Deutsche Liebeslyrik

Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2014

(die neuesten Gedichte oben)


Zwei Lichtlein

Es sieht von deinem Fenster
Ein Lichtlein in die Nacht,
Es hat in meinem Herzen
Ein zweites Licht entfacht.

Ich muß es immer denken
Und denk es doch nicht aus:
Fänd' doch dies eigne Lichtlein
Zum Licht in deinem Haus!

Das gäbe dann ein Leuchten
Und Strahlen Nacht und Tag. -
Zwei Lichtlein brennen heller,
Als eines brennen mag.
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Trotzige Liebe

Herr, unser Glück fliegt himmelan,
Seit wir in Liebe verbunden;
Was Menschenwille uns angetan,
Ist lange überwunden.

Gib uns nun Stürme himmelher
Und hundert Flammenhiebe - -
Wir jauchzen in das Wolkenmeer
Das Trutzlied unserer Liebe.
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Glück

Nun neige ich das Knabenhaupt:
So hast du meinem Leben,
Das nimmer an ein Ziel geglaubt,
Das große Glück gegeben.

Mir bangt vor nichts, was kommen will,
All meines Herzens wilde,
Verirrte Wünsche werden still
Und knien vor deinem Bilde.

Ernst Goll (1887-1912)

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Stern von Bethlehem

Unendlich Blau.
Geweihte Nacht.
Und immer fällt der Schnee
In zarten Sternen.
Deckt die weite Erde sacht.
Heilige Nacht . . .
Durchglüht vom Leidensblut
Des lieben Herrn.

Wir pilgern noch im Dunkel.
Doch wir sehen seinen Stern.

Franciska Stoecklin (1894-1931)
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Ohne Gott bin ich ein Fisch am Strand

Ohne Gott bin ich ein Fisch am Strand,
ohne Gott ein Tropfen in der Glut,
ohne Gott bin ich ein Gras im Sand
und ein Vogel, dessen Schwinge ruht.
Wenn mich Gott bei meinem Namen ruft,
bin ich Wasser, Feuer, Erde, Luft.

Jochen Klepper (1903-1942)
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Gebet

Herr, gib uns helle Augen,
Die Schönheit der Welt zu sehn!
Herr, gib uns feine Ohren,
Dein Rufen zu verstehn,
Und weiche, linde Hände
Für unser Brüder Leid
Und klingende Glockenworte
Für unsere wirre Zeit!
Herr, gib uns rasche Füße
Nach unserer Arbeitsstatt -
Und eine stille Seele,
Die deinen Frieden hat!

Frieda Jung (1865-1929)
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Unmodern

Ich weiß, ich liebe nicht modern,
Nach Art der hohen Frauengeister,
Ich liebe dich als meinen Herrn,
Ich liebe dich als meinen Meister.

Ich lieb' dich als mein Ideal
Und kniee selig vor dir nieder,
Und weist du fort mich tausendmal,
So kehre tausendmal ich wieder.

Nicht gleichberechtigt will ich sein.
Hat gleiches Recht denn Baum und Veilchen?
Ich bin zufrieden, wenn du mein
Gedenkest nur ein kleines Weilchen.

Wenn du aus Arbeit, Glanz und Ruhm
Ein Stündlein willst zu mir dich retten,
Um in der Liebe Heiligtum
Dein Haupt an meine Brust zu betten.

Ja, selig preis' ich mein Geschlecht,
Was auch der Zeitgeist tadelnd schriebe;
Mir dünkt als höchstes Frauenrecht
Die alte unmoderne Liebe.

Frieda Jung (1865-1929)
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Orden der Liebe

Es ist mit Stern und Orden
Die Liebe beschenket worden;
Der Himmel selbst hing sie ihr an,
Weil sie sein getreuester Unterthan!

Es ist mit Stern und Orden
Die Liebe beschenket worden,
Und hat sie Stern und Orden um,
So strahlt sie weit aus ihren Ruhm.

Es ist mit Stern und Orden
Die Liebe beschenket worden;
Der Stern der Liebe ist der Blick,
Den Liebe gibt der Liebe zurück;

Der Orden der Lieb' ist ausgehangen
Auf ihrer Stirn und ihren Wangen -
Er trägt die Farbe der Züchtigkeit,
Die Liebe verlangt und Liebe scheut;

Der Orden der Liebe glänzt und funkelt
Aus Augen von ersten Thränen umdunkelt,
Von den ersten Thränen, die Liebe weint,
Wenn Liebe sich mit Liebe vereint;

Der Orden der Liebe ziert und schmückt
Die Brust, die ein Herz an's Herz sich drückt;
Ein Herz voll Liebe ohn' allen Schein,
Das muß ihr köstlichster Orden sein;

Ein Herz am Herzen, und glühende Wangen
Und Augen, naß vor Scham und Verlangen,
Das sind die Orden, die die Lieb' hat um,
Die ihr Glück ausstrahlen und ihren Ruhm! -

Es ist mit Stern und Orden
Die Liebe beschenket worden;
Der Himmel selbst hing sie ihr an,
Weil sie sein getreuester Unterthan!

Ludwig Halirsch (1802-1832)
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Dir

Du bist ein stilles Dörflein im Abendlicht,
Bist eines jungen Herzens Liebesgedicht —
Du bist zum heiligen Abend der erste Schnee,
Bist eine erste Träne, ein erstes Weh.
Du bist die klare Quelle dem heissen Blut,
Ein Strauss von Alpenrosen dem Jägerhut,
Du bist zu meiner Krippe der Weisen Stern,
Ich folge deinem Lichte und lob den Herrn!

Amalie Senninger (1866-1921)
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O stille dies Verlangen!

O stille dies Verlangen,
Stille die süße Pein!
Zu seligem Umfangen
Laß den Geliebten ein!
Schon liegt die Welt im Traume,
Blühet die duft'ge Nacht;
Der Mond im blauen Raume
Hält für die Liebe Wacht.
Wo zwei sich treu umfangen,
Da giebt er den holdesten Schein.
O stille dies Verlangen,
Laß den Geliebten ein!

Du bist das süße Feuer,
Das mir am Herzen zehrt;
Lüfte, lüfte den Schleier,
Der nun so lang' mir wehrt!
Laß mich vom rosigen Munde
Küssen die Seele dir,
Aus meines Busens Grunde
Nimm meine Seele dafür -
O stille dies Verlangen,
Stille die süße Pein,
Zu seligem Umfangen
Laß den Geliebten ein!

Die goldnen Sterne grüßen
So klar vom Himmelszelt,
Es geht ein Wehn und Küssen
Heimlich durch alle Welt,
Die Blumen selber neigen
Sehnsüchtig einander sich zu,
Die Nachtigall singt in den Zweigen -
Träume, liebe auch du!
O stille dies Verlangen,
Laß den Geliebten ein!
Von Lieb' und Traum umfangen
Wollen wir selig sein.

Emanuel Geibel (1815-1884)
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O heilige Wollust, heilig du auf Erden!

O heilige Wollust, heilig du auf Erden!
Wer ganz in dir ist, der ist gottvollkommen,
Und übermütig wach sind seine Kräfte.
Sein Blick ist küssender Mund,
Sein küssender Mund erglühender Schoß,
Sein Lächeln sagt von allen Zärtlichkeiten.
Sein Leib ist Glut und Glanz,
Und Glut und Glanz strömt aus von ihm,
Der mehr an Liebe trägt, als er behalten kann.

Ich liebe Einen / und alle lieben mich!
Ich liebe Einen / und ich weiß die Welt,
Und ihr Geheimnis ist mir aufgedeckt.
Ich bin nun eines Werdens Mittelpunkt,
Ein Sturm und Ausgang, Sehnen, Lust und Macht,
Bin rosenroter Freude Flügelschwung
Und schlanker Pfeil, der hell ins Leben schwirrt.
Ein Sieger bin ich über alles Leid:
Gestrafft die Zügel! Und mein Wagen braust,
Und seine Speichen singen Seligkeit,
Und seine Spur gräbt Runen in den Tag,
Und Herzen klopfen, die die Runen sehn.

Ich liebe Einen! / O nur dies zu denken,
Entfesselt namenloses Glück!
Was ist ein Geist, der nichts von Liebe weiß,
Was ist ein Leib, dem ihre Wollust fremd?
Ein solcher Geist ist ohne Zeugungskraft,
Ist nur ein schwacher Spiegel seiner selbst;
Ein solcher Leib ist traurig unbelebt
Und seelenlos wie blödes Meergetier.
Doch Geist, der liebt, ist jenem Urquell nahe,
Der unablässig Lebensodem braut;
Und Leib, der liebt, ist dieser Urquell selbst,
Ist Kraft und Güte, Glanz und Harmonie.
O wer am Leben krankt und seinen Sinn nicht findet,
Sich trübe nur durch Labyrinthe windet,
Der bade sich in Wollust rein,
Und heilig liebenswert wird ihm das Leben sein.

Gisela Etzel (1880-1918)
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In stillster Nacht ...

In stillster Nacht
in tief geheimnisvoller Stunde
kam es zu mir auf leisen Engelsfüßen.
Aus allen Tiefen, allen Höhn
umschwoll es mich wie klagendes Getön,
wie einer tiefen Sehnsucht Grüßen.

In stillster Nacht
in tief geheimnisvoller Stunde
da hab ich mich für alle Zeit
aus heilig heitrem Herzensgrunde
der Schönheit Sonnenreligion geweiht.

Christian Morgenstern (1871-1914)
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An die Schönheit

Ich möchte die Schönheit in mich trinken,
die Schönheit, die schon meiner harrt.
Wo bleibst du, sagt sie, ich steh erstarrt,
und ich will erweichen und will versinken
in eine lebende Gegenwart,
ich will in einen untertauchen,
der mich nicht allen andern zeigt,
der mich verschlingt und mich verschweigt,
aus seinem Atem will ich hauchen
und wie vergangen in ihm ruhn,
auf dass er mich erst wieder dichte,
ich will in seinem Augenlichte
und auferstehn in seinem Tun.
Denn diese, die da suchend schleichen,
sich bücken, näher mich zu sehn,
und mich umwandeln auf den Zehn,
mich messen und mit sich vergleichen,
ach, alle diese sind wie Diebe,
ihr Blick, wenn er sich hebt, entweiht.
Ich aber bin alt wie die Zeit
und unbesiegbar wie die Liebe
und gross wie Gottes Schöpfersinn,
und weil ich unermesslich bin,
will ich in einem untergehn,
der unersättlich ist an mir,
nicht ein getragenes Panier,
nicht eine Helm- und Panzerzier,
als eine Flamme will ich wehn
aus ihm für mich und er aus mir.

Richard von Schaukal (1873-1942)
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Wenn müd du von der Liebe Wonnen ...

Wenn müd du von der Liebe Wonnen,
Und sanft dich Schlummer überfließt,
Entzückt fühl' ich dein warmes Leben
An meins in jedem Tropfen beben,
Der durch die Adern hingeronnen
In leichter Wallung sich ergießt!

Des Auges blaue Strahlenkreise
Verbirgt die Wimper meinem Blick;
Doch dämmernd durch die zarte Hülle
Wie Mondglanz quillt des Lichtes Fülle,
Und deine Lippen murmeln leise
Im Traume noch von unserm Glück.

Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)
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Fünf Gedichte über die Sünde


Wer sich in stiller glut verbrennt /
Und menschen-liebe sünde nennt /
Muß auch das paradieß verdammen;
Denn Evens weisse marmel-haut
War kaum aus knochen auffgebaut /
So fühlte Adams herz schon süsse liebes-flammen.

Benjamin Neukirch (1665-1729)
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Nantchens Unbussertigkeit

Ihn lieben wäre Sünde! Nein!
Das glaub' ich nimmermehr!
Doch wenn es wirklich Sünde wär',
Die Sünde könnt' ich selbst im Tode nicht bereun.

Gabriele von Baumberg (1768-1839)
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Sel'ger Tausch

Mit stolz erhobnem Haupte kann ich gehn,
denn meinen Nacken beugte nie die Sünde,
nie blickt ich in des Lasters tiefe Gründe,
kann jedem Menschen frei ins Antlitz sehn!

Und doch – bei Gott – ich gäb voll Freudigkeit
all meinen Stolz für eine heiße Stunde
in deinem Arm, an deinem roten Munde
und wäre selig bis in Ewigkeit.

Else Galen-Gube (1869-1922)
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Ich glaub', lieber Schatz ...

Unter den blühenden Linden -
Weißt du's noch?
Wir konnten das Ende nicht finden,
Erst küßtest du mich,
Und dann küßte ich dich -
Ich glaub', lieber Schatz, es war Sünde,
Aber süß, aber süß war es doch!

Der Vater rief durch den Garten -
Weißt du's noch?
Wir schwiegen ... der Vater kann warten!
Erst küßtest du mich,
Und dann küßte ich dich:
Ich glaub', lieber Schatz, es war Sünde,
Aber süß, aber süß war es doch.

Anna Ritter (1865-1921)
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Die Göttin

Und ist die Liebe Sünde,
Wer hat sie denn gemacht?
Und ist es Höllenfeuer,
Wer hat es denn entfacht?

Und ist sie ungeberdig,
Wer hat sie so gewollt?
Und ist sie zu tyrannisch,
Wer hat darob gegrollt?

Die Lieb ist Trank und Speise,
Die Lieb ist höchste Kraft,
Die Lieb ist Göttergabe,
Die Lieb ist Lebenssaft.

Doch wehe, wer die Göttin
In niedre Bahnen schleift!
Sie sengt die frechen Hände,
Die sie zu rauh gestreift.

Carmen Sylva (1843-1916)
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Epigramma

Ist Liebe Zuckersüs/ wie daß sie bitter schmecket?
Ist Liebe bitter Gall/ wie daß sie Lust erwecket?
Ist Liebe lauter Fewr/ wie daß sie Thränen bringt?
Ist Liebe lauter Flut/ daß ihre Glut dann dringt
Zu innerst in das Hertz? Ist Liebe was zu nennen?
Wer ist dann der/ und die/ so Liebe recht mag kennen?
Ist Liebe lauter nichts/ wie kan und mag es seyn/
Daß sie bringt dir und mir wol tausend Höllen-Pein?
Ist Liebe Menschen-Werck/ wie daß sie Götter drenget?
Ist Liebe Götter Thun/ wie daß sie sich vermenget
Mit dem/ was menschlich ist? Ist Liebe heilsam-gut/
Wie daß sie dann so gar verformet Hertz und Mut?
Drumb wer wil witzig seyn/ und Fillis ihm erjagen/
Der wird/ was Lieben sey/ mir kürtzlich Antwort sagen.

Ernst Christoph Homburg (1607-1681)
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Die Liebe

Ach, gibt es ein göttlicher Weh als die Liebe,
Gibt es ein köstlicher Glück als ihr Leid,
Streift sie auch nur mit dem Finger dein Kleid
Mitten im sinnlosen Straßengetriebe!

Liebe fühlt fein, wie ein Nackter im Grase,
Liebe im Aug' sieht den Winter noch grün,
Macht auch den Waffenlosen todkühn
Und trutzig dein Herz zum Prellstein der Straße.

Mehr als die Weisen kann Liebe begreifen,
Liebe gibt tausend Glühlampen dem Geist,
Liebe hat alle Sternbahnen bereist,
Liebe ist rund um das Weltall ein Reifen.

Mit dem Liebe gerungen, der nur ist Ringer,
Wer um Liebe gelitten, der nur hat Ruhm;
Wer die Liebe verschwiegen, der nur war stumm;
Wer aus Liebe gesungen, der nur war Singer.

Max Dauthendey (1867-1918)
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Schmücke dich, Liebste

Schmücke dich, Liebste, der Abend naht.
Winde dir Ketten ins leuchtende Haar.
Siehe, die Sonne will sich verneigen.
Tiefer noch will sich die Stille verschweigen.
Kerze flammt am Altar.

Wisse, die Seele liebt sich zu verschwenden.
Brennende Feier und wehe Musik.
Leiser noch will ihr Geheimnis lallen.
Goldener Tropfen, zögerndes Fallen
Ist ihr unsägliches Glück.

Hülle dich, Liebste, in weiße Gewänder,
Ehe die Saite zerspringt.
Lächle im Saale der Engel und Rosen,
Laß dir die kindliche Stirne kosen,
Ehe das Echo verklingt.

Sei mir ein Fest und ein zärtliches Wunder,
Milder noch blühe dein Schein.
Wenn wir die magischen Worte tauschen,
Geht durch die Seele ein Flügelrauschen,
Dem wir uns weihn.

Schmücke dich, Liebste, oh, süßes Verwehen.
Bald ist der Sommer verklungen.
Über den Hügeln welken die Kränze,
Doch in die Höhen der himmlischen Tänze
Sind wir entrückt und verschlungen.

Hugo Ball (1886-1927)
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An den fernen Freund

Seitdem du mich verließest, denke ich dich immer.
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich dein Bild ...
So nah und wirklichschön als ob kein Raum uns,
Keine Städte trennten.
Bei meiner Kerze sanftem Schimmer
Trittst du ganz leise, leise in das Zimmer ...
Um deine Lippen schwebt ein Lächeln kindlich mild.

Dann leg ich meine Hände zart an deinen Körper.
Dann küß ich innig deinen weichen roten Mund.
Dann sag ich schweigend dir die letzten Dinge.
Dann bin ich ganz in dir und du in mir.
Dann kann uns nichts mehr trüben, nichts mehr trennen,
Weil wir nur eine Liebe, eine Seele, eine Wolke sind.
Zwei Lichter, die in einen Himmel brennen.
Ein Baum, ein Stern, der gute Abendwind.

Dann sind wir sündenlos und weise.
Dann ist kein Raum und keine Zeit.
Dann schweben wir so süß erfüllt und leise
In Gottes Urunendlichkeit.

Francisca Stoecklin (1894-1931)
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Heimlicher Jubel

Süsser, – Einziger, – Grosser, – Schöner!
Mein Herz bricht vor Glück, wenn ich dich denke!
O gib – o schenke,
Ein leises Grüssen der Fernen!

Herrlicher, Süsser, Schöner.
Der du Grosses erstrebst!
Ich jauchz es bis zu den Sternen:
Wie schön ist die Welt, weil du lebst!

Elsa Asenijeff (1867-1941)
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Samtrose

Samtrose, die sie zärtlich mir gesandt,
Samtrose, selbst gepflückt von ihrer Hand!
Ein schwerer Duft, ein dunkeltiefes Rot,
Wie ihre Wange, wenn sie lustdurchrieselt loht.

Samtrose, deinen Hauch einatm ich lang,
Aus deinem Kelche quillt ein süßer Klang.
Liebend ein Silberstimmchen gaukelt empor,
Samtrose, lauschend, lauschend leg ich an dich das Ohr.

Samtrose, die berührt ihr feiner Mund,
Nun will auch ich dich küssen wonnewund.
In deinem Kelch, an dem sie zart getrunken,
Sind meine Lippen, zitternder Sehnsucht voll versunken.

Karl Henckell (1864-1929)
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Die Liebe hat die Welt geboren

Die Liebe hat die Welt geboren,
Und sie gebiert sie täglich neu;
Sie hat aus Nichts das All' beschworen
Und hält's in Armen stet und treu.

Sie spendet Licht und spendet Leben,
Sie hat die Nacht zu Tag erhellt;
Sie lohnet jedes edle Streben
Und segnet die beglückte Welt. -

Jungfräulich reine Himmelsblüte,
Des Weltalls holde Schöpferin!
Barmherzig, mild und voller Güte,
Bist Mutter du und Königin!

Was krank, das machest du genesen,
Was todt, das machst du auferstehn.
Wer dich erwählt, wen du erlesen,
Wird nicht in Ewigkeit vergehn.

Der Sehnsucht Weh ergreift die Herzen,
Die fühlend du erschaffen hast;
Zur Rettung werden herbe Schmerzen,
Zu lauter Lust wird Kummers Last.

Vom Auge fällt der Täuschung Binde,
Der Wahn des Todes und der Zeit,
Und um sich schaut geheilt der Blinde,
Im lautern Licht der Ewigkeit.

Da steht ringsum vor seinen Blicken
Die Welt in voller Blütenpracht -
Er ist - o seliges Entzücken -
In ew'ger Liebe Lenz erwacht!

Oswald Marbach (1810-1890)
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Aus: Hyperion

Was ist alles, was in Jahrtausenden
die Menschen taten und dachten,
gegen Einen Augenblick der Liebe?
Es ist aber auch das Gelungenste,
Göttlichschönste in der Natur!
dahin führen alle Stufen
auf der Schwelle des Lebens.
Daher kommen wir,
dahin gehn wir.

Friedrich Hölderlin (1770-1843)
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Von dem ersten puchstaben seins Bulen

(...) E., bis vor aller welt gelobt!
E., hertz vnd synn nach dir tobt!
Ich prynn vf der mynne rost,
Du bist geschmeltz in mein prust
Mit glüenden zangen!
Du bist mein glüender anger!
Du bist mein prähent sunnen glast!
Du bist meiner sälden last!
Du bist mein glestig morgenstern!
Du bist mein ros, mein mandelkern!
Du bist mein fruchtig rosen paum!
Du bist meins lebens lestig zaum!
Du bist mein süsser palsamschmack!
Du bist mein trost nacht vnd tag!
Du bist mein lustig Mayenspil!
Du bist meiner sorgen zil!
Du bist meiner lieb anfang!
Du bist der mynn ain lustig strang
Vnd meiner augen himelreich!
Ich weisz vff erd nit dein geleich.

Aus dem Liederbuch der Clara Hätzlerin (1471)
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Ich habe dich so lieb

Ich habe dich so lieb!
Ich würde dir ohne Bedenken
Eine Kachel aus meinem Ofen
Schenken.

Ich habe dir nichts getan.
Nun ist mir traurig zu Mut.
An den Hängen der Eisenbahn
Leuchtet der Ginster so gut.

Vorbei - verjährt -
Doch nimmer vergessen.
Ich reise.
Alles, was lange währt
Ist leise.

Die Zeit entstellt
Alle Lebewesen.
Ein Hund bellt.
Er kann nicht lesen.
Er kann nicht schreiben.
Wir können nicht bleiben.
Ich lache.
Die Löcher sind die Hauptsache
An einem Sieb.

Ich habe dich so lieb.

Joachim Ringelnatz (1883-1934)
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Ghasele II.

Vor Allen Dich zu schau'n scheint mir erlaubt nur;
Es kehrt nach Deinem Reiz sich überhaupt nur
Mein Blick wie ein Planet zur Sonnenherrin.
Für Dich hat sich der junge Hain belaubt nur,
Und seine Sänger schmettern Dir zum Preis nur.
Die Welt ist todt, an Deine Schönheit glaubt nur
Mein Herz, und nur Dein Anblick gibt ihm Leben,
Das wiederum ihm Dein Entschwinden raubt nur.
Du bringst Musik und Licht. Fliehst Du, so krächzt nur
Die Nachtigall, die Sonne ist bestaubt nur;
Es sprossen Blumen nur da, wo Du schreitest,
Und Sterne flammen um Dein schönes Haupt nur.

Udo Brachvogel (1835-1913)
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Die Uhr zeigt heute keine Zeit

Ich bin so glücklich von deinen Küssen,
Daß alle Dinge es spüren müssen.
Mein Herz in wogender Brust mir liegt,
Wie sich ein Kahn im Schilfe wiegt.
Und fällt auch Regen heut ohne Ende,
Es regnet Blumen in meine Hände.
Die Stund', die so durchs Zimmer geht,
Auf keiner Uhr als Ziffer steht;
Die Uhr zeigt heute keine Zeit,
Sie deutet hinaus in die Ewigkeit.

Max Dauthendey (1867-1918)
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Das Herz

Das Herz, so klein in seinem Raum,
Das Herz, so groß in seinem Traum,

Es schlägt in enger Menschenbrust
Und faßt des Erdballs Schmerz und Lust.

Beständig spricht's mit seinem Pochen,
Was Menschenweisheit nie gesprochen;

Hätt's für sein stummes Wort den Mund,
Es gäb das Weltgeheimniß kund.

Hieronymus Lorm (1821-1902)
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Du fragst, wozu das Küssen tauge?

Du fragst, wozu das Küssen tauge,
Und was es eigentlich will sagen?
Um sich zu blicken Aug' in Auge,
Und Seel' um Seele zu befragen.

Wenn Auge sich in Auge spiegelt
Und sich zu Seele Seele findet,
Dann wird im Kusse rasch besiegelt,
Was treue Herzen ewig bindet.

Drum willst du je dich küssend neigen,
So giebt es Eines, das bedenke:
Daß leis in andachtvollem Schweigen
Auch Seele sie in Seele senke.

Wo nur die Lippen sich berühren,
Da wirst du bald verschmachten müssen;
Der Liebe Wonnen ganz zu spüren,
O lerne mit der Seele küssen!

Robert Prutz (1816-1872)
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Nichts Schöners als Treu

Zwei Herzen im Leben
gar schön sich ergeben,
wenn sie es verstehen
und recht zusammen gehen;
so kann ja auf Erden
aus zwei Herzen Eins werden:
sie sagen, es sei
nichts Schöners als Treu.

Die Perlen, Korallen
die können zwar prahlen;
die Perlen, Rubinen,
die können das rühmen;
sie können zwar trutzen,
ihr Schönheit aufputzen:
sie sagen, es sei
nichts Schöners als Treu.

Frag alle Bekannte,
frag alle Verwandte,
frag alle Verliebte,
frag alle Betrübte,
frag Himmel und Erden,
frag, was kann gefragt werden:
sie sagen, es sei
nichts Schöners als Treu.

Nun sei es beschlossen,
ganz treu, unverdrossen;
dir will ich mein Leben
ganz treu untergeben:
und den du wirst fragen,
der kann dirs gleich sagen,
daß Schöners nichts sei,
als bleiben getreu.

Deutsches Volkslied
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So wahr die Sonne scheinet

So wahr die Sonne scheinet,
So wahr die Wolke weinet,
So wahr die Flamme sprüht,
So wahr der Frühling blüht;
So wahr hab' ich empfunden,
Wie ich dich halt' umwunden:
Du liebst mich, wie ich dich,
Dich lieb' ich, wie du mich.
Die Sonne mag verscheinen,
Die Wolke nicht mehr weinen,
Die Flamme mag versprühn,
Der Frühling nicht mehr blüh'n!
Wir wollen uns umwinden
Und immer so empfinden:
Du liebst mich, wie ich dich;
Dich lieb ich, wie du mich.

Friedrich Rückert (1788-1866)
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Bezaubert

Die Wange läßt die Wange nicht;
Es läßt nicht Mund von Mund,
Und ach! es läßt sich lange nicht,
Was ein's in Herzens Grund.

Möcht' bei dir weilen immerdar; -
Dich schauen selig an! -
Bei Gott, es hat's uns wunderbar
Ein Zauber angethan.

Karl Siebel (1836-1868)
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Du bist so schön wie Sommernacht ...

Du bist so schön wie Sommernacht,
Wenn rings ein blauer Himmel lacht,
Und jeder Stern im Aetherzelt
Lobpreist und rühmt den Herrn der Welt.

Du gleichst an Güte jenem Geist,
Der alle Wesen tränkt und speist,
Der Blumen nährt und Früchte reift,
Beglückend durch die Welten schweift.

Du bist so groß wie Gottes Wort,
Das durch die Zeiten rauschet fort
Und einst von Sinais Höh'n erscholl,
Aus Donnern und aus Blitzen quoll.

Du bist so rein wie Blütenschnee,
Wie Flutkrystall auf blauem See,
In den die Sonne niedertaucht,
Durch den der Abend Kühlung haucht.

Du bist so mild wie Sternenlicht,
Das sich in deinem Auge bricht,
Daß sich in ihm der Himmel malt
Und Gottes Hoheit aus dir strahlt.

Heinrich Zirndorf (1829-1893)
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Oft, wenn wir ruhen Mund an Mund

Oft, wenn wir ruhen Mund an Mund
Und meine Adern an den deinen pochen,
Nach innen lausch' ich plötzlich still;
Ich fühle, wie aus unsrer Seele Grund
Ein Wort, noch nie auf Erden ausgesprochen,
Empor sich ringen will.

O! der Natur Geheimniß ruht
Und alles Lebens in dem Wort beschlossen,
Doch matt bisher noch ists verhallt.
Höher aufflammen laß der Küsse Gluth,
Daß es zuletzt, in vollen Klang ergossen,
Von unsern Lippen wallt!

Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)
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O Liebessegen

O Liebessegen
Allüberall!
Auf allen Wegen
Des Frühlings Schall:
Rings blau die Lüfte,
Die Erde grün,
So frische Düfte,
So volles Blühn!

Nun komm, begrüße
Den Maienstrahl,
Schwärm' mit, o Süße,
Durchs helle Thal!
O laß uns stehen
In Wald und Feld,
Vom Berge sehen
Weit in die Welt!

Der Lerche Lieder
Wehn um die Höh,
Wir sitzen nieder
Im weichen Klee,
Von Blütenzweigen
Licht überdacht:
Wie blüht so eigen
Der Erde Pracht!

Wir sind versunken
In stiller Lust,
Wir neigen trunken
Uns Brust an Brust;
Und die Ergüsse
Der Liebe sind
Nur süße Küsse,
Nur Blicke, Kind.

So ganz ergeben,
Ich dein, du mein! -
Ein einig Leben
Webt in uns zwein!
O schönste Triebe
Im Weltenall
O Lenz, o Liebe,
Allüberall!

Wolfgang Müller von Königswinter (1816-1873)
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Wechselgesang

Der Geliebte
Nur du bist schön, du meine Liebe!
Schön deine Augen, taubengleich!

Sulamith
Nur du allein, o mein Geliebter,
Nur du bist schön und anmuthreich!

Er
Komm! Unser Lager grünt. Auf Pfeiler
Von Cedern baut sich unser Haus,
Und Edeltannen breiten wölbend
Zum Schattendach die Arme aus:

Sie
Narzisse bin ich nur von Saron,
Feldlilie nur, des Schmuckes bar.

Er
Wie eine Lilie unter Dornen,
So blickt sie aus der Mädchenschaar.

Sie
Gleichwie ein Apfelbaum, im Wald entsprossen,
Reichblühend strahlt vor all den wilden Bäumen,
So ist mein Jüngling unter den Genossen.
In seinem Schatten, welche Lust, zu säumen!
Den Gaumen süß zu laben an den Früchten!
O brächt' er mich zurück aus diesen Räumen!

Möcht' er mich doch in seinen Weinberg flüchten,
Daß sein Panier ich froh zu Häupten fühle!
Reicht mir zur Stärkung von der Traube Früchten!
Mit Aepfeln labt, daß ich die Gluten kühle;
Denn krank bin ich vor liebendem Verlangen! -
Läg', ach, die Linke meinem Haupt zum Pfühle!
O daß mich seine Rechte hielt' umfangen!

(Der Dichter)
Bei der Flur Gazell' und Hinde,
Sacht, o sacht!
Ich beschwör' euch, Töchter Salems!
Seid bedacht:
Weckt nicht, regt nicht auf die Liebe,
Bis sie durch sich selbst erwacht!

Max Schaffrath (1813-1877)
Aus: Sulamith. Das Hohelied der Liebe
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Mailied

Wie herrlich leuchtet
Mir die Natur!
Wie glänzt die Sonne!
Wie lacht die Flur!

Es dringen Blüten
Aus jedem Zweig
Und tausend Stimmen
Aus dem Gesträuch,

Und Freud und Wonne
Aus jeder Brust.
O Erd, o Sonne!
O Glück, o Lust!

O Lieb, o Liebe!
So golden schön,
Wie Morgenwolken
Auf jenen Höhn!

Du segnest herrlich
Das frische Feld,
Im Blütendampfe
Die volle Welt.

O Mädchen, Mädchen,
Wie lieb ich dich!
Wie blickt dein Auge!
Wie liebst du mich!

So liebt die Lerche
Gesang und Luft,
Und Morgenblumen
Den Himmelsduft,

Wie ich dich liebe
Mit warmen Blut,
Die du mir Jugend
Und Freud und Mut

Zu neuen Liedern
Und Tänzen gibst.
Sei ewig glücklich,
Wie du mich liebst!

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Liebesgedicht

Ich wollt', ich wär' das schöne, starke Meer!
Dann lauschte ich, bis daß sie baden käme,
Daß, käm' sie einmal zu mir her,
Ich sie auf immer zu mir nehme.

Ich faßte sie in meinen starken Arm,
Ich bettete sie tief auf meinem Grunde,
Da hielt ich die Geraubte fest und warm,
Und nur mein Jauchzen gäbe von ihr Kunde. -

Und immer hielt ich sie umfangen,
Die nackte, herrliche Gestalt,
So lang die Erde steht, umfangen
Mein süßes Glück mit Allgewalt!

Und sie, von mir umspült, getragen,
Sie könnt' empfinden nichts als mich,
Mit allen Sinnen, allen Theilen
Nichts auf der ganzen Welt als mich!

Und also tief in mir nach innen
Mein ganzes Wesen wär' ein Kuß,
Den sie auf ihren schönen Gliedern
Nun immerdar empfangen muß.

Und außen rauscht' ich meine Lieder
In alle Winde donnernd hin,
An alle Küsten brandend, tosend,
Verkündend, wie ich glücklich bin!

August Wolf (1816-1861)
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O Minne!

Holdselig wechselnd Minnespiel,
Reich bist du sonder Maß und Ziel!
Und wenn auch Tinte rings das Meer,
Ein Pergament der Himmel wär',
Und Schreiber schrieben hundert Jahr',
Es würd' nicht offen und nicht klar,
Wie du mir thust so wunderbar,
O Minne, o Minne!

Holdselig wechselnd Minnespiel,
Reich bist du sonder Maß und Ziel!
Und hab' ich dich, klingt's mir im Ohr
Wie Geigenlaut, wie Vogelchor,
Ich seh' wie in die grünste Au',
In rothen Rosen blitzt der Thau,
Ich schwebe wie im Himmelsblau,
O Minne, o Minne!

Holdselig wechselnd Minnespiel,
Reich bist du sonder Maß und Ziel!
Es ist wie Honig mir im Mund,
Wie Himmelreich im Herzensgrund!
Da ich am liebsten Herzen lag,
Da hellster Seligkeit ich pflag,
Sind tausend Tage wie ein Tag,
O Minne, o Minne!

Wolfgang Müller von Königswinter (1816-1873)
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Das Lied vom Kusse

Ein Kuß ist ohne Gleichen
Der Liebe wahrstes Zeichen
Und zartester Genuß!
Ist Anfang, Mitt' und Ende,
Der Liebe Frühlingswende,
Der Bienen Veilchengruß.

Wer küßt, verheißt sein Leben
Dir auch so hinzugeben
Und Liebesüberfluß;
Ein Kuß vergilt die Leiden,
Und für die reinsten Freuden
Dankt man mit einem Kuß.

Du kennst das Gold am Glanze,
Die Jungfrau an dem Kranze,
Das Weib ist wie ihr Mund;
Wie frisch sie leb' und blühe,
Wie heiß sie lieb' und glühe,
Das thut ein Kuß dir kund.

Die Augen können trügen,
Die Worte können lügen,
Geschenke, die man giebt.
Ein Kuß nicht? — Auch! — doch wisset:
Wer nie dich recht geküsset,
Hat nie dich recht geliebt!

Leopold Schefer (1784-1862)
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Blauäugelein

Du bist im Strahlenkleide
Die Sonne lieb und mild,
Du bist auf grüner Haide
Ein schön Madonnenbild.
Der lichte Schein des Goldes
Erglänzt in deinem Haar ...
Blauäugelein, du holdes,
O schütz mich immerdar!

Ich sinke vor dir nieder
Voll sehnender Begier
Und jedes meiner Lieder
Ist ein Gebet zu dir,
Ein Flehen nur, ein scheues,
Um Rettung aus Gefahr ...
Blauäugelein, du treues,
O schütz mich immerdar!

O diese Augen, beide
So mild, so fromm, so gut,
Darüber das Geschmeide
Der zarten Wimper ruht,
Sie sind voll lieben Scheines
Das schönste Sternenpaar -
Blauäugelein, du reines,
O schütz mich immerdar!

Eduard Kauffer (1824-1874)
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Wechselliebe

Wer hägt das heilige Gefühl,
Das ewig unsre Brust durchlodert;
Wer nährt das süsse Flammenspiel,
Das ewig neue Nahrung fodert?

Es hägt und nähret sich allein
Die Liebe braucht nicht Huth und Pflege.
Das Flämmchen spielt von selbst so rein,
Von selbst so ewig jung und rege.

Wer fodert, was er geben kann,
Darf nicht umsonst nach Freude wandern:
Ein Flämmchen facht ein andres an,
Ein Herz erwärmt sich an dem andern.

Die Liebe nimmt und gibt zugleich;
Sie gäbe selber gern das Leben.
Sie ist so wunder- wunderreich,
Und wird nur reicher noch durch Geben.

Wenn solcher Segen darauf ruht,
Wer wollte nicht zu geben eilen?
O Herzen, spendet Gut um Gut.
O eilet, euer Glück zu theilen!

Karl Reinhard (1769-1840)
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Mein Lieb ist eine Blume wild ...

Mein Lieb ist eine Blume wild,
Eine wilde, wilde Blum',
Und was mein Herz und Aug' erfüllt,
Ist all ihr Preis und Ruhm.
Eine wilde Blume, licht und hell,
Die blüht nicht auf am Waldesquell,
Die blüht nicht am Wiesenrain -
Hell blüht sie auf am Herzen mein.
Mein Lieb, daß Gott dich vielmal grüß',
Meine wilde, wilde Blume süß!
Durch Fern' und Zeit, in Lust und Leid
Bist mein du nun in Ewigkeit.

Im Garten rings der großen Welt
Zieh still umher ich weit.
Wie ist da alles wohl bestellt
Und prahlt im stolzen Kleid!
Das hab' ich keck mir angeschaut,
Fand manch ein wunderseltsam Kraut,
Fand manche Blüthe zart und schön,
Ließ ihren Duft mich tief durchweh'n.
Mein Lieb, daß Gott dich vielmal grüß',
Meine wilde, wilde Blume süß!
Durch Fern' und Zeit, in Lust und Leid
Bin dein ich nun in Ewigkeit.

Als du zuerst mich angelacht,
Nur einmal, frei und hell, -
Der Märchen alte Zaubermacht
Durchwogte mich zur Stell'.
Es wogte süß, es wogte bang
Ein heimlich sehnsuchtsvoller Drang,
Verschwieg'ne Glut, verborg'ne Lust,
Endlose Liebe in enger Brust.
Mein Lieb, daß Gott dich vielmal grüß',
Meine wilde, wilde Blume süß!
Durch Fern' und Zeit, in Lust und Leid
Bin dein ich nun in Ewigkeit.

Es weht die Luft mit leisem Duft -
Weiß wohl, was der mir bringt.
Aus blauer Höh' ein Vogel ruft -
Weiß wohl, was der mir singt.
Es grüßt der Duft so leis von dir,
Das Vöglein lockt: komm heim zu ihr,
Und pfleg' sie süß und wieg' sie mild,
Dein süßes Lieb, deine Blume wild!
Mein Lieb, daß Gott dich vielmal grüß',
Meine wilde, wilde Blume süß!
Durch Fern' und Zeit, in Lust und Leid
Bist mein du nun in Ewigkeit.

Edmund Hoefer (1819-1882)
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Liebesglühen

Wir lieben uns - die Herzen sind zufrieden,
Sie haben sich gefunden und erkannt.
Was braucht es mehr? Das höchste Glück hienieden
Ist: wenn das Gleiche sich zum Gleichen fand.

Wir lieben uns! Die Welt mag uns beneiden,
Wir schau'n hinab auf jede niedre Sucht,
Wir, wir nur kennen, haben unsre Freuden
Und liegen in des Glückes sich'rer Bucht.

Wir lieben uns! O lästert nur, ihr Zungen!
Ihr kennt den Trost des hohen Wortes nicht,
Denn, wenn die Herzen ihren Bund geschlungen,
Ist Lieben nur die einzig höchste Pflicht.

Wir lieben uns! Zeus steig' von deinen Sonnen,
Und gieb uns, was uns Lieb' ersetzen kann!
Wie bist du arm! Komm, theile unsre Wonnen,
Komm, fühl' als Mensch, du großer Göttermann!

Wir lieben uns! In deinen Himmeln leben - -
Ich leiste fröhlich auf dies Glück Verzicht!
Kannst du die Liebe dort nicht wiedergeben,
So will ich deine Seligkeit auch nicht!

Wir lieben uns! Du, Erde, stürz' zusammen,
Verlöscht, ihr Sterne, euer goldnes Licht
Wir lächeln unter den Verwüstungsflammen
Und rufen, wenn das Aug' im Tode bricht:
Wir lieben uns!

Abraham Gottlieb Hermann Franzius
(1801-1832)
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Lied der Liebe

Du liebst mich! ja! und mit Entzücken
Spricht es der Klang der Saiten aus,
In's Leben kann ich freudig blicken
Und in die Hoffnung weit hinaus.
Mir trägt die Welt, mir tragen Sterne,
Das Bild der Liebe nah und ferne.

Des Menschen höchste Lust und Würde
Geht liebend aus dem Herzen auf,
Und frey von jeder Lebensbürde
Beginnt der Göttersohn den Lauf;
In seiner Brust der Sonne Gluthen
Muss auch ihr Licht ihn hell umfluthen.

Und wollte aus den Äthergleisen
Ihn niederziehn der Sinne Wahn,
Zu reiner Liebe heil'gen Kreisen
Kann Ungeweihtes nimmer nah'n.
Sie winkt und finstre Larven weichen,
Den Himmel muss sie frey erreichen.

Ja liebend, Seel in Seel ergossen,
Und Herz an Herz, und Hand in Hand,
Der Flamme selige Genossen,
Die in der eig'nen Brust entbrannt,
Gehn Liebende durch kalte Zeiten
Getrost die Bahn der Ewigkeiten.

Geliebte! in der Saiten Beben
Ertönt mein Dank, ertönt mein Glück;
Doch mehr noch hallt mein ganzes Leben
Dies heilige Gefühl zurück.
Hast du, von meinem Arm umwunden,
Dies Leben auch so schön gefunden?

Ulrich von Schlippenbach (1774-1826)
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Ist nicht dein Leib, anmuthumflossen ...

Ist nicht dein Leib, anmuthumflossen,
Die Blüte schaffender Magie?
Hat sich nicht rein in ihn ergossen
Der ew'gen Kräfte Harmonie?

Ist dein Gesicht, das schönheitreiche,
Nicht deiner Seele Lustgefild?
Ist nicht die Brust, die schwanengleiche,
Der Herzensfülle Wunderbild?

Glänzt des Gemüthes tiefste Regung
Nicht in des Auges holdem Blick?
Tönt nicht die Grazie der Bewegung
Den Abglanz innerster Musik?

Ist's nicht der Liebe Geist, der wonnig
Durch Herz und Adern sich ergießt
Und mit Verklärungslichte sonnig
Die herrliche Gestalt umfließt?

Du bist ein Ganzes ohne Fehle,
Ganz lieb' ich dich, geliebtes Weib:
Die holde, süße, reine Seele,
Den holden, süßen, reinen Leib.

Melchior Meyr (1810-1871)
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Flamme

Was sträubst du dich der süßen Glut,
die züngelnd schon dein Haupt versengt,
die liebeheißen Atems dich
mit Flammenarmen eng umdrängt?!

Die Glut bin ich – und du bist mein!
wirf ab, wirf ab das Alltagskleid:
gib deine ganze Seele hin
in ihrer nackten Herrlichkeit!

Umschlingen will ich glühend dich
und pressen dich ans heiße Herz,
die Kette schmelzen, die dich band,
in meinem Kuß wie tropfend Erz!

Und flüstern will ich dir ins Ohr
ein Wörtlein, zaub'risch wunderfein,
daß du nichts andres denken sollst,
als mich allein, als mich allein ...

Clara Müller (1861-1905)
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Ich denke Dein

Wenn Sonne sinkt
Ins wogende Meer hinab,
Wenn goldighell
Die Wolke, wie Purpur, glüht,
Heiliger Sternenchor
Funkelt am Himmelsplan,
Wenn die Natur schweigt,
Ruhe das All umfängt,
Nachtigall klagend mir
Flötet im Pappelhain,
Dann denk' ich Dein!

Wenn Sonne steigt
Aus rosiger Fluth empor -
Strahlendes Himmelsaug'
Segnend die Flur anlacht -
Ringsum das All erwacht -
Lerchen mit frohem Sang,
Singend dem Schöpfer Dank,
Steigen in milder Luft -
Freude und Jubel hoch
Waltet im Weltenkreis -
Liebe, so schön und rein
Schimmert wie Sternenschein -
Dann denk' ich Dein!

Alexander Rydenius (1800-1823)
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Das Herz

O Menschenherz, du bist der Schöpfung Krone!
Was ist wie du so tief und unergründlich?
Dich faßt kein Sinn - Lust, Leid, sie wechseln stündlich,
Gleich Wettern in des Aethers luft'ger Zone.

Bald bebst du bang, bald - einer Welt zum Hohne -
Der Schönheit Sklav, erglühst du leicht entzündlich,
Jetzt grollst du tief, doch rasch dünkt Groll dich stündlich,
Schon liebst du neu, ob sich's auch nie dir lohne.

Und Wonnen, drin entzückt die Seele badet,
Und Leiden, die des Busens Mark verzehren,
Nur du, o Herz, nur du kannst sie bescheeren;

Wen du durchglühst, er dünkt mich gottbegnadet;
Wer dein enträth, ob Wissensqualm ihn fülle,
Er bleibt ein Nichts in eines Menschen Hülle.

Albert Möser (1835-1900)
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Liebseligkeit

Ihr Auge leuchtet sonnig,
Dabei so bläulich traut;
Wie Bachgelispel wonnig
Erklingt der Rede Laut.

Und flüssig Gold umwallet
Ihr Antlitz reiches Haar;
Die Händchen lustgeballet
Sind wie ein Rosenpaar.

Süßduftig ist Ihr Mündchen
Wie Erdbeerlein im Wald -
O, Stündchen, holdes Stündchen
Der Lese komme bald!

Ihr Leib ein Lilienstengel,
Der hoch und schwank sich hebt,
Weiß Gott, wie dieser Engel
Auf dieser Erde webt
. . . . !

Und denkt, der Engel
Mit süßem Erdbeermunde,
Der weilt und waltet
Mit mir im Herzensbunde;
Die Blumenweiche,
Goldlockenreiche,
Die wünscht und hoffet
Mit mir das Gleiche;
Ja, die so wonnig
Spricht und so sonnig
Blickt aus Blauäugelein,
O faßt es - die ist mein!

Franz Stelzhamer (1802-1874)
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Du bist der Klang

Sing ich ein Lied, du bist der Klang,
auf den gestimmt mein ganzes Leben.
Frag nicht was dein in dem Gesang,
wo alles dein,
mein ganzes Sein, das mühsam rang,
um Wohllaut dir zu geben.

Und bin ich reich, du bist mein Gut,
und bin ich still, bist du mein Frieden.
Du bist der Schrein, darinnen ruht
die Seele mein.
Die Seele mein ist gut und ruht
im Himmel schon hienieden.


Johanna Wolff (1858-1943)
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Privat-Telegramm

Unsere Kasse darf leer sein.
Doch dein Herz darf nicht schwer sein.

Jedes entschlüpfte harte Wort
Von mir, – streichle du sofort!
Und rate mir in gleichem Sinn!!!

Jedes Schmollschweigen tobt ohne Sinn
Hetzerisch durch die Brust.
Ärger ist stets Verlust,
Und Verzeihung ist immer Gewinn.

Unsrer beider Herzen mögen schwer sein
Durch gemeinsames Mißgeschick.
Aber keine Stunde zwischen uns darf liebeleer sein.

Denn ich liebe dich durch dünn und dick.

Joachim Ringelnatz (1883-1934)
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Eilin a Run

Ich liebe Dich treu und wahr,
Eilin an Run;
Ich segne Dich immerdar,
Eilin a Run.
O, Deinethalb will ich gehn
Bis wo an den blauen Seen
Die Hügel des Westens stehn
Eilin a Run.

O sag, wie erring' ich Dich,
Eilin a Run?
O sag, wie bezwing' ich Dich,
Eilin a Run?
Ich zöge um Dich ja gern
Durch Berg und Thal, noch so fern,
Du bist ja mein süßer Stern,
Eilin a Run.

O sag, willst Du mit mir ziehn,
Eilin a Run?
O sag, willst Du mit mir fliehn,
Eilin a Run?
"Hier bin ich in Reiseschuhn!
O sag mir, was soll ich thun -
O sag mir, was soll denn nun
Eilin a Run?"

Ein tausend Willkommen Schatz,
Eilin a Run!
Ein tausend Willkommen Schatz,
Eilin a Run.
Willkommen aus treuem Sinn -
O, was ich hab', was ich bin ...
Nimm Alles, nimm Alles hin,
Eilin a Run.

Carol O'Daly (14. Jh.)

Eilin a Run: Eilin, Helene mein Herzensschatz

(Übersetzt von Julius Rodenberg 1831-1914)
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Liebesfrühling

Du meine Seele, du mein Herz,
Du meine Wonn, o du mein Schmerz,
Du meine Welt, in der ich lebe,
Mein Himmel du, darein ich schwebe,
O du mein Grab, in das hinab
Ich ewig meinen Kummer gab.
Du bist die Ruh, du bist der Frieden,
Du bist der Himmel mir beschieden.
Daß du mich liebst, macht mich mir wert,
Dein Blick hat mich vor mir verklärt,
Du hebst mich liebend über mich,
Mein guter Geist, mein bessres Ich!

Friedrich Rückert (1788-1866)
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Deutsche Liebeslyrik

Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2013

(die neuesten Gedichte oben)





Liebesglück

O wie so leicht in seligen Genüssen
Sich mir die Stunden jetzt dahin bewegen!
Ins Auge schau ich dir, bist du zugegen,
Und von dir träum' ich, wenn wir scheiden müssen.

Oft zügeln wir die Sehnsucht mit Entschlüssen,
Doch will sich stets ein neu Verlangen regen,
Und wenn wir kaum verständ'ger Rede pflegen,
Zerschmilzt sie wieder uns und wird zu Küssen.

Der erste weckt Begier nach tausend neuen,
Es folgt auf Liebeszeichen Liebeszeichen,
Und jedes scheint uns höher zu erfreuen.

Nun erst begreif' ich ganz den Lenz, den reichen,
Wenn er nicht endet, Rosen auszustreuen,
Die alle schön sind und sich alle gleichen.

Emanuel Geibel (1815-1884)
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Das Hohelied der Liebe
(1 Korintherbrief 13,1-13)

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich ein dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
Und wenn ich prophetisch reden könnte
und alle Geheimnisse wüßte
und alle Erkenntnis hätte;
wenn ich alle Glaubenskraft besäße
und Berge damit versetzen könnte,
hätte aber die Liebe nicht,
wäre ich nichts.
Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte,
und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe,
hätte aber die Liebe nicht,
nützte es mir nichts.
Die Liebe ist langmütig,
die Liebe ist gütig.
Sie ereifert sich nicht,
sie prahlt nicht,
sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig,
sucht nicht ihren Vorteil,
läßt sich nicht zum Zorn reizen,
trägt das Böse nicht nach.
Sie freut sich nicht über das Unrecht,
sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles,
glaubt alles,
hofft alles,
hält allem stand.
Die Liebe hört niemals auf.
Prophetisches Reden hat ein Ende,
Zungenrede verstummt,
Erkenntnis vergeht.
Denn Stückwerk ist unser Erkennen,
Stückwerk unser prophetisches Reden;
wenn aber das Vollendete kommt,
vergeht alles Stückwerk.
Als ich ein Kind war,
redete ich wie ein Kind,
dachte wie ein Kind
und urteilte wie ein Kind.
Als ich ein Mann wurde,
legte ich ab, was Kind an mir war.
Jetzt schauen wir in einen Spiegel
und sehen nur rätselhafte Umrisse,
dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht.
Jetzt erkenne ich unvollkommen,
dann aber werde ich durch und durch erkennen,
so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei;
doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
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An die Entfernte

Herz, Mut, Leib, Seel' und was ich hab',
Ein lieblich Angesicht erfreut,
Dem will ich treu sein bis ins Grab,
Zu dienen stetiglich bereit.
Frau, du sollst unvergessen sein
In meinem Herzen ewiglich,
Und wär' derselbe Wille dein,
Fühlt' mehr ich als ein Kaiser mich.

Ich wollt', du wüßtest nur zum Teil
Die Freundschaft, die ich zu dir trag';
Doch wär' es noch ein größer Heil,
Erführst du sie ohn' Frag'.
Frau, du sollst unvergessen sein
In meinem Herzen ewiglich,
Und wär' derselbe Wille dein,
Fühlt' mehr ich als ein Kaiser mich.

Wie fern ich sei, ist mir doch nah'
Inbrünstiglich dein stolzer Leib,
Sehnsuchtsvoll wünsch' ich, du wärst da;
Du tröstest mich vor jedem Weib.
Frau, du sollst unvergessen sein
In meinem Herzen ewiglich,
Und wär' derselbe Wille dein,
Fühlt' mehr ich als ein Kaiser mich.

Oswald von Wolkenstein (1367–1445)
(Nachgedichtet von Ludwig Passarge 1825-1912)
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Die Liebe

Die Liebe ist das belebende Prinzip aller Tugenden.
Wer die wahre Liebe haben will, muß alle Furcht
und unvollkommene Liebe aus sich verbannen;
denn wer fürchtet, liebt noch nicht vollkommen;
denn die Furcht sagt, daß der Liebende noch nicht
um des Geliebten willen etwas zu verlieren bereit ist,
nämlich die Anhänglichkeit an Das, was er nicht gerne
verlöre. Aber die vollkommende Liebe liebt nur
den Einen Geliebten.

Nikolaus von Kues (1401-1464)
(übersetzt von Franz Anton Scharpff 1809-1879)
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Talisman

Daß dieses Herz, das unruhvolle,
Nicht ganz in sich verzagen darf,
Auf welche öde, kalte Scholle
Es auch ein hartes Schicksal warf!

Daß meine Augen leuchtend glänzen,
Als schauten sie gelobtes Land,
Als weilten sie auf Siegeskränzen,
Anstatt auf Kett und Sklavenband!

Das dank ich einem Talismane,
Den mir ein Bote Gottes gab,
Ein Engel mit der Friedensfahne,
Erhaben über Tod und Grab.

Und soll ich noch das Kleinod nennen?
O liebe nur - dann ist es Dein!
Dann magst Du's einer Welt bekennen:
Im Lieben nur ist Trost allein!

Louise Otto (1819-1895)
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Du und Ich

Du bist der See, ich bin der Strahl,
der glitzernd steigt aus Dir zum Glück
und immer schimmernd fällt in Dich zurück;
Du bist der Wald, ich bin der Stern,
der zwischen allen Ästen steht
und durch das Dunkel wie die Hoffnung geht;
Du bist die Hostie, ich der Priester,
der stündlich Dich zerbricht und spendet
und ewig neu an alle Welt verschwendet;
Du bist die große Gottesstille
und ich ihr Wille.

Siegfried Kawerau (1886-1936)
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Aus: Exercitia spiritualia

Eia, es öffne sich mir
deines liebsten Herzens
heilbringender Eingang.
Siehe, mein Herz
habe ich nicht mehr bei mir;
doch du, o Liebster, mein Schatz,
du bewahrst es auf
in deiner Kammer bei dir.
Du, du bist meines Herzens einziges,
ganzes,
liebstes
Wesenskernchen;
dir allein hat sich glutvoll
angeschmiegt meine Seele.

Gertrud von Helfta (1256-1302)
(aus dem Lateinischen übersetzt von Siegfried Ringler)
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Träume

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die süß sind wie junger Wein.
Ich träume, es fallen die Blüten von Bäumen
und hüllen und decken mich ein.

Und alle diese Blüten,
sie werden zu Küssen,
die heiß sind wie roter Wein
und traurig wie Falter, die wissen: sie müssen
verlöschen im sterbenden Schein.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die schwer sind wie müder Sand.
Ich träume, es fallen von sterbenden Bäumen
die Blätter in meine Hand.

Und alle diese Blätter,
sie werden zu Händen,
die zärteln wie rollender Sand
und müd sind wie Falter, die wissen: sie enden
noch eh' sie ein Sonnenstrahl fand.

Es sind meine Nächte
durchflochten von Träumen,
die blau sind wie Sehnsuchtsweh.
Ich träume, es fallen von allen Bäumen
Flocken von klingendem Schnee.

Und all diese Flocken
sie werden zu Tränen.
Ich weinte sie heiß und wirr -
begreif meine Träume, Geliebter, sie sehnen
sich alle nur ewig nach dir.
8.11.1941

Selma Meerbaum-Eisinger (1924-1942)
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O heilige Wollust, heilig du auf Erden!

O heilige Wollust, heilig du auf Erden!
Wer ganz in dir ist, der ist gottvollkommen,
Und übermütig wach sind seine Kräfte.
Sein Blick ist küssender Mund,
Sein küssender Mund erglühender Schoß,
Sein Lächeln sagt von allen Zärtlichkeiten.
Sein Leib ist Glut und Glanz,
Und Glut und Glanz strömt aus von ihm,
Der mehr an Liebe trägt, als er behalten kann.

Ich liebe Einen / und alle lieben mich!
Ich liebe Einen / und ich weiß die Welt,
Und ihr Geheimnis ist mir aufgedeckt.
Ich bin nun eines Werdens Mittelpunkt,
Ein Sturm und Ausgang, Sehnen, Lust und Macht,
Bin rosenroter Freude Flügelschwung
Und schlanker Pfeil, der hell ins Leben schwirrt.
Ein Sieger bin ich über alles Leid:
Gestrafft die Zügel! Und mein Wagen braust,
Und seine Speichen singen Seligkeit,
Und seine Spur gräbt Runen in den Tag,
Und Herzen klopfen, die die Runen sehn.

Ich liebe Einen! / O nur dies zu denken,
Entfesselt namenloses Glück!
Was ist ein Geist, der nichts von Liebe weiß,
Was ist ein Leib, dem ihre Wollust fremd?
Ein solcher Geist ist ohne Zeugungskraft,
Ist nur ein schwacher Spiegel seiner selbst;
Ein solcher Leib ist traurig unbelebt
Und seelenlos wie blödes Meergetier.
Doch Geist, der liebt, ist jenem Urquell nahe,
Der unablässig Lebensodem braut;
Und Leib, der liebt, ist dieser Urquell selbst,
Ist Kraft und Güte, Glanz und Harmonie.
O wer am Leben krankt und seinen Sinn nicht findet,
Sich trübe nur durch Labyrinthe windet,
Der bade sich in Wollust rein,
Und heilig liebenswert wird ihm das Leben sein.

Gisela Etzel (1880-1918)
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Wahres Eigen

Die Liebe deucht uns arm nach äußerm Schein,
Doch liegt in ihr des Reichthums Schatz verborgen;
So taucht aus bleicher Luft der gold'ne Morgen
So ruht in dürft'gem Grund der Edelstein.

Nur, was du liebest, nennst mit Recht du dein;
Was Denken dir errang, was dir in Sorgen
Der Arm erschafft, hat dir Natur geborgen,
Das wird Besitz, nicht Eigenthum dir sein.

Was du gedacht, das magst du schätzbar finden;
Was du erwarbst, das magst du froh empfinden,
Doch was du liebst, das kannst du überwinden.

Und was du liebst, muß ganz sich dir ergeben;
Es waltet fort und fort in deinem Leben,
Wie Sonnengluth im Feuersaft der Reben.

Edmund Dorer (1831-1890)
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Liebessehnsucht

Wenn deiner Lippen Traumduft
Mich sanft berührt,
Wenn meine kranke Seele
Den Hauch des Himmels spürt,
Wenn du mich selig küßt
Wie nie ich es gewußt,
Wenn du mein holdes Lieb bist -
O süße Himmelslust!
Einst werd' ich dich nur kennen -
Du einzig meine Wahl! -
Nach dir nur süß entbrennen
In heißer Sehnsuchtsqual!
Göttlich werd' ich gesunden
Von allem Erdenschmerz
Im hehren Traum der Stunden
In Küssen Herz an Herz ...


Wilhelm Arent (1864-?)
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Liebesfeuer

Vom Feuer, das in Liebenden sich dränget,
Wie Ebb' und Flut, vernehmt geheime Kunde!
Sind sie getrennt, so bleibt es tief im Grunde
Der sehnsuchtsvollen Herzen eingeenget;

Nur Widerschein der Glut, die innen senget,
Gelangt zum dunkeln Aug' und bleichen Munde;
Bis nun erscheint des Wiedersehens Stunde,
Wo sich das Feuer aus der Tiefe sprenget.

Wie erst mit heißen Blicken sie sich grüßen!
Wie beider lang verhaltne Flammen streben,
Sich zu vereinen durch das Spiel der Augen!

Bald senken sie die Wimpern, um in Küssen
Noch tiefer eins des andern glühend Leben
Aus Lippen, denn aus Augen, einzusaugen.

Ludwig Uhland (1787-1862)
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Wenn wir lieben

Wenn wir lieben, sind wir zeitlos,
Liegen bei den tiefsten Feuern,
Sehen dann von Ferne bloß,
Daß die Lebensstunden sich erneuern.

Werden wie die Gottheit groß,
Fühlend in die Höhen, Tiefen, Breiten,
Wissend alles, was vorüberfloß
An den Quellen der Unendlichkeiten.

Wissend, liebend jed' Geschehen,
Mitgenießend alles, was die Welt genoß,
Sehend, ohne mit dem Aug' zu sehen,
Untergehend und bestehend Schoß im Schoß.

Max Dauthendey (1867-1918)
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Aus: Die Lieder der Monna Lisa

21.
Und immer wieder dieser eine Traum,
Da fest und süß dein Mund den meinen findet,
Und Seligkeit / entrückt von Zeit und Raum!

Nach solcher Nacht ist dann der Tag so voll
Wie Beere, die sich schwer dem Stiel entwindet,
Wie Samenkapsel, die zerplatzen soll.

Und dieses Tages äußres Leben geht
Wie hinter Schleiern sacht zum Abend nieder;
Nur Eines ist, das klar und leuchtend steht:

Dein Bild aus jenem tieflebendigen Traum!
Wachsehnsucht bringt es mir aus Schatten wieder
Und hält es / weit entrückt von Zeit und Raum.
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31.
Nie scheint das Leben mir so fröhlich heiß,
So liebenswert und wundersam erfüllt,
Als wenn ich nah ein Abenteuer weiß,
Das neue Glut und neue Lust enthüllt.

O dieses erste Ineinanderbrennen
Von Blick in Blick: dies tiefe Schaun und Finden!
Nicht Worte sind, den jähen Sturm zu nennen,
Wenn so zwei Seelen sehnend sich verbinden:

Ein liebes Lächeln, erstes scheues Wort,
Ein Händedruck und heißer, heißer Kuß /
Die Flamme glüht und steigt und zündet fort
Und hüllt uns ganz in goldnen Überfluß.
_____

34.
Mein Tag ist so von Liebe ganz beladen,
Daß ich erschauernd wie durch Wonnen gehe,
Vor Traum nichts Wirkliches mehr sehe,
Nur selig fühle heilig starke Gnaden.

O so in lindem Regen sich zu baden
Von Zärtlichkeiten, Tag um Tag genossen,
Und von Erinnern völlig eingeschlossen
Hinwandeln an der Liebe Lustgestaden /

Das ist ein Glück, als ob mit jungen Händen
Ein Gott vom Lebensbaum mir Früchte bricht,
Sie stumm und ragend reicht im Sonnenlicht,
Das uns mit tausend emsigen Strahlenbränden
/ Zwei fremde Blüten, die sich nie sonst fänden /
In Schicksalslaune eng zusammenflicht.

Gisela Etzel (1880-1918)
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Andacht

Ein roter Schleier sank auf unser Träumen — —
So kam die Nacht,
und Deines Leibes Pracht
war vor mir ausgebreitet wie des Pilgers Teppich zum Gebet.
Aus Deinen Brüsten stiegen Opferflammen
unsichtbar auf, und sehrten mir mein Blut,
und unsere Glut
schlug lodernd wie ein Feuermeer zusammen.
Zur Feier riefen uns der Sinne Glocken
mit süßer Macht,
und seliges Frohlocken
durchflutete des Tempels Nacht.
Du hobst den Kelch und reichtest mir die Schale
voll roter Lust,
und Deine Brust
erbebte heiß im Feuer der Fanale.
In allen Adern war ein süßes Rufen —
"Trink!" sprach Dein Mund,
"Genieße!" klang es nach —
Da sank ich stumm auf Deines Altars Stufen,
und wie der Pilger, der zu Allah fleht,
starb ich vor Dir im seligsten Gebet.

Reinhold Eichacker (1886-1931)
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In deines Auges Quelle ...

In deines Auges Quelle
Taucht sich mein Geist wie in ein Bad;
Die Welt strahlt ihm in reinrer Helle,
Wenn er in ihr vom Staub geklärt sich hat.

Er schwebt dahin mit lichter Schwinge,
Als ob erstanden aus dem Grab;
Durchsichtig werden ihm die Dinge,
Bis auf den tiefsten Grund schaut er hinab.

Was vor Jahrtausenden gewesen,
Wie was in Zukunft unser harrt,
Kann er in einem Blicke lesen,
Und Alles doch ist holde Gegenwart!

Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)
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Ich liebe Dich

Ich liebe Dich mit Deinen tiefen Augen,
so tief wie Waldes Dämmerdunkel,
wenn silberhelles Mondgefunkel
sich über weiße Wiesen legt.

Ich liebe Dich mit Deinen tiefen Augen,
so tief wie Waldsees schwarzer Grund:
der Abendstern schwimmt träumend - und
die Fläche kaum sich atmend regt.

Ich liebe Dich mit Deinen tiefen Augen:
in ihnen möchte ich ertrinken,
in ihnen langsam niedersinken
und unten ruhen unbewegt.

Siegfried Kawerau (1886-1936)
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Darf ich wirklich Dir zu Füßen sinken ...

Darf ich wirklich Dir zu Füßen sinken,
Küssen Deiner Locken wilde Pracht,
Sehn, wie Deine Lippe schwillt und lacht,
Und von dieser Lippe Wahnsinn trinken?

In den sonnenhaften Augen winken
Liebesfeuer, zehrend angefacht;
Wehe mir, in ihres Grundes Nacht
Sehe ich mein Todesmesser blinken.

Sei's darum. Was bietet noch das Leben?
Kann von Gott ich Schöneres erwerben,
Der mir höchstens kann den Himmel geben?

Sei's darum. Willkommen, mein Verderben!
Wer im Arm Dir einmal durfte beben, -
Muß Dir fern ja doch vor Sehnsucht sterben.

Udo Brachvogel (1835-1913)
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Bewilligung

Du schmiegtest dich zu meinen Füssen
Und sahst mir flehend ins Gesicht -
Ich musste deine Stirne küssen,
Die Stirne - weiter dacht ich nicht.

Da schlossest du die lieben Augen
Und bebtest wie in stiller Lust -
Ich küsste die geschlossnen Augen,
Da lag dein Kopf an meiner Brust.

So nah war mir dein Mund, der feine -
Ach, küsste, küsste ich ihn dann! ...
Mit diesem Kuss ward ich die deine,
So nahmst du mich, geliebter Mann!

Thekla Lingen (1866-1931)
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Mein Glück

Ich weiß es doch und glaub' es kaum,
So wunderbar ist mir,
Ich geh' am Tag als wie im Traum
Ob all der Lust an dir.

Und doch im tiefsten Traum ist mir
So hell und sonnenklar,
Daß nur ob all der Lust an dir
Die Welt so wunderbar.

Und wenn die Welt als wie im Traum
Vergieng' ob dir und mir,
Ich wüßt' es kaum, ich glaubt' es kaum,
Ob all der Lust an dir.


Johann Georg Fischer (1816-1897)
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Glück

Ich bin so voll von Liebe,
Wie die Traube ist voll von Süße,
Mein Herz ist wie im Sommer
Der volle Apfelbaum.

Ich gehe stille Wege
Mit ruhigem Gemüte,
Der hohe blaue Himmel
Ist mir kein leerer Raum.

Ich bin mit allem Leben
Verwurzelt und verwachsen,
Die Sonne ist meine Mutter,
Gott ist mein schönster Traum.

Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
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Juli

Nun ist es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag man nur küssen mag,
Und alle die Rosen, die müssen
Satt duften zu unseren Füßen.

Nun bleibt es Sommer den ganzen Tag,
Den ganzen Tag ich im Himmel lag,
Dort tat man sich paarweise küssen
Und satt lag die Erde zu Füßen.

Nun ist es Sommer Nacht und Tag,
Und Nacht und Tag man nur küssen mag;
Von allen heißen Genüssen
Ist Anfang und Ende das Küssen.

Max Dauthendey (1867-1918)
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Es ist ein Jubel ...

Es ist ein Jubel sondermaßen
auf Deinen Wegen, Deinen Straßen,
die Steine jubeln: Du, o Du!
Es ist der Steg mit Duft verhangen,
darüber schwebend Du gegangen,
darauf Du setztest Deinen kleinen Schuh.

Du bist der Hauch in allen Bäumen,
der große Glanz in meinen Träumen,
die frohe Arbeit und die Ruh',
der Federstrich, das Seitenblättern,
das Reigenfest der schwarzen Lettern
ist voll des hohen Jubels: Du, o Du!

Alfons Petzold (1882-1923)
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Selige Stunden

Vor uns liegt das blaue Meer,
über uns der Himmel,
o du süße Einsamkeit -
fern das Weltgewimmel.

Ruhen hier im Liebesnest
weit am Badestrande,
zwischen Schilf und Binsenrohr
in dem Dünensande.

Unsre Doggen spüren still,
ob auch niemand komme,
zu belauschen, was doch nicht
fremden Leuten fromme …..

Und so schlüpfen wir
unter leisem Lachen
selig in das blaue Meer,
unsre Rüden wachen.

Niemand hat uns hier gesehn
als die liebe Sonne,
und die kniff ein Auge zu
ob der Lust und Wonne.

Else Galen-Gube (1869-1922)
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O süßes Nichtstun

O süßes Nichtstun, an der Liebsten Seite
Zu ruhen auf des Bergs besonnter Kuppe;
Bald abwärts zu des Städtchens Häusergruppe
Den Blick zu senden, bald in ferne Weite!

O süßes Nichtstun, lieblich so gebannt
Zu atmen in den neubefreiten Düften;
Sich locken lassen von den Frühlingslüften,
Hinabzuziehn in das beglänzte Land;
Rückkehren dann aus aller Wunderferne
In deiner Augen heimatliche Sterne.

Theodor Storm (1817-1888)
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O so Lipp' an Lippe hängen dürfen ...

O so Lipp' an Lippe hängen dürfen
eine lange schöne Ewigkeit,
aus des ander'n Atem Süße schlürfen
für die Bitternis der argen Zeit.

Nichts mehr reden, sondern nur noch lauschen,
wie des ander'n Herzschlag schneller geht -
und in allen Gliedern dieses Rauschen,
das Gesang ist und zugleich Gebet.

Alfons Petzold (1882-1923)
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Schmücke dich, Liebste ...

Schmücke dich, Liebste, der Abend sinkt.
Winde dir Ketten ins leuchtende Haar.
Siehe, die Sonne will sich verneigen.
Tiefer noch will sich die Stille verschweigen.
Kerze flammt am Altar.

Wisse, die Seele liebt sich zu verschwenden.
Brennende Feier und wehe Musik.
Leiser noch will ihr Geheimnis lallen,
Goldener Tropfen, zögerndes Fallen
Ist ihr unsägliches Glück.

Hülle dich, Liebste, in Prunkgewänder,
Ehe die Saite zerspringt.
Lächle im Saale der Engel und Rosen,
Laß dir die kindliche Stirne kosen,
Ehe das Echo verklingt.

Sei mir ein Fest und ein zärtliches Wunder.
Milder noch blühe dein Schein.
Wenn wir die magischen Worte tauschen,
Geht durch die Seele ein Flügelrauschen,
Dem wir uns weihn.

Schmücke dich, Liebste. Oh süßes Verwehen!
Rasch war der Sommer versungen.
Über den Hügeln welken die Kränze,
Doch in die Höhen der himmlischen Tänze
Sind wir entrückt und verschlungen.

Hugo Ball (1886-1927)
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Es lebt ein Gott!

Es lebt ein Gott! - Auf aller Forschung Gleisen
Wird ewig neu erkannt der Gottheit Spur;
Den letzten Urgrund aus dem All verweisen
Wird kein Entwicklungs-Dogma der Natur.
Die Welten und die Menschengeister kreisen
Um ihres Daseins ew'gen Urquell nur.
In seinen Räthseln sucht die Seele Nahrung -
Das ist der Gottheit größte Offenbarung!

Und jede Flucht aus eit'lem Weltgetriebe
Ist Gottes Nähe, ist der Gottheit Hauch;
Sein ist die Kunst, die Schönheit und die Liebe,
Sein der Gedanke, und der Zweifel auch!
Und ob der Dome Säulenprunk zerstiebe,
Und aller Lippendienst, und Form und Brauch:
Es lebt ein Gott! - und seine Banner ragen,
Wo Sonnen leuchten, und wo Herzen schlagen!

Minna Kleeberg (1841-1878)
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Vereinigung der Seelen

Und wenn uns Beide alle Himmel trennen,
Werd' ich am jüngsten Tag aus tausend Chören
Dein Lied und deine Stimme gleich erkennen:

Denn durch die Sehnsucht aller Ewigkeiten
Werd' ich nur deine liebe Stimme hören,
Wird mich ihr holder, sanfter Klang begleiten.

Durch all die weißen, heilgen Engelscharen
Wird meine Seele, liebes Seelchen, fliegen,
Wird sich mein Wölkchen deiner Wolke paaren.

Da will ich mich auf deine Wolke schwingen
Und will mich eng an deine Seele schmiegen
Und mit dir knien und preisen, beten, singen ...

Hugo Salus (1866-1929)
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Tausend Saiten hat meine Laute

Tausend Saiten hat meine Laute
Tausend Töne hatte mein Herz
Seit Deine Liebe mir Träume spann
Seit mir Dein Ich in die Seele schaute
Harfen sie himmel und himmelwärts.
Bist Du mein Licht,
Das die Hände faltet?
Bist Du der Tag,
Der mir Blüten küsst?
Bist Du die Sonne
Die über mir waltet?
Sage mir, ob Du
Ein Engel bist?

Hugo Ball (1886-1927)
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Maiwonne

Denkst du der Stunde, als zu Zweien
Wir saßen unter duft'gen Maien
Im Brautgemache der Natur?
Als Lippe wir an Lippe drückten,
Indessen über den Beglückten
Der Frühling im Triumphzug fuhr?

Die Wipfel bog er uns zu Häupten,
Hernieder von den Zweigen stäubten
Die Blüthen unter seinem Hauch;
Ihm tönte in den Laubenhallen
Das Feierlied der Nachtigallen,
Ihm quoll der Düfte Opferrauch.

Der Himmel jauchzte in Gewittern,
Durch alle Räume ging ein Zittern
Der Liebe und der Werdelust;
Allein die große Jubelfeier
Verstummte vor der Wonne Zweier,
Die selig ruhten Brust an Brust.

O Stunde, ewig unvergessen
Das weite Weltall mögt ihr messen,
Bis wo in Schwindel zagt der Blick,
Doch wenn zwei Wesen ihre Seelen
Im ersten heil'gen Kuß vermählen,
Wo ist ein Maß für solches Glück?

Sie beben stumm und freudetrunken,
Die Erde scheint um sie versunken,
Hinweggeschwunden Raum und Zeit,
Und von der Welt ist nichts geblieben,
Als nur zwei Herzen, die sich lieben,
Allein in der Unendlichkeit.

Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)
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Barbillchen/ die Zukker-dokke

Du
süßbeliebtes Honig-kind/
Barbillchen/ Labnüß meiner Seelen/
der Indiens
süsse Zukker-hölen
an Anmuht nicht zugleichen sind.
Ich wil es/ daß es alle wissen/
warum ich dich so offt muß küssen.

Der Zukker-trozz/ der Nektar-Wein/
der in den göldnen Demant-schaalen
springt bey der Götter Feyermahlen
macht/ daß sie ewig trunken sein/
weil deß Geschmakks/ des Zukker-
süssen
sie nimmer mögen satt geniessen.

Dein unverglichner Labsal-Mund
ist solch' ein Nektar meinem Herzen/
für meiner Liebe Wermuht-Schmerzen.
Was auß Hymettens bunten Grund'
am Morgen die bemühte Biene
äzzt ab/ ist deiner Jugend grüne.

Süß ist der göldnen Haare Band/
süß deiner Stirne rund umfangen/
süß die Zinober-rote Wangen/
süß deiner Augen heller Brand.
Dem Lippen-tau/ dem Zukker-reichen
muß
süsser Alakant auch weichen.

Dein Atem
süsser/ denn Kaneel/
süß deines Halses schmale Länge/
süß deiner Brüste Perl-gepränge/
süß ihr' Inwohnerinn/ die Seel.
Süß deine Rede/ süß dein Lachen/
dein Schlaffen/
süsser/ ach! dein wachen.

Süß deine Kleider/ süß dein Rokk
das Fuppchen drein ist
süß darneben/
du weist/ was du mir drauß gegeben.
Barbillchen/
süsse Zukker-dokk'
Ich schmekke dünkt mich/ noch die Gaben/
die auch die Todten können laben.

Das
süsseste/ so an dir ist/
muß ich/ ungerne zwar/ verschweigen/
doch kan es über alles steigen/
was je die Sterblichen
versüßt.
Die
Süsse/ so es von sich giebet
macht Leib und Geist zugleich verliebet.

Man sagt wol/ daß was
süssers nicht
sey/ als der sanffte Schlaaff zufinden?
das kan ich leicht daher entgründen:
als neulich uns verschwandt das Licht/
war mir das wachen also
süsse/
daß ich den Schlaaff drum fahren liesse.

Kaspar Stieler (1632-1707)
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Von der Liebe

O Liebe,
Was vor innig-süße Triebe
Hegstu nicht in deiner Brust!
Würden doch nur die Verächter
Einmahl unsrer Wollust Wächter,
Schwör ich bey Amoenens Gunst,
Daß sie erstlich selbst nicht wüsten,
Ob der Himmel zeitlich sey,
Und darnach vor Scham und Reu
Nur vom Zusehn sterben müsten.
Das thäten sie,
Das thäten deine Triebe,
O Liebe!

Johann Christian Günther (1695-1723)
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Wenn müd du von der Liebe Wonnen ...

Wenn müd du von der Liebe Wonnen,
Und sanft dich Schlummer überfließt,
Entzückt fühl' ich dein warmes Leben
An meins in jedem Tropfen beben,
Der durch die Adern hingeronnen
In leichter Wallung sich ergießt!

Des Auge blaue Strahlenkreise
Verbirgt die Wimper meinem Blick;
Doch dämmernd durch die zarte Hülle
Wie Mondglanz quillt des Lichtes Fülle,
Und deine Lippen murmeln leise
Im Traume noch von unserm Glück.

Adolf Friedrich von Schack (1815-1894)
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In glühendem Verlangen

O war das eine Seligkeit -!
Wir hielten uns umfangen,
Das Auge schwamm in Trunkenheit,
Das Herz in Gluthverlangen.

Die Lippen glühten, lustdurchzuckt,
In einen Brand zusammen,
Es funkte durch die Adern uns,
Als stünden wir in Flammen.

Es war, als ob uns leis' umzög'
Ein stillverzücktes Klingen,
Als hörten wir voll Seligkeit
Die Engel selig singen.

Es war, als strömte Zauberduft
Aus einer Wunder-Rose,
Der uns zur Gluth der Lieb' entzückt
In brünstigem Gekose.

Die reinste Jungfrau konnt' es seh'n,
Wie wir uns heiß umfangen, -
Sie wäre hold erröthet nur -
In glühendem Verlangen.

Hermann Rollett (1819-1904)
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Zuversicht

Ich glaube, daß die Liebe überdauert
Des Lebens flücht'ge, karggemessne Zeit,
Weil sie das Herz so ahnungsreich durchschauert,
Wie ein Prophetenruf der Ewigkeit,

Weil sie die Fackel ist auf dunkeln Bahnen,
Der Funken, der die Asche neu belebt,
Weil ihrer Stimme treues ernstes Mahnen
Das Herz erweckt und auf zum Himmel hebt.

Das Leben ist ein Baum mit grünen Zweigen,
Daran die Liebe gleich der Blüthe hängt,
Aus deren Schooß sich süße Früchte neigen,
Die neue Keime in die Erde senkt.

Die Lieb' ist Kern, und Schale ist das Leben;
Der Kern entkeimt, wenn morsch die Hülle fällt,
Und neue Jugend wird die Liebe geben,
Wenn schon in Trümmern liegt die alte Welt.

Hermann von Loeper (1820-1884)
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An ***

Wie süß du meiner Seele bist,
Ich weiß es nicht zu sagen!
Was still in meinem Innern sprießt,
Will nicht an's Licht sich wagen.
Vom Lenze, der in meiner Brust
Geweckt ein neues Leben,
Vermag ich, wollend und bewußt,
Den Schleier nicht zu heben.

Es sei! Wozu versucht ich auch
Ihn absichtsvoll zu lüften?
Du merkst den warmen Frühlingshauch
An seinen linden Düften.
In meinen feuchten Augen siehst
Du Licht des Morgens tagen -
Wie süß du meiner Seele bist
Brauch' ich dir nicht zu sagen!

Betty Paoli (1814-1894)
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Du hast mich erst gelehrt, was Leben ist!

Du hast mich erst gelehrt, was Leben ist!
Ich fror: jetzt stehe ich in Flammen.
Das Glück, das mir durch dich gegeben ist,
schlägt wie ein Feuer über mir zusammen.

Im Glück und Weh der allzu starken Glut
packt mich die Angst, sie könnte mich verlassen -
denn meine Hände können sie nicht fassen,
so wie mein Herz es tut.
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Alles, was ich habe ist dein

Alles, was ich habe ist dein.
Meine Gedanken und Handlungen tragen
deinen Stempel, die Lieder sagen
nur, was du trugest in mich hinein.
Von der Art, meine Hände zu falten
bis zur geringsten Alltäglichkeit
hab ich alles von dir erhalten,
hat dein Berühren mein Leben geweiht,
und so ist es nicht zu vermeiden
und du mußt mir gütig verzeihn,
vermag ich nicht immer zu unterscheiden
zwischen mein und dein.

Leonie Spitzer (1891-1940)
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Verschwendung

Ich sah die hingeneigte, ganz hingeneigte Wendung
Einer alten, sehr alten Frau zu einem jungen Kind.
In dem betagten Gesicht sah ich jene Verschwendung,
Zu der nur sehr erfahrene Menschen imstande sind.

Antlitz, Blick und Gefühl fragt nicht, was ihm selbst verbliebe,
Das ist die Würde des Herzens, welches an sich nicht denkt.
Verschwendung bedeutet die grösste Noblesse der Liebe,
Zuneigung, welche nicht fordert, die grandios sich verschwendet.
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Kleines Liebeslied

Läßt Du mich allein, mein Lieber,
Gibt es viel, worüber ich
Mich betrübe, und mich härme.
Plötzlich denke ich an Dich.
Da erfaßt mich eine Wärme,
Schnell und strahlend, zart und nah',
Wie ein rasches, leichtes Fieber,
Und mir scheint, Du wärest da.

Was ich habe, was ich bin,
Von dem Kopf bis zu den Füßen,
Denkt an Dich, träumt zu Dir hin,
Und läßt grüßen, läßt Dich grüßen! -

Und es scheint mein Herz voll Ruhe,
Und verhaltner Kraft zu sein.
Und es hüllt mich diese Welle
Süß und heiter brennend ein.
Und das Dunkle und das Helle,
Mischt sich sanft, wie schöner Samt,
Was ich denke, was ich tue,
Ist verzaubert, ist entflammt. -

Lessie Sachs (1897-1942)
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Aus: Die Fackel des Eros
Ein Sonettenkranz

In dunkler Arabeske deiner Brauen
hat sich verwirrt mein scheuer Blick verfangen.
In Fransen deiner Wimpern blieb er hangen,
verstrickt von allzu süßem dich-Beschauen.

Des Lippenbogens purpurne Gefahr
hat meinem Herzen lange fern gedroht.
Dein Lächeln trifft, als ein beschwingter Tod,
und ist viel schöner, als mein Leben war.

Gott hat in dir sein Denkmal aufgerichtet,
auf daß den Schöpfer man lobpreisend nenne.
Hat Helligkeit zum Antlitz dir verdichtet,

auf daß man ihn in deinem Glanz erkenne.
Wußte er's auch, wie er durch dich vernichtet,
die er aus Dunkel schuf? Denn ich verbrenne!

Alma Johanna Koenig (1887-1942)
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Und es ist doch Liebe ...

Was die Menschen sagen,
weiß ich alles schon,
aber was sie tragen,
flüstert kaum ein Ton.

Und es ist doch Liebe,
was zusammenhält,
die sonst sinnlos bliebe,
diese wirre Welt.
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Nur die Liebe

Nur die Liebe, die im Herzen lebt
und sich unerschöpflich draus ergießt,
also daß es bebend überfließt
und im Spiegel ihres Stromes schwebt,

nur die Liebe, die sich nie erfüllt
und vergebens Ewigkeit ersehnt,
ist das Band, das sich hinüberdehnt,
wo sich einmal aller Sinn enthüllt.
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Gebet

Mein Gott, gewähr mir Eines,
ich bitte sonst um nichts:
im Glanz des ewgen Lichts
flackert verstört mein kleines.

So fleh ich tausendmal:
Erhalt mir meine Qual,
laß mich in meiner Pein
vor Liebe selig sein!

Richard von Schaukal (1873-1942)
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