Sufi - Weisheiten

Islamische Mystiker (7. - 13. Jh.)
(Teil 2)



Ferkad es-Sindschi (gest. 748)

Er sagte: Der Herr Jesus sprach: Wohl dem Sprechenden in den Ohren der Menschen, die sein Wort anhören.
Der grösste Lohn des Redners ist in der Befolgung seiner Worte von den Zuhörern.
Der Fremde ist der, so keinen Freund hat.
Im Pentateuchus steht, dass die Mütter grosser Sünden drei: Hochmuth, Neid und Gier, aus diesen entspringen sechs andere: Völlerei, Schlaf, Faulheit, Liebe des Geldes, Liebe des Beischlafs, Liebe der Herrschaft, so dass der grossen Sünden neun. (S. 211)

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Moschaid Ben Dscherbr el-Machsumi (gest. 749)

Er sagte: Du bist keiner der Gott oft Erwähnenden, wenn du seiner nicht schlafend und wachend, stehend und sitzend gedenkest. (S. 212)

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Rihant el-Medschnunet (um 750)

Die Andächtige, berühmt durch ihre ausserordentliche Dinge, die sie verübte und ihre Weisheitsworte. Sie sagte viele Gedichte aus dem Stegreife. Ssalih el-Moseni erzählt, er habe gesehen, dass Rihanet, die Wahnsinnige, auf ihre Stirne die folgenden Verse geschrieben:
Du bist mir Freude, Lust und Seelenruh,
Mein einz'ger Geliebter bist nur du;
Sehnsucht nach dir beseelet mich,
Mir viel zu lang, wenn ich nicht sehe dich.
Das Paradies zu seh'n verlangt mich nicht,
Da ich Nichts sehen will als dein Gesicht.
(S. 212-213)

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Rabiat el-Aldewije (gest. 752)

Sie sagte: Verbirgt euere guten Handlungen, wie ihr euere Sünde verbergen würdet.
Der Scheich Schihabeddin Suhrwerdi führt von ihr in seinem Werke die Kunden der Erkenntnisse die folgenden Verse an:
Ich habe in mein Herz gesetzt dich ein,
Mein Leib ist der Gesellschaft überlassen;
Mit dieser kann sich wohl mein Leib befassen,
Doch in dem Herzen ist mein Freund allein.
Sie ward gefragt: wann die Ergebung des Menschen in den Willen Gottes vollkommen? sie sagte: Wann ihn das Unglück eben so freut, wie das Glück. Gehe hinaus, sagte zu Rabiat ihre Sclavin an einem schönen Frühlingstage, um die Werke des Schöpfers zu schauen; sie antwortete: Gehe in's Haus, in dich selbst, dass du die Allmacht des Schöpfers erkennen mögest und deine Ohnmacht, das Schauen des Schöpfers herabziehest vom Schauen der Geschöpfe. (S. 213-214)

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Chalid Ben Madan el-Kilaai (gest. 760)

Er sagte: Jeder Diener Gottes hat zwei Paar Augen, das eine im Kopf, womit er die Dinge dieser Welt beschaut, das andere im Herzen, womit er die Dinge der anderen Welt betrachtet.
Wenn Gott einem seiner Diener wohl will, öffnet er ihm die Augen des Herzens, und schliesst sie ihm im entgegengesetzten Falle.
Die Herzen sind aus Thon geschaffen, welche die Thränen erweichen. (S. 215)

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Dschafer ess-ssadik (gest. 765)

Wenn das Glück dem Menschen naht, verleiht es ihm die Tugenden von Anderen; wenn es ihm den Rücken wendet, beraubt es ihn seiner eigenen guten Eigenschaften.
Kein Stammgut ist einträglicher, als die Vernunft, kein Unglück grösser, als die Unwissenheit.
Wer da glaubt, dass Gott in einem Ding, über einem Ding, von einem Ding sei, irrt als Götzendiener; denn wäre Gott über einem Dinge, so würde er von demselben getragen, in einem Dinge wäre er beschränkt, von einem Dinge wäre er erzeugt. (S. 216)

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Ebu Haschim der Ssofi (gest. 767)

Ebu Haschim war krank, Einer fragte ihn, wie er sich befinde? Die Krankheit, sagte er, ist ein Unglück, allein es wird überwogen von dem Glück der Freundschaft und Liebe. (S. 216)

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Wehb Ibnol-Werd el-Machsumi (gest. 770)

Seltsam, dass der Gelehrte lachen mag, da er doch weiss, dass sein die Schrecken des Gerichtes harren.
Die Ascetik besteht darin, dass du über das, was vorbei, dich nicht betrübest; auf das, was kommt nicht freuest. (S. 218)

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Abdallah Ben Jesid el-Dschoromi (gest. 771)

Er sagte: wenn dir Gott Wissenschaft verlieh, so erweise dich ihm dankbar dafür durch Andacht, und bekümmere dich nicht um das, was die Menschen sagen.
Keiner will Gutes oder Böses, der nicht in seinem Herzen eine ihn heissende oder abwehrende Stimme finde. (S. 218)

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Abdallah Ben Amru el-Ewsaai (gest. 774)

Er sagte: Jede Stunde wird dem Menschen am jüngsten Tage vorgehalten, und jede Stunde, in der er Gottes nicht gedacht, wird er bereuen.
Das Possenreissen der Gelehrten ist besser, als die Weisheit der Unwissenden. (S. 220)

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Ibrahim Ben Edhem (gest. 777)

Von der Wissenschaft genügt die Furcht Gottes, und von der Unwissenheit, dass der Mensch sich in seinem Handeln wohlgefällt.
Die Menschen gehen durch zwei Dinge zu Grunde, durch Überfluss des Geldes und Überfluss des Wortes.
Wie viele von euch fliehen vor dem Glücke, wenn es ihnen sich naht, und wie Viele verfolgen es, wenn es sich zurückzieht.
Wer traurig, muss fürchten, dass er von den Bewohnern der Hölle sei, denn die Bewohner des Paradieses sagen: Lob Gott! der von uns die Traurigkeit genommen.
Die grösste Sünde vor Gott ist, wenn der Mensch von dem spricht, was ihm Gott verdeckt hat.
Keiner erlangt den Grad der Frömmigkeit, bis er nicht über sechs Abgründe gesetzt, sechs Thore geschlossen und sechs andere geöffnet hat, bis er nicht die Thore des Wohllebens, der Ehre, der Ruhe, des Schlafes, des Reichthums, der Hoffnung geschlossen, die der Widerwärtigkeit, Erniedrigung, Ermüdung, des Wachens, der Armuth, der Bereitung zum Tode geöffnet. (S. 221)

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Ebu Obeide Abad (gest. 778)

Ein Scheich des beschaulichen Lebens, der auf der Gasse immer sang: Ich sehne mich nach dem der mich sieht, und den ich nicht sehe. (S. 221)

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Schakik Ben Ibrahim (gest. 780)

Er sagte: Die Tugend eines Mannes wird in drei Dingen erkannt: in dem was er nimmt, verweigert und spricht.
Die Würde des Scheichs besteht nicht darin, dass er Gerste isst und in Wolle sich kleidet, sondern in der Erkenntnis Gottes und in der Ergebung in dessen Willen, und wenn er auf das, was in seinen Händen, sich mehr verlässt, als auf das, was in den Händen der Menschen.
Die Frömmigkeit des Menschen besteht aus zehn Theilen, neun derselben sind die Flucht vor den Menschen, der zehnte das Stillschweigen.
Das Thor der göttlichen Leitung und Begünstigung wird dem Menschen durch sechs Dinge verschlossen: erstens durch Undankbarkeit für empfangene Gnaden, zweitens durch Erlernung der Wissenschaft der Welt, drittens durch Unterlassung guter Handlungen, viertens durch das Gespräch mit Frommen, ohne Nachahmung ihrer Handlungen, fünftens durch die Begrabung von Todten ohne Erbauung daran, sechstens durch das Treiben zur Sünde.
(S. 223)

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Abdallah Ibnol-Mobarek (gest. 797)

Er sagte: Wenn ihr den Koran leset, so vernachlässiget die Wissenschaft nicht, denn diese lehrt euch den Sinn desselben.
Wer es mit den Gelehrten zu leicht nimmt, verliert die andere Welt, wer es sich mit den Emiren zu leicht nimmt, verliert diese Welt.
Du verdienst nicht den Namen eines Gelehrten, bis nicht dein Herz leer von der Liebe der Welt.
Das Wahrzeichen, dass Einer sich selbst kennt, ist, wenn er sich geringer achtet als einen Hund. (S. 225)

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Malik Ibned-Dinar (gest. 797)

Er sagte: Die Kinder dieser Welt bringen von derselben nichts Besseres in die andere als Erkenntnis Gottes.
Die Beglückten werden durch nichts mehr beglückt, als durch Gottes Erwähnung.
Der Dirhem der Armen ist Gott wohlgefälliger als der Dinar der Reichen.
Ein Herz, in dem keine Traurigkeit, geht zu Grunde wie ein unbewohntes Haus.
Das Zeichen der Liebe Gottes ist die oftmalige Erwähnung desselben, denn wovon das Herz voll, davon geht der Mund über.
Die Hochzeit der Gottesfürchtigen ist das jüngste Gericht.
Jesus, als er die Krämer vom Tempel aus vertrieb, sagte: O Schlangengezücht! wollt ihr Gottes Betort zum Markte machen. (S. 226-227)

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Mohammed Ben el-Jusuf el-Issfahani (gest. 800)

Er sagte: Diess ist keine Zeit, wo man auf Tugend, sondern auf Rettung sieht.
Groll und Religion vertragen sich nicht.
Der ist auf falschem Wege, der sich mehr nach der Welt als nach Gott sehnt.
(S. 228)

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Abdallah Ben Abdolasis el-Omri (gest. 800)

Er sagte: Ich kenne keinen beredteren Prediger als das Grab, und keine grössere Erhebung des Islams als die Einsamkeit.
Einer sagte ihm: Predige mir. Abdallah nahm eine Handvoll Sand und Kies von der Erde und hielt sie ihm hin als hinlängliche Ermahnung an Gottes Allmacht.
(S. 229)

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Fodhail eth-Thalakani (gest. 803)

Harun Reschid sagte ihm eines Tages: Wie enthaltsam bist du, Fodhail? - Du bist, antwortete dieser, enthaltsamer als ich, denn ich habe nur dieser Welt entsagt, du aber auch jener; diese Welt ist vergänglich, jene aber dauert immer. (S. 230)

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Jusuf Ben Esbath (gest. 807)

Er sagte: Trage geduldig, was dir zustösst, denn wer einem bestimmten Übel entfliehen will, fällt in ein grösseres; nehmt euch ein Beispiel an Jesus, der aus Demuth in die Wüste floh, und dem die Israeliten dann nebst Gott dem Herrn dienten.
Wer den Koran liest und noch der Welt dient, nimmt die Verse desselben für Spiel und Scherz.
Der Gelehrteste ist kein Gelehrter, bis nicht die besten seiner Handlungen ihm mehr schaden als seine Sünde.
Hütet euch vor dem Entgegenkommen der Menschen, was ein Unheil; freue dich nicht dessen, was dir entgegenkommt, betrübe dich nicht über das, was sich von dir abwendet.
Die Demuth besteht darin, dass du Keinen suchst, den du für nicht besser hältst als dich.
Handle! die Handlung des Mannes geht nicht verloren; vertraue! durch Vertrauen erreicht der Mann doch nur, was ihm von ewig her das Loos zugeschoben.
Vor dem, der Gott fürchtet, fürchten sich alle Dinge und er fürchtet keines derselben.
Die grösste Wissenschaft ist die Furcht Gottes.
Hüte dich vor zu künstlichen Koranlesern und zu tief forschenden Gelehrten, denn sie führen den Menschen vom rechten Wege ab.
Wissenschaft, die zur Begierde der Welt führt, ist eine schädliche, wie der, so ein Schwert für einen Strassenräuber kauft. (S. 231-232)

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Hodeife Ben Kitade el-Meraschi (gest. 807)

Er sagte: Bewahre vier Dinge: deine Augen, Zunge, Lust und Herz; lass deine Augen nicht auf Verbotenem weilen, deine Zunge nichts sprechen, von dem Gott weiss, dass du anders darüber denkest, zähme deine Begier und lass keinen Groll in deinem Herzen. (S. 232)

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Maruf el-Kerchi (Gest. 816)

Er sagte: Der wahre Ssofi sei auf der Erde ein Gast; die gute Lebensweise erfordere, dass der Gast dem Gastfreunde nicht zu lange zur Last falle.
Einem, der von Maruf einen Rath begehrte, gab er den folgenden: Hüte dich, dass dich Gott nie anders als in der Gestalt eines Armen (Meskin) sehe.
Maruf, über die Liebe gefragt, sagte, dass die Liebe nicht durch menschlichen Unterricht erlernt werde. (S. 234)

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Ed-Darani (gest. 820)

Er sagte: Wer bei Tage gute Werke übt, wird durch dieselben bei Nacht unterstützt und umgekehrt.
Wenn es einem Menschen Ernst mit seiner Bekehrung, so nimmt Gott die Lust der Sünde aus dessen Herzen weg, denn er ist zu gerecht, um ein Herz zu bestrafen, worin er die Lust der Sünde gelassen haben würde.
Der Fakir muss die Reinheit seines Leibes nicht der seiner Seele vorziehen.
Die Genügsamkeit ist der Beginn der Ergebung in den Willen Gottes, und die Eingezogenheit der Beginn der Ascetik.
Das Herz ist wie ein Spiegel, der nur, wenn geglättet, das Vorgehaltene zeigt.
(S. 235)

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Fathimet en-Nisaburijet (gest. 838)

Einer der frömmsten und andächtigsten Frauen, welche mit Sulnun el-Missri Umgang hatte, und von Ebu Jesid el-Bosthami besucht ward. Beide bezeugten, dass sie nie eine vollkommenere Frau gesehen; sie hielt sich zu Mekka auf.
Sie sagte: Der Aufrichtige (Ssadik) und der sich Gott Annähernde (el-Mokarrib) ängstigen sich auf stürmischen Meere, dessen Wogen über ihnen zusammenschlagen, und sie beten zu Gott das Gebet des Ertrinkenden um Rettung. Sulnun el-Missri, mit dem sie zu Jerusalem zusammengekommen, sagte ihr: Gib mir Ermahnung und Rath; sie sagte: Sei der Aufrichtigkeit zugethan, und kämpfe wider deine Begierden an. (S. 237)

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Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Erste Abtheilung
Die Zeit vor Mohammed und die ersten
drei Jahrhunderte der Hidschret
Dritter Band
Unter der Herrschaft der Beni Abbas, vom ersten Chalifen
Ebul Abbas bis zum Tode des neunten Chalifen Wasik,
d. i. vom Jahre der Hidschret 132 (749) bis 232 (846)
Wien 1852
 

 

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