Hero und Leander

Die Sage von Hero und Leander in der Dichtung

 

Evelyn de Morgan (1850-1919) - Hero hält die Fackel



Musäus

Hero und Leander
Epischer Gesang


Sing', o Göttinn! die Leuchte, die Zeuginn heimlicher Liebe,
Und den nächtlichen Schwimmer nach Hymens Erfreuungen jenseits,
Und die dunkle Umarmung, nimmer erblickt von der Eos,
Sestos sing' und Abydos, und Hero's nächtliche Hochzeit!
Schwimmen hör' ich Leander, und lodern seh' ich die Leuchte,
Hoch auflodern, Sie, Aphroditens verkündende Botinn,
Hero's nächtlicher Hochzeit mit Kränzen geschmückte Heroldinn,
Amors stralende Zierde, werth dass der himmlische Herrscher
Sie aus den Mitternachtskämpfen führt in die Reihen der Sternschaar,
Und den Stern der Liebe sie nannte, die Zierde der Bräute;
Denn sie war der Liebe weinenden Schmerzen Genosssinn,
Engel entzückender Freuden, an Hymens Lager ein Wächter,
Eh' noch feindlicher Hauch aufwühlte die schlingende Windsbraut:
Auf dann! hilf mir es singen der beiden ähnliches Schicksal,
Die erlösende Leucht' und Leanders welkende Blüten!
Unfern Abydos entragte Sestos smaragdner Meersfluth,
Beide Städte sind Nachbarn. Den Bogen spannet hier Amor,
Zielt und drücket auf beide denselben zündenden Pfeil ab,
Und entflammte den Jüngling; mit ihm die Jungfrau. Sie hiessen
Er, Leander der Liebenswerthe, und Hero die Jungfrau.
Diese, die Blume von Sestos, und jener, der Stolz von Abydos,
Beide genannter Städte bei weitem stralendste Sterne,
Gleich einander an Schöne. Du aber, sollte das Schicksal
Dorthin je dich verschlagen, forsch' wo der luftige Thurm sich
Hoch in die Wolken erhebt, wo einstens Sestias Hero
Stand, in den Händen die Leuchte, Signal Leanders und Leitstern.
Such' das Meer-umbraus'te Gestade des alten Abydos,
Das noch seufzt um das grause Geschick und die Liebe Leanders.
Aber wie kam Leander, bewohnend die Fluren Abydos
Jenseits zur Hero, und strickte diese mit Fesseln Kupido's?
Reitzend war Hero, und schön, entsprossen aus edelem Blute
Kypris Priesterinn, Hymens süsser Genüsse unkundig
Hart am Gestade des Meeres, bewohnend die Veste der Ahnherrn,
Kypris andere Königinn. Tugend flammend und Unschuld,
Mischte sie in die frohlockenden Schaaren der Weiber sich niemals,
Tanzte nie den geschlungenen Reigen der Jugendgenossen,
Mied der eifersüchtigen Schönen buhlenden Umgang;
(Denn es buhlen die Mädchen um Mirthenkränze und Lorbeern)
Geizte weder nach Gunst noch Spende der holden Kythere
Und versöhnete oft in goldenen Schalen den Amor,
Fürchtend neben der Mutter den Träger des glänzenden Köchers:
Doch entzog sie sich fruchtlos dessen flammenden Pfeilen.
Jezt erschien in der Jahrszeit das grosse Kyprische Volksfest,
Welches Sestos feiert zur Ehre Adonis und Kypris.
Allenthalben wogt näher zur Feier des Tages ein Volksstrom
Aus dem innersten Schooss' der meerumspületen Inseln,
Aus Hämoniens Flur, dem wogenumdonnerten Kypros.
Keine Schöne verweilt in den lieblichen Städten Kytherens,
Keine Tänzerinn mehr auf Libanons duftender Berghöh'.
Keiner der nahen Bewohner vergass des festlichen Auftritts,
Von den Phrygiern keiner, und keiner des nahen Abydos,
Deren Wangen noch hoch von Mädchenliebe erglühten;
Folgen doch Jünglinge stäts dem Rufe des fröhlichen Festtags,
Minder eilen sie gern zur Opferflamme der Gottheit,
Als zu den scherzenden Reihen der rosenwangigen Mägdlein.
Herrlich vor allen zum Tempel der Göttinn flog Hero die Jungfrau,
Zauberschimmer entblüht dem himmelglänzenden Antlitz,
Gleich dem prächtigen Steigen des silberrollenden Vollmonds;
Doch durchschimmert noch Röthe der Wangen blendende Lilie,
So wie doppeltgefärbt die Ros' sich entwindet der Knospe,
Hero's Gliedern entsprühen, so schwörtest du, Rosengedüfte,
Sonnenuntergangsstralen. Und wann es einherging, das Mägdlein,
Glänzten Füsse des Mai's aus dem Kleide des blendenden Winters,
Grazien gaukelten um die hehre Gestalt. - O! die Alten
Logen, es seien der Grazien drei; - denn siehe, aus Hero's
Einem lächelnden Blick' entblühten der Grazien hundert.
Solche Priesterinn fandest du nie, o göttliche Kypris! -
Also glänzt unter vielen Schönen, die einzige Schönste,
Kypris Priesterinn stralt als eine andere Kypris,
Fesselt allgeliebt der Jünglinge zärtliche Herzen!
Keinen gab es, der nicht zum Weibe wünschte sich Hero.
Wann sie durch den Mahony-getäfelten Tempel einherschritt,
Folgten ihr Blicke und Herzen, der Männer heisseste Sehnsucht.
Einer der Jünglinge sprach von Entzückung, die Worte bezaubert:
"Sparta hab' ich gesehen, die hehre Stadt Lakedämons,
Wo den Heerruf man hört, und der Schönheit entzückenden Wettstreit;
Aber nirgends erblickt' ich solchen gewinnenden Liebreitz.
Wahrlich! der jüngern Grazien Eine pfleget hier Kypris.
Müde vom Anblick, werd' ich doch nimmer satt des Beschauens,
Sterben möcht' ich sogleich in Hero's süsser Umarmung! -
Zeus im Olympos zu herrschen, ach! wie mit Freuden verschmäht' ichs,
Wann mir die Parzen auf Erden zum Weibe beschieden nur Hero.
Aber darf ich dann nimmer deine Priest'rinn berühren,
Kypris, o schenke mir einst doch eine so Holde zur Gattinn!"
Also der Jüngling. Andere bargen in seufzender Brust tief
Ihre Wunden, und waren entzückt ob der Schöne des Mägdleins.
Leidenbewährter Leander! du sahst die bescheidene Moosros',
Wolltest mit heimlichen Flammen nicht verzehren die Brust dir,
Sondern plötzlich durchdrungen vom feuersprühenden Liebspfeil'
Wolltest du leben, nicht ohne die herzgewinnende Hero.
In dem stralenden Blicke erglühet die Flamme der Liebe,
Und der Sturm des siegenden Feuers foltert die Mannsbrust;
Denn des unbescholtenen Weibes bezaubernder Liebreitz
Wühlt im Herzen der Männer mehr als geflügelte Pfeile;
Blicke eröffnen den Weg, und von den stralenden Blicken
Bohrt die Wunde sich tiefer hinein in die glühende Mannsbrust.
Staunen erfasst ihn, und Furcht, und Schaam, und ermannender Wagsinn.
Zitternd wogte sein Herz, und rieth beschämt ihm die Flucht an.
Stumm und still war alles bey Hero's holdem Einherschritt,
Aber Eros verdrängte die Schaam, und ermannte den Jüngling.
Leise tritt er hinzu, und stellt sich hin vor das Mägdlein,
Schaut verstohlen umher, und wirft verführende Blicke,
Fesselt mit Worten des Auges, das Herz der trefflichen Jungfrau.
Aber diese, erspähend Leanders heimliche Sehnsucht,
Freut sich ihrer Reitze; doch senkt sie das schimmernde Antlitz
Hocherröthend mit sanftem Schweigen nieder zur Erde,
Und verspricht in verstohlenen Blicken Leanders Erhörung.
Ihr entgegen winkt, und hoch erjubelt der Jüngling,
Dass mit heimlicher Freude das Mädchen vernehme die Inbrunst.
Als nun erharrte die Liebe verschwiegene Stunde Leander,
Senkte stralenden Glanzes sich Eos am Busen der Thetis,
Hesperos Stern entschimmert' dem düsterschattigen Schleier,
Sieh' da naht er sich muthvoll dem göttlichen Mädchen mit Mannskraft.
Als das braune Gewand der Nacht die Erde umhüllte,
Drückt er unbemerkt dem Mädchen die rosigen Finger,
Seufzend unaussprechlich tief. Doch schweigend entwand sie
Gleich als zürnte sie hoch, die rosenschimmernde Hand ihm.
Als vernommen er jetzt den Sinn der Liebebesiegten,
Griff mit der Hand er kühn das künstlich gestickte Gewand an,
Führend sie in die verborgensten Winkel des heiligen Tempels.
Wankend, zögernden Schrittes, folgt ihm Hero, die Jungfrau,
Gleich als wollte sie nicht, entfuhren ihr drohende Worte:
"Fremdling! was macht dich verwegen? Thor! was berührst du mich Jungfrau?
Weg von hier, und lass fahren der Priesterinn heilige Schleifen,
Fürchte vor meiner vielbegüterten Aeltern Entrüstung!
Dir geziemts nicht zu fassen die Priest'rinn der Kyprischen Göttinn,
Thörichtes Wagestück ists, zu besiegen die Reitze der Jungfrau."
Also drohete sie, wie Jungfern geziemet die Drohung.
Kaum empfand den Stachel der weiblichen Warnung Leander,
Und er erkannte in ihm sogleich der Liebe Trophäen.
Drohen nämlich die Schönen ihren Herzens-Erkohrnen,
Dann sind Drohungen selbst Zeugen der Kyprischen Inbrunst.
Küsse schattirten den duftenden Rosennacken der Jungfrau,
Und getroffen vom Pfeile erhub er die rührenden Worte:
"Holdeste Kypris nächst Kypris, Athäne nächst Athenäa!
Ich vergleiche dich nicht den schönen Huldinnen Tellus,
Sondern den Töchtern Dios, des göttlichen Sohnes Kronions.
Selig, wer dich gezeuget, und die Gebährerinn selig,
Deren tragendem Schoosse du dich entwandst! Ach, erhör' doch
Heisses Flehn, und erbarm' dich unbezwinglichen Liebsdrangs!
Bist du Priesterinn Kypris, verricht' dann auch Dienste Kytherens!
Komm, anfing're der Göttin mystisch fesselnden Traurig,
An Aphroditens Altare zu dienen, geziemt nicht den Jungfern;
Denn Kythere ist abhold den Unvermählten. Doch willst du
Tragen die liebliche Fesseln, und wissen der Göttinn Geheimniss?
Eh'stand ist es und Brautbett. Du also, liebst du Kytheren,
O dann trage den Honig der schmelzenden Liebe zur Zell' dir!
Nimm als Verehrer mich an, noch lieber als Gatten, erlaub' es!
Den, von erotischen Pfeilen getroffen, Amor dir zuführt.
Also führt' zu Jardaniens Nymphe den frev'len Herakles
Einst der geflügelte Hermäs, schwingend den mächtigen Goldstab.
Kypris sandte mich dir, und nicht der listige Hermäs.
Kennst Atalantes Schicksal du nicht, der Arkadischen Jungfrau?
Ihre Keuschheit bekümmert, entwand sie Milanions Arm' sich;
Drob erzürnt' Aphrodite, und setzt, dem sie sträubend entsprungen,
Mitten ihr ins blutende Herz. Drum folge, Geliebte,
Ach! und schüre nicht auf den Zorn der Göttinn von Kypros!"
Sprachs und bewegte das Herz im Busen des sträubenden Mägdleins,
Beugend jungfräulichen Trotz mit liebehauchender Rede.
Sprachlos senkte die Reine abwärts zum Boden ihr Antlitz,
Schaamerglühend verbarg sie der Wangen rosigen Anflug,
Rührte, schwebenden Trittes, kaum den getäfelten Boden,
Und zog voller Verwirrung fester die Shawl um die Schultern.
Alles glückliche Zeichen. Denn das sprachlose Schaamroth
Liebeglühender Mädchen verkündigt die Nähe des Brautbetts.
Jetzt empfand sie im Innern Kupidens süssschmerzenden Pfeilschuss,
Feuer zuckte im wogenden Busen Heros, der Jungfrau,
Trunken der Schlankheit und Schöne des liebenswürdigen Jünglings.
Als zur Erde gesenkt sie nun das strahlende Antlitz,
Hing Leander unverwandt, und mit sprühenden Blicken
An dem zarten Flaume des sanftgebogenen Nackens.
Endlich ertönte Leandern der Stimme schmelzender Wohllaut,
Während die thauende Röthe der Schaam die Wangen herabrann:
Rühren könntest du, Fremdling, durch deine Reden den Marmor,
Sag', wer lehrte dich locken durch reizende Wortlabyrinthe?
Weh' mir! Wer lenkte in diese heimische Gauen den Schritt dir?
Doch umsonst hast du aufgeboten die Kunst. Denn, ein Fremdling,
Unstät und ruhlos, wie könntest je du meiner begehren?
Oeffentlich führet uns nimmer Hymen ins rechtliche Brautbett,
Meiner Erzeuger Stolz zernichtet uns're Verbindung.
Wolltest auch bleiben, ein irrender Pilger, auf heimischer Flur du,
Wie vermöcht'st du zu bergen die innere Glut Aphroditens?
Ueble Gerüchte sind willkomm der Zunge geschwätziger Menschheit,
Was die Mitternacht deckt', erzählt das Volk sich am Kreuzweg'.
Doch wohlan, entdecke mir deinen Namen und Heimath!
Denn die Meinigen weisst du; ich trage den fürstlichen: Hero,
Und bewohn' einen schwindelnden wogenumdonnerten Schlossthurm.
Hier verseufz' ich mein Leben mit einer einzigen Sklavinn,
Ausser Sestias Städtchen, hart am tiefwelligen Meerstrand',
Nach der Eltern verhasstem Beschlusse, die See nur zum Nachbar.
Nah' sind mir weder Gespielen, noch der Jünglinge Reigen,
Immer vom dämmernden Morgen bis in die Schauer der Nacht hin
Schrecket mein Ohr nur die Brandung der sturmgegeisselten Meerfluth.
Sprachs, doch die Rosen der Wangen, die hinter dem Lilienschleier
Schaamvoll erglühten, klagten ob ihrer Rede sie selbst an.
Aber Leander, verwundet vom scharfen Pfeile der Sehnsucht,
Sann nur zu siegen in Eros frischbegonnenem Wettstreit.
Denn der verschlagene Amor schnellt zwar den Pfeil in die Mannsbrust,
Aber er heilet auch wieder die triefende Wunde, und spendet
Rath den Sterblichen, die er beherrscht mit gewaltigem Scepter.
Auch dem verliebten Leander half er in drängender Herznoth;
Tiefaufseufzend sprach er die kunstgeründeten Worte:
"Jungfrau! aus Liebe zu dir durchschwimm' ich die rasende Meersfluth,
Glühte sie gleich von Feuer, und wär' ihre Tiefe unschiffbar.
Dich zu umarmen, fürcht' ich nicht die schmetternde Brandung
Nicht den brüllenden Schlund der hoch aufbrausenden Sprudel,
Wann nur dunkelt die Nacht, so wag' ichs, ein triefender Bräut'gam,
Zu durchschwimmen mit Muth des Hellesponts reissenden Stromgang;
Denn nicht fern, gegenüber bewohn' ich das Städtchen Abydos.
Zeig' mir nur aus der Ferne vom wolkenerhabenen Schlossthurm'
Eine einzige Leuchte durch die Schatten der Graunnacht!
Dann bin ich Eros Nachen, und deine Leuchte ist Leitstern;
Starrend darauf gewahr' ich nicht das Sinken Bootäs,
Noch das Sprühen Orions, noch die Streifen Amaxäs.
Glücklich lande ich dann im Port jenseitiger Heimath;
Aber wehre, Geliebte, dem heftig schnaubenden Sturmwind',
Dass nicht erlösche die Leuchte, meiner Wogenfahrt Leitstern,
Und nicht erstarren mit ihr, plötzlich die Kräfte des Schwimmers!
Willst du endlich ihn wissen, den wahren Namen, den ich trag'?
Hör'! ich heisse Leander, ein Buhle der kranzreichen Hero."
Also verlobten sie sich zum Genusse verstohlner Umarmung,
Schwuren sich nächtliche Freuden, und wohl zu verwahren die Thurmleucht',
Die verkündende Botinn der wartenden Letzungen Hymens,
Jene: zu halten das Licht, und dieser: das Meer zu durchrudern.
Schwärmend allnächtlich erlabten sie so sich an Hymens Genussreitz,
Und nur trennte sie wieder die Liebe verscheuchende Eos.
Dann schritt jene zum Thurm', und dieser, im tappenden Dunkel
Nicht zu verirren, sich richtend nach den Signalen des Schlossthurms,
Schwamm' zu den volkreichen Strassen des tief unterspülten Abydos.
Nach dem nächtlichen Kampfe verstoh'ner Ergüsse sich sehnend,
Wünschten sie oft um ihr Brautbett der Finsterniss Rabengefittig.
Endlich stieg sie herauf die Nacht im düsteren Schleier,
Schlafsucht bringend den Männern, nur nicht dem verliebten Leander.
Sinnend harrt' er am Strande der hochaufbrausenden Brandung,
Auf die Verkünderinn der liebestillenden Letzung,
Die so heiss erfleh'te und durch so trügliche Leuchte,
Diese fernher schimmernde Botinn geheimer Umarmung.
Kaum gewahrte die Schatten der Lichtverscheucherinn Hero,
Als sie aushieng die Leucht' am grauen Gemäuer des Schlossthurms.
Mit dem Lodern derselben entbrannt' auch Leander vor Sehnsucht,
Eros zündete mit der Leuchte zugleich auch sein Herz an.
Doch, als unter ihm keuchte das Ufer vom schäumenden Andrang',
Bebte er anfangs zurück, allein es siegte die Mannheit,
Und ergoss sich muthvoll in folgende tröstliche Worte:
"Grausam ist Eros, und unversöhnlich der Pontus; doch tobt nur
Wasser im Meere, mich sengen Amors innere Gluthen.
Schüre dies Feuer, mein Herz, und bang' ob der strudelnden Flut nicht!
Folg' zur Geliebten mir nach! Wozu vor den Wogen Besorgniss?
Ist dir entfallen, dass Kypris selbst, entsprossen dem Meerschaum,
Ueber den Pontus gebeut, und unsere brennende Inbrunst?"
Also sprechend entriss mit beyden Händen das Kleid er
Seinen reitzenden Gliedern, und knüpft' es sich hin auf den Scheitel,
Sprang vom Ufer herab, und stürzt' in die Wellen des Meers sich,
Feurig schwimmend entgegen der fernherschimmernden Thurmleucht',
Selbst sich Rud'rer zugleich, und Schiff, und Lenker des Fahrzeugs.
Auf dem schwindelnden Thurm' stand treu mit der Leuchte die Jungfrau,
Wehrend mit ausgespanntem Gewand dem stürmischen Windstoss',
Dass er nicht ausweh' die Leucht', bis endlich glücklich Leander
Sich in die Bucht von Sestos nach tausend Beschwerden hereinrang;
Und sie führt' ihn herauf zu ihrem Thurm', und umhals'te
Vor eröffneter Thür' schweigend den schnaubenden Bräut'gam,
Triefend über und über vom Bade der schäumenden Meersfluth;
Wusch und salbt' ihm die Haut mit köstlich riechendem Balsam
Um zu verwischen mit Narde des Helesponts widrigen Seedunst,
Und geleitet ihn dann ins Inn're des magdlichen Brautbetts.
Auf dem rosigen Lager umarmt sie den keuchenden Liebling,
Und ihren Lippen entthauten folgende stärkenden Worte:
"Sehr viel hast du gelitten, wohl mehr, als einer, mein Bräut'gam!
Sehr viel hast du gelitten, getrunken des Ozeans Galltranks,
Eingesogen genug in geissenden Fluthen des Fischdunsts;
Aber komm' und vergiss in meinem Schoos deinen Kampfschweiss."
Also das Mädchen; und hurtig lösst' ihr Leander den Gürtel,
Lüstern sie kirrend zum Tragen der holden Bürde Kytherens.
Sonder Tanz war die Hochzeit, und sonder Hymen das Brautbett,
Und es brachte kein Sänger zur zygischen Juno den Glückwunsch.
Keine Hochzeitsfackeln umstrahlten das bräutliche Lager,
Keiner hüpfte dahin im Tanze fliegender Chöre,
Und weder Vater noch Mutter sang eine Fest-Hymenäe.
Unbeleiert entschwand die Stunde hehrer Vermählung,
Stille herrschte umher, und Dunkel deckte das Brautbett;
So vollzogen sie sonder Hymanäen die Hochzeit.
Mitternacht führte den Brautzug, denn nimmer erblickte die Eos
Auf dem kundigen Lager den herzerkohrnen Leander,
Weil in der Frühe, noch lechzend nach unersättigter Wollust,
Er zum jenseits geleg'nen Abydos wieder zurückschwamm.
Aber Hero verstand zu täuschen die Eltern im Schleppkleid'
Galt am Tage für Jungfrau, und letzte Nachts sich als Gatinn,
Beide nur wünschend, dass bald in Westen die Sonne herabsänk'.
So verbargen sie künstlich ihre heimliche Liebschaft,
Schwelgend zusammen in schlau verstohl'nen Genüssen Kytherens.
Aber ein Weilchen nur lachte der Himmel ihrer Umarmung,
Und es welkten sich fälbend Hymens trüg'rische Myrthen.
Denn es ergriff der Reif-erzeugende Winter den Scepter,
Und gebot den Stürmen zu heulen in schrecklicher Heersmacht.
Schnaubend peitschten Orkane die alles verschlingenden Strudel,
Und zerwühlten wüthend des Meeres grässlichen Abgrund,
Geisselnd höher und höher des Hellesponts schäumenden Stromgang.
Hart am gellenden Ufer zerschellte der schlammichte Schiffskiel,
Und nur entkam den trüg'rischen Fluthen der kundige Seemann.
Doch es vermochte das Schrecken der wogenheulenden Windsbraut
Abzuhalten nicht dich, du heldenmüthiger Jüngling!
Denn dich stählte mit Muth das Signal des schimmernden Schlossthurms,
In die tückischen Fluthen frisch zu stürzen aufs Neu' dich.
Hättest unglückliche Hero du diesen Winter entsagt doch,
Ach! eine flüchtige Frist nur, Deines Leanders Umarmung,
Hättest entzündet sie nicht die wollustwinkende Leuchte!
Aber Amor und Schicksal gebot. Gefallend den Parzen,
Steckte des Todes Fackel sie auf, und nicht mehr der Liebe.
Sieh'! auf dunkelem Fittig' senkte nieder die Nacht sich,
Heftig peitschten die heulenden Stürme, einander durchkreuzend,
Das sich thürmende Meer, und schlugen das Ufer mit Ingrimm.
Dennoch wagte Leander, gefoltert von brennender Sehnsucht,
Auf den brüllenden Rücken der löwengrimmigen Fluth sich.
Plötzlich stiessen Wellen auf Wellen, empörten den Pontus,
Und es schien sich das Meer mit dem Aether zu paaren.
Rund umher erscholl das Getose schnaubender Windsbraut,
Eurus stürmt entgegen dem Zephir, und Notus mit Ingrimm
Stürzt auf Boreas los; erschrecklich zürnte Poseidon.
Unversöhnlich schnaubten die Strudeln, doch kämpfte Leander
Treulich fort, und erflehte der Meerentsprossenen Gottheit
Schutz, und bald des allmächtigen Meerbezwingers Poseidons.
Auch erinnert' er Boreas an die attische Nymphe,
Aber keiner erhört' ihn; denn Eros erlieget dem Schicksal.
Hier und dorther geworfen vom wogenthürmenden Andrang
Ward immer schwächer und schwächer der erlahmende Fussfloss',
So wie nicht minder auch der kämpfenden Hände Vermögen.
Häufig strömte das Wasser, und ungehindert verlief es
Ihm in die Kehl' sich, er schlürfte herab den verderblichen Salztrank,
Und es erlöschte des Sturms feindliches Blasen zuletzt noch
Mit der treulosen Leucht' auch die Lieb' und das Leben Leanders.
Weilend und sinnend stand Hero mit sorgsamspähenden Blicken,
Tief im wallenden Busen von tausend Aengsten gefoltert.
Eos dämmerte aufwärts, und noch sah' sie nicht ihren Liebling.
Ueberall schweifte ihr Blick umher auf dem Rücken des Weltmeers,
Ob sie erspäh'te Leandern, durch Sturm und erloschene Schlossleucht'
Irrgeführt und verschlagen. - Auf einmal am Fusse des Thurms sah'
Todt sie und klippenzerfleischt da liegen den zärtlichen Jüngling,
Riss herunter vom Busen das kunstgestickte Gewand sich,
Wüthend stürzend hinab in die Fluth vom erhabenen Schlossthurm'.
. . .  Also starb an der Seite des Wellenverschlungenen Hero,
Bis zur letzten Stunde des Todes einander noch treu sich.
 

aus: Musäos Hero und Leander
Metrisch übersetzt von
Heinrich Simon van Alpen
In der neuen Verlagsbuchhandlung
und Buchdruckerey in Cöln 1808

 

 

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