Ilse Frapan (1849-1908) - Liebesgedichte



Ilse Frapan
(1849-1908)


Inhaltsverzeichnis der Gedichte:
 





Liebe

Liebe, Liebe, ach, wie süß bist du!
Aber Eines möcht' ich anders haben:
Willst du stets an einer Stelle graben,
Und die große, wunderweite Welt,
Sonne-, monden-, sternenglanzerhellt,
Deckst du spielend mit den Kinderhändchen,
Mit den Schelmenhändchen spielend zu.


Oft scheint mir, daß ich durch die Lebensfee
Leichtblütig um die tiefern Stellen kreuze
Und ganz im Seichten bleibe immerdar;
So nah am Rand, wo Schilf und Weiden stehn,
Die halb im Festen, halb im Flüss'gen wurzeln.
Dann mein' ich, nur der Schwalbe gleich zu sein,
Die kaum mit spitzem Flügelstoß die Welle
Berührt und ritzt, doch nie sich drin verliert,
Nie sich dahingibt, treiben sich zu lassen;
Und nie der räthselvollen Tiefe Graus
Und heimlich Prunken kennt, den Schoß nicht kennt,
Daraus ein bunter Funkenschwarm bei Nacht
Wie feuchte Flammen anspritzt und verkündet,
Daß warm von Schaffensglut die kühle See.
Und wenn ich's denke, fährt mir ins Geblüt
Ein Widerwille gegen all die Fläche,
Die blumige Heuchelei! Und in den Spiegel,
Der nur des Äthers Blau und sanfte Wölbung
Und weichen Mondschein malt und Dach und Baum,
Möcht' ich ein Hagelwetter krummer Blitze
Und scharfer Schwerter schleudern, daß ich sähe,
Was drunter ist, und was so gährt und zuckt,
Und mehr ein Element des Lebens scheint,
Für wildes Blut und grüblerischen Sinn,
Als dieses zahme Mittelland, von lauer
Vernünftigkeit bewohnt und hoch gepreist!
(S. 39-40)
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Gespräch in Ritornellen

Sie
Blüthe der Linde,
Wenn du erscheinst, soll mich ein Glück befallen!
Ob ich es wohl in diesem Sommer finde?

Er
Purpurne Traube!
Ich wette, sie vergeht bereits vor Sehnen;
Mein Herz ist weich, - ich komme, arme Taube!

Sie
O Nesselwinden!
Verwöhnten Fingern redet diese Worte:
"Nicht jeglich Kraut läßt in den Kranz sich binden."

Er
Zierliche Nesseln!
Ihr seid verkappte Rosen, wie ich merke!
Nun ist's heraus! Sie liegt in meinen Fesseln.

Sie
Epheublätter!
Ihr kamt zu früh mit euren schönen Worten,
Ein Schmetterling im kalten Winterwetter.

Er
Sprossende Distel!
Nun hab' ich ihr ein Liebeslied gesungen,
Und sie, sie dankt mit stachliger Epistel.

Sie
O Wiesenknöspchen,
Ich sah einmal ein Käferlein betrunken,
Ihm that's ein einzig Honigschmeicheltröpfchen!

Er
Zerknickte Blüthe!
Dir gleicht mein armes Herz, von ihr beleidigt, -
Ich war zu gut! das hat man von der Güte.
(S. 41-42)
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In dunkler Stunde

Ein Unmuth, der nicht Worte findet,
Der nicht gemeiner Noth entflammt,
Behend der Sehnsucht sich verbindet,
Die ungelöscht im Herzen flammt;
Die keine Liebe zu beschwören,
Kein Glück zu stillen mir vermag,
Und deren leise Seufzer stören
Die Freude selbst am hellsten Tag!
Fliegt doch Gefühl in starkem Schwunge
Weit über Mögliches hinaus;
Ihm folgt die Feder nicht noch Zunge,
Und nirgend findet's Statt und Haus.
Das bestgeliebte Herz hat Schranken,
Das liebendste versteht dich nicht;
Sei stark und trockne dir die kranken
Weichlichen Thränen vom Gesicht!
Denn ach, du selbst! hast du's verstanden,
Das liebevollste, treuste Herz?
Wer weiß, wie oft sich Augen wandten
Hinweg von dir in bitterm Schmerz!
O Traum von Lieb, der Alles Klarheit!
Sekundentraum! Blick nur hinein,
Tief in den Grund der harten Wahrheit,
Und jeder! jeder ist allein!
(S. 43-44)
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Ungeduld

Ach, hätt' ich nur einmal das Wort gehört,
Nach dem ich seit langen Tagen mich sehn';
Weh' mir! ich werde sterben gehn,
Und nimmer hab' ich das Wort gehört.

Wie das quält und brennt und bethört,
Solch' einziger Wunsch im Herzen tief!
Kaum, daß ich wähnt', er ruht' und schlief,
Hat ihn ein Seufzer aufgestört.

Hoffend und zagend tauml' ich fort, -
Leer sind der Tage endlose Reih'n,
Und morgen wird es wie gestern sein,
Und nimmer, nimmer hör' ich das Wort.
(S. 45)
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Es hat sich mir was angesagt,
Wie fernes Glockenläuten;
Ich hör' es freudig und verzagt:
Das hat was zu bedeuten!

Ich denk', es müßt' was Holdes sein,
Wenn ich es nur verstünde. - -
O, guter Amor, sieh darein,
Daß ich es bald ergründe!
(S. 46)
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Was ist mir nur geschehen,
Daß ich so glücklich bin?
Noch gestern schritt wie träumend
Ich meines Wegs dahin.
Noch gestern lag ein Nebel
Auf Wasser, Wald und Feld, -
Wie bist du nur verwandelt,
Wie anders heut', o Welt!

Kein Reif mehr auf den Wiesen,
Kein Raum für Frost und Leid,
Und kein Gefühl im Herzen
Als lauter Freudigkeit.
Es hebt mich zu den Wolken,
Es webt um mich wie Duft;
Es tönt mir, wo ich schreite,
Wie Grüßen aus der Luft.

Hat sich ein neuer Frühling
Auch in mein Herz gesenkt?
Ist's einer Knospe Treiben,
Die sich zum Lichte drängt?
War mir ein Engel nahe?
Ich staune, frag' und sinn':
Was ist mir nur geschehen,
Daß ich so glücklich bin?
(S. 47-48)
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So leg' ich's denn in deine Hände,
An deine Seele, liebster Mann.
Ob sich's zum Heil, zum Unheil wende,
Du bist mein Heil, ich nehm' es an.

Du einz'ger Richter, den ich höre,
Sprichst du mich frei, so bin ich rein.
Du bist mir Zukunft, Glück und Ehre
Und ich in Tod und Leben dein.
(S. 49)
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Am Abend, eh' du kamst, hab' ich für dich gewunden
Ein Sträußlein zum Willkomm' und was dabei gefunden;
Im Thonkrug stand ein Zweig, ein Zweig vom Fliederstrauch,
Der hatte sich gewöhnt an engen Zimmers Hauch,
Hat heimlich Faserchen und Zaserchen geschlagen,
Begann im Wasserkrug mir Blätter zu ertragen.
Ich sah ihn lächelnd an und pflanzt' ihn lächelnd ein
Und sprach: gedeihe mir und laß es uns gedeih'n.
Dir kommt dein erster Tag und mir ein erster Tag:
Mich wundert, wie uns beid' der Abend finden mag.
Du kamst; - nicht fühlt' ich mich, - doch fühlt' ich Märzenluft
Und fernen Sonnenschein und ahnungsvollen Duft;
Und als ich abends sah nach meinem jungen Reis,
Da war es frisch und grün und trug ein Tröpflein weiß.
Und als ich mir das Aug' beschattet mit der Hand,
Da hing ein Tröpflein auch am meiner Wimper Rand.
Und war in mir ein Glüh'n, gleich tiefem Werdedrange, -
O Frühling, - sei gegrüßt! und währe lange, lange!
(S. 50)
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Schadenfeuer

In der Laube grün versteckt,
Hat uns Feuerlärm geneckt.
Von den Thürmen klangen die Glocken.
Feuer! Feuer! schrie es erschrocken.
Wurden viel ängstliche Schläfer wach,
All' um ein wackliges Scheunendach.

In der Laube, Hand in Hand,
Trugen wir Zunder zu heißerm Brand.
Haben nicht Glocken dareingeklungen,
Hat kein Wächter hineingesungen.
Schlugen die Flammen zum Himmel doch,
Loderten lustig, züngelten hoch.

Drunten löschten sie schnell und brav,
Lag bald wieder die Stadt in Schlaf.
Aber wer löscht, wenn in heimlichen Flammen
Schlagen zwei Herzen in eines zusammen?
Glühe, o Feuer, mit Herzblut genährt,
Bis mit der Lust sich das Leben verzehrt.
(S. 51)
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Flucht vor der Liebe

Wüßt' ich einen Winkel, mich zu bergen drin,
Eine Weltenspalte, die mich finge,
Duckte mich verborgen dort im Dämmer hin,
Allen unsichtbar und guter Dinge.

Und ich säß' und sänge leise Siegeslieder,
Daß ich, Vielgeliebter, dir entrann;
Und es klänge flüsternd von der Wölbung wieder:
"Liebe zwang mich, doch ich floh den Mann."

Kämen Urgeschöpfe, mich zum Tag zu laden,
Keusche Kühle sög' ich aus dem Quell,
Bis mein Blut wie Schaum in lichten Bergkaskaden,
Bis mein Aug' wie Perlen hell.

Kränzte mich mit weißen, mondeskalten Blüthen,
Ohne Duft und Dorn, die nie vergehn,
Fühlte Licht nicht wärmen, kein Gewitter wüthen,
Säh' die Zeitenwellen stille stehn.

Aber Berg und Grotte sind mit ihm verschworen,
Unterthänig sind ihm Tag und Nacht.
Alles klingt und singt mir in die bangen Ohren:
"Wo du gehst, du bist in meiner Macht."
(S. 52-53)
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Wenn ich dich bleich und traurig seh,
Thut mir's im tiefsten Herzen weh;
Wein' mir um dich die Augen blind, -
Nicht wahr, ich bin ein thöricht Kind!

Was gehn mich deine Leiden an?
Ich hatte nimmer Theil daran;
Und wenn dein Auge strahlt und lacht, -
Ich weiß nicht, was dich fröhlich macht!

Weichmüthig Herz, was härmst du dich? -
Ein jeder sorge brav für sich!
Ob du gejubelt, ob geklagt,
Er hat noch nie danach gefragt.
(S. 54)
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Ei, wie das Büblein mit Köcher und Pfeil, der geflügelte Amor,
Alle die Götter bezwingt, Helios selbst ihm erliegt.
Auf und untergehn heißt er der Sonne hellleuchtendes Antlitz,
Zündet sein Lächeln sie an, löschet sein Weinen sie aus. -
Morgen war's, da er schied, dem nun meine Seele gehöret,
Gleich doch wurde mir Nacht vor dem umdunkelten Aug;
Winter ist's, wenn er kehrt, nach dem ich in Treuen verlange,
Ach, und die Sonne ist da, ach, und mein Frühling bricht an!
(S. 55)
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Mondnacht

Ei, ei, mein trautes Kämmerlein,
Lässest mir fremde Gäste ein?
Gäste, die Feuer und Licht nicht wahren?
Muß nur geschwind dazwischenfahren. -
Und wie ich trat durch die Thüre schmal,
War niemand drin als der Mondenstrahl;
Der hatte sich's in der stillen Nacht
Hier oben hübsch bequem gemacht.
Leise schwebt er an der weißen Wand,
Geht spazieren auf des Bettleins Rand,
Lockt aus meinem welken Blumenstrauß
Honigsüßen Wiesenduft heraus. -
Wen aber trifft sein voller Schein?
O nein, nein, nein!
Du liebes, reines Mondenlicht,
Den küsse mir nicht!
Der war ein falsch' unseliger Mann,
Nacht decke den, so tief sie kann;
Dem eignen Herzen ungetreu,
Schwankt er dahin zwischen Lust und Reu'.
Sein Bildniß ist für dich kein Ort,
Fliehe fort!
Laß dich lieber auf die holden Seiten
Jenes Liederbuchs hinübergleiten.
O, was hier alles schläft, - du weißt es nicht;
Weck' es auf! weck' es ans Licht!
Sommerlust und Stimmen aus der Heide,
Schilfgeflüster, Lieb' im Flügelkleide! -
Aber da sind sie ja schon, die Geister!
Immer näher und höher, immer schneller und dreister
Wirbeln sie aus den Blättern hervor,
Ein lustiger, klingender Elfenchor.
Sie winken mit Schleiern, sie reißen mich hin;
Ihr flatternden Schatten, was habt ihr im Sinn?
Schließt ihr in euren flüchtigen Ring mich ein?
Schon fühl' ich federschnelle Schwingen mein!
O Seligkeit, sich so im Blau zu wiegen.
Hinaus! hinaus! nach Traumland zu entfliegen!
(S. 56-57)
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Warum muß ich meine Augen schließen?
Stehn vor mir doch liebe, frische Blumen!
Ach, vor allem Lieblichen der Erde
Schließ' ich sie, um nur an dich zu denken!
(S. 58)
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Ich liebe dich, und du bist so weit!
Ach, über das arge Trennungsleid!
Es drängen sich Schatten dicht und dichter,
Die Welt ist so voll fremder Gesichter,
Und alle so nah', und du so weit. -
Haben an mir ja Freude nicht,
Bin ihnen auch ein fremd Gesicht;
Säh' mich nur Einer, Einer gern,
Ach, und der Eine, Meine, ist fern!
(S. 59)
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In die eine Schale werf' ich alles,
Was bis heute ich gelebet habe,
Denn in jener andern ruht ein köstlich
Duftgebilde, nennt sich: neue Liebe!
Und von ihm belastet sinkt die Schale,
Während werthlos leicht die andre aufschnellt;
Und mein Auge sieht's mit Freudenthränen. -
- Ach, wir armen, nimmerklugen Menschen!
(S. 60)
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Laß deine Hand in meinen,
Dich ficht es wenig an.
Mir will's ein Trost erscheinen,
Daß ich dich halten kann.

Weiß, daß dein Herz mir ferne,
Doch möcht's vergessen heut'.
Bis ich es tragen lerne,
Ist bitter lange Zeit.

Mein Sinn ist täuschungtrunken,
Mein Sinn ist wahrheitmüd;
Die Welt ist mir versunken,
Nur diese Stunde blüht.

Ach, warum kommt ein Morgen,
Nach solcher einzigen Nacht?
Viel besser, selig gestorben,
Als weinend aufgewacht!
(S. 61)
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Ich lag und schlief, aber die ganze Nacht
Hat mein Herz in mir gewacht;
Wie ein Kranker sich und Andern hehlt
Über Tag, daß ihn sein Leiden quält,
Aber leise wimmert bei der Nacht.
(S. 62)
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Aus einer Novelle

I.
Ich hab' es nicht gewollt! ich war voll Angst!
So seltsam widerklang in meinen Ohren
Das süße Wort vom Wiedersehn; verloren
Fühlt' ich mich halb. "Ist das, wovon du bangst,
Nicht Glück?" so frug man lachend, "o des Thoren!
Warum denn fliehn, wonach du strebend rangst?"
- Ach, ich bin leider nicht wie ihr geboren!
Nun steh' ich zitternd mit gebundnen Händen,
Wie eine Sklavin auf der offnen Gasse,
Aus zweien Augen Gnade zu erflehen!
Doch könnten sie mein großes Leiden wenden?
Was Andern Gnade, wäre für mich grasse
Verdammniß! und so fleh' ich: laß mich gehen!


II.
Wie hold die Worte dir vom Munde gehn,
Von Weisheit voll und wie Musik zu hören,
Doch spür' ich oft den Ton nur mich umwehn,
Und ihren Inhalt könnt' ich nicht beschwören.
So fühl' ich deine Nähe mich bethören,
Daß meine Augen wie durch Nebel sehn;
Als ob die äußern Sinne sich verlören,
Weil mir im Herzen zu viel Glück geschehn.
Das pocht und jauchzt, als sprengt' es mir die Brust:
Du bist's! du bist's! wie sucht' ich dich vergebens!
Die ganze Welt durchsucht' ich, ach, nach dir!
Und du antwortest stumm und unbewußt:
Ich bin's, die einzige Liebe deines Lebens
Und dein Verhängniß; zittre nun vor mir!
(S. 63-64)
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Brennende Liebe zu beiden Seiten,
Ach, und dazwischen eisiger Schmerz.
Was ich so sicher am Herzen getragen,
Nun muß es Hülfe und Trost mir versagen.
Ach, wie die blassen Lippen und Wangen
Jäh mir die Freude des Lebens verschlagen.
Tiefer drückt sich die tödtliche Schneide,
Immer tiefer ins blutende Herz.
Weh' mir, ich leide,
Leide für beide!
Brennende Liebe zu beiden Seiten,
Ach, und dazwischen eisiger Schmerz.
Was mir genaht war, stürmend vom weiten,
Hör' ich so klagend die Fittige breiten;
Reißt mich hinüber, reißt mich ins Leere -
Ach, mich versengt seine glühende Zähre;
Tiefer drückt sich die tödtliche Schneide,
Immer tiefer ins blutende Herz.
Weh' mir, ich leide,
Leide für beide!
Brennende Liebe zu beiden Seiten,
Ach, und dazwischen eisiger Schmerz!
(S. 65)
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Erwartung

Mein Stübchen ist so schwül und mir so heiß!
Ach, käm' er nicht! wie gut, daß er nicht weiß
Von meiner Schwere!
Denn ahnte ihm, daß ich ihn liebe, ach,
Wie trüg' ich's, wenn er plötzlich im Gemach
Hier bei mir wäre!

Und ich allein und müßt' ihm Rede stehn,
Er aber würd' auf meinen Wangen sehn,
So scheu und bange.
Und lockt es listig meinen Lippen ab,
Wie ich so lieb, so stürmisch lieb ihn hab'
Schon lange! lange!

Und wär's heraus und stürb' ich nicht vor Scham,
Daß er so schnell mein Herz gefangen nahm,
Was er dann bäte?
Ob er mich zöge zu dem Plätzchen dort?
Und ich? nein, nein, gewiß, ich liefe fort! -
Ob ich es thäte? -

Er aber finge mich in Armen ein
Und küßte mich, und stille müßt' ich sein,
Ich weiß, ich müßte!
Er hielte mich am Herzen eng und warm,
Und ob ich wohl, umzirkt von seinem Arm,
Ihn wieder küßte?

Pfui, Träumerin, die selber sich verräth'.
Mein Busen klopft! die Farbe kommt und geht, -
Wenn er nun käme!
Verleugne dann, was eben du gedacht!
O, säh' statt hellen Tages nur die Nacht,
Wie ich mich schäme!

Luft! Luft! das Fenster auf! nein, nein, hinweg!
Du weißt ja doch, von dorten führt sein Weg -
Er wird dich sehen!
Wird merken, wie ich voll Erwartung bin,
Wie mich die Sehnsucht trieb zum Fenster hin,
Nach ihm zu spähen.

Zurück! ins fernste Eckchen drück' ich mich
Und ruhig bin ich, ruhig sicherlich,
So ist mein Wille. -
Da - horch! die Treppe knarrt - es kommt herauf -
Er ist's! er ist's! o Himmel, thu' dich auf!
O Herz, halt stille!
(S. 66-68)
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Mit dir ein Kind sein, Blumen pflücken,
Sich, spielend, Hand in Hand ergehn,
Ruhn auf umbuschter Hügel Rücken
Im langen Gras, im Sommerwehn,
Auf ferne Vogelstimmen lauschen
Und auf ein nahes Liebeswort,
Und Lipp' an Lippe sich berauschen
Weit über Welt und Zeiten fort.

Dein Herz in meinem Herzen fühlen
In dämmergrüner Heimlichkeit,
Zwei heiße Flammen in der kühlen,
Der laubeskühlen Einsamkeit,
Bis sich an uns der Busch entzündet,
Der Wald in bunten Farben brennt, -
O Traum der Sehnsucht, unergründet,
O Qual und Noth, - wir sind getrennt!
(S. 69)
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Abschied

Ach, die Lippen sind verriegelt,
Die der bittre Abschied küßt,
Und die Quellen sind versiegelt,
Draus die milde Thräne fließt.

Schmerzenglut hat sie gesogen,
Keine Labe löscht den Brand;
Die sich heiß umschlingend bogen,
Marklos sinken Arm und Hand.

Sie umfangen schon die Leere
Statt des Scheidenden Gestalt,
Alle Sinne füllt die schwere
Öde schon mit Allgewalt.

Wunsch und Hoffnung - sie entschweben,
Nur der scharfe Schmerz ist wach;
Mitten durch das warme Leben
Geht ein Todesflüsterschlag.
(S. 70)
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Du hieltest meine Hand zum Lebewohl gepreßt,
Gleichwie ein Gut man hält, das man nicht gerne läßt.
Und als im Wagen dann du schnell hinweggeflogen,
Hast du mich noch ein Stück des Weges mitgezogen;
Ein Schrittlein ging ich mit, dann lösten wir die Hand.
Ward mit der Lösung auch gelöst das neue Band?
War es der Schritt, mit dem, wenn Einer heimgegangen,
Der unsre Hoffnung hieß, man folgt in Weh und Bangen?
War's jener, den ich dir entgegen thu' dereinst,
Wenn du zurück mir kehrst, wie du es heut' vermeinst? -
Wer kennt sein eigen Herz! mir ist, da frisch das Wort
Auf diesem Blatte zuckt, als flög' die Seele fort,
Dich, treuer als die Hand, geleitend zu umschlingen, -
Dich, stärker als die Hand, mir einst zurückzubringen!
(S. 71)
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So willst du mir dein Herz verschließen,
Das mir so lieblich offen stand?
Mir ist, als ob die Finger stießen
An eine thürlos feste Wand.
Thu' auf, o Liebe! ruf' ich traurig,
Geschwind thu' auf! ich bin es ja!
Doch drinnen widerhallt es schaurig:
"Sie, die du rufst, ist nicht mehr da!"

O, schlimmer Lohn den losen Streichen,
Verzeih! verzeih dem argen Schalk!
Soll ich mit Thränen ihn erweichen,
Der schnöden Mauer todten Kalk?
Sie ist noch da! im ersten Schrecken
Verbarg sie sich und nickte ein:
Komm! laß mich sie mit Küssen wecken!
O, Liebe, komm, sei wieder mein!
(S. 72)
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Ach, sieh nur, alles ist gekommen,
Erfüllungstrunken steht die Welt.
Der schönste Frühling ist entglommen,
Von Lerchenjubel schallt das Feld.
Das Veilchen blickt mit feuchten Augen
Ins Himmelsauge, selig nah -
Nur mir, mir will kein Blicken taugen,
Nur du, Geliebter, bist nicht da!

Verlangend streckt der Baum die Arme,
Die jugendsaftigen, aus in Lust,
Als zög' die Wolke er, die warme,
In stummer Sehnsucht an die Brust.
Auch meine Arme warten offen,
Sie blieben leer - ach, was geschah?
Weh, meines Herzens sichres Hoffen,
Du, mein Geliebter, bist nicht da.

Das ist ein Zärtlichthun und Kosen
Im jungen, knospenden Geäst,
Und heißer als zur Zeit der Rosen
Girrt heut' das Taubenpaar im Nest.
Mir schwillt das Herz von süßen Dingen,
Mehr als die Taube lieb' ich ja -
O hörtest du mein scheues Singen, -
Doch du, Geliebter, bist nicht da.

Schon sinkt der Tag in Dämmerungen,
So wohlig weich, als sänk' er gern.
Und Erd' und Himmel ruhn umschlungen
In Liebe unter Mond und Stern.
Ein Elfchen kichert in den Zweigen -
Ob es mein Aug' in Thränen sah?
O könnt' ich still zu dir mich neigen -
Doch du, Geliebter, bist nicht da.
(S. 73-74)
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Sei gegrüßt, vertraute Stelle,
O, wie lieblich blühst du heut'!
Sonnenglanz auf jeder Welle,
Rosendüfte ausgestreut.
Lange hab' ich dich gemieden,
Mir verleidet war der Ort, -
Was sich Großes hier entschieden,
Ach, wie wenig ahnt' ich's dort.

Lange, lange! Winterblätter
Hingen hier noch schwarz am Ast,
Wo sich jetzt im lauen Wetter
Mohn und Winde froh umfaßt.
Kaum, daß sich ein Haselkätzchen
Schüchtern an das Licht gewagt;
Selbst die unverzagten Spätzchen,
Damals schienen sie verzagt.

Ach, und ich! wie angstbeklommen
Saß ich hier auf dieser Bank!
War ein Frühlingswind gekommen,
Der den Athem mir verschlang.
Eine Antwort sollt' ich sagen,
Und ich hab' sie nicht gewußt,
Zog mir's gleich bei seinem Fragen
Wie ein Schauer durch die Brust.

Jetzt - ich könnt' euch was erzählen,
Was ich ganz alleine weiß!
Aber Süßes muß man hehlen,
Sonst wird es der Diebe Preis.
Beugt euch nieder, schlanke Zweige,
Bin wie ihr vom Lenz durchbebt!
Neige dich, o Rose, neige
Die vom Quell der Liebe lebt.

Baum und Gras und Fluß, du blauer,
Hört, ich will es euch vertrau'n:
Sie ist hin, der Sehnsucht Trauer,
Und ich soll ihn wieder schau'n.
Und dann soll er wieder fragen,
Und ich will ihm treu und heiß
Eine bess're Antwort sagen,
Denn ich weiß! ich weiß! ich weiß!
(S. 75-76)
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Hohnwort des Abschieds - Lebewohl!
Leb', wie du kannst! Leb', wenn du kannst!
Doch wohl? doch wohl? wie kalt und hohl
Erklingst du, Ton, der du uns bannst!

Wozu die Lüge? du sprich dreist:
Und nichts von Wohl und nur von Weh! - -
"Wenn eins des andern Leben heißt,
Ist Scheiden Sterben! stirb - ich geh."
(S. 77)
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Gieb mir die rothe Rose nicht,
Die so von Hoffnung glüht,
Du weißt ja, daß für mich kein Glück
Und keine Hoffnung blüht.

An dunkler Friedhofsmauer steht
Der rechte Rosenbaum,
Die schlanken Zweige säuseln leis'
All' meinen Schmerz in Traum.

Dort winkt mir weiß und geisterhaft,
Von Dornen rings umstarrt,
Die Todesrose, der mein Herz
Seit lang' entgegenharrt.

Bleich schimmert sie im Mondenschein
Und flüstert sacht mir zu:
"Ein Balsam bin ich jeder Pein,
Komm nur! im Grab ist Ruh."
(S. 78)
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Dunkel drückt das Thal,
Nur am Berggelände
Zittert noch ein Strahl
Todter Sonnenbrände.

Zuckend, wie ein Krampf
Uns zum Lächeln zwinget,
Wenn im Abschiedskampf
Herz von Herz sich ringet.

Und mir kommt der Stund'
Unvergess'nes Leiden,
Da auch unser Mund
So gelacht im Scheiden.
(S. 79)
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Wie Kinder stehn vor fremdem Gartenthor,
Dahinter Blumen Märchenträume wecken,
So stehn wir vor der Hoffnung buntem Flor,
Sehnsüchtig lugend durch geschloss'ne Hecken.

Und endlich wird die Pforte aufgethan,
Die Kinder stürmen jubelnd auf die Beute;
Wo sind die Blumen, die sie leuchten sahn? -
Sie blühn nur einen Tag, und der ist heute. -

Die sticht! Du ziehst verletzt die Hand zurück,
Und die ist seellos, ohne Duft, den süßen; -
Die schönste, die bezaubert deinen Blick,
Die schönste - fällt entblättert dir zu Füßen.

Die schon gepflückten welken in der Hand,
Und achtlos läßt du sie zu Boden sinken, -
O Zeit, da ich noch vor der Pforte stand
Und sah sie thauig durch das Gitter blinken!
(S. 80)
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Willst du nun scheiden gehn,
Ewige Göttin?
Hinweg mit dem letzten
Tone des Liedes,
Das du ins Herz mir sangst,
Das ich mit stammelnder Lippe
Nachzubilden mich mühte?
Nein, du scheidest noch nicht!
Leicht verlässest du nur,
Denen du Glück gebracht;
Denn gerecht ist die Hand,
Die die Güter ausstreut. -
Zwiefältig erscheinst du
In der Menschenwelt:
Sanft und huldreich
Bist du dem einen,
Wirfst ihm in Schooß
Was er schüchtern begehrte,
Und mit gütiger Hand
Zündest du selbst die Flamme
Auf des Hauses stillem Altar,
Welchen Myrthen und Rosen kränzen. -
Aber in herb'rer Gestalt
Nahest dem andern du;
Statt Gewährung zu schenken
Schürst du endlose Sehnsucht,
Und in nimmer erreichbare Fernen
Rückst du das Bild,
Das verlangend gesuchte.
Jenem verklärst du
In kurzem Lichtglanz
Die niedere Erde;
Diesen erhebst du
Hoch in die Wolken,
Daß ihm bangt vor dem schwarzen Gewühl
Drunten im Staub,
Daß er fremd wird unter Brüdern und Schwestern.
Weh! hoch oben das Haupt,
Das an die Sterne reicht,
Und der arme strauchelnde unweltläufige Menschenfuß,
Und das schwache unzulängliche Menschenwort,
Das das Erschaute nicht künden kann!
Achselzuckend wendet der Schwarm
Sich hinweg vom Einsamen,
Der sie nimmer versteht,
Wie sie ihn nicht verstehn,
Und auf der weiten
Erde der Menschen
Ist er nirgend und nirgend daheim.
(S. 81-83)
_____



Im Volkston

Bittersüß

An blühender Hecke im roten Kleid,
Habe Gott zum Gruß, du zierliche Maid!
Du schaust so schelmisch und lächelst süß -
Wie heißt du?
Sprach sie: "Bittersüß, Herr, Bittersüß."

Ei, rief ich lachend, die Bitterkeit
Von solchen Lippen schafft wenig Leid!
Komm, grüße wieder, wie ich dich grüß'!
"Möchte wohl!"
Sprach Bittersüß, schön Bittersüß.

Und dreimal hab' ich sie heiß geküßt,
Und sie, sie hat es leiden gemüßt.
Roth war ihr Mieder und weiß die Füß';
"Wohl bekomm's!"
Sprach Bittersüß, schön Bittersüß.

Doch wie ich weiter gewandert bin,
Da ward mir bange und krank zu Sinn;
Wer weiß auch, wann ich dich wieder grüß'? -
"Nimmermehr!"
Sprach Bittersüß, ach, Bittersüß.

O, arge Maid! o, täuschender Nam'!
O, weh mir, daß ich des Weges kam!
Nun wird mir bitter, was erst so süß -
"Wie es kommt!"
Sprach Bittersüß, ach, Bittersüß.

"Dein Unglück trage nur fein gemacht;
Die Bitterkeit kommt zuvor oder nach;
Ein süßes Bitter, ein bittres Süß
Ist die Lieb'!"
Sprach Bittersüß, ach, Bittersüß.
(S. 87-88)
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Aschenbrödel

Rüttle dich, Bäumchen, und schüttle dich,
All deine Blüthen wirf über mich.
Ich will kein silbriges Sternenkleid,
Keinen gläsernen Wagen und helles Geschmeid,
Nur weiße Blüthen um Haupt und Brust,
Flatternde Blüthen und Leben und Lust.

Rüttle dich, Bäumchen, und schüttle dich;
Nicht von der Stelle rühr' ich mich!
Nicht in das Schloß und nicht in den Saal,
Unter die lärmenden Tänzer zumal;
Hier in die Laube ruf mir ihn,
Wo uns schon einmal der Mond beschien.

Rüttle dich, Bäumchen, und schüttle dich,
Komm, mein König, und hole mich!
Habe genug in der Asche gekauert,
Habe, wie lange! um dich getrauert;
Nun zieh' mir die goldenen Schühchen an,
Daß ich mit dir gen Himmel tanzen kann!
(S. 89)
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Ich glaube gar, Freundchen, du grollst,
Schmollst
Auf das fürwitzige
Bissige, spritzige
Ding!
Das dir die Hand, die schmeichelnde, fing,
Unsanft darüber dir ging!

Zürnendes Freundchen, du weißt,
Meist
Sind wir verträglich
Und so unsäglich
Schwach!
Denken wohl, komme, was komme danach,
Wenn Er mich eben nur mag!

Aber sobald Er das spürt,
Rührt
Sich der besonnene
Wiedergewonnene
Sinn.
"Klärlich bemerk' ich, wie lieb ich ihr bin, -
Augen, nun seht nicht mehr hin."

Darum so schmolle nur zu,
Du!
Nimmer erkenne,
Ob ich dir brenne!
Sieh:
Gleich ist mir Beides, bleib oder flieh!
Mich doch beschleichest du nie.
(S. 90-91)
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Daß ich dich lieben thät,
Das wär' nicht wahr!
Daß ich dich gar nicht möcht',
Das wär' gelogen gar!
Aber ich trau' dir nicht, trau' dir nicht, trau' dir nicht!
B'sieh nur im Spiegel
Dein Schelmengesicht!

Wer was will fangen gehn,
Hurtig und schlau,
Der muß fein früh aufstehn,
Vorm Morgenthau!
Du hast dich selbst zu lieb, selbst zu lieb, selbst zu lieb!
Wenn er sich mausig macht
Fängt man den Dieb!
(S. 93)
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O Mannstreu, blaue,
Bläst man dich an, fliegst du in alle Winde!
Doch rath' ich nicht, daß man uns Weibern traue!
(S. 94)
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Schnadahüpfl

Der mi gern hat, weiß nit recht,
Nit was er will!
Liebt mich, so sagt er zwar,
Liebt mich schon sieben Jahr.
Ui! wie die Zeit verrinnt,
Bis er sich b'sinnt.

Liebe hat Flügelein,
Flattert davon;
Flattert so ohne Wahl,
Schaut alle Jahr einmal,
Wie der am Kreuzweg steht,
Sein Käpple dreht.

Bis er sich recht besinnt,
Sind zwei Köpf' grau. -
Aber nein - das soll nit sein,
Will g'schwind en andern frein!
Wann die Lieb ranzig wird,
Tanz i nit mit!
(S. 95)
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Das Lieschen an sein Hänschen

Liebes Hänschen, selbst zum Schein
Nenne keine andre dein!
Nähm' sie listig dich beim Wort
Kämst du ihr nicht wieder fort;
Müßtest ihr zu Füßen liegen,
Dich in ihre Launen schmiegen,
Ihre Launen! denke doch!
Wären's meine Launen noch!
Müßtest kräuseln ihre Locken,
Fädlein spinnen ihr am Rocken;
Fändest du ein süßes Fressen,
Dürftest es nicht selber essen,
Müßtest jedes Bröcklein wahren,
Jedes Äpflein ihr versparen.
Jedes Äpflein! denk doch, nein,
Nenne keine andre dein!
Alles Beste, das dich freute,
Bild und Bücher, Land und Leute,
Alles würde sie behalten,
Bald als deine Herrin schalten.
Ach, wie anders ist mein Sinn:
König du, ich Königin! -
Hast du noch mein Heidekrönchen?
Denkst du noch an unser Thrönchen
An dem Abhang, der so schief
Zu dem Bach hinunterlief?
Wo die Schafe defilirten
Und wir froh die Welt regierten?
Wo wir Wurst und Brot gegessen?
Süßer Frucht nicht zu vergessen?
Ei, so komm! ein Restchen blieb.
Husch dahin! und hab' mich lieb!
(S. 96-97)
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Der besessene Hans

Von Besessenen sagt die Bibel mancherlei,
Konnte mir doch nimmer denken, was das sei;
Jetzt seit gestern Abend leuchtet's mir schon ein,
Denn es ist nicht anders, - ich muß selbst besessen sein!

Trank im Wirtshaus drinnen, sang recht schön dazu,
Rief dem Wirth sein Bärbel: "Hansle, jetzt gieb Ruh!"
So ein kleines Mädle! und ich so ein Mann!
Und vom bösen Geiste sieht man ihr auch gar nichts an.

Doch, ihr könnt mir's glauben, da ich heimwärts ging,
War's, wie wenn die Bärbel mir am Arme hing,
Droben aus den Sternen, drunten aus dem Bach
Guckten mir die hellen blauen Schelmenaugen nach.

Hatte dann zu Nächten einen schweren Traum,
Saß in meinem Gütle auf dem Apfelbaum,
Unten stand die Bärbel bei dem ganzen Hauf,
Und sie aß mir all die guten Luiken selber auf.

Und ich dummer Hanse lachte noch dazu!
Schien die Sonne auf der Bärbel rothe Schuh;
Denk' ich dran, so wird mir wieder wunderlich -
Wann je Eins besessen war, so bin es halt auch ich.

Und es hilft nicht, geh' ich nimmer in das Haus,
Denn die schlimme Bärbel kommt zu mir heraus,
Wo ich geh' und stehe, ist sie schon bei mir,
Schmeckt mir als kein Essen, schmeckt mir als kein Tröpfle Bier.

Und ich weiß mir meiner armen Seel' kein' Rath,
Und es ist mir halber um mich selber schad';
Das besessene Wesen macht mich, fürcht' ich, toll; -
- Hei! da lauft die Bärbel, - ob ich ihr nachlaufen soll?
(S. 98-99)
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Mariele

Süße Milch in meinen Kannen,
Aber sauer ist mein Weg;
Früh vor Tage durch die Tannen
Wandr' ich auf dem steilen Steg.

Ach, und komm' ich an die Schmiede,
Wo am Brunn die Haseln stehn,
Brennt mich was im Augenlide,
Muß mich schnell zur Seite drehn.

Wohl die Funken seh' ich jagen,
Und der Hammer dröhnt und schallt, -
Keiner hat so schön geschlagen,
Wie mein Schatz, der Schmied am Wald!

Freilich manch' ein guter Bolzen, -
Und es macht ihm wenig Gram, -
Ist ihm auf dem Herd zerschmolzen,
Wenn ich just vorüberkam.

Reichte kühle Milch dem Heißen,
Und er hat sie nicht gespart;
Lachend strich er sich die weißen
Tropfen aus dem braunen Bart.

Alles hätt' ich gern gegeben,
Keiner sprach so schönen Dank.
"Grüß dich Gott!" und durch die Reben
Ward der Weg dann nimmer lang.

Lange noch auf meiner Wange
Feuersglut der Essen lag,
Und gesellig klang noch lange
Hinter mir sein Hammerschlag. -

Jetzt - der Pfirsich an der Mauer
Steht in Blüthen rosenroth,
Aber mir in meiner Trauer
Sind die Blüthen taub und todt.

Tropfen sind im Brunnen viele, -
Mancher thut mir freundlich gar, -
Aber Niemand ruft "Mariele",
Wie er rief vor einem Jahr.

Aus dem Land ist er gegangen,
Übers Meer, zu Schiffe weit; -
Weiße Milch und weiße Wangen,
Saurer Weg und saures Leid.
(S. 103-105)
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Seufzerlein

Kein Wort kann es sagen,
Kein Lied kann es klagen,
Was mir mein jung' Herze
So nagt und beschwert.

's ist Leid, doch kein trübes,
's ist Weh, doch ein liebes,
Es hebt mich zum Himmel
Und drückt mich zur Erd'.

Es schweigt vor den andern,
Doch Seufzer, die wandern,
Doch Thränen, die fallen
Zu heimlicher Zeit.

Es sieht's nur der Eine,
Es fühlt's nur der Meine;
Du Einer, Du Meiner,
Wann stillst du mein Leid!
(S. 107)
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An Emma

I.
Heimweg
Wie grüßt du schon von ferne, helles Fenster,
Mein müdes Aug' mit deinem trauten Scheine,
In kalter Nacht ein warmer Liebesschimmer.
Ich weiß, dort oben hat die liebe Kleine,
Zur Abwehr aller Schatten und Gespenster,
Die Lampe schon entfacht im stillen Zimmer.
O leuchte du mir immer,
Mein sanftes Licht!
Für tausend Freudenkerzen
Tausch' ich dich nicht!
Für alle Menschenherzen
Dies eine nicht!
(S. 115)


II.
O Freundesliebe, die du sanft und groß
Mein Leben hast durchleuchtet und getragen,
Verlaß mich nicht, nimm mich in deinen Schoß,
Und mach' mich still wie in den alten Tagen.

Ein andres maßt sich deinen Namen an,
Das süß und tödtlich in den Adern wüthet,
Es rast mein Blut, das so gelassen rann,
Die Lippe schmachtet, heiß und unbehütet.

Nimm von mir, was mich jäh zu Boden reißt.
Mir graut, mich selbst in solcher Glut zu sehen;
Und laß das Schlackenfeuer vor dem Geist
Zu Erdenasche werden und verwehen.
(S. 116)


III.
In ihre lieben Augen hab' ich heut' Thränen gebracht.
Die so gern ich lachen sehe, die hab' ich weinen gemacht;
Mit ungerechtem Zweifel hab' ich ihr Herz betrübt,
Und weiß mir doch nichts Lieberes, und weiß doch, daß sie mich liebt.

Sieh', lang bin ich gewandert, und manchmal ging's zu Zwei'n,
Doch wenn ich mich recht besonnen, da war ich wieder allein.
Da lernt' ich bangen und zagen und wollt' auf keinen bau'n: -
O, lehre mich, treu'ste Liebe, von neuem, ganz vertrau'n.

Sieh, als die warmen Tropfen um mich ich rinnen sah,
So nahe meinen Lippen, du meinem Herzen so nah,
Da hab' ich sie aufgetrunken, sie tilgten die böse Saat,
Das Unkraut ist verschwunden, das mich verwirret hat.

Und drinnen tief im Herzen, am wohlgeschützten Platz,
Da fühl' ich's keimen und wachsen, und sorgsam hüt' ich den Schatz.
Vertrau'n, du holde Knospe, wachse und breite dich aus,
Bau' uns aus starken Zweigen ein grünes sicheres Haus.

Im kühlen dämm'rigen Schatten sitzen wir traulich dann,
Halten uns still umfangen, schauen uns lächelnd an;
Draußen staubige Schwüle, Weltlust und flüchtiges Leid, -
Drinnen lieberfüllte sonnige Einsamkeit.
(S. 117-118)


IV.
Wie selten doch die Menschenseele ist,
Die einen einzigen flüssigen Kern umschließt!
Dich aber, reiches Herz, vergleich' ich gern
Mit der Granate hundertfachem Kern.
Ein leiser Druck, und helles Herzblut quillt,
So warm, so tropfenfrisch, so herb und mild;
Und wem es offen liegt, blickt fort und fort
Wie in lebendigen Rubinenhort.
Kein Spiegel widerstrahlt so warm durchglüht
Mein bestes Selbst, mein Wesen und Gemüth.
(S. 119)


V.
Müd' ist dein Aug' und will sich schließen,
Gut' Nacht, ihr Sterne, ihr dunklen, süßen.
Ich möcht' euch schauen in tiefem Traume;
Schlaf! wie so stille, kein Laut im Raume.
Horch, nur zuweilen hergetragen
Kommt eines Herzens gesänftigt Schlagen;
Nicht zwei, nur eines! Ist's dein's, ist's meines?
Gestimmt im Gleichklang sind längst sie eines.

O zu vergehen, so Herz an Herzen!
Nie mehr erwachen zu Freuden und Schmerzen.
Den Strom des Lebens so sacht verrinnen,
So ebben fühlen mit wachen Sinnen;
Und jede Welle, wie sie entgleite
Mit leisem Kusse senden ins Weite;
Und endlich alles umher vergessen,
Noch einmal leise dich an mich pressen,
Und an dem Herzen, das mir beschieden,
Hinüberdämmern in ewigen Frieden.
(S. 120)


VI.
Winterabend
Sie sitzt so still mir gegenüber,
Und die lieben Augen ruhn
Auf der lieben Hände Thun,
Fliegen selten hier herüber,
Und der Lampe gelber, trüber
Schein umhüllt mit Dunkelheit
Schwarzes Haar und blaues Kleid.
Und doch geht ein Liebeschimmer
Von ihr aus, und überm Zimmer
Liegt er warm wie Sommerzeit.
(S. 121)


VII.
Wir haben Hand in Hand gelegt und wußten gleich: so war es gut;
Nie ward die Hand des Druckes müd', sie ruhte fest, so war es gut;
Uns lehrte jeder Tag aufs neu: ihr fandet euch, und das war gut.
Nicht jeder Tag war Sonnenschein, dich schaut' ich an, und es war gut.
Und hast du selbst einmal gestürmt, - ich sah dein Aug', und es war gut.
Und haben Andre dich verkannt, - ich kannte dich, und es war gut.
Und hab' ich achtlos dich gekränkt, - nie meint' ich's bös', ich meint' es gut,
O bleib' bei mir, geliebtes Herz, treu wie bisher, und es ist gut;
Denn schwach und arm bin ich allein, hilf du mir weiter, stark und gut.
Und wie mein Leben auch verläuft, froh will ich sagen: es war gut,
Und halt' im Tod ich deine Hand, - ich fürcht' ihn nicht, auch er ist gut.
(S. 122-123)
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Aus: Gedichte von Ilse Frapan
Berlin Verlag von Gebrüder Paetel 1891

 


Biographie:

https://de.wikipedia.org/wiki/Ilse_Frapan



 

 


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