Bilde 
      Die ew'ge Lampe unsres Diensts entzündet, 
      So spende jetzt das Oel durch deine Milde. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Wir, deine Töchter, wollen darum einen 
      Uns alle jetzt in flehentlicher Bitte, 
      Du wollest ordnen unsres Klosters Sitte, 
      Und dadurch ganz uns weihen zu den Deinen. 
       
      Doch laß dir sagen, daß mir unnütz scheinen 
      Will aller Zwang, darin der Körper litte; 
      Erlaß uns Qualen, die mein Geist bestritte, 
      Der gern im Großen opfert, nicht im Kleinen. 
       
      Auch sei es uns durch dich, o Herr, verkündet, 
      Woher den Ursprung unser Stand gewonnen, 
      Worauf sich unser streng Gelübde gründet. 
       
      Wo bliebe noch der heil'gen Ehe Segen, 
      Wenn nach dem Himmel Mönche nur und Nonnen 
      Hinwandelten auf einzig rechten Wegen? 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Was ich nach deinem Wunsch begonnen habe, 
      Das will ich ganz und deiner werth vollenden, 
      Doch laß mich die getrübten Blicke wenden 
      Nur stets nach dir, nach meiner einz'gen Labe. 
       
      Mein glühend Herz kann noch nicht über'm Grabe 
      Daheim sein, wie die Frommen der Legenden; 
      Du mußt die Kraft mir zur Entsagung spenden, 
      Empor mich richten an der Liebe Stabe. 
       
      Du hießest aufwärts diese Mauern steigen, 
      Hast diesen Thürmen ihre luft'gen Bahnen 
      Geboten, daß sie frei gen Himmel steigen; 
       
      Führ' nun die Geister himmelan zur Klarheit, 
      Daß alle dich in ihrem Aufschwung ahnen, 
      Daß Form und Wesen sei harmon'sche Wahrheit. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Geliebte Braut in Christo, seine Gnade 
      Sei heut' mit dir und mir und mit euch Allen, 
      Auf daß wir fest und reinen Herzens wallen 
      Die schmalen aber sichern Lebenspfade. 
       
      Der Heiland kam und sprach: Euch Alle lade 
      Ich ein in meines Reiches lichte Hallen, 
      Doch fordr' ich keine irdische Vasallen, 
      Die Schätze suchen an der Welt Gestade. 
       
      Und wer mir folgen will aus reinem Triebe 
      Der lasse hinter sich das Gut der Erde, 
      Und solches nur erstrebe seine Liebe: 
       
      Triumph der Seele, Niedrigkeit der Hülle, 
      Dem Geiste Wonne und dem Leib Beschwerde, 
      Lust in Entsagung, in der Armuth Fülle. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Und Allen, denen noch im Herzen glühte 
      Von Gottes Schöpferglut ein Liebesfunken, 
      Sie waren ihm zu Füßen hingesunken, 
      Und folgten ihm mit gläubigem Gemüthe. 
       
      Vor Allen aber in der Frau entblühte 
      Der Liebe Seelenknospe gottestrunken; 
      Der Strahl, der ihr aus seinem Aug' gewunken, 
      Vermählte sich der eingebornen Güte. 
       
      Bei ihm kein strenges Richten, kein Verdammen; 
      Wie eine Mutter trug er sanft am Herzen 
      Den todtbedrohten Liebling aus den Flammen. 
       
      Der Sünde dunkle Flecken auszumerzen, 
      Bewies er, dass vom ew'gen Lichte stammen 
      Tugend und Lieb', in heißen Todesschmerzen. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      So hob er aus den Flammen Magdalenen, 
      Und trug sie in der Liebe Heimathland, 
      Und löschte ihrer Sünden Todesbrand, 
      Mit seines Gottesauges heil'gen Thränen. 
       
      Und immer war's der Frauen reines Sehnen, 
      Das tief den Weg zu seinem Herzen fand, 
      Und sie auch sah man treu am Grabesrand, 
      Gleich Marmorbildern tiefer Trauer lehnen. 
       
      Und als die Gruft gesprengt, da durften Frauen 
      Den Lebensengel in den Lichtgewanden 
      Zuerst mit den verweinten Augen schauen; 
       
      Vor Allen sie, die Schuld durch Lieb' gebüßet, 
      Denn zu ihr trat der Gott, der auferstanden, 
      Und sprach mit sanftem Tone: Sei gegrüßet! 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Und als nun Christus sich emporgeschwungen, 
      Ließ als Vermächtniß er zurück die Liebe, 
      Und daß sein Wort der Welt lebendig bliebe, 
      Ward eine Schaar vom heil'gen Geist durchdrungen. 
       
      Daß der lebend'ge Schatz, den sie errungen, 
      Mit ihrem Tode fruchtlos nicht zestiebe, 
      So zogen sie hinaus in's Weltgetriebe 
      Und predigten den Herrn in allen Zungen. 
       
      Und andre schlossen einen Bund der Geister; 
      In tiefer Stille, fern dem Reiz der Erde, 
      Erstrebten sie, gleich ihrem hohen Meister, 
       
      Triumph der Seele, Niedrigkeit der Hülle, 
      Dem Geiste Wonne und dem Leib Beschwerde, 
      Lust in Entsagung, in der Armuth Fülle. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Der Becher, der geprangt im stolzen Saale, 
      Erfüllt vom Feuerwein der Jugendglut, 
      Der Minnelust und tollen Uebermut 
      Und Sang und Klang geweckt im Kerzenstrahle; 
       
      Ward nun geweiht zur heil'gen Opferschale, 
      Daraus des Welterlösers göttlich Blut 
      Symbolisch quoll als heiße Liebesflut, 
      Wie aus dem goldnen Kelch beim Abendmahle. 
       
      So läuterte in Paulus starker Brust 
      Im glüh'nden Strahl der ew'gen Liebessonne 
      Zu reinem Geist sich wilde Sinnenlust; 
       
      So weihte heilige Begeisterung 
      Maria Magdalena ein zur Nonne, 
      Zum Kelche göttlicher Erinnerung. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Nun ich willfahret einem Theil der Bitte, 
      So gut ich es vermochte, will ich eilen, 
      Zu ordnen und zu regeln ohne Weilen 
      Dein Klosterleben nach bestimmter Sitte. 
       
      So werd' ich ewig sein in eurer Mitte, 
      So werden unsrer Trennung Wunden heilen, 
      Im Geiste werd ich eure Feier theilen, 
      Ob Zeit und Raum mir dieses Glück bestritte. 
       
      Wie eines Tempels inner'n Raum zu schmücken, 
      Der Maler Zeuxis nach den schönsten Frauen 
      Gemälde schuf, das Auge zu entzücken; 
       
      So schmück ich eures geist'gen Tempels Wände, 
      Mit höher'm Bild die Seele zu erbauen, 
      Ihr aber fleht, daß ich's mit Gott vollende. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Dank deiner Hand, die rettend mich ergriffen, 
      Zum Licht mich führt, aus diesen Nebelmassen; 
      Mußt' auch der Erdenfreude Schein erblassen, 
      Ich darf mit dir zu sel'gen Inseln schiffen. 
       
      Nicht irret in der Zweifel schroffen Rissen 
      Die Seele ferner einsam und verlassen, 
      Du lehrtest sie die ew'ge Wahrheit fassen, 
      Giebst Klarheit ihren dämmernden Begriffen. 
       
      Trag' mich hinan zum höchsten Ziel des Strebens 
      Laß mich erschau'n den Gottesquell des Lebens, 
      Der sich ergießt in dreifach heil'gem Strom; 
       
      Daß ich wie du erfüllt von seinem Lichte, 
      Ihn schau von Angesicht zu Angesichte, 
      Mit dir vermählt in der Erkenntniß Dom. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Gar manche heiße Pein hab' ich ertragen 
      Durch fremde Bosheit und durch eigne Fehle, 
      Denn schwer gekränkt ward ich an Leib und Seele 
      In voller Kraft von meinen Lebenstagen. 
       
      Ich ward geweiht dem schmerzlichsten Entsagen, 
      Daß sich die Kraft zu höh'rem Werke stähle, 
      Dann auf des Hasses und des Neids Befehle 
      Mußt' ich mein eignes Buch in's Feuer tragen. 
       
      Doch leicht kann ich das schwere Leid verschmerzen, 
      Weil mir durch Gott die höh're Kraft geblieben, 
      Ihn zu verkünden deinem tiefen Herzen. 
       
      Und seine Weisheit wird mich nicht verlassen, 
      Wird es vergönnen meinem reinen Lieben 
      Sein Wesen dreifach eins für dich zu fassen. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Als Weltendichter hab ich mir gedacht 
      Den höchsten Gott, der Alles wirkt und schafft, 
      Der aus dem unerschöpften Born der Kraft 
      Unendlich zeugt in gränzenloser Macht. 
       
      Durch Weisheit stets zum Schönsten angefacht, 
      War, um die Welt zu lösen aus der Haft 
      Des Todes und der sünd'gen Leidenschaft, 
      In ihm der Liebe heilig Werk erwacht. 
       
      Daß Leben neu entkeime der Vernichtung, 
      Vermählte seine Weisheit er der Erde 
      In seines heil'gen Geistes Liebesdichtung. 
       
      Die Weisheit sprach: Der Mensch sei auserkoren! 
      Die Allmacht rief herab ihr göttlich: Werde! 
      Da ward der Geist der Lieb' im Wort geboren. 
       
         
      Abälard an 
      Heloise 
       
       
      Drum dich, die ich geliebt, will ich bitten, 
      Du wollest mit den Schwestern, den Geweihten, 
      Die Schwingen des Gebetes schützend breiten 
      Ob ihm, der steht in der Gefahren Mitten. 
       
      Und fall' ich, der so ruhelos gestritten, 
      Dann senkt mich ein zu des Altares Seiten, 
      An dessen Stufen ihr zu allen Zeiten 
      Frieden erfleht ihm, der so viel gelitten. 
       
      Wie einst Maria Lazarum erworben, 
      Dem Christi Thräne ward zum Lebensfunken 
      Für's Erdenleben, - so wenn ich gestorben, 
       
      Laß du für mich empor dein Flehen dringen, 
      Daß ruhen darf der Leib in Staub versunken, 
      Der Geist sich frei zum Quell des Lichtes schwingen. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      Dein Brief, o Theurer, den mit heißem Sehnen 
      Ich mit den Schwestern bang erwartet habe, 
      Daß er in schwüler Pilgerschaft uns labe, 
      Hat uns versenkt in Trauer und in Thränen. 
       
      Wie aber kannst, mein Einziger, du wähnen, 
      Daß wir, getrennt von unserm einz'gen Stabe, 
      Noch wandeln könnten über deinem Grabe, 
      Die wir von dir nur unser Sein entlehnen? 
       
      O sprich, wo sollten all die bangen Herzen, 
      Die du gerettet aus dem Drang der Wellen, 
      Sich bergen vor dem Sturme solcher Schmerzen? 
       
      Du, der allein mit deinem heil'gen Auge 
      Entzündest unsrer Liebe fromme Kerzen, 
      Und unsre Hymnen schwellst mit deinem Hauche. 
       
         
      Heloise an 
      Abälard 
       
       
      O vor dem Tode nimm uns nicht das Leben, 
      Gieb uns nicht das, was ärger als der Tod! 
      Seit der Gedanke unser Herz bedroht, 
      Verwandeln die Gebete sich in Beben. 
       
      An dir ist es, Geliebter, zu erheben 
      Dein Fleh'n für uns in unser letzten Noth; 
      Wenn es empor von unserm Grabe loht, 
      Wird unser Geist mit ihm gen Himmel schweben. 
       
      O sende den Betrübten bald ein Wort, 
      Das Freudeschwingen leihe unsern Chören, 
      Du unser Heil, du unser Seele Hort! 
       
      Du unser Heiliger, bei dem wir schwören, 
      Den ich erfasse einzig hier und dort, 
      Ach laß mich bald dein Wort des Lebens hören! 
       
       
         
      Heloise 
       
       
      Viel kann das schwache Menschenherz ertragen, 
      Die Wogen schlagen über ihm zusammen, 
      Es lebt, ein Salamander, in den Flammen, 
      Berührt vom Tod muß es noch bebend schlagen. 
       
      Mein Leben sah ich todt im Sarge tragen, 
      Sah, also todt, zum Leben mich verdammen; 
      Den Schlag, dem diese Schmerzen all' entstammen, 
      Ersehn' ich nun als Ende meiner Klagen. 
       
      Bei ihm ist meine Seele, nicht da drunten 
      Im dunklen Sarge, denn sonst müßte ja 
      So nah dem Todten, dieses Herz gesunden. 
       
      Ich weilte Tag und Nacht dem Grabe nah, 
      Doch immer heißer brennen meine Wunden, 
      Mein Leben, meine Seele sind nicht da. 
       
         
      Heloise 
       
       
      Den meine Seele liebt, hat sie gefunden; 
      Als mit den Schwestern ich wie er geboten, 
      Das Requiem sang dem geliebten Todten, 
      Hab' ich die Nähe Abälards empfunden. 
       
      Es hatte sich mein Geist dem Schmerz entwunden, 
      Als himmelan die hellen Töne lohten; 
      Ich sah verklärt in ew'gen Morgenrothen 
      Im Geiste ihn, der mir im Raum entschwunden. 
       
      Jetzt weiß ich, daß mein Heil da droben wohnet, 
      Nicht mehr verzweifelnd blick' ich dort hinab, 
      Und ohne Buße werd' ich jetzt belohnet. 
       
      Frei darf mein Geist zu dem Geliebten schweben, 
      Die letzte Thräne wein' ich auf sein Grab, 
      Denn unsrer Liebe quillt unsterblich Leben. 
       
  
      
         
        Aus: 
        Neue Gedichte von Luise von Ploennies 
        Darmstadt 1851 (S. 235-274) 
         
         
  
       
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