Deutsche Liebeslyrik

Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2015

(die neuesten Gedichte oben)




Die Uhr zeigt heute keine Zeit

Ich bin so glücklich von deinen Küssen,
Daß alle Dinge es spüren müssen.
Mein Herz in wogender Brust mir liegt,
Wie sich ein Kahn im Schilfe wiegt.
Und fällt auch Regen heut ohne Ende,
Es regnet Blumen in meine Hände.
Die Stund', die so durchs Zimmer geht,
Auf keiner Uhr als Ziffer steht;
Die Uhr zeigt heute keine Zeit,
Sie deutet hinaus in die Ewigkeit.

Max Dauthendey (1867-1918)
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Zum Lieben sind wir nie zu alt

 Zum Lieben sind wir nie zu alt!
Wohl dem, der drob nicht streitet.
Und, so lang er durchs Dasein wallt,
Von Liebe ist geleitet!
 
Ob jünger, älter um manch Jahr!
Wird Lieb' um das sich kümmern?!
Was thut's, ob hier und dort ein Haar
Am Scheitel grau mag schimmern?!
 
Frägt Liebeslust, frägt Liebesleid,
Ob Kümmernisse haben
In's Antlitz mit dem Pflug der Zeit
Manch Furche schon gegraben?!
 
Ohn' Liebe leben wäre arg!
Drum altert nicht die Liebe!
Und so lang Kraft noch webt im Mark,
Besel'gen ihre Triebe!
 
Es liebt der Mensch, so lang er leibt
Und gleicht darin der Linde,
Die immer junge Triebe treibt
Trotz - tausendjähr'ger Rinde!

Sidonie Grünwald-Zerkowitz (1852-1907)
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Das Hohelied der Liebe
(1 Korintherbrief 13,1-13)

Wenn ich in den Sprachen der Menschen und Engel redete, /
hätte aber die Liebe nicht, /
wäre ich ein dröhnendes Erz oder eine lärmende Pauke.
Und wenn ich prophetisch reden könnte /
und alle Geheimnisse wüßte /
und alle Erkenntnis hätte; /
wenn ich alle Glaubenskraft besäße /
und Berge damit versetzen könnte, /
hätte aber die Liebe nicht, /
wäre ich nichts.
Und wenn ich meine ganze Habe verschenkte, /
und wenn ich meinen Leib dem Feuer übergäbe, /
hätte aber die Liebe nicht, /
nützte es mir nichts.
Die Liebe ist langmütig, /
die Liebe ist gütig. /
Sie ereifert sich nicht, /
sie prahlt nicht, /
sie bläht sich nicht auf.
Sie handelt nicht ungehörig, /
sucht nicht ihren Vorteil, /
läßt sich nicht zum Zorn reizen, /
trägt das Böse nicht nach.
Sie freut sich nicht über das Unrecht, /
sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, /
glaubt alles, /
hofft alles, /
hält allem stand.
Die Liebe hört niemals auf. /
Prophetisches Reden hat ein Ende, /
Zungenrede verstummt, /
Erkenntnis vergeht.
Denn Stückwerk ist unser Erkennen, /
Stückwerk unser prophetisches Reden;
wenn aber das Vollendete kommt, /
vergeht alles Stückwerk.
Als ich ein Kind war, /
redete ich wie ein Kind, /
dachte wie ein Kind /
und urteilte wie ein Kind. /
Als ich ein Mann wurde, /
legte ich ab, was Kind an mir war.
Jetzt schauen wir in einen Spiegel /
und sehen nur rätselhafte Umrisse, /
dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. /
Jetzt erkenne ich unvollkommen, /
dann aber werde ich durch und durch erkennen, /
so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.
Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; /
doch am größten unter ihnen ist die Liebe.
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Es ist die Liebe

Was macht einen Menschen groß,
zum Wunder der Schöpfung,
wohlgefällig in den Augen Gottes?
Was macht einen Menschen stark,
stärker als die ganze Welt,
was macht ihn schwach,
schwächer als ein Kind?
Was macht einen Menschen unerschütterlich,
unerschütterlicher als den Felsen,
was macht ihn weich,
weicher als Wachs? -
Es ist die Liebe.
Was überlebt alles?
Es ist die Liebe.
Was kann nicht genommen werden,
aber nimmt selber alles?
Es ist die Liebe.
Was kann nicht gegeben werden,
aber gibt selber alles?
Es ist die Liebe.
Was besteht, wenn alles trügt?
Es ist die Liebe.
Was tröstet, wenn aller Trost versagt?
Es ist die Liebe.
Was dauert, wenn alles wechselt?
Es ist die Liebe.
Was bleibt, wenn das Unvollkommene abgeschafft wird?
Es ist die Liebe.
Was zeugt, wenn die Prophetie verstummt?
Es ist die Liebe.
Was läßt nicht ab, wenn die Gesichte aufhören?
Es ist die Liebe.
Was erklärt, wenn die dunkle Rede zu Ende ist?
Es ist die Liebe.
Was legt Segen in der Gaben Überfluß?
Es ist die Liebe.
Was gibt Gewicht der Rede der Engel?
Es ist die Liebe.
Was macht der Witwe Scherflein zum Überfluß?
Es ist die Liebe.
Was macht des Einfältigen Rede zur Weisheit?
Es ist die Liebe.
Was ändert sich niemals, wenn alles sich ändert?
Es ist die Liebe; und nur sie ist die Liebe,
sie, die niemals etwas anderes wird.

Sören Kierkegaard (1813-1855)
Aus: Religiöse Reden (Liebe deckt der Sünden Menge)
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Liebesnähe

Lieb' sei ferne,
Ist doch immer da,
Gleich dem Licht der Sterne
Ewig fern und nah.

Schließt Gedanken
Wohl ein Kerker ein?
Glück und Stunden wanken,
Das Gefühl ist mein.

Leuchte, Sonne!
Wandle, frommer Mond!
Meines Busens Wonne
Hoch mit Göttern thront.

Frühling, scheine!
Winter, stürme kalt!
In der Brust dies Eine
Nimmer wird es alt.

Holde Treue,
Weiß und engelrein!
Wie des Himmels Bläue
Bleibt dein lichter Schein.

Sei denn ferne
Liebe, sei sie nah,
Gleich dem Licht der Sterne
Immer ist sie da.

Ernst Moritz Arndt (1769-1860)
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Die Liebe

Die Liebe hemmet nichts;
sie kennt nicht Tür noch Riegel,
Und dringt durch alles sich;
Sie ist ohn Anbeginn,
schlug ewig ihre Flügel,
Und schlägt sie ewiglich.

Matthias Claudius (1740-1815)
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Ich weiß nicht, wie es gekommen

Ich weiß nicht, wie es gekommen,
Daß du mein ganzes Sein
Zu eigen hast genommen,
Nur du, nur du allein.

Zu dem nur aus weiter Ferne
Mein Liebesgrüßen dringt,
Wie sich zum höchsten Sterne
Ein Traum der Sehnsucht schwingt;

Wie ein Gesang, der leise
Im hohen Dom verhallt,
Indes die fromme Weise
Empor zum Schöpfer wallt.

Ich weiß nicht, wie es gekommen,
Daß du mein ganzes Sein
Zu eigen hast genommen,
Nur du, nur du allein.

Karoline Bruch-Sinn (1853-1911)
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Stoßseufzer

Sehnen! Sehnen! gib uns frei!
Glück der Liebe! komm herbei!
Täuschung! ende doch dein Spiel!
Hoffnung! zeig' ein goldnes Ziel!
Liebe! schürtest du die Flammen,
Leben! gib uns auch zusammen!
Welt! verleg' uns nicht den Lauf!
Eden! Eden! tu' dich auf!

Peter Cornelius (1824-1874)
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Liebe

Es ist ein Glück zu wissen,
daß du bist,
Von dir zu träumen
hohe Wonne ist,
Nach dir sich sehnen
macht zum Traum die Zeit,
Bei dir zu sein,
ist ganze Seligkeit.

Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
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O blick' mich an!

O blick' mich an
Mit dem Aug' deiner Milde!
O ruh' auf mir
Mit dem Blick deiner Treue!

O glüh' in mich
Mit der Gluth deiner Liebe,
Und heb' mich empor
Mit der Flamm' deiner Lust!

Es tönt ja dafür
Dir ein Klang meiner Milde!
Es weht ja dafür
Dir ein Hauch meiner Liebe!

Es flammt ja dafür
Dir ein Lied meiner Treue!
Es hebt dich empor
Ein Gesang meiner Lust!

Hermann Rollett (1819-1904)
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Ewig ist die Liebe

Und wenn mich nachts das Sternenheer befällt,
Um mein Geheimnis still mir abzulauschen,
Dann fühl' ich, was mich ewig trägt und hält,
Dann hör' ich Gott mit seinem Mantel rauschen.

Gott hat die Welt in dunkle Nacht gehüllt,
Damit sich zeigt, was ewig dauernd bliebe:
Des Tages Wünsche sind im Schlaf gestillt -
Und sieh, auch selbst im Traum bleibt wach die Liebe.

Drum laß die Welten auf und niedergehn,
Laß Wetter dräuen, finster qualvoll, trübe:
Du wirst in alle Ewigkeit bestehn,
Denn Gott ist ewig, ewig ist die Liebe.

Gustav Kühne (1806-1888)
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Sagt mir nichts vom Paradiese

Sagt mir nichts vom Paradiese,
Es ist mir zu weit;
Vorgezogen hab' ich diese
Eng're Seligkeit.

Sagt mir nichts vom Paradiese,
Es liegt mir zu weit;
Vorgezogen hab' ich diese
Näh're Seligkeit.

Meiner Liebsten Kammer, diese
Nahe Seligkeit,
Liegt mit ihrem Paradiese
Nachts mir nicht zu weit.

Meine Liebsten Kammer, diese
Enge Seligkeit,
Schließt für mich neun Paradiese
In sich, himmlisch weit.

Friedrich Rückert (1788-1866)
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Flamme

Was sträubst du dich der süßen Glut,
die züngelnd schon dein Haupt versengt,
die liebeheißen Atems dich
mit Flammenarmen eng umdrängt?!

Die Glut bin ich – und du bist mein!
wirf ab, wirf ab das Alltagskleid:
gib deine ganze Seele hin
in ihrer nackten Herrlichkeit!

Umschlingen will ich glühend dich
und pressen dich ans heiße Herz,
die Kette schmelzen, die dich band,
in meinem Kuß wie tropfend Erz!

Und flüstern will ich dir ins Ohr
ein Wörtlein, zaub'risch wunderfein,
daß du nichts andres denken sollst,
als mich allein, als mich allein ...

Clara Müller (1861-1905)
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In deine Liebe möcht' ich ...

In deine Liebe möcht' ich
Mich senken ganz hinein,
Da tief ohn' Ende rasten
Und von Allen vergessen sein!

Ein Wörtlein würd' ich hören,
Das Eine ganz allein,
Wenn ich so läg' und schliefe
In diesem Wonneschrein.

Nicht Engelgrüße tönten
Mir so beglückend rein
Denn süßer klingt als Alles
Das Wörtlein: Ich bin dein!

Amara George-Kaufmann (1835-1907)
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Hauch der Liebe

Einziger Mann!
Ich erbettle so wenig:
Lass mich in deinem Leben Geringstes –
Das Kleinste sein –!
Lass mich dir
Wie der Hauch einer Blume sein –:
Aber nur dein . . . –!
Dein . . .
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Dem Angebeteten

Versprühe Küsse auf meinen Leib!

Ich bin ein klarer Teich,
Auf den die Sonne scheint
Eine Blume, die blätterdehnend
In lauen Lüften träumt.
Ein Stern, der selbstvergessend
Auf dunkler Erde hellend scheint.

Versprühe Küsse auf meinen Leib –:
Nur wenn ich dich denke,
Werd ich Weib . . .!
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Einem Schönen

Auf Rosenblätter will ich seinen Namen
und sein Leben hauchen,
Damit die Nachtigallen, wenn sie mild
in schwüle Düfte tauchen,
Sein Lob aus allen Zweigen
klingend singen –
Und ihm die Liebe einer Welt
erringen!

Elsa Asenijeff (1867-1941)
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Tag der Liebe

Hat dich heiliger ein Hauch berührt?
Hat die Sonne heißer dich gegrüßt?
Bist vom Blühen wilder du verführt?
Bist von Sehnsucht tiefer du versüßt?

Schreite selig in dein Licht empor.
Schnell verflogen ist was schwert und trübt.
Raunt es dir das Leben doch ins Ohr:
Tausend tausendfach bist du geliebt.

Rudolf G. Binding (1867-1938)
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Gieß in meine Seele deine

Gieß in meine Seele deine,
Meine hast du längst getrunken,
Wie im Morgensonnenscheine
Untergehn der Sterne Funken:

Daß mit wonnevollen Schmerzen
Gleiche Flammen uns durchwühlen!
Daß wir beide tief im Herzen
Eines Blutes Pulsschlag fühlen!

Robert Prutz (1816-1872)
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Dein

Die Hände fest in deinen fieberheißen,
Von deinem Blick, dem leuchtenden, umfangen,
Weiß ich nicht, fühl' ich mehr in mir dich, oder
Mein Sein in deiner Seele.

Mich überströmt der Gluthauch deiner Süße
Und dringt in jede Tiefe meiner Seele.
Stumm bebt durch alle Fibern eine Wonne,
Ein Strahl in meinem Geiste.

Nimm an dein Herz mich, sauge mir die Seele,
Blut, Leben, Alles aus mit deinen Küssen.
Ach, könnt' ich so mit ihnen meinen letzten
Sterbenden Hauch verathmen!

Diana Toledo (um 1900)

(Aus dem Italienischen von Paul Heyse)
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Anbetung

Du willst um Sechs mich in die Messe schicken?
Sieh, wie so herrlich dort die Gipfel ragen.
Dort werd' ich morgen sein beim frühsten Tagen,
Veilchen und Thymian für dich zu pflücken.

Und kannst du mich im Kirchlein nicht erblicken,
Brauchst du vorm Zorn des Herrn drum nicht zu zagen.
Nicht Weihrauch und Latein kann ihm behagen,
Nur unsrer Herzen andachtvoll Entzücken.

Meins, das hier unten zwar für dich nur schlägt,
Trag' ich's hinauf, erathmend dort zu lauschen,
O Wunder! betend fliegt es himmelwärts.

Und von dem Schönheitshymnus tief bewegt,
Den rings die Land- und Meeresweiten rauschen,
Wird zum Altare mir mein eignes Herz.

Emilio Praga (1839-1875)

(Aus dem Italienischen von Paul Heyse)
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Dauerndes Glück

Wenn sich zwei Herzen ein Leben geliebt
In Freuden und in Leiden:
Es nichts in allen Welten giebt,
Das je sie könnte scheiden.

Und ließ umgeben von höllischer Qual
Ein strenger Gott sie binden;
Sie würden, wie im Erdenthal,
Auch dort den Himmel finden.

Karl Siebel (1836-1868)
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Die Lilie und der Mondstrahl

Der Mond hängt in die düstre Nacht
Recht silberklar herein,
Und sendet seiner Strahlen Pracht
Dem Strome und dem Hain.

Da richtet sich aus süßem Traum
Die Lilie still empor,
Und öffnet ihres Kelches Raum
Und läßt den Duft hervor.

Und flugs in die erschloss'ne Brust
Schwingt sich der leichte Strahl,
Und schmiegt sich an in sel'ger Lust,
Und küßt sie tausendmal.

Sie aber schließt erfreut sich schnell,
Und hält den Buhlen fest,
Der, in der hellen zwiefach hell,
Von ihr sich wiegen läßt.

Und Morgens, wenn die Schäferin
Die thau'ge Lilie pflückt,
Und sie mit frommem Kindersinn
An ihren Busen drückt:

Da wird, wenn sich der Kelch erschließt,
Ihr wundersam zu Muth,
Und unbekannte Sehnsucht fließt
Durch ihr erglühtes Blut.

Und seufzend wallt sie durch das Thal
In jeder lauen Nacht -
Sagt, hat das wohl der Mondenstrahl
Im Lilienkelch gemacht?

Karl Egon Ebert (1801-1882)
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Alle Birken grünen ...

Alle Birken grünen in Moor und Heid,
Jeder Brahmbusch leuchtet wie Gold,
Alle Heidlerchen dudeln vor Fröhlichkeit,
Jeder Birkhahn kullert und tollt.

Meine Augen, die gehen wohl hin und her
Auf dem schwarzen, weißflockigen Moor,
Auf dem braunen, grünschäumenden Heidemeer
Und schweben zum Himmel empor.

Zum Blauhimmel hin, wo ein Wölkchen zieht
Wie ein Wollgrasflöckchen so leicht,
Und mein Herz, es singt sein leises Lied,
Das auf zum Himmel steigt.

Ein leises Lied, ein stilles Lied
Ein Lied, so fein und lind,
Wie ein Wölkchen, das über die Bläue zieht,
Wie ein Wollgrasflöckchen im Wind.

Hermann Löns (1866-1914)
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Wunsch

Ach, wär' ich doch ein Spiegel!
Du schautest in mich, stille
Blickt' ich dich an, du Holde,
In deiner Schönheitsfülle.

Wär' ich ein Kamm! Wie leise,
Wie sanft wollt' ich beginnen
Die Flechte dir zu theilen,
Und auf und ab zu rinnen!

Wär' ich ein mildes Lüftchen!
Ich ließe zu den süßen
Brusthügeln sanft mich gleiten,
Sie lächelnd zu umküssen.

Und wär' ein Traum ich! Milde
Senkt' ich mich nächtlich nieder,
Im Dunkeln dir zu binden
Die müden Augenlieder.

Athanasios Christopulos (1770-1847)

(Aus dem Griechischen von August Boltz 1819-1907)
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An ***

Wie süß du meiner Seele bist,
Ich weiß es nicht zu sagen!
Was still in meinem Innern sprießt,
Will nicht an's Licht sich wagen.
Vom Lenze, der in meiner Brust
Geweckt ein neues Leben,
Vermag ich, wollend und bewußt,
Den Schleier nicht zu heben.

Es sei! Wozu versucht ich auch
Ihn absichtsvoll zu lüften?
Du merkst den warmen Frühlingshauch
An seinen linden Düften.
In meinen feuchten Augen siehst
Du Licht des Morgens tagen -
Wie süß du meiner Seele bist
Brauch' ich dir nicht zu sagen!

Betty Paoli (1814-1894)
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Wie hast du selig mich gemacht ...

Wie hast du selig mich gemacht
Du milde, dunkle Sommernacht!
Es war so still in weiter Rund',
Da lag verstummt auch Mund an Mund -
Mein Liebster hat mich geküßt!

Ich träum' es Nachts in süßer Ruh',
Im Traum ist's, was am Tag ich thu',
Weiß nicht, ob Sturm ob Sonnenschein,
Muß lächeln nur in mich hinein:
Mein Liebster hat mich geküßt!

O dürft' ich künden, was mich drängt,
Was pochend fast die Brust mir sprengt,
Auf daß die Welt, die nichts vergönnt,
Den ganzen Himmel fassen könnt':
Mein Liebster hat mich geküßt!

Angelika von Hörmann (1843-1921)
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Liebste, weißt du wie der Mensch ...

Liebste, weißt du wie der Mensch
Die Unsterblichkeit erwirbt?
Wer vom Götternektar trinkt,
Weißt du, daß er nimmer stirbt?

Liebste komm! dein roter Mund
Ist so süßen Nektars voll;
Laß mich trinken, weil ich, ach!
Heut vielleicht noch sterben soll.
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Das Weib

Das Weib ist gleich der Blume,
Von Himmelsduft umweht,
Sie leuchtet wie die Sonne,
Wenn sie im Mittag steht.

Wie an des Falters Rüssel
Der Staub der Lilie klebt,
Also mich ihres Busens
Duft immer noch umschwebt.
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Ich komme

Liebesträumend schläft der Mond
Überm Meer und deinem Haus,
Du nur Liebste bist noch wach,
Sendest Sehnsuchtsseufzer aus.

Ruf den Schlummer, daß er dir
Küsse lind die Rosenwange,
Will er nicht, so rufe mich,
Daß ich liebend dich umfange.

Dimitrie Bolintineanu (1819-1872)

(Aus dem Rumänischen von Wilhelm Rudow 1858-1899)
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Erste Liebe

Zarte, maiengrüne Liebe,
Denk' ich dein, wird mir das Auge feucht;
Bist wie eine weiße Taube,
Die man durch die Wälder scheucht.
Bist wie Heimatglocken süßer Morgensang,
Rein wie Paradieses erster Labetrank.

Duft von jener blauen Blume,
Welche Gott an seinem Busen trägt,
Altarbild, vor dem der Sünder
Seinen Blick zu Boden schlägt.
Bringst versteinte Herzen aus der kalten Ruh',
Bist nicht fortzulächeln, erste Liebe, du!

Keiner kann dich ganz vergessen,
Sternumsäumtes, zartes Morgenrot,
Ob uns auch das reiche Leben
Tausend goldene Sonnen bot.
Immer wirst du bleiben unser schönster Traum,
Holde, erste Blüte an des Lebens Baum!

Johanna Ambrosius (1854-1939)
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Hingebende Liebe

"So viele Blätter in dem Wald
Und Gräser auf der Heiden,
So viel Dukaten, Seele mein,
Gab ich für dich mit Freuden."

"Ich wußte nicht, daß du es thatst,
Schönäuglein, meinetwegen,
Will jetzt als Pfad, als Brücke mich
Zu deinen Füßen legen.

Will jetzt das Silberkrüglein sein,
Draus du den Wein sollst trinken,
Und will als süßer Rebensaft
In deinem Becher blinken."
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Mädchen mit den Wangengrübchen,
Mit der zarten weißen Hand,
Wundervolles kleines Rebhuhn,
Hast mein Herz gesteckt in Brand.
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Holde Seele, süßes Leben,
Du mein Licht so mild und klar,
Will als Heiligenbild dich malen
Und dich küssen immerdar.
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Was scheret mich das Paradies!
Ich mag nicht selig werden,
Kann ich nur deine Brust
Umfangen hier auf Erden.
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Angelika, du Zucker,
Du Honig süß und klar,
Angelika, du Quelle,
Draus trinkt der Engel Schar.
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Neugriechische Liebeslieder

(In der Übertragung von Hermann Lübke)
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Wunder

Deute mir den süßen Zauber,
Der die Frauenlippe würzt:
Daß uns ihre Glutberührung
In ein Meer von Wonne stürzt?

Solchem Wunder nachzuspüren
Ist so fromm, als wie des Seins
Ew'gem Grunde nachzugrübeln:
Alle Wunder sind nur eins.

Heilig ist dies Weltenwunder,
Wo ihr's packt, an jedem Ort,
Und die großen Rätsel alle
Löst ein einzig Zauberwort.

Robert Hamerling (1830-1889)
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An die Geliebte

Sternengold entreiß ich dem nächtlichen All,
schmiede draus ein leuchtendes Diadem,
und um deine züchtige Stirne
flecht ich mit zitternder Hand es, Geliebte!

Sonnengold entwend ich dem Tagesgestirn,
winde draus einen siebenfach strahlenden Ring,
und an deine Hand, die reine,
füg ich in sprachlosem Glück ihn, Geliebte!

Blütenduft erhasch ich und Mondenglanz,
webe draus einen schimmernden Schleier dir,
und um deine Gestalt, die keusche,
lege ich zärtlich und leis ihn, Geliebte!

Was mir etwa entfiel beim wonnigen Werk,
raff ich auf und spinne mir Saiten draus,
süße, selige Weisen tönend -
alle für dich nur, für dich nur, Geliebte!

Christian Morgenstern (1871-1914)
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Selige Liebe

Grausame Ketten um mein Herz sich legen,
Doch schätz' ich es als Segen,
Daß in so schönem Netz ich bin gefangen:
Froh leb' ich, ob auch Sorgen mich umbangen,
Und als Genuß erscheinen
Will mir mein Seufzen, trotz der Leute Meinen.

Ihr Augen, wunderschöne,
Drin allen Liebreiz ich zu finden wähne,
O Stunde, hochbeglückte,
Da ich in eurem Netze mich verstrickte!
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Lob der Ehefrau

Dem ward im Kampf Ruhm durch den Arm beschieden,
Durch Rednerkunst und Herrschermacht im Frieden,
Doch schmückt das Weib den Weg nicht seines Lebens,
Wirkt er vergebens.

Der durch die Wirtschaft, der durch Dienst im Lande
Erwirbt sich Geld, und der im Kaufmannsstande,
Doch ist das Weib mit ihnen nicht im Bunde,
Geht all zugrunde.

Ein ehrlich Weib ist seines Mannes Zierde
Und wahrt am sichersten des Hauses Würde;
Sie lenkt's und ist dem Manne zweifelsohne
Des Hauptes Krone.

Sie weiß des Mannes Kummer abzuleiten
Und ein behaglich Heim ihm zu bereiten;
Sie stillt die Sorgen, die sein Haupt umflorten,
Mit süßen Worten.

Sie schenkt ihm Kinder, die dem Vater gleichen
Und zu besondrer Freude ihm gereichen;
Nicht lauern mehr Verwandte, daß er sterbe:
Lebt doch ein Erbe.

O dreimal glücklich, dem der Herr bescherte
Den Bund! Jedoch ein böser Ehgefährte
Nimmt alles fort, daß Sorgen dich umgeben
Durchs halbe Leben.

Jan Kochanowski (1530-1584)

(Aus dem Polnischen von Spiridion Wukadinovic 1870-1938)
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Der Liebesorden

Meine Freiheit gab ich ganz verloren,
In den Liebesorden trat ich ein;
Schwer fürwahr ist unsre Ordensregel,
Doch mein Eid soll treu gehalten sein.

Habe das Bekenntniß abgeleget,
Ach, nach langem, langem Noviziate
Vor der Priorin mit blauen Augen
Und im schneeig schimmernden Ornate.

Statt der Kerzen leuchteten die Sterne,
Altardecke war der Blumenflor,
Feierliche Balsamdüfte strömten
Aus der Rosen Weihgefäß empor.

Hohe Linden bildeten die Kirche,
Von dem Bach her rauschten Orgelklänge,
Cantor war die Nachtigall des Haines,
Dem Jasmin entsendend Lobgesänge.

Rings als Zeugen des Gelübdes standen
Lilien und Narcissen aufgereiht
Und die andern Kinder Gottes: Veilchen,
Glöckchen, Blümlein der Dreifaltigkeit.

Unter einer Linde die Aebtissin
In dem oberpriesterlichen Kleide,
Mit dem himmelblauen Ordensbande,
Weißer Rosen zwei als Hauptgeschmeide.

Und sie hielt ein Buch in ihren Händen,
Niedlich klein, in reichem Purpurband:
Romeo's und Julia's Geschichte,
Aufgezeichnet von des Briten Hand.

Ich trat näher, legte niederknieend
Meine Hand aufs Buch und sprach: "Ich schwöre
Bei der Sonne, bei dem Licht des Mondes,
Bei der Sterne Zahl im Aethermeere!"

Doch wie Julia Capulet erwidert,
Also sie: "Beim Monde schwöre nicht;
Heute glänzt der Mond am Firmamente,
Morgen schon entflieht sein Silberlicht.

Noch auch bei der Sonne, bei den Sternen,
Die im Wechsel hin und wieder gehen;
Denn ich will aus deinem Blick die Liebe
Ohne Wechsel auf mich strahlen sehen.

Aber willst du mir Gewißheit geben,
Drängt es dich zu einem heil'gen Eid:
Schwöre bei der Reinheit deiner Seele,
Mich zu lieben jetzt und allezeit!"

Und ich schwor und hielt dem Liebesorden
Seit der Stunde makellose Treue;
Schwer fürwahr ist unsre Ordensregel,
Doch mein Eid erfüllt mich nicht mit Reue.

Ihrer denkt mein Herz in stillem Frieden,
Stets den ganzen Tag, die ganze Nacht,
Ihres wahren Werthes, ihrer Tugend,
Ihrer Anmuth, ihrer Augen Pracht.

Von dem Stolz, der Inbrunst meiner Liebe
Lass' ich Erd' und Himmel widerhallen;
Unter Blumen nenn' ich ihren Namen,
Lass' ihn aufwärts zu den Sternen schallen.

Theile meine Sehnsucht, meine Schmerzen,
Das Entzücken, das die Brust mir schwellt,
Gern mit jedem Vöglein in den Lüften,
Jedem Wölkchen unterm Himmelszelt.

Ihr, nur ihr gilt alle meine Rede,
Ihr mein erstes und mein letztes Denken;
Noch im Schlummer seh' ich ihre Züge
Sich herab auf meine Lider senken.

Leg' ich mich mit fromm gefaltnen Händen
Auf mein klösterliches Bett zur Ruh,
Dann schwebt sie gleich einem Engel Gottes,
Himmelblau gegürtet, auf mich zu -

Bald mit kummervoll gesenktem Haupte,
Ihre Hände ringend bang und zagend,
Bald in edelm Stolz emporgerichtet
Wie Cypressen, über Gräbern ragend;

Bald in hellem, heiterm Uebermuthe,
Also stieg einst Venus aus dem Meer,
Dann von neuem ernst, bereit zum Kampfe
Mit des Lebens grimmem Ungefähr.

Oft auch kommt die Zeit der harten Fasten
Mit der Peinigung, der bußevollen,
Wenn die Theure, sonst so zärtlich lächelnd,
Meine Nähe flieht in kaltem Schmollen,

Wenn sich Wolken um ihr Köpfchen thürmen,
Und Verderben aufsprießt um uns her:
Dann, o dann wird mir, dem Schmerzgebeugten,
Meine Ordensregel herb und schwer!

Joseph Szujski (1835-1883)

(Aus dem Polnischen von Heinrich Nitschmann 1826-1905)
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Die Symbolik der Liebe

Wenn auf mit Sang die Lerche steigt, beflügelt,
Die Sonne sich im frischen Thau bespiegelt, -
Wo ist der Blick, den heiß mein Herze liebt?
Wo ist der Himmel, der mir Antwort giebt?

Dein Auge ist's - Wenn es mit süßen Schmerzen
Die Seele füllt, sein Strahl sich bricht im Herzen,
Dann hör' ich, lieblicher als Frühlingslust,
Ein Echo Deines Glücks in meiner Brust!

Wie froh sich mit dem Morgenwind, dem frischen,
Die Düfte kaum erblühter Blumen mischen!
So blühen in der Brust Gefühle klar,
Gleich Opferflammen auf dem Weihaltar!

Wie Vögel Antwort geben süß durch Lieder,
Fliegt der Gedanke singend auf und nieder,
Von Liebe träumend durch den Himmelsraum
Und Wort und Blicke werden selbst zum Traum.

Sahst Du die Tauben sich im Haine küssen?
Sahst Du die Blumen sich im Winde grüßen?
Der Welle "Ach" im Bache - hörst Du's wohl?
Für meines Herzens Traum ist's ein Symbol!

Wie schön ist, Liebe, Deine Bildersprache,
Des Herzens Seufzer und der Hauch im Bache
Sind Zeugen ja von Dir; ein sel'ger Ton
Drang rein zu uns vom lichten Himmelsthron!

Julia Christina Nyberg geb. Svärdström (1785-1854)

Aus dem Schwedischen übersetzt von Edmund Lobedanz (1820-1882)
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Ich liebe das Weib

Ich liebe das Weib, wenn vor Lust es vergeht,
Wenn lodernd im Banne der Lüste es steht,
Wenn neblig ihr Blick, ihr Antlitz erbleicht,
Halboffen ihr Mund, die Lippen so feucht.

Ich liebe, wenn lustvoll verlangend, doch stumm
Sie preßt in die Arme die Finger ganz krumm,
Wenn eiliger Atem bewegt ihre Brust
Und sie sich ergibt in ohnmächtiger Lust.

Ich liebe die Scham, die dem Weibe verwehrt,
Zu zeigen, wie sehr sie von Lüsten beschwert,
Und wenn sie, erdrückt fast von ihrer Wucht,
Ohn Worte und Blicke die Lippen nur sucht.

Dies lieb ich - - und auch, wenn an mich geschmiegt,
Sie müd und erschöpft zur Seite mir liegt . . .
Und meine Gedanken enteilen im Traum
In anderer Welten endlosen Raum . . .

Kazimierz Przerwa-Tetmajer (1865-1940)

Aus dem Polnischen von Lorenz Scherlag (1881-1941)
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An D. D.

Mein Liebchen will's in seinen frohen Tagen
Mit Plaudern, Girren, Klagen mich bethören,
Kann also lieblich plaudern, girren, klagen,
Dass ich, damit kein Wörtchen mir entschwebe,
Nicht unterbrechen mag, nicht Antwort gebe,
Und gar nichts will, als hören, hören, hören.

Doch seh' der Rede Gluth ihr Aug' ich feuchten,
Mit höh'rer Röthe mich die Wangen grüssen,
Die Perlenzähn' aus den Korallen leuchten:
Dann kühner blick' ich in der Augen Sterne,
Verschliess' den Mund, verzicht' auf's Hören gerne,
Und will nun nichts, als küssen, küssen, küssen.

Adam Mickiewicz (1798-1855)
Aus dem Polnischen von Carl von Blankensee (1836)
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Die Wege der Liebe

Es geht ein Geist unsichtbar uns zur Seite,
Er lächelt mit uns, wenn das Herz uns froh,
Ein holder Geist, er tröstet uns im Streite,
Versöhnt uns, wenn im Haß die Ruhe floh.
Wie auch der Hoffnung Blicke schaun in's Weite,
Nur er giebt Antwort auf das "Was" und "Wo".
Er ist das Herz im großen Weltenringe,
Das mild pulsirt auch in dem kleinsten Dinge.

Du bist es Liebe! Still sind Deine Wege,
Und im Geheimen wirkst Du allermeist,
Du schleichst mitunter auf verbot'nem Stege
Und unverständlich ist uns oft Dein Geist!
Doch unermüdlich bist Du, säumst nicht träge,
Wenn jeden Ort Du stets zu finden weißt.
Im Sturm des Aufruhrs spürt man Deine Stimmen,
Im schelm'schen Spiel Dein sanft erwärmend Glimmen.
In harte Brust geußt süß Du Deine Wonnen
Und wirst nicht abgeschreckt durch Widerstand;
Die Vorurtheile schmelzen Deine Sonnen
Und neu verknüpfst Du das zerriss'ne Band.
Vor Deinem Hauch ist jedes Eis zerronnen
Und mild zollt Dir Tribut das größte Land.
Du flüsterst uns in's Ohr mit holder Güte,
Evangelistengleich mit Bild und Mythe.

Die Werke der Natur laut von Dir zeugen,
Die kleinste Pflanze ist wie ein Prophet,
Vor Dir bewundernd sich die Menschen beugen,
Vor Dir verstummt der glücklichste Poet.
Ja, jeder Glaube muß vor Dir sich neigen,
Denn ohne Dich verwelkt er und vergeht.
Du strahlst uns aus des Heilands Dornenkrone
Und Trost und Segen träuft von Deinem Throne.

Es regt sich schaffend wie von Zauberkräften,
Zum schönen Leben in des Dichters Hirn,
An Erd und Himmel wird sein Blick sich heften,
Mit Mephistopheles zur Hölle irr'n.
Doch ohne Dich ihn Gaukelbilder äfften,
Groß ist er nur - strahlst Du von seiner Stirn.
Und jedes Lied, in dem Dein Herz pulsiret,
Der Andern Herz voll Macht zur Schönheit führet.

Gleich Liebenden, die unverwandt betrachten
Der Seele Lust mit zärtlicher Kritik,
Die Mängel selbst für süße Tugend achten,
Wodurch sich nur vermehrt der Liebe Glück,
Wird er, ein Seher, schwärmerisch betrachten
Die ganze Welt mit eines Gottes Blick.
Ihm wird zum Lied die Ranke, die sich schlinget
Und der Natur hingebend Liebe bringet.

Henrik Hertz (1798-1870)

(Aus dem Dänischen von Edmund Lobedanz 1820-1882)
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Schönheits-Attribute

Leuchtend weiße zarte Händchen,
Feine Diebchen, Feuerbrändchen,
Herzen, die ihr eingefangen,
Euch an jedem Finger hangen.
Ihr rubindurchglühte Spitzen,
D'raus verborg'ne Funken blitzen.
Süß geschwellte, holde Lippen,
Zähnchen, Alabasterklippen,
Die dem schwankend leichten Boot
Meines Herzens Schiffbruch droht.
Blitzeleiter, Augensonnen,
Die so manchen Sieg gewonnen.
Deren leuchtend heller Schimmer
Ueberstrahlt der Sterne Flimmer.
O, den Tag könnt ihr erwecken,
Daß sich muß die Nacht verstecken.
Stärker ihr als Sternenlicht,
Denn der Sonne weicht ihr nicht.
Meine Welt dürft ihr verklären,
Wie die Sonn' die Hemisphären.
Euren Perlenmutter-Schein,
Schließt durchsichtig Elfenbein,
Doch geschlossen oder offen
Wird durch Euch mein Herz getroffen.
Brauen, wunderholde Bogen,
Die Cupido's Hand gezogen,
Schmal und edel, fein und stolz,
Dunkel, wie von Ebenholz.
Nette Ränder von dem Schrein,
Der da schließt Juwelen ein.
Wangen zart von Eis und Glut,
Lilienmilch und Rosenblut.
Mund der von Granaten stammt,
Kohle die mein Herz entflammt.
Stirne, offen schön und wahr,
Leuchtend wie die Lilie klar,
Wie des Meeres Spiegelbahn
Ziehst du meine Augen an.
Ihr anmutig goldne Flocken,
Feingekräuselt helle Locken,
Zart durchsichtig Labirinth
Wie's der Seidenwurm nicht spinnt,
Duftgewebe, Zauberfädchen,
Dran mich lenkt das süße Mädchen,
D'raus sie Schlingen dreht zu fangen,
Netze, d'rin so manche hangen.
Flöckchen, Löckchen zum Entzücken,
Schelme seid ihr voller Tücken,
Leicht gelockte gold'ne Flocken,
Leicht gelockt um leicht zu locken,
Schiffbruch habt ihr mir geschworen,
Denn die Bahn hab' ich verloren.
Wie soll ich mich noch erretten,
Da ihr webet Sklavenketten,
Die mit Banden mich umwanden,
Daß ich stranden muß und branden;
Ach, an einem einz'gen Riff
Scheitert schon ein schwaches Schiff.
Gern versengen Schmetterlinge
An umtanzter Glut die Schwinge,
Und wie schnell ist der gefangen,
Der so gern in's Netz gegangen.

Pieter Corneliszoon Hooft (1581-1647)

Aus dem Niederländischen übersetzt
von Luise von Ploennies (1803-1872)
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Komm ins Boot, Geliebte . . .

Komm ins Boot, Geliebte, komm zur dunklen Bucht,
Wo die weißen Rosen träumrisch überhangen,
Welkend durch der Sehnsucht ungestillt Verlangen,
Trauernd ob der Träume allzurascher Flucht;

Wo die weißen Rosen träumrisch überhangen,
Bleiche Odalisken in Palastesruh;
Langsam Blätter streuend, nicken sie uns zu,
Welkend durch der Sehnsucht ungestillt Verlangen.

Bleiche Odalisken in Palastesruh,
Kühlen sie die Halle unsrer Liebesfeier,
Weben sie in Duft uns wie in Zauberschleier,
Langsam Blätter streuend, nicken sie uns zu;

Kühlen sie die Halle unsrer Liebesfeier . . .
Komm ins Boot, Geliebte, komm zur dunklen Bucht!
Trauernd ob der Träume allzurascher Flucht,
Weben sie in Duft uns wie in Zauberschleier.

Fiore della Neve (Martinus van Loghem) (1849-1934)

Aus dem Niederländischen von Otto Hauser (1876-1944)
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Liebe

Da deiner weißen Glieder Schönheitslinien
Zum erstenmale nackt vor mir geruht,
Da schauerte die Seele mir vor Glut;
Auf deiner weißen Schönheit Wogelinien
Starrt' ich verzückt, mit wirr erregtem Blut.

Ich kniete . . . Sonnenheiß und schloßenwild
Verheerten meine Küsse deine Pracht,
Und wo des Lebens Puls am glühsten schwillt
Da sog mein Mund sich fest sinnunbewußt -
Und du warst mein, bebtest an meiner Brust.

Nun bist du fern, - mein Kuß ist heimatlos
Und meiner Lenden Sehnsucht ungestillt, -
Allein durch meine wachen Träume gleiten
Noch deiner weißen Schönheit Marmorlinien.

Alphonse Walleen (1863-1941)

Aus dem Dänischen von Otto Hauser (1876-1944)
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Drei chinesische Gedichte aus der Tang-Zeit

Frühlingstraum

Der Frühlingswind umspielte
Im Schlaf mich gestern Nacht:
Ich hab' an die ferne Geliebte
Am Ufer des Hsiang gedacht.

Den Augenblick, als auf dem Kissen
Ich träumte den Frühlingstraum,
Durcheilt' ich bis südlich vom Yangtse
Viel tausend Meilen den Raum.

Ts'en Ts'an (8. Jh. n. Chr.)
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Lotospflückerin

Die Lotosblätter und ihr Kleid,
Die schimmern beide grün,
Und ihrem Antlitz sieht zur Seit'
Man rote Lotos glühn.

Kaum merkt man, daß im Teiche schwimmt
Durch Blüten leicht ihr Kahn.
Erst wenn man ihren Sang vernimmt,
Erspäht man ihre Bahn.

Wang Tsch'ang-ling (8. Jh. n. Chr.)
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Trinklied

Jedes Jahr pflegt uns auf's Neu'
Einen neuen Lenz zu geben.
Doch, wenn hundert Jahr vorbei,
Sind wir all' nicht mehr am Leben.

Wievielmal im Blütenhain
Kannst dem Trunke du noch huldigen?
Zahle tausende für Wein:
Armut kann dich nicht entschuldigen.

Ts'ui Min-t'ung (etwa 8. Jh. n. Chr.)
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übersetzt von Alfred Forke (1867-1944)
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Komm in der Nacht

Komm in der Nacht zu mir, mein Lieb,
Und schenk' meiner Seel' einen glücklichen Tag!
Dem Pfauengefieder, so glänzend und schön,
Man deinen Liebreiz vergleichen mag.
So süss ist dein Leib, schau ich ihn an,
Wie dort die Aprikose im Hag.
Komm in der Nacht zu mir, mein Lieb,
Und schenk meiner Seel' einen glücklichen Tag.
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Liebesgaben

Ich kaufte Schminke ihr zum Schmuck
Der Brauen mit meinem Golde. -
O, zarter als ein Blumenkelch
Ist meine Maid, die Holde.

Ich kaufte Schwärze ihr zum Schmuck
Der Augen mit meinem Golde. -
O, zarter als ein Blumenkelch
Ist meine Maid, die Holde.

Ich kaufte einen Kamm zum Schmuck
Des Haares mit meinem Golde. -
O, zarter als ein Blumenkelch
Ist meine Maid, die Holde.
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Schwere Wahl

Was ist das Schönste wohl an ihr?
Das Mal auf ihrer Wange?
Ist es die Anmut, die sich zeigt
In meines Liebchens Gange?

Sind es die Schultern, weiss wie Schnee?
Sind es der Locken Wellen,
Die hinter ihrem Ohr hervor
In üpp'ger Fülle quellen?

Sind es die leicht geschwungnen Brau'n?
Die braunen Flechten? Die Augen,
Mildglänzend, oder der rosige Arm,
Die mir am besten taugen?

Persische Liebeslieder (Volkslieder)

(übersetzt von August Seidel 1863-1916)
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Unter dem Flieder

Wir standen unterm Flieder, in seinem Duft verzückt
Und hüllten uns in Träume, der Wirklichkeit entrückt.

Der Frühlingsmorgen wurde zum uferlosen Meer
Von Wolken, Bäumen, Zweigen und Blüten um uns her.

Ein Meer von Blumen, Farben entstand um uns im Nu:
Nur Blumen, Düfte, Gräser und Liebe, ich und du.

Wir hielten uns umschlungen und schmiegten Wang' an Wang',
Die Seligkeit des Flieders in uns're Herzen drang.

Die Sonne strahlte Wärme und Liebe immerzu,
Es war ein Staunen, Beben, ein Rausch, und ich, und du.

Wir lebten ew'ge Stunden im kurzen Sonnenschein,
Der Frühlingsmorgen strahlte für uns, für uns allein!

Wir waren zwei Gebilde von Licht und Frühlingsluft,
Zwei Träume, die gewoben der Fliederblüten Duft.

Konstantin Balmont (1867-1942)

(In der Übersetzung von Alexander Eliasberg 1878-1924)
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Hymne

Dich, schöne Liebe, schöne Süße,
Dich Engel, der zum Licht mich weiht,
Unsterbliches Idol, dich grüße
Ich glühend in Unsterblichkeit!

Du flutest durch mein ganzes Leben
Gleich einem Seewind, herb und rein,
Und meiner Seele bangem Streben
Flößt du Begehr nach Ew'gem ein.

Stets frischer Wohlgeruch, der blühend
Ein lieb Gemach in Düfte taucht,
Vergeßner Weihrauch, der erglühend
Geheim in tiefer Nacht verhaucht,

Wie soll ich nennen dich in Wahrheit,
Demantenreine Liebesglut,
Die in der Seele ew'ger Klarheit,
Ein Ambrakorn, verborgen ruht?

Dich, schöne Gute, schöne Süße,
Die Kraft und Freude mir verleiht,
Unsterbliches Idol, dich grüße
Ich glühend in Unsterblichkeit!

Charles Baudelaire (1821-1867)
(In der Übersetzung von Wolf von Kalckreuth 1887-1906)
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Mit dir

Im ersten Frühling, ringsum Blumendüfte -
Weisst, Liebster, du den vierten Nissan (April) noch?
Den hellen, schönen Tag voll Freud' und Wonne,
Wo lustdurchglüht wir Seit' an Seit' gewandelt?

An jenem Tage keimte unsre Liebe.
Erwacht' in unsern Herzen Freud' und Lust.
Der süsse, reine, flücht'ge Frühlingswind
Rief mahnend: Liebet, liebet! uns entgegen.

Wie glücklich sind wir damals nicht gewesen
Auf den smaragdnen Fluren Seit' an Seit'!
Steh still! rief ich dem Zeitenrade zu,
Als ich mit dir dort Seit' an Seite schritt.

Schön sprossten Baum und Frucht in jungen Trieben,
Wie lieblich war doch anzuschaun die Welt!
Zu knospen hatte alles frisch begonnen,
Und die Natur hub sich zu schmücken an.

Von jungem Gras vergoldet lacht' die Erde,
Gleich Wellen wogt' der Wind darüber hin,
Wie Dichtermund rief alles mir entgegen,
Wie gross die Lust, mit dir vereint zu sein.

Der Frühling schwand, die Berge sind vergilbt,
Und wieder gingen beide wir selband'.
Und neue Lust entspross der Zeiten Wechsel,
Der Frühling schwand, doch unsre Liebe blieb.

Wie schön, ach! war der Rosenhain der Welt!
Und das smaragdne Gras mit dir zu schaun!
Der Vögelein Gesang, der Murmelbach -
Mir war's, als wenn im Paradies ich schritt.

Ist heut' im Winter unsre Liebe kalt?
Komm, komm, mein Herz, des Frühlings lass uns denken,
Die Herzen stärken uns in Hoffnungslust -
Zur Rosenzeit gehn wieder wir zusammen.

Nigâr Hanim (1856-1918) türkische Dichterin
(In der Übersetzung von Paul Horn 1863-1908)
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Zwei Wolken,
Wie ein Liebespaar,
Im tiefen Blau,
Dem Bett der Götter.
Sie dringen, gegen Wind,
Wie Leiber ineinander.
Nun sind sie
Eins.
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Die Liebe ist
So langsam,
Daß sie,
Zum Ziele zu gelangen,
Am Leben nicht genug hat.
Sie geht
Bis an den Tod,
Und fängt vielleicht
Den Weg
Von neuem an.
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Innig bete ich:
Laß, Herr, meine Liebe rein sein,
Wie Liebe der Blumen,
Wie Liebe der Gestirne
Zum Menschenauge.
Denn sie, die Herrlichkeit,
Der Ort der Seele,
Will Alles
Und muß alles haben.

Arno Nadel (1878-1943)
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Drei chinesische Dichterinnen
aus der Zeit der Han- und Sung-Dynastie

Die Königin von Wusun

Mein Geschlecht hat mich
Ach! vermählt,
Mich geschickt weit, weit
In die Welt.

In dem fernen Land
Der Wusun,
Ach! des Königs Weib
Bin ich nun.

Ach! in einem Zelt
Wohn' ich jetzt,
Und die Hauswand Filz
Mir ersetzt.

Meine Speise ist
Fleisch allein,
Kumyss schenkt dazu
Man mir ein.

Ach! es brennt mein Herz,
Seit ich hier,
Nur der Heimat denkt's
Für und für.

Gelber Kranich sein
Möcht ich gleich,
Flög' dann schnell zurück
In mein Reich.

Prinzessin Hsi-tschün (um 100 v. Chr.)
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Der Fächer

Aus einem Seidenstücke zart,
Wie Schnee und Reif so weiss,
Der Fächer hier geschnitten ward,
Rund wie des Vollmonds Kreis.

Im Aermel und im Busen auch
Mein Herr ihn mit sich führt.
Es weht ihn an ein kühler Hauch,
Wenn seine Hand ihn rührt.

Doch ach! schon kommt die Sonnenwend',
Ein frischer Herbstwind weht.
Der Sommer ist nunmehr zu End',
Die Sonnengluth vergeht.

Den armen Fächer fasst mein Herr,
Wirft in den Kasten ihn,
Denn er hat seine Gunst nicht mehr
Und seine Zeit ist hin.


Pan Tschie-yü
Palastdame des Han-Kaisers Tscheng-ti, 32-6 v. Chr.
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Die Zither

Mein Schatz hat eine Zither
Mir zum Geschenk gemacht;
Sie ward durch einen Wand'rer
Von fern mir überbracht.

Dass mein in Lieb' er denket,
Am blanken Holz ich seh';
Den Saiten nur erklinget
Ein Lied vom Trennungsweh.

Ich werde dieses Klanges
Gedenken immerdar,
Es bleibt zu allen Zeiten
Mein Herz unwandelbar.

Ein Lied wohl möcht' ich singen
Von holder Frühlingszeit,
Dass es in vollen Tönen
Erschalle weit und breit.


Pau Ling-hui (Sung-Epoche 420-479 n. Chr.)
(Schwester des Dichters Pau-tschau)


(In der Übersetzung von Alfred Forke 1867-1944)
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Zum Himmel thu' ich jede Nacht den Liebesruf ...

Zum Himmel thu' ich jede Nacht den Liebesruf,
Der Schönheit Gottes voll, mit Macht den Liebesruf.

Mir jeden Morgen Sonn' und Mond im Herzen tanzt,
Zu Sonn' und Mond thu' ich erwacht den Liebesruf.

Auf jeder Au erglänzt ein Strahl von Gottes Licht;
Ich thu' an Gottes Schöpferpracht den Liebesruf.

Die Turteltaub' im Laub, erweckt von meinem Gruß,
Thut mir entgegen girrend sacht den Liebesruf.

Dem Felsen, der zu deinem Preis mit Licht sich krönt,
Zuruf' ich, und er nimmt in Acht den Liebesruf.

Dir thu' ich für die Blum' im Feld, die schüchtern schweigt,
Fürs Würmlein, das du stumm gemacht, den Liebesruf.

Das Weltmeer preist mit Rauschen dich, doch ohne Wort;
Ich hab' in Worte ihm gebracht den Liebesruf.

Dir thu' ich als das Laub am Baum, als Tropf' im Meer,
Dir als der Edelstein im Schacht, den Liebesruf.

Ich ward in allem alles, sah in allem Gott,
Und that, von Einheitglut entfacht, den Liebesruf.

Rumi (1207-1273)
(in der Übersetzung von Friedrich Rückert 1788-1866)
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Alles ist Liebe . . .

Alles ist Liebe, wenn du es sagst.
Niemand kann lieblos dein Lächeln erwidern,
Doch wenn du klagst,
Schluchzen die Nachtigallen auf wie in alten Liedern.

Alles ist Liebe, wenn du es sagst,
Alles ist dein und mein, die Welt mit Städten und Meeren.
Aber wenn auch du verzagst,
Schwärmen die Nachtmahre aus, mein Herz zu leeren.

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Dir

Wär mein Herz nicht eine Laute
voller schmerzlich-süsser Lieder,
müsst es eine Vase sein.
Und drin blühte weisser Flieder,
und die Vase wäre dein.
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Der Gedanke an dich

Der Gedanke an dich
Duftet im Zimmer,

Hingeschneit liegt sein Schimmer
Wie Lächeln überall.

Wie der freundliche Aufblick der Gottheit
Unter ewig blühenden Brauen
Hat er den Tag gestreift, den veilchenblauen.

Camill Hoffmann (1878-1944)
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Trinke, Geliebter!

Aus meinem Herzen tropft der Wein deines Lebens,
Trinke, Geliebter,
Laß den roten Strom durch deinen Odem rollen,
Der Flammenwein ist köstlicher als Falerner,
Alle Weine Spaniens glühen nicht seine Glut.

Mein Wein ist gereift an dem Leid des Lebens,
Mein Wein ist mild von der Süße der Liebe,
Mein Wein ist stark von Kraft der Gedanken,
Er durchströmt deine Seele wie flüssige Feuer.

O trinke den Purpurwein, Geliebter,
Laß den roten Strom durch deinen Odem rollen,
Der Rausch, der dich den Göttern gleichgesellt,
Ist heilig - -

Maria Scholz (Ps. Maria Stona) (1861-1944)
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Gedicht der Woche Archiv 2013-2014

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