Deutsche Liebeslyrik - Gedicht der Woche Archiv

für das Jahr 2020

(die neuesten Gedichte oben)




Dein gedenk' ich!

Dein gedenk' ich, wenn der Morgen
Rosengleich im Ost erblüht;
Dein gedenk' ich, wenn am Abend
Eines Tages Herz verglüht.

Dein gedenk' ich, wenn ich schlummernd
Holden Träumen schwebe nach;
Dein gedenk' ich, wenn die Sterne
Über Menschen halten Wach.


Ludwig Gottfried Neumann (1813-1865)
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Weihnachten 2020

Wunderbarer Gnadenthron,
Gottes und Marien Sohn,
Gott und Mensch, ein kleines Kind,
das man in der Krippen findt,
großer Held von Ewigkeit,
dessen Macht und Herrlichkeit
rühmt die ganze Christenheit.

Du bist arm und machst zugleich
uns an Leib und Seele reich.
Du wirst klein, du großer Gott,
und machst Höll und Tod zum Spott.
Aller Welt wird offenbar,
ja auch deiner Feinde Schar,
daß du, Gott, bist wunderbar.

Laß mich deine Güt und Treu
täglich werden immer neu.
Gott, mein Gott, verlaß mich nicht
wenn mich Not und Tod anficht.
Laß mich deine Herrlichkeit,
deine Wundergütigkeit
schauen in der Ewigkeit.

Johann Olearius (1611-1684)
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Schweigen mit dir

Schweigen mit dir: das ist ein schönes Schwingen
von Engelsfittichen und Gottes Kleid
und süß, unsagbar sanftes Geigenklingen
verweht von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Schweigen mit dir: das ist verschwistert Schweifen
auf weißen Wegen und geliebtem Pfad
und Fühlen, wie sich Blut zu Blute reifen
und ranken will aus segensreicher Saat.

Schweigen mit dir: das ist der Schwalben Schwirren
um abendliche Türme sonnensatt
und Wonnig-Wissen, wenn wir uns verirren,
uns blüht gemeinsam doch die Ruhestatt.

Schweigen mit dir: das ist aus Schwachsein Schwellen
zu immer größrer Fülle, Form und Frucht,
ist Wärme von Kaminen, Hut in hellen,
verstohlnen Stuben, Bad in blauer Bucht.

Schweigen mit dir: so sicher singt das Sehnen
von Seele sich zu Seele wunderbar -
ich weiß mein Haupt in deinem Schoße lehnen
und deine Hände streicheln hold mein Haar!

Max Herrmann-Neiße (1886-1941)
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Liebesfrühling

Du fragst, wie's zugegangen,
Daß Lieb' uns überkam,
Und wie im Sturm gefangen
Dein Herz und meines nahm?

Hast du denn eingesehen,
Wie plötzlich über Nacht
Rings an den kahlen Höhen
Der Frühling ist erwacht?

Du kannst es nimmer sagen,
Wie Lenz so hold erblüht,
Und willst die Liebe fragen,
Warum dein Herz erglüht?

Wilhelm Schwartz (1816-1912)
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Und es ist doch Liebe ...

Was die Menschen sagen,
weiß ich alles schon,
aber was sie tragen,
flüstert kaum ein Ton.

Und es ist doch Liebe,
was zusammenhält,
die sonst sinnlos bliebe,
diese wirre Welt.

Richard von Schaukal (1873-1942)
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Alles, was ich habe ist dein

Alles, was ich habe ist dein.
Meine Gedanken und Handlungen tragen
deinen Stempel, die Lieder sagen
nur, was du trugest in mich hinein.
Von der Art, meine Hände zu falten
bis zur geringsten Alltäglichkeit
hab ich alles von dir erhalten,
hat dein Berühren mein Leben geweiht,
und so ist es nicht zu vermeiden
und du mußt mir gütig verzeihn,
vermag ich nicht immer zu unterscheiden
zwischen mein und dein.

Leonie Spitzer (1891-1940)
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Kußtempelchen

Der kleine Tempel wölbte rund
Sich zwischen Lindenästen,
Drin wir zu heller Mondesstund
Uns an die Lippen preßten.
Dein Äuglein flimmerte voll Licht,
Süß schimmerte dein Angesicht,
Indes mit Flammenküssen
Wir haben spielen müssen.

Der feine Busen wölbte rund
Sich zwischen Liebeshänden,
Als unsre Lippen sehnsuchtwund
Sich übten im Verschwenden.
Drei Monde darbten wir voll Not
Nach unsrer Liebe Zuckerbrot,
Indes wir traurig pickten,
Was wir uns brieflich schickten.

Nun lagen wir zuzweit allein
Und kannten kein Versagen,
Wir zechten unsern Feuerwein
Mit wonnigem Behagen.
Der Mond zog Wolkentücher vor,
Die Linden warf der Wind empor,
Indes in leisem Bogen
Zwei Fledermäuse flogen.

Karl Henckell (1864-1929)
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Erstes Liebeslied eines Mädchens

Was im Netze? Schau einmal!
Aber ich bin bange;
Greif ich einen süßen Aal?
Greif ich eine Schlange?

Lieb ist blinde
Fischerin;
Sagt dem Kinde,
Wo greifts hin?

Schon schnellt mirs in Händen!
Ach Jammer! o Lust!
Mit Schmiegen und Wenden
Mir schlüpfts an die Brust.

Es beißt sich, o Wunder!
Mir keck durch die Haut,
Schießt 's Herze hinunter!
O Liebe, mir graut!

Was tun, was beginnen?
Das schaurige Ding,
Es schnalzet da drinnen,
Es legt sich im Ring.

Gift muß ich haben!
Hier schleicht es herum,
Tut wonniglich graben
Und bringt mich noch um!

Eduard Mörike (1804-1875)
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Ghasele

Jedweden bittern Schmerz erfand die Liebe,
Und jede Qual des Busens bannt die Liebe.
Zum Eden schmückt die Liebe dir die Öde;
Dich treibt in Flucht von Land zu Land die Liebe.
Die Liebe hält dir mehr, als sie versprochen;
Zur Treue zwingt kein theures Pfand die Liebe.
Die Liebe wacht, d'rum schlummerst du so ruhig;
Gleich schleudert in dein Haus den Brand die Liebe.
Die Liebe haucht, und du bist neu geboren;
Dich tödtet mit der eh'rnen Hand die Liebe.
Die Liebe führt dich mild durch duft'ge Haine;
Mit blut'ger Faust stürzt dich vom Rand die Liebe.
Die Liebe floh dich spröd', als du sie suchtest;
Du flohst, und dir zur Seite stand die Liebe.
Die Liebe schenkt, wie's Fürsten nicht vermögen;
Dir weigert den geringsten Tand die Liebe.
Die Liebe weckt die Stürme, die dich treiben;
All deine Stürme überwand die Liebe.
Die Liebe lehrt dich wundersüße Lieder;
Mit Schweigen deine Zunge band die Liebe.
Zum Seher hat die Liebe dich begeistert;
Dir streut in's trübe Auge Sand die Liebe.
Es gibt und nimmt den Himmel und die Hölle,
Den Tod, das Leben, den Verstand die Liebe.

Franz Hermann von Hermannsthal (1799-1875)
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Auf die Frauen
Ode

Es hat die gütige Natur
Mit starkem Horn verseh'n den Ur;
Sie gab den Huf dem edlen Roß,
Und flinken Fuß der Hasen Troß;
Ein grimm'ger Rachen ward' dem Leu'n;
Die Fische können schwimmen fein;
Die Vögel fliegen himmelan,
Und hohen Muth empfing der Mann.
Nur für die Frauen hatte sie
Noch nichts. - Was nun empfingen die?
Es hat statt aller Wehr,
Statt Helm und Schild und Speer
Das Weib der Schönheit Prangen
Von der Natur empfangen;
Und Helm und Schild und Feu'r und Stahl
Besiegt ein schönes Weib zumal.

Anakreon (um 580 - 495 v. Chr.)

in der Übersetzung von
Otto Leonhard Heubner (1812-1893)
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Wünsche

Wenn mein Herz ein Täubchen wär',
Möcht' es Dir an's Fenster fliegen,
Sich in Deine Arme schmiegen,
Und sich schaukeln hin und her,
Wenn mein Herz ein Täubchen wär'.

Wär' mein Herz ein Frühlingshauch,
Möcht' es Dir die Wangen kühlen,
Mit den weichen Locken spielen,
Und Dich manchmal küssen auch,
Wär' mein Herz ein Frühlingshauch.

Wär' mein Herz ein Wiesenquell,
Möcht' es Dir zum Spiegel dienen,
Und Dein Bild, das strahlte d'rinnen,
Wie im Leben, rein und hell,
Wär' mein Herz ein Wiesenquell.

Wär' mein Herz ein Flötenlaut,
Möcht' es Dir im Schlummer tönen,
Deine Träume zu verschönen,
Alle Nächte süß und traut,
Wär' mein Herz ein Flötenlaut.

Wär' mein Herz ein Sternenlicht,
Möcht' es Trost Dir niederleuchten,
Wenn Dein Aug' die Thränen feuchten,
Und der Gram die Hoffnung bricht,
Wär' mein Herz ein Sternenlicht.

Wär' mein Herz ein Leichenstein,
Möcht' es still zum Himmel ragen,
Und die Grabschrift würde sagen:
"Auch dort oben bleib' ich Dein!"
Wär' mein Herz ein Leichenstein.

Vincenz Zusner (1803-1874)
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So wahr die Sonne scheinet

So wahr die Sonne scheinet,
So wahr die Wolke weinet,
So wahr die Flamme sprüht,
So wahr der Frühling blüht;
So wahr hab' ich empfunden,
Wie ich dich halt' umwunden:
Du liebst mich, wie ich dich,
Dich lieb' ich, wie du mich.
Die Sonne mag verscheinen,
Die Wolke nicht mehr weinen,
Die Flamme mag versprühn,
Der Frühling nicht mehr blüh'n!
Wir wollen uns umwinden
Und immer so empfinden:
Du liebst mich, wie ich dich;
Dich lieb ich, wie du mich.

Friedrich Rückert (1788-1866)
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Ewig ist die Liebe

Und wenn mich nachts das Sternenheer befällt,
Um mein Geheimnis still mir abzulauschen,
Dann fühl' ich, was mich ewig trägt und hält,
Dann hör' ich Gott mit seinem Mantel rauschen.

Gott hat die Welt in dunkle Nacht gehüllt,
Damit sich zeigt, was ewig dauernd bliebe:
Des Tages Wünsche sind im Schlaf gestillt -
Und sieh, auch selbst im Traum bleibt wach die Liebe.

Drum laß die Welten auf und niedergehn,
Laß Wetter dräuen, finster qualvoll, trübe:
Du wirst in alle Ewigkeit bestehn,
Denn Gott ist ewig, ewig ist die Liebe.

Gustav Kühne (1806-1888)
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Liebesglück

In jedes Haus, wo Liebe wohnt,
Da scheint hinein auch Sonn und Mond;
Und ist es noch so ärmlich klein,
So kommt der Frühling doch hinein.

Der Frühling schmückt das kleinste Haus
Mit frischem Grün und Blumen aus,
Legt Freud in Schüssel, Schrank und Schrein,
Gießt Freud in unsre Gläser ein.

Und wenn im letzten Abendrot
An unser Häuschen klopft der Tod,
So reichen wir ihm gern die Hand,
Er führt uns in ein bessres Land.

August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
(1798-1874)
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Liedchen

Wie jauchzt meine Seele
Und singet in sich!
Kaum daß ich's verhehle,
So glücklich bin ich.

Rings Menschen sich drehen
Und reden gescheut,
Ich kann nichts verstehen,
So fröhlich zerstreut. -

Zu eng wird das Zimmer,
Wie glänzet das Feld,
Die Täler voll Schimmer,
Weit, herrlich die Welt!

Gepreßt bricht die Freude
Durch Riegel und Schloß,
Fort über die Heide!
Ach, hätt' ich ein Roß! -

Und frag' ich und sinn' ich,
Wie so mir geschehn? -
Mein Liebchen herzinnig,
Das soll ich heut' sehn.

Joseph von Eichendorff (1788-1857)
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Es ist gut

Bei Mondeschein im Paradeis
Fand Jehova im Schlafe tief
Adam versunken, legte leis
Zur Seit ein Evchen, das auch entschlief.

Da lagen nun, in Erdenschranken,
Gottes zwei lieblichste Gedanken. -
Gut !!! rief er sich zum Meisterlohn;
Er ging sogar nicht gern davon.

Kein Wunder, daß es uns berückt,
Wenn Auge frisch in Auge blickt,
Als hätten wirs so weit gebracht,
Bei dem zu sein, der uns gedacht.
Und ruft er uns, wohlan, es sei!
Nur, das beding ich, alle zwei.
Dich halten dieser Arme Schranken,
Liebster von allen Gottes-Gedanken.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Andenken

Ich denke dein,
Wenn durch den Hain
Der Nachtigallen
Akkorde schallen!
Wann denkst du mein?

Ich denke dein
Im Dämmerschein
Der Abendhelle
Am Schattenquelle!
Wo denkst du mein?

Ich denke dein
Mit süßer Pein
Mit bangem Sehnen
Und heißen Tränen!
Wie denkst du mein?

O denke mein,
Bis zum Verein
Auf besserm Sterne!
In jeder Ferne
Denk ich nur dein!

Friedrich von Matthisson (1761-1831)
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Du leuchtest licht

Du leuchtest licht
Vom Feuer meiner Liebe;
Ich glühe heiß
Von deiner Liebe Gluth; -
Du bist die Well'
Mit blitzendem Getriebe;
Ich bin das Meer
Mit hoher Wogenfluth. -
Dein lichter Schein
Erleuchtet hell mein Leben;
Mein heißes Glüh'n
Erwärmt dein treues Blut;
Dein Liebgewog'
Erquickt mein Herz mit Beben.
Und dich umjauchzt
Mein Herz mit Liedesfluth!

Hermann Rollett (1819-1904)
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Deine Küsse, deine Brüste, deine Arme

Deine Küsse, deine Brüste, deine Arme
Pressen noch lüstewarm meinen Leib.
Dein Blut, dein Fleisch
Ruht noch lüstewarm an mir.
Meine Schritte schallen,
Meine Schritte fallen härter von Stein zu Stein,
Die Erde nimmt mich in ihre Mitte,
Verwundert fällt es mir ein:
Wir lagen draußen im Weltenraum,
Wir beide allein.

Max Dauthendey (1867-1918)
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Alle Birken grünen ...

Alle Birken grünen in Moor und Heid,
Jeder Brahmbusch leuchtet wie Gold,
Alle Heidlerchen dudeln vor Fröhlichkeit,
Jeder Birkhahn kullert und tollt.

Meine Augen, die gehen wohl hin und her
Auf dem schwarzen, weißflockigen Moor,
Auf dem braunen, grünschäumenden Heidemeer
Und schweben zum Himmel empor.

Zum Blauhimmel hin, wo ein Wölkchen zieht
Wie ein Wollgrasflöckchen so leicht,
Und mein Herz, es singt sein leises Lied,
Das auf zum Himmel steigt.

Ein leises Lied, ein stilles Lied
Ein Lied, so fein und lind,
Wie ein Wölkchen, das über die Bläue zieht,
Wie ein Wollgrasflöckchen im Wind.

Hermann Löns (1866-1914)
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Aus: Schir Haschirim
dem Hohen Lied Salomos

SALOMO:
Schön bist du, Sulamith. Ja, du bist schön,
Denn deine Augen blicken sanft wie Tauben.
Wie Ziegenherden, die zur Weide gehn,
Sind deiner Flechten schwarze Lockentrauben.

Wie weiße Lämmer, die der Flut entsteigen,
So blitzen lachend deine Perlenzähne.
Die Lippen sind Rosinen. Balsamfeigen
Sind deine Küsse, o du Tausendschöne!

Die Wangen glühen purpurn wie Granaten
An deinem Halse wie an Davids Zinnen
Da sprüht's von tausend funkelnden Zieraten,
Die Brüste schimmern schneeiger denn Linnen.

Des Libanon zerklüftet Felsenritzen
Verlasse und des Hermon rauhe Höh'n.
Mich hat bezwungen deiner Augen Blitzen,
Schön bist du, Sulamith, ja du bist schön.

Wie ein versperrter Garten lockst du prangend,
Wie's Brünnlein, das der Felssturz hat verschlossen.
Ein Apfelbaum, an dem der Safran rankend,
Erglüht von würz'gem Nardenduft umflossen.

Blas', Nordwind, blas' durch meinen Zaubergarten
Und weh' vom Baum den Kirschenblütenregen;
Auf meine Allerliebste will ich warten,
Drum streue Blumen auf den grünen Wegen!

Hugo Zuckermann (1881-1914)
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O blick' mich an!

O blick' mich an
Mit dem Aug' deiner Milde!
O ruh' auf mir
Mit dem Blick deiner Treue!

O glüh' in mich
Mit der Gluth deiner Liebe,
Und heb' mich empor
Mit der Flamm' deiner Lust!

Es tönt ja dafür
Dir ein Klang meiner Milde!
Es weht ja dafür
Dir ein Hauch meiner Liebe!

Es flammt ja dafür
Dir ein Lied meiner Treue!
Es hebt dich empor
Ein Gesang meiner Lust!

Hermann Rollett (1819-1904)
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Lied

Wenn du dein Haupt
Zur Brust mir neigst
Und die Hände mir fassest
Und stehst und schweigst -

Wenn mir dein Hauch
Die Stirn umweht,
Dann überkommt es mich
Wie Gebet.

Mir ist, der Himmel
Sehe darein
Und es müsse sein Segen
Mit uns sein.

Hermann Oelschläger (1839-1908)
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Ewige Liebe

O wüsste ich nicht, dass die Sterne verbluten,
O wär es nicht wahr, dass die Sonne lischt,
O dürft ich Dich lieben mit flammenden Gluten,
Ach, und sie stürben, sie stürben nicht!

O könntest Du bleiben, o könntest Du weilen,
O liessest Du niemals mich, nie allein,
O dürfte ich ewigen Traum mit Dir teilen,
O dürftest Du ewig mein eigen sein!

Hugo Ball (1886-1927)
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Deine Schönheit ist meine Harfe

Auf den Apfelbäumen ist ein rosiges Gedränge,
Die Blüten sind weich wie dein Nacken
Und rund wie deine Wangen;
Die Apfelbäume haben es von dir gelernt,
Sich süß zu schmücken, sie verlernen es nie mehr.

Deine Schönheit ist meine Harfe,
Du bist unendlich schön, mein Lied sei ohne Ende.
Du schlägst die Wimpern nieder,
Sie sind mir eine neue Brücke in dein Herz.

Max Dauthendey (1867-1918)
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LIEBESLIED

Dein Mund, der schön geschweifte,
Dein Lächeln, das mich streifte,
Dein Blick, der mich umarmte,
Dein Schoß, der mich erwarmte,
Dein Arm, der mich umschlungen,
Dein Wort, das mich umsungen,
Dein Haar, darein ich tauchte,
Dein Atem, der mich hauchte,
Dein Herz, das wilde Fohlen,
Die Seele unverhohlen,
Die Füße, welche liefen,
Als meine Lippen riefen -:
Gehört wohl mir, ist alles meins,
Wüßt nicht, was mir das liebste wär,
Und gäb nicht Höll noch Himmel her:
Eines und alles, all und eins.

Klabund (1890-1928)
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Du meiner Seele schönster Traum

Du meiner Seele schönster Traum!
Du meiner schönsten Träume Seele!
Du Herz, dem ich mein Heil befehle!
Du Heil, wie ich es ahnte kaum!

Du meines Lebens schönstes Lied!
Du schönes Leben meiner Lieder!
Aus Lied und Leben klingen wieder,
Was deine Liebe mir beschied.

Du meines Lenzes Blüt' und Duft!
Du Lenz, dem reich mein Herz erblühet!
Du Stern, der mir am Himmel glühet,
Mein Himmel du voll Glanz und Luft!

O laß um deine Stirne gern
Der Liebe Glorie mich weben,
Mein Himmel du, mein Lenz, mein Leben!
Mein Heil, o du mein Lied, mein Stern!

Peter Cornelius (1824-1874)
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Du meines Herzens . . .

Du meines Herzens selige Rast,
Du meiner Seele süße Ruhe,
Ich nahe dir, ein müder Gast,
Nach dieses Tages Lärm und Hast,
Daß mir dein Händchen Liebe tue.

Daß es mich streichle sanft und lind
Und still sich biete meinen Küssen,
Daß alle Sterne, gutes Kind,
Die über unsern Häuptern sind,
In lichter Reinheit lächeln müssen.

Und daß in dieser hellen Nacht
Der Himmel näher rück' zur Erde,
Und daß ein leuchtend Glück erwacht
Und daß ich dann in Glanz und Pracht
Zum König allen Lichtes werde.

Leo Heller (1876-1949)
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O stille dies Verlangen!

O stille dies Verlangen,
Stille die süße Pein!
Zu seligem Umfangen
Laß den Geliebten ein!
Schon liegt die Welt im Traume,
Blühet die duft'ge Nacht;
Der Mond im blauen Raume
Hält für die Liebe Wacht.
Wo zwei sich treu umfangen,
Da giebt er den holdesten Schein.
O stille dies Verlangen,
Laß den Geliebten ein!

Du bist das süße Feuer,
Das mir am Herzen zehrt;
Lüfte, lüfte den Schleier,
Der nun so lang' mir wehrt!
Laß mich vom rosigen Munde
Küssen die Seele dir,
Aus meines Busens Grunde
Nimm meine Seele dafür -
O stille dies Verlangen,
Stille die süße Pein,
Zu seligem Umfangen
Laß den Geliebten ein!

Die goldnen Sterne grüßen
So klar vom Himmelszelt,
Es geht ein Wehn und Küssen
Heimlich durch alle Welt,
Die Blumen selber neigen
Sehnsüchtig einander sich zu,
Die Nachtigall singt in den Zweigen -
Träume, liebe auch du!
O stille dies Verlangen,
Laß den Geliebten ein!
Von Lieb' und Traum umfangen
Wollen wir selig sein.

Emanuel Geibel (1815-1884)
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Versunken

Voll Locken kraus ein Haupt so rund! -
Und darf ich dann in solchen reichen Haaren
Mit vollen Händen hin und wider fahren,
Da fühl ich mich von Herzensgrund gesund.
Und küß ich Stirne, Bogen, Auge, Mund,
Dann bin ich frisch und immer wieder wund.
Der fünfgezackte Kamm, wo sollt er stocken?
Er kehrt schon wieder zu den Locken.
Das Ohr versagt sich nicht dem Spiel,
Hier ist nicht Fleisch, hier ist nicht Haut,
So zart zum Scherz, so liebeviel!
Doch wie man auf dem Köpfchen kraut,
Man wird in solchen reichen Haaren
Für ewig auf und nieder fahren.
So hast du, Hafis, auch getan,
Wir fangen es von vornen an.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
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Siesta

Lieb, o lieb war die Nacht
Mitten am hellen Tag,
Als wir die Läden geschlossen,
Als durch die schützenden Sprossen
Goldige Dämmerung brach.

Kühl, o kühl war der Saal,
Drinnen die Welt uns verging,
Da wir in seligem Schmachten
Wandelten, flüsterten, lachten,
Bis uns der Schlummer umfing.

Süß, o süß war der Traum,
Herz am Herzen geträumt!
Über uns schwebend im Kreise
Flattert’ ein Schmetterling leise,
Dunkel die Schwingen umsäumt.

Paul Heyse (1830-1914)
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Maiwonne

Denkst du der Stunde, als zu Zweien
Wir saßen unter duft'gen Maien
Im Brautgemache der Natur?
Als Lippe wir an Lippe drückten,
Indessen über den Beglückten
Der Frühling im Triumphzug fuhr?

Die Wipfel bog er uns zu Häupten,
Hernieder von den Zweigen stäubten
Die Blüthen unter seinem Hauch;
Ihm tönte in den Laubenhallen
Das Feierlied der Nachtigallen,
Ihm quoll der Düfte Opferrauch.

Der Himmel jauchzte in Gewittern,
Durch alle Räume ging ein Zittern
Der Liebe und der Werdelust;
Allein die große Jubelfeier
Verstummte vor der Wonne Zweier,
Die selig ruhten Brust an Brust.

O Stunde, ewig unvergessen
Das weite Weltall mögt ihr messen,
Bis wo in Schwindel zagt der Blick,
Doch wenn zwei Wesen ihre Seelen
Im ersten heil'gen Kuß vermählen,
Wo ist ein Maß für solches Glück?

Sie beben stumm und freudetrunken,
Die Erde scheint um sie versunken,
Hinweggeschwunden Raum und Zeit,
Und von der Welt ist nichts geblieben,
Als nur zwei Herzen, die sich lieben,
Allein in der Unendlichkeit.

Adolf Friedrich von Schack(1815-1894)
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Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen.

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen.

Heinrich Heine (1797-1856)
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Die Küße

Des Freundes Zunge sprach zu der Geliebten Lippen:
Was ist's, das, mich zu bannen, euch bewegt?
Laßt mich nur Einmal euren Nektar nippen!
Ich bin ein Pfeil der keine Wunde schlägt.
Ich bin beredt, ich lisple Huldigungen,
Ich fleh' um Gunst und innigen Verein;
Und das vermag ich auch allein.
Doch das Gekose schwesterlicher Zungen,
Die, insgeheim, sich liebevoll umschlungen,
Wird überschwenglicher als alle Worte sein:
Es athmet Flammen und entzückte Pein.

August Wilhelm von Schlegel (1767-1845)
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Gebet

Aber dennoch ist erlaubt
Eine Bitte.
Vater, der du Alles hast,
Gieb mir Liebe!

Spende Andern Ruhm und Gold,
Ehrenkreuz und Ehrensold,
Jeden Segen
Ihren Wegen!
Vater, der du Alles hast,
Mir gieb Liebe!

Karl Immermann (1796-1840)
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Liebeslied

Küsse mich - küß mich lang und heiß,
Bis dies Herz, dies wild erregte,
Dies von Sorgen dumpf bewegte,
Wie von Lethes Fluten trunken
Tief in deinen Schoß gesunken,
Nichts von Qual und Sorgen weiß -
Küß mich lang - küß mich heiß!

Küsse mich - küß mich lang und süß;
Aus der Ruh', die du gegeben,
Wecke wieder mich zum Leben,
Daß ich wachend, Stund' auf Stunde,
Leben trinke dir vom Munde,
Du mein Erdenparadies -
Küß mich lang - küß mich süß!

Küsse mich - küß mich immerdar,
Daß, wie Lipp' auf Lippe schließet,
Dasein ganz in Dasein fließet,
Ewigkeit den Bund uns segne,
Kein Verlieren uns begegne -
Nimmer Trennung - nimmerdar -
Küß mich immerdar.

Ernst von Wildenbruch (1845-1909)
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An Sie

Ich denke dein, wenn der Erinnrung Freude
Melodisch mir wie ferner Nachhhall tönt,
Wenn sich die Gegenwart im Blütenkleide
Bei Träumen der Vergangenheit verschönt!

Ich denke dein, wenn Morgengold die Fluren
Im leisen Frühlingswehen überfließt,
Wenn die betauten, feiernden Naturen
Der Schlummergott in seine Arme schließt.

Ich denke dein, wenn für die Seligkeiten
Der Liebe, für die heil'ge Sympathie
Aëdons Jubellied des Herzens Saiten
Bewegt und stimmt mit lieblicher Magie.

Und wenn die Einsamkeit mit stillen Freuden,
Mit reiner Lust mein Herz und Auge füllt;
O dann umwallt mich unter Pappelweiden
Stets gegenwärtiger dein schönes Bild.

Dein Blick erheitert dann mir, wie ein Funken
Von Götterlicht, des Daseins dunkeln Traum,
In Sehnsucht und geheimer Lust versunken,
Weilt sanft mein Aug' am Lebensblütenbaum.

O, laß mich ruh'n in dieses Baumes Kühle,
Mich tauchen in der Liebe Ätherglut,
Und ungetrübt im heiligen Gefühle
Ergieße sich des Lebens stille Flut!

Christian Gottfried Heinrich Burdach (1775-1823)
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Mein Alles

Was der Frühling jeder Zone,
Was die Blüte jedem Strauch,
Was die Harmonie dem Tone,
Was dem Vöglein Liederbrauch -
Das bist Du mir!

Was dem Tage seine Sonne
Und was Stern' und Mond der Nacht,
Was der Andacht - Betens Wonne,
Was dem Herrscher - Weltenmacht, -
Das bist Du mir!

Mit Dir preis' ich meine Lenze,
Mit Dir freut die Blume mich,
Mit Dir schlingen frohe Tänze,
Lied und Klang durch's Leben sich -
Nicht ohne Dich!

Mit Dir jauchze ich den Tagen
Und den Nächten Hymnen zu.
Mit Dir möcht ich Alles wagen -
Ging' mit Dir dem Grabe zu -
Nicht ohne Dich!

Mehr noch als ein Held im Ruhme
Weckst Du Thaten und Verehrung.
Du bist, was dem Heiligthume
Seine herrlichste Verklärung -
Das bist Du mir,
Ich bin's in Dir!

Ludwig Foglar (1819-1889)
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Die Liebe

Wenn ihr Freunde vergeßt, wenn ihr die Euern all,
O ihr Dankbaren, sie, euere Dichter schmäht,
Gott vergeb es, doch ehret
Nur die Seele der Liebenden.

Denn o saget, wo lebt menschliches Leben sonst,
Da die knechtische jetzt alles, die Sorge, zwingt?
Darum wandelt der Gott auch
Sorglos über dem Haupt uns längst.

Doch, wie immer das Jahr kalt und gesanglos ist
Zur beschiedenen Zeit, aber aus weißem Feld
Grüne Halme doch sprossen,
Oft ein einsamer Vogel singt,

Wenn sich mählich der Wald dehnet, der Strom sich regt,
Schon die mildere Luft leise von Mittag weht
Zur erlesenen Stunde,
So ein Zeichen der schönern Zeit,

Die wir glauben, erwächst einziggenügsam noch,
Einzig edel und fromm über dem ehernen,
Wilden Boden die Liebe,
Gottes Tochter, von ihm allein.

Sei gesegnet, o sei, himmlische Pflanze, mir
Mit Gesange gepflegt, wenn des ätherischen
Nektars Kräfte dich nähren,
Und der schöpfrische Strahl dich reift.

Wachs und werde zum Wald! eine beseeltere,
Vollentblühende Welt! Sprache der Liebenden
Sei die Sprache des Landes,
Ihre Seele der Laut des Volks!

Friedrich Hölderlin (1770-1843)
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Glück

Wie der Lilie zarter Stengel
In des Zephyrs lindem Weh'n
Neigst du dich - ein holder Engel -
Lächelnd meinem Liebesfleh'n ...

Und ich lege dir zu Füßen
All' mein Sein in einem Wort:
Leis' die trunk'nen Seelen grüßen
Sich in himmlischem Accord ...

Wilhelm Arent (1864-?)
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Liebe

Die Lieb' ist eine Blume
Im Paradies erblüht, -
Ein lichter Traum, der wonnig
Das Menschenherz durchglüht.

Die Lieb' ist ein Gedanke
Der Gottheit, groß und schön, -
Und wer ihn denkt, kann muthig
Dem Tod in's Auge seh'n.

Victor Ludwig Eduard von Cambecq (1833-1854)
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Sprechen oder Küssen?

Er
Es ist mein Herz von Zweifeln voll,
Die mich betrüben müssen:
Ich weiß nicht, was ich wünschen soll,
Dein Sprechen oder dein Küssen?

Das kleinste Wörtchen, das du sprichst,
Es klingt wie Engelsgrüßen:
Doch wenn du, Schatz, dein Schweigen brichst,
So kannst du leider nicht küssen.

Wie kann dein feurig Küssen mir
Den herbsten Schmerz versüßen!
Doch fehlt, Geliebte, wieder dir
Der Sprache Zauber beim Küssen.

Wer sagt mir, wen ich missen soll
Von zweien Hochgenüssen?
O lehrte dich der Gott Apoll
Die Kunst, mich sprechend zu küssen!

Sie
Wie du so kalt vernünfteln kannst,
Ich weiß es kaum zu fassen;
Erst wenn die Kälte du verbannst,
Wird auch der Zweifel dich lassen.

Wir sind ein andrer Menschenschlag,
Wir Mädchen fühlen wärmer:
Was auch dein Wort verkünden mag,
An Freude macht es mich ärmer.

Ach träge schleicht ein Redefluß
Durch lieber Lippen Pforte;
Der beste Redner ist ein Kuß,
Was noch bedarf es der Worte?

O Kuß, du heißest wohl mit Grund
Ein Trauring zweier Seelen:
Wer kann wie du zu festem Bund
Das Herz dem Herzen vermählen?

Andreas Ludwig Jeitteles (1799-1878)

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Es singt so süß die Nachtigall

Es singt so süß die Nachtigall,
Wenn sich der Tag zu Ende neigt,
Wenn sich verloren jeder Schall,
Und Alles ruht, und Alles schweigt.

Der Wind kühl durch die Trauben weht
Vom duftenden Hollunderbaum,
Darunter eine Rose steht,
Sie träumt den ersten Liebestraum.

Vom Baume tönt's wie Sehnsuchtslaut,
Die rote Rose bebt und lauscht,
Bis sie von Thränen ganz bethaut,
Bis sie von Liebe ganz berauscht.

Max Kalbeck (1850-1921)
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Aus der Ferne

Wann denkst Du mein?
Wenn wunderherrlich aufgeblüht,
Im reichsten Frühlingsglanz,
Die Erde Dir entgegenglüht?

Wann denkst Du mein?
So oft ein wehmuthsvolles Lied,
Durch frohen Stundentanz,
Mit Sturmesmacht zu Dir hinzieht?

Denkst Du wohl mein?
Wenn laute Freude Dich umschließt?
Wenn Jubelharmonie
Beglückend auf Dich niederfließt?

Wann denkst Du mein?
Am frühen Tag, in später Nacht,
Schließt sich Dein Auge nie?
Bevor Dein Herz an mich gedacht?

Ludwig Foglar (1819-1889)
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Liebe

Es ist ein Glück zu wissen,
daß du bist,
Von dir zu träumen
hohe Wonne ist,
Nach dir sich sehnen
macht zum Traum die Zeit,
Bei dir zu sein,
ist ganze Seligkeit.

Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
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An eine Unbekannte

Sonett VII.
Nicht wie ein Lichtstrahl, was ich auch gesprochen,
Traf mich dein Blick in seinem sel'gen Prangen;
Nicht wie die Blume hab' ich ihn empfangen,
Nicht wie der Spiegel, klar und ungebrochen:

Er hat mir, wie ein Pfeil, in's Herz gestochen,
Dass hoch empor des Blutes Säulen sprangen;
Nun stammelt mein Gesang in Lust und Bangen,
Und in den Schläfen fühl' ich's fiebernd pochen.

Nun aber werfe ich vor dir mich nieder
Und küsse dein Gewand mit heissem Munde,
Und betend schling' ich mich um deine Glieder:

Gieb, gieb, dass nimmermehr dies Herz gesunde!
Den Frieden, den du nahmst, gieb mir nicht wieder!
Zieh' nicht den Pfeil aus meiner süssen Wunde!

Siegfried Lipiner (1856-1911)
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Zwei Menschen

Stirn gegen Stirn
drängt wuchtender Pulsschlag -
taumeln zwei Menschen
im Meer ihres Willens.
Not flutet Brandung,
bis zum Horizont
kein Ziel ferner Landung.
Äther blüht, blaue Blume,
über ihrem Heiligthum.
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Helle

In dir ist mein Anfang, in dir ist mein Ende,
in dir ist der Gleichklang zu all meinem Tun.
Was in mir erwacht, begehrt deiner Hände,
daß auf dem Vollendenden sie segnend ruhn.
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Blühen erwacht.
Eros spricht:
Liebe
zeugt in der Nacht
des Lebendigen
innerste Weisheit:
Licht.

Oscar Ludwig Brandt
(1889 in Köln - 1943 im Konzentrationlager Ausschwitz)
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O, Mann?

Die lieben Augen sind's! die blonden Härchen!
Die vollen Wangen mit den runden Grübchen! -
Du bist mir nah und doch so fern, o Liebchen,
Wir wandeln einsam, ein getrenntes Pärchen

- Dem Himmel sei's geklagt! - schon manches Jährchen! -
Gott Amor lacht uns aus, das lose Bübchen! -
Wann kommt der Tag, wo ich im eig'nen Stübchen
Dich froh als Braut umfange, liebes Clärchen?

Wann seh ich dich im leichten Morgenhäubchen
Geschäftig in der Küche, holdes Püppchen,
Zu kochen mir ein kräftig gutes Süppchen?

Wann küss' ich dir dein wirthschaftliches Händchen
Und sage: Sieh, hier fehlt mir noch ein Bändchen,
Ein Knöpfchen hier! - Näh' mir es an, mein Täubchen!?

Max Kalbeck (1850-1921)
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Ich denk' an dich . . .

Ich denk' an dich,
Wenn golden auf die Sonne geht
Und fröhlich jeder Vogel singt;
Wenn mir im Aug' die Thräne steht
Und Niemand einen Gruß mir bringt,
Denk' ich an dich.

Ich denk' an dich,
Wenn langsam lang der Tag verstreicht
Und traurig jede Stund' verfließt;
Wenn bleicher meine Wange bleicht
Und stummer Schmerz die Lippe schließt,
Denk' ich an dich.

Ich denk' an dich,
Wenn düster dann der Abend nah't
Und dämmernd Berg und Wald verschwimmt;
Wenn mir auf einsam stillen Pfad
Die Sehnsucht jede Ruhe nimmt,
Denk' ich an dich.

Ich denk' an dich,
Wenn niedersinkt die schwarze Nacht
Und Alles, Alles schlafend ruh't;
Wenn thränenlos mein Auge wacht
Und heiß im Herzen wogt das Blut,
Denk' ich an dich.

Ich denk' an dich
An jedem Ort und alle Zeit,
So lang' mein zitternd Herz noch schlägt,
So lang, bis man im Todtenkleid
Mich in der Fremd' zu Grabe trägt,
Denk' ich an dich.

Heinrich von Reder (1824-1909)
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Du meines Herzens . . .

Du meines Herzens selige Rast,
Du meiner Seele süße Ruhe,
Ich nahe dir, ein müder Gast,
Nach dieses Tages Lärm und Hast,
Daß mir dein Händchen Liebe tue.

Daß es mich streichle sanft und lind
Und still sich biete meinen Küssen,
Daß alle Sterne, gutes Kind,
Die über unsern Häuptern sind,
In lichter Reinheit lächeln müssen.

Und daß in dieser hellen Nacht
Der Himmel näher rück' zur Erde,
Und daß ein leuchtend Glück erwacht
Und daß ich dann in Glanz und Pracht
Zum König allen Lichtes werde.

Leo Heller (1876-1949)
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Zum neuen Jahr

Wie heimlicher Weise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füßen
Die Erde betritt,
So nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
Ein heilig Willkommen,
Ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!

In Ihm sei's begonnen,
Der Monde und Sonnen
An blauen Gezelten
Des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, dir in die Hände
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt!

Eduard Mörike (1804-1875)
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