Sufi - Weisheiten

Islamische Mystiker (7. - 13. Jh.)
(Teil 5)



Ahmed Ibn Ahmedan (gest. 923)

Die Schönheit eines Mannes liegt in der Schönheit seiner Worte, und seine Vollkommenheit in der Aufrichtigkeit seiner Handlungen. (S. 257)

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Ibnol-Katib (um 951)

Er sagte: Wenn Furcht das Herz befällt, spricht die Zunge nur das, was das Auge der Furcht sieht. (S. 258)

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Ahmed Ben Mohammed (gest. 951)

Er sagte: Der niedrigste Grad der Gotteserwähnung ist, wenn der Erwähnende alles Andere vergisst; der höchste, wenn er sich in der Erwähnung verliert, diess ist der Zustand der vollkommenen Vernichtung. (S. 258-259)

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el-Hasan Ben Ahmed (gest. 951)

Er sagte: Die Düfte des Ostwindes der Liebe wehen von Seiten der Liebenden her, und verrathen ihre Gegenwart.
Wer Weisheit hört und nicht darnach handelt, ist ein Gleissner.
Gott sagt: wer geduldig ausharrt, gelangt zu mir.
Gott verleiht seinem Diener die Süssigkeit seiner Erwähnung; wenn er sich derselben dankbar erfreuet, so zieht er ihn in seine Nähe, wenn nicht, so bleibt die Erwähnung nur leeres Wort ohne Genuss der Süssigkeit. (S. 259)

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Ahmed Ben Mohammed Ibn el-Arabi (gest. 952)

Er sagte: Wenn dem Gott Erkennenden gesagt würde, dass er für immer in der Welt bleiben könne, würde er nicht damit zufrieden sein.
Die Stufen der Wissenschaften werden durch das Mittel (der Studien) erreicht, die Stufen der ewigen Wahrheiten nur durch die Enthüllung (Offenbarung).
Deine beste Zeit ist die, wo Gott mit dir zufrieden.
Die Sehnsucht nach der Lüftung des Schleiers, die Ruhe des Verstandes, die Betrachtung des Geheimnisses führt zur gänzlichen Vernichtung deiner selbst.
(S. 260)

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Aaischet (gest. 957)

Die Tochter Ebu Osman's, aus Nischabur. Sie sagte:
Freue dich nicht der Menschen und klage nicht über den, der geht; freue dich nur in Gott und klage nur über das, was dich seinem Angesichte entzieht.
Wer sich in der Einsamkeit bewildert fühlt, hat wenig Vertrauen auf Gott.
Wer den Diener vernachlässigt, kennt nicht den Herrn; wer den Künstler liebt, liebt auch sein Kunstwerk. (S. 262)

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el-Fuschendschi (gest. 959)

Man fragte ihn, was die Mystik sei? Er sagte: ihre Namen ohne Wahrheit, ehmals war sie die Wahrheit ohne Namen.
Man habe ihn gefragt, wer denn der Reiche sei? er habe gesagt: der Leitende in seinem Wesen und Thun, der ohne Zwang in seinen Eigenschaften.
Er sagte: die Menschen sind dreierlei, erstens die Heiligen, deren Inneres besser ist als ihr Äusseres; zweitens die Gelehrten, bei denen das Innere und Äussere gleich; drittens die Unwissenden, deren Äusseres besser als ihr Inneres. (S. 262)

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Mohammed Ben Ibrahim es-sudschadschi (gest. 959)

Er sagte: In der Überlieferung heisst es: die Betrachtung einer Stunde ist besser, als die Andachtsübung von sechzig Jahren; unter der Betrachtung wird die gänzliche Vergessenheit seiner selbst verstanden.
Er sagte: Wenn ich Etwas von dem Wesen der Menschheit verlieren sollte, so wäre diess mir lieber, als wenn ich die Kraft hätte, auf dem Wasser zu gehen.
(S. 262-263)

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el-Mehmel (Mehmil?) Abdallah Ibn Mohammed (gest. 964)

Er sagte: die Erkenntnis zerreisst den Schleier zwischen Gott und dem Menschen, und er gelangt dann zum ewigen Leben.
Man fragte ihn, wie es komme, dass so viele Menschen ihre Fehler einsehen und sich doch nicht bessern? er sagte: weil sie sich mit dem Prahlen der Wissenschaft und nicht mit ihrem Gebrauche beschäftigen. (S. 265)

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Ahmed Ibn Mohammed el-Mokri (gest. 970)

Wenn die Menschen glauben, dass du Gott fürchtest und in der Nacht aufstehst, so bewahre ihren Glauben; hüte dich, dass man von dir Gutes glaube und das Gegentheil zu thun. (S. 266)

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Mohammed Ben Abdol-Chalik ed-Deineweri (gest. 973)

Er sagte: Das Zeichen der Vereinigung mit Gott ist die Entsagung dessen, was nicht Er.
Wer Gott erkennt, dessen Hoffnung bleibt nicht unerfüllt, und wer seine Seele kennt, ist nicht eingebildet auf seine Handlung; wer seinen Herrn kennt, gelangt zu ihm, und wer ihn nicht erkennt, zum Geschöpf.
Nur die Gott Erkennenden leben das wahre Leben, die Anderen ein Scheinleben. (S. 266)

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Ben Badschid (gest. 975)

Er sagte: Wer seine Seele überschätzt, der unterschätzt seine Religion.
Die Art und Weise, wie eine Wohlthat erwiesen wird, ist besser, als die Wohlthat selbst. (S. 267)

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Ibrahim Ben Ahmed Ebul-Kasim en-Nassrabadi (gest. 977)

Er sagte: Der Mensch, dessen Handlungen der Vergeltung wegen unternommen sind, dem werden sie gezählt und nachgerechnet; wer dieselben bloss der Anschauung Gottes willen unternimmt, dem wird ungezählter Lohn dafür.
Die Anziehung und das Versinken in Gott bringt schneller zum Ziele als der beschauliche Weg, denn jede Anziehung, die von Gott ausgeht, nützt dem Diener mehr als die Handlungen der beiden Geschlechter der Menschen und Dämonen. (S. 268)

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Ebul-Hasan Ben Semnun (gest. 997)

Er sagte: Macht die Betrachtung zu Eurem Teppich, die Erwähnung Gottes zu Eurem Kleide, nehmt die Furcht Gottes zu Eurem Leintuche, und flüchtet euch zum Lobe Eures Herrn.
Jedes Übel, wofür das Arzneimittel Gott, ist ein kleines; nur das unheilbare ist ein grosses.
Das Wort, in welchem nicht eine Beziehung auf Gott, führt nicht zum Ziele, und jeder Blick, der von Eifer leer, ist Spiel. (S. 274)

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Mosaffer el-Karmisi (lebte noch i. J. 1009)

Er sagte: die Faste ist eine dreifache, die Faste des Geistes, welche die Hoffnungen abschneidet, die Faste der Vernunft, welche den Begierden widersteht, die Faste der Seele, welche in der Enthaltung von Speise und Trank besteht.
Der Hunger, wenn verbunden mit Genügsamkeit, ist das Saatfeld der Gedanken, der Quell der Weisheit, das Leben des Geistes.
Sein Gebet: im Namen Gottes des Allmilden! des Allerbarmenden! es ist Nichts leicht, als was du, o Gott! gemacht; Lob sei Gott, dem Enthüller der Decken, dem Spender der Gnaden, dem Annäherer der Reinen durch die Treue der Seinen, ich lobe und danke Ihm. (S. 275)

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el-Hasan Ben Ali ed-Dakkak en-Nisaburi (gest. 1015)

Seine Worte: Wer die Wahrheit verschweigt, ist ein stummer Teufel.
Der Traurige weicht in einem Monate mehr vom beschaulichen Wege zurück, als der Freudige in Jahren.
Das Vertrauen hat drei Stufen, deren erste das Vertrauen, die zweite die Ergebung, die dritte die Übertragung des Geschäftes an Gott.
Die Reue hat drei Stufen: die erste die Reue, die zweite die Flüchtung zu Gott, die dritte die Rückkehr. (S. 277)

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Mohammed Ben el-Hosein Ben Musa el-Esdi (gest. 1021)

Er sagte: Die Liebe macht den, der von ihr trunken, gleichgültig gegen Ehre und Schande. (S. 278)

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Ebul-Hasan Charkani (gest. 1033)

Er sagte: den Ssofi macht nicht der Schleier und der Gebetteppich, den Ssofi machen nicht die Gewohnheiten und die Formen; der Ssofi bedarf bei Tage nicht der Sonne, bei Nacht nicht des Mondes.
Man fragte ihn: worin besteht die Aufrichtigkeit? er antwortete: darin, dass du sagst, was im Herzen; und was ist der Ichlass (der aufrichtige Gottesdienst)? Alles was du rein wegen Gott unternimmst. (S. 279)

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Ben Hasan es-Serkasi (um 1033)

Das Vergangene ist nicht zu rechnen, das Zukünftige nicht zu erwarten; nur das Gegenwärtige ist zu beachten, und diess ist die Eigenschaft der Unterwürfigkeit.
Die wahre Unterwürfigkeit besteht in zwei Dingen, erstens darin, dass man sich als einen Armen (Fakir) Gottes erklärt, und zweitens dem schönen Beispiel des Propheten folgt. (S. 283)

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Abdallah es-Sedschesi (um 1033)

Er sagte: Eine Predigt, die der Reiche nicht ärmer, der Arme nicht reicher verlässt, taugt Nichts.
Man fragte ihn: warum er nicht wie die Ssofi mit einer Morakka, gesticktem Kleide, gehe? er sagte: aus Scham, dass, wenn er schöne Kleider trage, er von dem Menschen Liberalität und ritterliche Gesinnung nicht erfahre. Man fragte ihn, was die letzte sei? - er sagte: sie bestehe in der Entschuldigung der Fehler der Leute, in der Anerkennung der eigenen. (S. 284)

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Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Zweite Abtheilung
Von dem Regierungsantritte Mostekfi-billah's bis
zum Ende des Chalifates zu Bagdad im Jahre 656 (1258)
Fünfter Band
Von der Regierung des zweiundzwanzigsten Chalifen Mostekifi-billah
bis ins eilfte Jahr der Regierung des sechsundzwanzigsten Chalifen
Kaimbiemrillah, d. i. vom Jahre der Hidschret 333 (944) bis 433 (1041)
Wien 1854
 


 

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