Sufi - Weisheiten

Islamische Mystiker (7. - 13. Jh.)
(Teil 1)



Moas Ben Dschebel (gest. 639)

Er sagte, es schaden vor Anderen drei Sachen: Ohne Ursache zu lachen, Schlafen (ohne zum Gebet) aufzuwachen und ohne Hunger Gastmahl zu machen.
Man fragte ihn: Wirst du dir die Mittel verschaffen, eine Moschee zu bauen? Er sagte: ich fürchte, dass sie am Tage des Gerichts mir den Rücken beschwere. (S. 159)

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Selman el-Farsi (gest. 650)

Die Wissenschaft ist viel und das Leben ist kurz, nimm von der Wissenschaft, was du für die Religion benötigst, und lasse den Rest.
Man fragte ihn, welche Handlungen er für die nützlichsten halte?
er antwortete: Das Vertrauen in Gott; das Gleichnis des Herzens und des Leibes ist das des Blinden und des Lahmen; der Lahme sagt: Ich sehe eine Frucht, zu der ich aber nicht gelangen kann, wenn du mich nicht dahin trägst.
(S. 160-161)

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Kabol-achbar (gest. 657)

Er sagte: Erleuchtet eure Häuser mit Gottes Erwähnung, wie ihr damit eure Herzen erleuchtet.
Gott offenbarte die Wissenschaft dem Moses, das Gute, das er den Menschen lehrte.
Der wissende Gläubige hat mehr Kraft wider den Satan als hunderttausend Gläubige, die blos beten. (S. 161)

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Abdallah Ben Mesud (gest. 653)

Ihr seid nur Gäste und alles Gut, das ihr besitzt, ist nur ein geliehenes.
Nichts bedarf  in der Welt längeren Kerkers als die Zunge. (S. 162)

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Uweis Ben Aamir el-Kareni (gest. 657)

Wie bist du aufgewacht? fragte ihn Einer. Mit dem Lobe Gottes; und wie bringst du den Tag zu? Wie Einer, der wenn er Morgens aufwacht, nicht weiss, ob er den Abend erleben, und Abends nicht weiss, ob er den Morgen noch erleben wird, indem der Tod dem Gläubigen keine Freude lässt. (S. 164)

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Hasan, der Sohn Ali's (gest. 669)

Er sagte: Der Scharfsinnigste ist der Tugendhafte, der Dummste der Lasterhafte.
Die Bruderschaft besteht in gleicher Teilung der Freuden und Leiden.
Die Sanftmut besteht in der Unterdrückung des Zornes und Beherrschung der Begier.
Die Genügsamkeit ist die Zufriedenheit mit dem, was Gott zuteilt. (S. 165)

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Ammar Ben Abdallah (gest. 680)

Das Los des Menschen in dieser Welt ist Sorge und Traurigkeit, und in der anderen Rechenschaft und Feuer; wo ist Ruhe und Freude?
Die Majestät Gottes füllt meine Brust so, dass ich nichts Anderes fürchte.
Die sich am meisten in dieser Welt freuen, werden in jener am meisten sich betrüben, die hier am meisten lachen, dorten weinen. (S. 166)

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Abdallah Ben Abbas (gest. 687)

Er sagte: Es gibt Diener Gottes, die vor Furcht desselben verstummen, ohne dass sie stumm geboren; es gibt Beredte, die nie des Worts verlegen, als wenn sie Gottes Grösse beschreiben wollen, und denen die Zungen ausgeschnitten, bis sie sich zu Gott mit reinen Handlungen wenden. (S. 167)

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Abdallah Ben Sobeir (gest. 692)

Er sagte: Die Tugendhaften erkennt man an der Geduld, womit sie die Unglücke ertragen, an ihrer Ergebung in's bestimmte Los, an ihrer Dankbarkeit für erwiesene Gnaden und ihrer Unterwerfung unter die Gebote des Korans.
(S. 168)

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Abdallah der Sohn Omer's (des Chalifen) (gest. 692)

Er sagte: Ein Mann ist kein Gelehrter, bis er nicht beneidet was ober ihm, und nicht verachtet, was unter ihm und die Wissenschaft nicht verkauft.
Die Welt ist das Paradies des Ungläubigen und der Kerker des Gläubigen.
(S. 168)

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Malik Ben Dinar (gest. 700)

Er sagte: Der Mann gelangt nicht zur Station der Wahrhaftigen, bis er nicht mit Hunden auf Miststäten wohnt. So wie einem kranken Körper Speise und Trank nichts nützt, vielmehr die Krankheit verschlimmert, so nützen Ermahnungen nicht einem Herzen, das an der Welt hängt.
Wer sich eitlen Lobes erfreut, gibt dem Teufel Spielraum in seinem Herzen.
Jesus sagte: Die Furcht Gottes und die Liebe des Paradieses entfernen von dir Liebe der Welt und vererben Geduld wider Beschwerden.
Das Zeichen der Liebe Gottes ist seine oftmalige Erwähnung, denn wer ein Ding liebt, erwähnt desselben häufig. (S. 170)

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Said Ibnol-Mesejjeb (gest. 712)

Er sagte: Halte deine Begier in Zaum, und trage an Kleidern was du willst.
Es gibt keinen Hohen und keinen Niedrigen, keinen Gelehrten und keinen Unwissenden, der ohne Gebrechen, aber dem, dessen Trefflichkeiten grösser als seine Schwächen, verzeiht Gott die letzten in Anbetracht der ersten.
(S. 171-172)

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Mothrif Ben Abdallah (gest. 713)

Nach dem Glauben ist dem Menschen nichts Edleres verliehen als die Vernunft.
Der Tod zerstört die Güter dieser Welt, sucht also die unzerstörbaren Güter der anderen.
Die Sorglosigkeit (Ghaflet), welche Gott in die Herzen der Wahrhaftigen sendet, ist eine Barmherzigkeit, denn wenn er ihnen eben so viele Traurigkeit gäbe, als Erkenntnis, so würden sie zu leben aufhören. (S. 172)

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Orwet Ibn Sobeir (gest. 717)

Er sagte: Die Andacht der Herzen besteht nur im Danke Gottes, und weder in Furcht noch in Bitte.
Der Zorn bringt den Zornigen am nächsten dem Zorne Gottes.
Einige dienen Gott aus Furcht, diess sind Knechte; Einige aus Vortheil mit Bitten, diess sind Kaufleute, Einige mit Dank, diess sind die Freien.
Sehr wundern muss ich mich über die Hochmüthigen, die gestern ein Samentropfen, morgen ein Aas, wundern muss ich mich über den, der an Gott zweifelt, und die Wunder der Schöpfung sieht; über den, der die andere Welt läugnet, nachdem er in dieser gelebt; über den, der sich hier ein vergängliches Haus baut, und auf das ewige verzichtet. (S. 173)

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Bekr Ben Abdallah el-Moseni (gest. 726)

Er sagte: Ein Mensch ist kein Reiner, bis er sich nicht vom Geize und vom Zorne gereinigt.
Wenn du Schändliches von den Menschen siehst, vergiss es, wenn du Löbliches siehst, behalt es.
Leget die Kleider von Königen, aber Eueren Herzen die Furcht Gottes an.
Wenn man ihn des Reichthums seiner Kleider willen schalt, sagte er: Vielleicht tragt ihr Kutten, aber eure Herzen sind sündhaft, und vielleicht tragt ihr Kleider der Könige, und eure Herzen sind voll von Gottesfurcht. (S. 175)

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Aun Ibn Abdallah (gest. 723)

Seine Worte: Der Herr aller Handlungen ist die Erwähnung Gottes, die Kreise der Erwähnung Gottes sind die Mangen (Glättungswerkzeuge) der Herzen.
Wenn eine Stunde käme, in welcher kein Mensch Gottes gedächte, so würde die Welt zu Grunde gehen.
Das Herz des Reuigen ist Glas, welches von Allem, das darin Eindrücke macht, zerbrochen wird.
Ich ging mit Reichen um, und ward traurig, indem ich schönere Kleider oder schönere Lastthiere sah als die meinen, während im Umgange mit den Armen mich das Ungleiche froh machte. (S. 175-176)

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Hasan el-Basri (gest. 728)

Du weisst, dass der Tod unvermeidlich, und die Sterbestunde verheissen und das jüngste Gericht bevorstehend, du kannst nicht in lange Träume versinken.
Die Pein des Wissenskundigen ist der Tod der Herzen.
Die Flucht vor dem Dummen ist eine Annäherung Gottes.
Einem Reisenden, der einen Rath auf den Weg begehrte, sagte er: Wo du immer seist, ehre Gott, so wird er dich ehren; die beiden schlimmsten Gefährten sind Gold und Silber, denn sie nützen dir nicht, bis du dich von ihnen trennst. (S. 177)

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Wehb Ibn Monebbih (gest. 737)

Wer seinem Feinde nicht Gutes thut, muss ihn bekämpfen.
Die Wissenschaft ist wie der Regen, der vom Himmel fällt, und der sich je nach der Natur der Pflanzen, die er tränkt, in süssen süss, in sauren sauer wird; so vermehrt die Wissenschaft den Hochmuth des Hochmüthigen und die Demuth des Demüthigen.
Sei zufrieden mit dem Niederen der Welt, wenn dir Weisheit beiwohnt, sei aber nicht zufrieden mit dem Niederen der Weisheit, indem du Güter der Welt beabsichtigst.
Einer verkehrt nicht vierzig Tage mit Leuten, ohne dass er etwas von ihrer Natur annehme.
Die Welt ist die Beute der Scharfsinnigen, die Reue der Dummen.
Sich auf Sterbliche verlassen ist eben so viel als sich auf Spinnengewebe stützen. (S. 178-179)

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Mohammed el-Bakir (gest. 732)

Er sagte: In dem Masse als Hochmuth sich in das Herz des Menschen schleicht, nimmt sein Verstand ab.
Keine Andacht ist verdienstvoller als ie Reinigkeit des Bauches und der Schamtheile.
Nichts hilft in der Welt mehr zu guten Werken als Wohlthätigkeit.
Der schlimmste Bruder ist der, welcher dir einladet, wenn du im Wohlstand, und dich in der Armuth verlässt. (S. 179)

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Jesid Ben Abdallah Ben esch-Schaschis (gest. 736)


Auf die Frage: ob die Moschee nicht zu reinigen, antwortete er: Reiniget eure Herzen, die euch genügen als Moschee. (S. 180)

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Mohammed Ben Selem Ben Schihab (gest. 741)

Er sagte: Der wahre Ascete ist der, welchen Reichthum nicht hindert, dankbar zu sein, und den seine Armuth nicht zu Verbotenem verführt. (S. 182)

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Er-Rebii Ibn Ebi Raschid (gest. 739)

Er sagte: Wenn mein Herz eine Stunde lang der Erwähnung des Todes vergässe, so würde ich fürchten, dass mein Herz verdärbe. (S. 182)

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Mohammed Ben Ssubh (gest. 747)

Er sagte: Die Welt ist nun ganz in deinen Händen, sieh zu, was davon in deinen Händen sein wird, wenn du stirbst.
Der Vernünftige setzt seinen Unternehmungsgeist in die Rettung, der Dumme in Spiel und Possen.
Gott hat die Welt gefüllt mit Süssigkeiten, dieselbe aber eingefasst mit Bitterkeiten.
Wer sich von Gott gänzlich abwendet, von dem wendet sich Gott gänzlich ab.
Die Bewohner der Welt mühen sich ab in Sorgen und Begierden, die Ruhe findet sich nur im abgeschiedenen Leben.
Der Tod verlässt dich nie, mit jedem Schritte gehst du ihm entgegen. (S. 183)

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Bedil Ben Meiseret el-Okaili (gest. 747)

Er sagte: Wer ernstlich Gottes Angesicht zu kennen wünscht, dem naht sich Gott, und nähert ihm die Herzen der Diener, während Gott von dem, der anders handelt, sich und die Menschen abwendet. (S. 183)

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Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Zweiter Band
Unter der Herrschaft der Beni Omeije vom Jahre der Hidschret 40 (661)
bis 132 (750)
Wien 1851
 

 

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