Sufi - Weisheiten

Islamische Mystiker (7. - 13. Jh.)
(Teil 6)



Morschid el-Kindi (gest. 1165)

Er sagte: die Herzen der Sehnsüchtigen sind mit dem Lichte Gottes erleuchtet, und jedesmal als sich darin die Sehnsucht regt, wetterleuchtet es zwischen Himmel und Erde. (S. 386)

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Ibrahim (gest. 1166)

O Du, dess' Finger wie die Wolken fliessen,
Dess' Hände wie die Meere sich ergiessen,
Erwäge wohl den Sinn und sei besonnen,
Erschaffen ward der Mensch aus Blut geronnen;
Ich bin ein elender und armer Wicht,
Ich seh', warum ich Koran lese, nicht,
Das Schiff der Armuth geht im Meere unter,
Die Reichen segeln mit dem Winde munter,
Die Sehnsucht kennt, wer ihr sich widersetzt,
Die Liebe der, dem sie das Herz verletzt.
(S. 386-387)

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Ebun-Nedschib es-Suhrwerdi (gest. 1167)

Er sagte: der Anfang der Mystik ist Wissenschaft, das Mittel Handlung, das Ende Gabe (Gottes); die erste wird durch Tinte erhalten, die zweite gibt keine Begehren, die dritte gewährt das Ziel der Hoffnung. (S. 387)

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Sad-eddin Hameweih (gest. 1233)

O Herzensruh! o Augenlicht!
Erweck' mein Herz beim Morgenlicht,
Mein Inn'res rettest, Taube, Du,
Ich bin in Dir, in mir bist Du.

Du bist mein Herz, und bist, o Liebchen, d'rin,
Du bist der Arzt für Krankheit, die im Herzen,
Das Herz, das Dich aufrichtig liebt, kann Dich
Geduldig nur, wenn Du nicht da, verschmerzen;
Du bist Gesundheit, Macht und Heilung mir,
Um Dich will Tod und Leben ich verscherzen,
Und wenn Du auch ungnädig blickst auf mich,
So bist doch nie abwesend meinem Herzen,
Du bist mein Inneres und mein Geheimnis,
Die Zunge meiner Freuden, meiner Schmerzen.
(S. 403)

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Schihab-eddin es-Suhrwerdi (gest. 1234)

Tränke mich, o Herr, mit Liebe nicht allein,
Du hast mich gelehrt, geizig nicht zu sein,
Du bist der Grossmüth'ge und es schickt sich nicht,
Dass das Glas vorbei geh' Gästen das Gesicht.

Aufgelöset ist die Trennungsnacht
Und es kam herbei Genusses Macht,
Um das Glück des Vollgenusses waren Neider,
Sie die vormals nur erschienen als Mitleider,
Da ich Euch besitze, wahrlich, schwör' ich Euch,
Dass Vergang'nes Alles mir ist gleich;
Sieh, Du kamst, und ich war ganz entseelt,
Du erkauftest mich für wenig Geld.
Herzen sind im Stande nicht Dich zu verstehen,
Dich, von dem die Quellen alles Seins ausgehen,
Was den And'ren, sind auch mir verbot'ne Triebe,
Doch wie süss ist in dem Inn'ren Deine Liebe,
Liebe hat getränket mein Gebein,
Kann ich And'res was als Liebe sein!
Keinen wird der bitt're Durst verzehren,
Wenn ihn süsse Quellen in der Näh' ernähren.

Ich rieche Wohlduft und ich sah im Traum'
Schleppen Dunkellippige vorbei den Saum.

Denk' ich an Dich, bin ich ganz Auge,
Und nenn' ich Dich, bin ich ganz Herz.
(S. 403-405)

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Omer Ibnol-Faridh (gest. 1234)

Es mangelt Heilung mir, ich seufze nach dem Reh,
Es fehlt mir an Geduld, so oft ich selbes seh;
Ich rief und dachte nach, wie selbes sei beschaffen,
Gepriesen sei der Herr, der's ohne Lohn erschaffen!

O Nacht! der Morgen kommt, noch ist nicht klar,
Welch' ein Getränk in meinem Glase war;
Ich kürzte ab die Nacht, als ich den Vollmond fand,
Der meinen Gram verhüllt, berührend mir die Hand.

Wie ist das Wasser doch so frisch und kühl,
Wenn seine Wangen ich an meinen fühl';
Wenn auf seinen Wangen Schweiss entträuft,
Mir in den Mund das Rosenwasser läuft.

Ich lieb' ein Reh, das Nahrung für den Geist,
Das immer Gutes thut und wenn es beisst;
Ich sprach: darf ich Genuss nicht hoffen Dein,
Wenn ich vergeh' aus Gram, - sie sagte: nein.

Verwundet sind die Wangen durch den Blick,
O sieh die Spuren, die er liess zurück;
Die grüne Rose pflückt' ich sogestalten,
Begeisterung, so ward der Mond gespalten.

Wenn mein Lieb' besucht mein Grab nach meinem Leben,
Werd' ich sprechen laut wie sehr ich ihr ergeben,
Heimlich aber werd' ich: schau was Du gethan hast, sagen,
Nimmer aber meine ich dadurch mich zu beklagen.

Ich schwör's bei meiner Leidenschaft
Und der Geduld, der schönen Kraft:
Du bist das Bild, das mir erscheint,
Ich habe keinen andern Freund.

Meine Sehnsucht ist nach Dir gerichtet,
Die Geduld hat Grabmal sich errichtet,
Meine Augen sehen Nichts, als Dich,
Einen andern Freund gibt's nicht für mich.


Als Du noch ferne war'st, da sandt' ich meinen Geist,
Dass er statt mir vor Dir die Erde küsse,
Nun Du zugegen bist in Wirklichkeit,
Erlaube, dass ich Deinen Rücken küsse.
(S. 411-420)
 

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Mohij-eddin el-Arebi (gest. 1240)

Die Reise, welche der Jünger auf diesem [mystischen] Pfade beginnt, ist die des beschaulichen Lebens; auf diesem Pfade sind Stationen, Stätten oder Ständchen und Zustände der Begeisterung. Mohij-eddin el-Arebi gibt die Grade der Stationen deren neunzehn, und hat einen besonderen Namen für die Einkehr in denselben; er zählt nicht weniger als drei hundert Stätten auf. Die vier ersten derselben sind das Vertrauen, die Geduld, die Ergebung in den Willen Gottes und der Dank für seine Wohlthaten; die Begeisterung ist eine siebenfache; mit Gott! in Gott! bei Gott! durch Gott! zu Gott! auf Gott! Gott wegen! Die beiden Pole der Mystik sind das Denken und die Erwähnung des Namen Gottes; in Gott werden die Eigenschaften und das Wesen unterschieden, von den ersten steigt der Jünger zu den zweiten und zu dem gänzlichen Vereine mit Gott empor, welches der höchste Genuss, der durch Enthüllung, Betrachtung, Läuterung, Heiligung und Verklärung erreicht wird. Die Eingebungen sind entweder aus der Seele aufsteigende oder von Oben ankommende. (S. 429)
 

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Aus: Literaturgeschichte der Araber
von ihrem Beginne bis zum Ende
des zwölften Jahrhunderts der Hidschret
Von Hammer-Purgstall
Zweite Abtheilung
Von dem Regierungsantritte Mostekfi-billah's bis
zum Ende des Chalifates zu Bagdad im Jahre 656 (1258)
Siebenter Band
Vom achten Jahre der Regierung des ein und dreissigsten Chalifen
Moktefi-bi-emrillah bis zum Falle Bagdad's, d. i. vom Jahre
538 (1143) bis 656 (1258)
Wien 1856


 

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