Ilse Franke-Oehl (1881-1938) - Liebesgedichte

 



Ilse Franke-Oehl
(1881-1938)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 

 



Dir

Wie lieblich ist mein Los gefallen.
Ich fühl' mich Weib und selig Kind,
Begnadet vor den Menschen allen,
Die mir gesellt gewesen sind.

So tief und süß sieht nun das Leben
Mit voll erwachtem Blick mich an.
Mich selber hast du mir gegeben
Mit deiner Liebe, liebster Mann.

Mein wunderbunter Sommergarten,
Dir blüht und reift, dir schmückt er sich.
Denn all mein Wachsen war ein Warten
Auf meiner Ernte Herrn, auf dich.

Im Früchtegold, welch heilig Wandern,
Treu Hand in Hand, hinein ins Glück ...
So geben wir den dunklen Andern
Den Abglanz unsres Lichts zurück.

In unsrer Blicke Liebesfülle,
Sieh, spiegelt sich die ganze Welt,
Weil Gottes Auge ohne Hülle
Bis in das tiefste Herz uns fällt.
(S. 7)
_____



Die Brücke

Zwei, die einst sich liebten, vor Gott und Menschen Weib und Mann,
Gingen zwanzig Jahre stumm in Joch und Bann.
Zwanzig Jahr in Schweigen, ohne Gruß und Wort.
Da sind in Schnee und Schatten zwei arme Seelen verdorrt.

Wie der Mann zum Sterben sich legte auf Erntestreu,
Sein Weib umhegte ihn schweigend, mondenkalt und treu.
Da sah wohl scheu und verstohlen eins das andere an.
Sie schlug die Augen nieder. Fiebernd stöhnte der Mann.

Sie sahen sich beide wie Sklaven, gekettet auf ödgrauem Meer,
Und kamen doch einst von den grünen Gestaden der Liebe her.
Nun war die Fahrt zu Ende. Sie sahen festes Land
Und sahen — o seliges Wunder — eine Sternenbrücke gespannt;

Vom blühenden Ufer der Liebe zum dämmernden Todesport.
Da quoll es wie Frühlingskeimen in Herzen, die lange verdorrt.
Wie Blut aus uralten Wunden brachs: "Ach, vergib, vergib."
"Ich habe Dich lieb", sprach das eine. Das andre: "Ich habe Dich lieb".
(S. 26)
_____



Der Schäfer

Draußen sah ich einen schönen Schäfer,
Der die Hände auf den Hügel lehnte
Und das nackenwärts gebogene Haupt
Schlafverschlossen gegen Morgen dehnte.

Eine rosenfarbene Kuckucksnelke
Lockend zwischen seinen Lippen schwankte.
Seine Füße badeten in Tau,
Seine Haare, die ein Zweig umrankte,

Spielten mit dem veilchensatten Winde.
Weidend auf der kargen Rasennarbe
Wogte läutend seine Lämmerschar.
Flammend wuchs die goldne Sonnengarbe.

Seinen frischen Knabenmund zu küssen,
Faßte mich ein wunderlich Verlangen,
Und ich beugte mich zu ihm herab,
Jener lichten Nelke Duft zu fangen.

Sieh, ein Lächeln glomm in seinen Zügen.
Halb im Schlafe lallte er: "Du Süße".
Reckte sich, rieb sich die Augen klar,
Sprang erschrocken auf die braunen Füße.

Über meine Kühnheit tief betroffen,
Stand ich kalt und fremd am Elsenbaume.
Und er murmelte: "Ich träumte schön.
Die Prinzessin küßte mich im Traume."

"Träumst Du Märchen ?" Neckend flog mein Lachen,
Und er wurde rot bei meinem Scherzen.
Von dem Hügel sprang ich schnell und leicht,
Doch ein Stachel saß mir tief im Herzen.
(S. 27-28)
_____



Symphonie

Des Abends Scharlachzügel schleift im Weiher.
Das Schilf biegt sich ihm nach und lauscht und späht.
Mit weichem Flügelschlage streift ein Reiher
Den Wolkenhengst, der über Wipfeln geht.

Die ganze Welt verschmilzt in stiller Feier,
Und jeder Lebenshauch wird ein Gebet.
Nun wird auch endlich meine Seele freier
Und sucht das Lied, das nur dein Herz versteht.

Es schwingt sich sehnsuchtsstark durch Rohr und Ried
Und durch den lichtbetropften Birkenhain,
Müd' wie ein Vogel, der zum Neste flieht.

Es will von dir allein empfangen sein,
Für dich ersann ich unsrer Liebe Lied,
Und ist mir doch: die ganze Welt stimmt ein.
(S. 45)
_____



Fracht

Es treibt ein Boot, mit voller Fracht beladen,
Auf dunklen Fluten, bis zum Rande schwer.
Es findet nicht zu heimischen Gestaden,
Die Fülle staut sich ihm zu Not und Schaden,
Und Wasser spülen gurgelnd drüber her.

Die Tiefe droht's in ihre Nacht zu bohren ...
Den Schiffer schauert, der am Steuer wacht.
So ist mein Herz. Es hat sich selbst verloren,
Hat sich zuviel von süßem Gut erkoren,
Und will nun sinken unter seiner Fracht.
(S. 49)
_____



So sprach das Mägdelein:

Wie soll mein Herz gesunden
In dieses Harrens Pein?
Ich denk' all Tag und Stunden
An Dich, Du Liebster mein,
Und bin doch fest gebunden.

An Stein bin ich gekettet,
Der Felsen ist mein Stolz.
Ich liege hart gebettet
Auf eines Kreuzes Holz.
Wer ist, der mich errettet?

Da ich als Weib geboren,
Muß ich wohl stille sein,
Bis mich Dein Wort erkoren.
Ach, hebst Du nicht den Stein
Von meines Himmels Toren?

Du kannst es nur allein.
(S. 50)
_____



Erfüllung

Gestillt ist mein Verlangen,
Das dich nur rief.
Wir haben uns empfangen
Im Herzen tief.

Wir haben uns gegeben
Mit Mund und Kuß,
Daß eins des andern Leben
Vollenden muß.

Auf allen unsren Tagen
Liegt Jugendglanz,
Denn unsre Stirnen tragen
Den vollen Kranz.

So selig eins im andern,
Trotz Zeit und Not,
Laß uns zum Leben wandern
Auch durch den Tod.
(S. 57)
_____



Liebesopfer

Laß uns glühende Rosen und Kerzen
Zum Altar des Lebens tragen.
Laß uns unsre blühenden Herzen
Opfernd zerschlagen.

Unsrer Liebe Brunst
Hat noch trüben Schein.
Aber in Rauch und Dunst
Bläst Gottes Odem hinein,
Wenn wir in Demut
Unsre Glut
Ihm weihn.

Vor seinem Atem zerstieben
Asche und Rauch.
Nun ist unser Lieben
Rein wie Gottes Hauch.
(S. 58)
_____



Ich kenne dich ...

Ich kenne dich,
So, wie dich keiner kennt,
Und ich versteh' dich ganz
Durch meine Liebe.

Kein Stern am Firmament
Und keines Auges Glanz,
Der für dich brennt
Wie meine Liebe.

Die Welt ist arm
Und hat der Liebe wenig.
Du aber wirst durch mich
Reich wie kein König.
Mein Mund ist warm
Und nur für dich so rot.

Gilt dir das nichts?
Wirfst du die Frucht des Lebens
So in den Kot?
Nach welchen Sternen jagst du,
Um welche Fernen plagst du
Dich vergebens?

Du hast die Fülle Lichts
Erstickt
Mit einem Druck der Hand.
Die Glut ist tot.
Und du hast dich verbrannt.
(S. 59)
_____



Als ich dich wiederfand ...

Als ich dich wiederfand,
Trug deine Hand den schweren,
Trübgoldnen Ring.
Dein Auge hing
Mir abgewandt
Im Leeren,
Starr und verloren.
Ein toter Schmetterling
Liegt so erfroren
Im kalten Sand,
Vor Tau und Tag.

Gebunden
War deine Seele.
Wie seine Wunden
Ein Reh versteckt
Im hohen Rohr.

Aus wirrem Traum geschreckt
Fuhr ich des Nachts empor.
Mein Ohr
Fing einen todesbangen Ton:
"Weh mir,
Ich bin verloren.
Ich habe dich
Zu spät gefunden."
(S. 60)
_____



Sonnenuntergang

Wir sahn die Sonne lächelnd sich verbluten,
Beim Erlenknick, am schwarzen Heiderand.
Die Birken schwammen in den goldnen Fluten,
Heiß ward das Silber fahler Weidenruten,
Heiß deine kalte Hand in meiner Hand.

Denn unsres Abschieds Stunde war gekommen,
Und keiner wagte doch das herbe Wort.
Erst als das letzte wehe Rot verglommen,
Hab' ich es von den Lippen dir genommen.
Nun klingt es immer klagend in mir fort.
(S. 61)
_____



Gift

Sie nennen dich schlecht,
Du mein süßes Gift,
Meine starke Arznei.
Sie haben dazu kein Recht.

Gott hat dich mir zugeteilt,
Da ich krank war.
Die Schale von feuergehärtetem Schlamme
Hieß er mich trinken.
Ich glaubte zu sinken
Und hob mich doch dankbar.
Du hast mich geheilt.
Reiner brennt meine Flamme.

Gott zählte die Tropfen.
Einer zu viel,
Und ich mußte sterben.
Soll ich in Scherben
Die Schale nun schlagen,
Die meinen Heiltrunk getragen?
(S. 62)
_____



Du Schönster ...

Du Schönster unter den Menschenkindern,
Vor deinem Antlitz bleicht
Der Sonne Glanz.
Es neigt
Der Mond den halben,
Silbernen Kranz,
Und alle Sterne mindern
Ihren falben,
Lieblichen Schein.

Ach, zieh in mich hinein.
Sieh, ich bin deine Straße,
Ich bin dein Haus.
Ich schmückte mich so fein.
Ich legte die Fliesen aus
Mit Frühlingsreben.
Mein Leben
Ist deine maiengrüne Gasse.

Tritt es nur nieder.
Deinen sanften Füßen
Will ich nicht zürnen.
Hürnen ist mein Herz.

Hinter der Tür von Erz
Liegt ein Blütenland.
Sieh, lächeln will ich nur,
Wenn deine Hand
Die Zweige knickt.
Und in den Krumen,
Die deine Spur zertreten,
Blühen wie in Beeten
Schönere Blumen.

Die will ich küssen,
Du Schönster unter den Menschenkindern.
(S. 68-69)

Hürnen: (lat. corneus) aus Horn
_____


Aus: Von beiden Ufern
Neue Gedichte von Ilse Franke
2. Auflage Leipzig 1922
Verlag von Hübel & Denck
 


Biographie:

Franke Ilse (Ps. Oehl Ilse) geb. 1881 Göttingen, gest. 1938, Tochter von Gertrud Franke-Schievelbein, verheiratet mit dem Univ.-Prof. W. Oehl, lebte bis 1909 in Berlin-Charlottenburg, danach in Freiburg / Ue.
Vorwiegend Jugendschriftstellerin.
Schriften: Iris (Gedichte) 1906; Lebenskunst. 800 Aphorismen 1908; Von beiden Ufern (Gedichte) 1911; Neue Gedichte 1914; Deutsche Treue. Kriegslieder einer deutsche Frau 1914; Das heilige Geheimnis (Gedichte) 1915; Heimat (Novelle) 1916; Das graue Lied (Novelle) 1916; Friedensaussatt. Kriegslyrik 1916; Gott ist mein Sieg. Kriegslyrik 1916; Das zweite Eisenjahr. Kriegslyrik 1916; Die wahrhaftige Pepi (Novelle) 1918; Das goldene Schwert (Novelle) 1922; Christus und die Mutter (Gedichte) 1924; Der kleine Goliath (Erzählung) 1925; Schwester Armuts Königreich (Märchen) 1926; Am Märchenquell (Märchen) 1926; Das höchste Gebot (Erzählung) 1927; Die Weisheit der Kinderstube. Anekdoten 1928; Die Macht der Liebe (Erzählung) 1929; Das Herrgottsjahr. Betrachtungen 1933.
Aus: Deutsches Literaturlexikon. Biographisch-bibliographisches Handbuch
Begründet von Wilhelm Kosch. 3. völlig neu bearbeitete Auflage.
Band 6. Hrsg. von Heinz Rupp und Carl Ludwig Lang
Francke Verlag Bern München 1978



 

 


zurück zum Dichterinnen-Verzeichnis

zurück zur Startseite